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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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suchten es freilich, aber ohne Erfolg. Gustav Wasa verfuhr in allem, was den
Glauben und den Kultus anbetrifft, sehr schonend in Finnland, griff jedoch in die
Wirtschaft der Kirche mit sehr fester Hand ein. Forseti berechnet ("Die innere
Geschichte Schwedens von Gustav dem Ersten an"), daß der König in Finnland
601 Kirchengüter als Kroneigentum einziehen ließ, wozu noch mehrere "unchristliche
Kirchenberaubungen" kamen.nämlich Beschlagnahme derWertsachen und Schmuckstücke.

Gustav Wasa selbst zog während seines Krieges gegen die Russen im Herbst 1555
nach Finnland, wo er Helsingfors, Borga, Wiborg und andere Orte besuchte und
sich im Jahre darauf nach Aland begab. Die Zahl der von ihm über Finnlands
Negierung ausgefertigten Briefe ist bedeutend, und tief drangen die guten Wir¬
kungen seines kraftvollen Regimentes in Schweden auch in Finnland ein.

Während der Kriege, die sein Sohn Johann der Dritte mit Rußland führte,
hatten die Bewohner Finnlands viele Leiden zu erdulden, nicht zum wenigsten
durch die schlechte Disziplin der Soldatenhorden, deren Mangel an Manneszucht
oft mit zügelloser Wildheit vereint war, worüber Schybergson allerlei zu vermelden
weiß. Dann kam es wieder zu inneren Streitigkeiten in Schweden, als Herzog
Karl, später Karl der Neunte, Gustav Wasas jüngster Sohn, gegen den katholischen
König Sigismund auftreten mußte. Der Kampf berührte in seinen Rückwirkungen
auch Finnland, wo zuerst Klas Fleming, später aber Arvid Stalarm die Partei
des Königs ergriffen. Der schließliche Sieg Karls über den nach Polen fliehenden
Sigismund hat sowohl Finnland wie Schweden großen Nutzen gebracht. Die
Reichseinheit und die Ruhe wurden wieder hergestellt, und zugleich fand sich nun Zeit
zur Durchführung innerer Reformen. Die Reformation war auch gerettet für immer.

Das bisher über Schwedens und Finnlands gemeinsame Geschicke Angedeutete
mag, wie so manches andere in der Weltgeschichte, meistens wie ein endloses Ge¬
zänke ohne Sinn erscheinen, worin der Kampf gegen Nußland den schrillsten Ton
darstellt. Doch das auf geschichtliche Ereignisse fallende Licht kommt gewöhnlich
aus der Zukunft. Die herannahende Großmachtszeit des schwedischen Reiches
unter Gustav Adolf bedürfte zu ihrer Weltmission auf deutschem Boden einer
breiten Operationsbasis, deren Flanken sowohl im Osten gegen Rußland und Polen
wie auch im Westen gegen Dänemark völlig gesichert waren. Durch seine kraft¬
vollen Könige Gustav Wasa und Karl dem Neunten nahm Schweden eine Stellung
kühner Bereitschaft zu dem Entscheidungskampfe zwischen Luthertum und Katho¬
lizismus ein, welche Gustav Adolf später gut ausnutzen sollte.

Die große weltgeschichtliche Aufgabe Schwedens, und damit auch Finnlands,
war vorbereitet, ohne daß es sich vielleicht auch nur ein einziger Mensch in beiden
Ländern klarmachte. Die Geschichte teilt mit anderen Dramen das Los, daß man
sie sich nicht aus ihrem ersten Akte, sondern erst aus einem späteren erklären kann.

