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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Die "östliche Neuorientierung

digungswillen oder aber die UnVersöhnlichkeit nach West oder Ost ohne Zweifel
unterirdisch beeinflußt. Man braucht nur daran zu erinnern, wie Bethmann
Hollweg den rein innerpolitischen Gegensatz unserer Sozialdemokratie gegen den
Zarismus nicht ohne Geschick zur Stärkung des Kriegswillens unserer Massen
ausgenützt hat. Seit ein glatter und überwältigender Sieg ans allen Fronten
schon angesichts des Verlustes unserer Kolonien zur UnWahrscheinlichkeit wurde,
rang sich gewissermaßen rein kriegspolitisch bei uns die Einsicht durch, daß in dem
kommenden Friedensschluß Kompensationen eine große Rolle spielen würden, so
daß wir uns von vornherein darüber klar sein müßten, welche Gewinne hier
uns selbst mit Verzicht oder Bescheidung an anderer Stelle nicht zu teuer er¬
kauft wären.

In engem Zusammenhang mit diesem Problem trat immer gebieterischer
die Frage vor uns hin, wer als der eigentliche Feind in diesem Kriege zu be¬
trachten sei. Die unglückliche Verquickung dieser Fundamentalfrage mit der nach
dem Urheber des Krieges hat erst kürzlich einen unserer leitenden Männer zu der
überschlauen Verlegcuhcitsauskunft geführt, den gänzlich erledigten Zarismus zum
Sündenbock zu machen. Wenn durch derlei parlamentarische Klopffechtereien der
Kriegswille unserer Feinde fortargumenticrt werden könnte, dann wollte man sie
gewiß gelten lassen. Dazu sind diese rhetorischen Mittelchen aber nun wirklich
zu leichten Kalibers. So wurde durch solche Vegütigungsversuche lediglich das
für unser Volk unendlich wichtige Problem verdunkelt, wer in diesem Stadium
des Krieges, wo der Zarismus erledigt und das offizielle Nußland vom Kriegs¬
schauplatz abgetreten ist, als unser eigentlicher Feind anzusehen sei. Die Frage
nach dem Urheber des Krieges -- von den feindlichen Siaatsmännern bis zur
Übermüdung durchgehechelt, -- wird immer akademischer, oder, wenn man will,
parlamentarischer. Zur Lösung jener anderen wichtigeren Frage trägt sie kaum
mehr etwas bei. Vielmehr zerlegt sich die in die Teilprobleme, welcher, unserer
Feinde in der Gegenwart an Machimilteln der gefährlichste und in seinem KriegL-
willen der zäheste, welcher in Zukunft der subjektiv unversöhnlichste und objektiv
in feinen Interessen den unsrigen am schroffsten entgegenstehende ist.

Für die ersten beiden Teilsragen kommen natürlich nur die Mächte in Frage,
die heute noch mit uus im Kampfe stehen. Und je mehr in diesem Kampf die
wirtschaftlichen Faktoren an Entscheidungsschwere zunehmen, desto klarer wird es
uns, daß nicht die romanischen, sondern die angelsächsischen Völker unsere gefähr¬
lichsten Feinde sind -ab desiomehr neigt sich die Wagschale dieser Entscheidung
zugunsten des wirtschaftlich unverbrauchter, durch seine Herrschaft über die Roh¬
stoffe wichtigeren, an Menschen- und Kapitalreserven mächtigeren Amerika. Was
die Zähigkeit des Kriegswillens anlangt, so scheiden erst recht die kleineren Völrke,
also auch Italien und vollends die vielen Mitläufer der amerikanischen Kriegs¬
erklärung, aus. Auch in Amerika sind wir nach unserer Kenntnis der La^e noch
immer geneigt, den kriegsfeindlicken pazifistischen Strömungen eine größere Be¬
deutsamkeit als in Europa beizumessen. Schwerer zu entscheiden ist die Frage,
ob England oder Frankreich den zäheren Kriegswillen zeigen. Wer zu-Anfang
dieses Krieges Frankreich nur die jäh aufflackernde, aber schnell verglühende .Kriegs¬
leidenschaft einer Hystcrika zugetraut hat, ist jedenfalls inzwischen eines besseren
belehrt worden. Auch nutz die Tatsache, daß unsere Heere weit im Innern dieses
Landes stehen, stets aufs neue aufstachelnd auf den Kriegswillen der ohne Zweifel
heroischen französischen Nation wirken. Sehen wir dort vor allem die irrationalen
Faktoren die Kriegsmüdigkeit niederhalten, so spielt in England mehr die kalte
und zielbewußte Entschlossenheit, die deutsche Weltmachtkonkurrenz ein für allemal
zu erledigen, als unbesieglicher kriegsverlängernder Faktor die entscheidende Rolle.