Durch die beständigen Fehden an der Ostgrenze Finnlands zwischen dem
schwedischen und dem russischen Reiche bis zu Gustav Adolfs stegreichem Frieden
zu Stolboda im Jahre 1617 wurde Finnland zu einem kräftigen Bollwerk gegen
die aus Osten drohende Gefahr. Es wurde der Kulturschutz gegen Gewalt und
Barbarei, weil seine Kultur höher stand als die vou Osten her andrängende.
Nyslott, Wiborg, Kexholm und Ladoga bedeuteten strategische Stützpunkte von
großem Gewichte beim Anlegen und Aufrechterhalten der Flankenstellung Schwedens
gegen Osten, während Gustav Adolf seine große Mission in Deutschland aus¬
führte. Schwer mußte Finnland unter diesen beständigen Kämpfen mit dem
russischen Nachbarn leiden, aber es hielt durch und zeigte, daß es geistig mit abend¬
ländischer Kultur verknüpft war. Die zwischen Schweden und Finnland vor¬
kommenden Zwistigkeiten konnten manchmal recht arg sein, hingen aber oft eng
mit den inneren Streitigkeiten des ersteren Landes zusammen.

Die Gemeinsamkeit, die trotz aller wechselnden Geschicke noch heute das
schwedische Volk und das finnische als Vertreter einundderselben Kultur dastehen
läßt, erhielt ihr stärkstes Band durch Gustav Adolfs Hand. Als er im Jahre 1617
in Verbindung mit der Beendigung des russischen Krieges Finnland zum zweitenmal
besuchte, ließ der große König das finnische Volk an einer Begebenheit teilnehmen,


<La Blick auf Finnland

suchten es freilich, aber ohne Erfolg. Gustav Wasa verfuhr in allem, was den
Glauben und den Kultus anbetrifft, sehr schonend in Finnland, griff jedoch in die
Wirtschaft der Kirche mit sehr fester Hand ein. Forseti berechnet („Die innere
Geschichte Schwedens von Gustav dem Ersten an"), daß der König in Finnland
601 Kirchengüter als Kroneigentum einziehen ließ, wozu noch mehrere „unchristliche
Kirchenberaubungen" kamen.nämlich Beschlagnahme derWertsachen und Schmuckstücke.

Gustav Wasa selbst zog während seines Krieges gegen die Russen im Herbst 1555
nach Finnland, wo er Helsingfors, Borga, Wiborg und andere Orte besuchte und
sich im Jahre darauf nach Aland begab. Die Zahl der von ihm über Finnlands
Negierung ausgefertigten Briefe ist bedeutend, und tief drangen die guten Wir¬
kungen seines kraftvollen Regimentes in Schweden auch in Finnland ein.

Während der Kriege, die sein Sohn Johann der Dritte mit Rußland führte,
hatten die Bewohner Finnlands viele Leiden zu erdulden, nicht zum wenigsten
durch die schlechte Disziplin der Soldatenhorden, deren Mangel an Manneszucht
oft mit zügelloser Wildheit vereint war, worüber Schybergson allerlei zu vermelden
weiß. Dann kam es wieder zu inneren Streitigkeiten in Schweden, als Herzog
Karl, später Karl der Neunte, Gustav Wasas jüngster Sohn, gegen den katholischen
König Sigismund auftreten mußte. Der Kampf berührte in seinen Rückwirkungen
auch Finnland, wo zuerst Klas Fleming, später aber Arvid Stalarm die Partei
des Königs ergriffen. Der schließliche Sieg Karls über den nach Polen fliehenden
Sigismund hat sowohl Finnland wie Schweden großen Nutzen gebracht. Die
Reichseinheit und die Ruhe wurden wieder hergestellt, und zugleich fand sich nun Zeit
zur Durchführung innerer Reformen. Die Reformation war auch gerettet für immer.