Wenn wir nun die Erwägung auf die letzten beiden Teilfragen ausdehnen,
wer von unseren Feinden in Zukunft als der subjektiv unversöhnlichste und ob¬
jektiv uns in seinen Interessen am meisten konträre anzusetzen sei, so erweitert
sich der Kreis der fraglichen Mächte auch aus die, mit denen wir bereits Frieden
geschlossen haben. Und das mit Vollziehung des Ostfriedens scheinbar begrabene


Die „östliche Neuorientierung

digungswillen oder aber die UnVersöhnlichkeit nach West oder Ost ohne Zweifel
unterirdisch beeinflußt. Man braucht nur daran zu erinnern, wie Bethmann
Hollweg den rein innerpolitischen Gegensatz unserer Sozialdemokratie gegen den
Zarismus nicht ohne Geschick zur Stärkung des Kriegswillens unserer Massen
ausgenützt hat. Seit ein glatter und überwältigender Sieg ans allen Fronten
schon angesichts des Verlustes unserer Kolonien zur UnWahrscheinlichkeit wurde,
rang sich gewissermaßen rein kriegspolitisch bei uns die Einsicht durch, daß in dem
kommenden Friedensschluß Kompensationen eine große Rolle spielen würden, so
daß wir uns von vornherein darüber klar sein müßten, welche Gewinne hier
uns selbst mit Verzicht oder Bescheidung an anderer Stelle nicht zu teuer er¬
kauft wären.

In engem Zusammenhang mit diesem Problem trat immer gebieterischer
die Frage vor uns hin, wer als der eigentliche Feind in diesem Kriege zu be¬
trachten sei. Die unglückliche Verquickung dieser Fundamentalfrage mit der nach
dem Urheber des Krieges hat erst kürzlich einen unserer leitenden Männer zu der
überschlauen Verlegcuhcitsauskunft geführt, den gänzlich erledigten Zarismus zum
Sündenbock zu machen. Wenn durch derlei parlamentarische Klopffechtereien der
Kriegswille unserer Feinde fortargumenticrt werden könnte, dann wollte man sie
gewiß gelten lassen. Dazu sind diese rhetorischen Mittelchen aber nun wirklich
zu leichten Kalibers. So wurde durch solche Vegütigungsversuche lediglich das
für unser Volk unendlich wichtige Problem verdunkelt, wer in diesem Stadium
des Krieges, wo der Zarismus erledigt und das offizielle Nußland vom Kriegs¬
schauplatz abgetreten ist, als unser eigentlicher Feind anzusehen sei. Die Frage
nach dem Urheber des Krieges — von den feindlichen Siaatsmännern bis zur
Übermüdung durchgehechelt, — wird immer akademischer, oder, wenn man will,
parlamentarischer. Zur Lösung jener anderen wichtigeren Frage trägt sie kaum
mehr etwas bei. Vielmehr zerlegt sich die in die Teilprobleme, welcher, unserer
Feinde in der Gegenwart an Machimilteln der gefährlichste und in seinem KriegL-
willen der zäheste, welcher in Zukunft der subjektiv unversöhnlichste und objektiv
in feinen Interessen den unsrigen am schroffsten entgegenstehende ist.