Das bisher über Schwedens und Finnlands gemeinsame Geschicke Angedeutete
mag, wie so manches andere in der Weltgeschichte, meistens wie ein endloses Ge¬
zänke ohne Sinn erscheinen, worin der Kampf gegen Nußland den schrillsten Ton
darstellt. Doch das auf geschichtliche Ereignisse fallende Licht kommt gewöhnlich
aus der Zukunft. Die herannahende Großmachtszeit des schwedischen Reiches
unter Gustav Adolf bedürfte zu ihrer Weltmission auf deutschem Boden einer
breiten Operationsbasis, deren Flanken sowohl im Osten gegen Rußland und Polen
wie auch im Westen gegen Dänemark völlig gesichert waren. Durch seine kraft¬
vollen Könige Gustav Wasa und Karl dem Neunten nahm Schweden eine Stellung
kühner Bereitschaft zu dem Entscheidungskampfe zwischen Luthertum und Katho¬
lizismus ein, welche Gustav Adolf später gut ausnutzen sollte.

Die große weltgeschichtliche Aufgabe Schwedens, und damit auch Finnlands,
war vorbereitet, ohne daß es sich vielleicht auch nur ein einziger Mensch in beiden
Ländern klarmachte. Die Geschichte teilt mit anderen Dramen das Los, daß man
sie sich nicht aus ihrem ersten Akte, sondern erst aus einem späteren erklären kann.

Durch die beständigen Fehden an der Ostgrenze Finnlands zwischen dem
schwedischen und dem russischen Reiche bis zu Gustav Adolfs stegreichem Frieden
zu Stolboda im Jahre 1617 wurde Finnland zu einem kräftigen Bollwerk gegen
die aus Osten drohende Gefahr. Es wurde der Kulturschutz gegen Gewalt und
Barbarei, weil seine Kultur höher stand als die vou Osten her andrängende.
Nyslott, Wiborg, Kexholm und Ladoga bedeuteten strategische Stützpunkte von
großem Gewichte beim Anlegen und Aufrechterhalten der Flankenstellung Schwedens
gegen Osten, während Gustav Adolf seine große Mission in Deutschland aus¬
führte. Schwer mußte Finnland unter diesen beständigen Kämpfen mit dem
russischen Nachbarn leiden, aber es hielt durch und zeigte, daß es geistig mit abend¬
ländischer Kultur verknüpft war. Die zwischen Schweden und Finnland vor¬
kommenden Zwistigkeiten konnten manchmal recht arg sein, hingen aber oft eng
mit den inneren Streitigkeiten des ersteren Landes zusammen.

Die Gemeinsamkeit, die trotz aller wechselnden Geschicke noch heute das
schwedische Volk und das finnische als Vertreter einundderselben Kultur dastehen
läßt, erhielt ihr stärkstes Band durch Gustav Adolfs Hand. Als er im Jahre 1617
in Verbindung mit der Beendigung des russischen Krieges Finnland zum zweitenmal
besuchte, ließ der große König das finnische Volk an einer Begebenheit teilnehmen,


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[0024] <La Blick auf Finnland suchten es freilich, aber ohne Erfolg. Gustav Wasa verfuhr in allem, was den Glauben und den Kultus anbetrifft, sehr schonend in Finnland, griff jedoch in die Wirtschaft der Kirche mit sehr fester Hand ein. Forseti berechnet („Die innere Geschichte Schwedens von Gustav dem Ersten an"), daß der König in Finnland 601 Kirchengüter als Kroneigentum einziehen ließ, wozu noch mehrere „unchristliche Kirchenberaubungen" kamen.nämlich Beschlagnahme derWertsachen und Schmuckstücke. Gustav Wasa selbst zog während seines Krieges gegen die Russen im Herbst 1555 nach Finnland, wo er Helsingfors, Borga, Wiborg und andere Orte besuchte und sich im Jahre darauf nach Aland begab. Die Zahl der von ihm über Finnlands Negierung ausgefertigten Briefe ist bedeutend, und tief drangen die guten Wir¬ kungen seines kraftvollen Regimentes in Schweden auch in Finnland ein. Während der Kriege, die sein Sohn Johann der Dritte mit Rußland führte, hatten die Bewohner Finnlands viele Leiden zu erdulden, nicht zum wenigsten durch die schlechte Disziplin der Soldatenhorden, deren Mangel an Manneszucht oft mit zügelloser Wildheit vereint war, worüber Schybergson allerlei zu vermelden weiß. Dann kam es wieder zu inneren Streitigkeiten in Schweden, als Herzog Karl, später Karl der Neunte, Gustav Wasas jüngster Sohn, gegen den katholischen König Sigismund auftreten mußte. Der Kampf berührte in seinen Rückwirkungen auch Finnland, wo zuerst Klas Fleming, später aber Arvid Stalarm die Partei des Königs ergriffen. Der schließliche Sieg Karls über den nach Polen fliehenden Sigismund hat sowohl Finnland wie Schweden großen Nutzen gebracht. Die Reichseinheit und die Ruhe wurden wieder hergestellt, und zugleich fand sich nun Zeit zur Durchführung innerer Reformen. Die Reformation war auch gerettet für immer. Das bisher über Schwedens und Finnlands gemeinsame Geschicke Angedeutete mag, wie so manches andere in der Weltgeschichte, meistens wie ein endloses Ge¬ zänke ohne Sinn erscheinen, worin der Kampf gegen Nußland den schrillsten Ton darstellt. Doch das auf geschichtliche Ereignisse fallende Licht kommt gewöhnlich aus der Zukunft. Die herannahende Großmachtszeit des schwedischen Reiches unter Gustav Adolf bedürfte zu ihrer Weltmission auf deutschem Boden einer breiten Operationsbasis, deren Flanken sowohl im Osten gegen Rußland und Polen wie auch im Westen gegen Dänemark völlig gesichert waren. Durch seine kraft¬ vollen Könige Gustav Wasa und Karl dem Neunten nahm Schweden eine Stellung kühner Bereitschaft zu dem Entscheidungskampfe zwischen Luthertum und Katho¬ lizismus ein, welche Gustav Adolf später gut ausnutzen sollte. Die große weltgeschichtliche Aufgabe Schwedens, und damit auch Finnlands, war vorbereitet, ohne daß es sich vielleicht auch nur ein einziger Mensch in beiden Ländern klarmachte. Die Geschichte teilt mit anderen Dramen das Los, daß man sie sich nicht aus ihrem ersten Akte, sondern erst aus einem späteren erklären kann. Durch die beständigen Fehden an der Ostgrenze Finnlands zwischen dem schwedischen und dem russischen Reiche bis zu Gustav Adolfs stegreichem Frieden zu Stolboda im Jahre 1617 wurde Finnland zu einem kräftigen Bollwerk gegen die aus Osten drohende Gefahr. Es wurde der Kulturschutz gegen Gewalt und Barbarei, weil seine Kultur höher stand als die vou Osten her andrängende. Nyslott, Wiborg, Kexholm und Ladoga bedeuteten strategische Stützpunkte von großem Gewichte beim Anlegen und Aufrechterhalten der Flankenstellung Schwedens gegen Osten, während Gustav Adolf seine große Mission in Deutschland aus¬ führte. Schwer mußte Finnland unter diesen beständigen Kämpfen mit dem russischen Nachbarn leiden, aber es hielt durch und zeigte, daß es geistig mit abend¬ ländischer Kultur verknüpft war. Die zwischen Schweden und Finnland vor¬ kommenden Zwistigkeiten konnten manchmal recht arg sein, hingen aber oft eng mit den inneren Streitigkeiten des ersteren Landes zusammen. Die Gemeinsamkeit, die trotz aller wechselnden Geschicke noch heute das schwedische Volk und das finnische als Vertreter einundderselben Kultur dastehen läßt, erhielt ihr stärkstes Band durch Gustav Adolfs Hand. Als er im Jahre 1617 in Verbindung mit der Beendigung des russischen Krieges Finnland zum zweitenmal besuchte, ließ der große König das finnische Volk an einer Begebenheit teilnehmen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/24>, abgerufen am 22.07.2024.