Für die ersten beiden Teilsragen kommen natürlich nur die Mächte in Frage,
die heute noch mit uus im Kampfe stehen. Und je mehr in diesem Kampf die
wirtschaftlichen Faktoren an Entscheidungsschwere zunehmen, desto klarer wird es
uns, daß nicht die romanischen, sondern die angelsächsischen Völker unsere gefähr¬
lichsten Feinde sind -ab desiomehr neigt sich die Wagschale dieser Entscheidung
zugunsten des wirtschaftlich unverbrauchter, durch seine Herrschaft über die Roh¬
stoffe wichtigeren, an Menschen- und Kapitalreserven mächtigeren Amerika. Was
die Zähigkeit des Kriegswillens anlangt, so scheiden erst recht die kleineren Völrke,
also auch Italien und vollends die vielen Mitläufer der amerikanischen Kriegs¬
erklärung, aus. Auch in Amerika sind wir nach unserer Kenntnis der La^e noch
immer geneigt, den kriegsfeindlicken pazifistischen Strömungen eine größere Be¬
deutsamkeit als in Europa beizumessen. Schwerer zu entscheiden ist die Frage,
ob England oder Frankreich den zäheren Kriegswillen zeigen. Wer zu-Anfang
dieses Krieges Frankreich nur die jäh aufflackernde, aber schnell verglühende .Kriegs¬
leidenschaft einer Hystcrika zugetraut hat, ist jedenfalls inzwischen eines besseren
belehrt worden. Auch nutz die Tatsache, daß unsere Heere weit im Innern dieses
Landes stehen, stets aufs neue aufstachelnd auf den Kriegswillen der ohne Zweifel
heroischen französischen Nation wirken. Sehen wir dort vor allem die irrationalen
Faktoren die Kriegsmüdigkeit niederhalten, so spielt in England mehr die kalte
und zielbewußte Entschlossenheit, die deutsche Weltmachtkonkurrenz ein für allemal
zu erledigen, als unbesieglicher kriegsverlängernder Faktor die entscheidende Rolle.

Wenn wir nun die Erwägung auf die letzten beiden Teilfragen ausdehnen,
wer von unseren Feinden in Zukunft als der subjektiv unversöhnlichste und ob¬
jektiv uns in seinen Interessen am meisten konträre anzusetzen sei, so erweitert
sich der Kreis der fraglichen Mächte auch aus die, mit denen wir bereits Frieden
geschlossen haben. Und das mit Vollziehung des Ostfriedens scheinbar begrabene


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[0222] Die „östliche Neuorientierung digungswillen oder aber die UnVersöhnlichkeit nach West oder Ost ohne Zweifel unterirdisch beeinflußt. Man braucht nur daran zu erinnern, wie Bethmann Hollweg den rein innerpolitischen Gegensatz unserer Sozialdemokratie gegen den Zarismus nicht ohne Geschick zur Stärkung des Kriegswillens unserer Massen ausgenützt hat. Seit ein glatter und überwältigender Sieg ans allen Fronten schon angesichts des Verlustes unserer Kolonien zur UnWahrscheinlichkeit wurde, rang sich gewissermaßen rein kriegspolitisch bei uns die Einsicht durch, daß in dem kommenden Friedensschluß Kompensationen eine große Rolle spielen würden, so daß wir uns von vornherein darüber klar sein müßten, welche Gewinne hier uns selbst mit Verzicht oder Bescheidung an anderer Stelle nicht zu teuer er¬ kauft wären. In engem Zusammenhang mit diesem Problem trat immer gebieterischer die Frage vor uns hin, wer als der eigentliche Feind in diesem Kriege zu be¬ trachten sei. Die unglückliche Verquickung dieser Fundamentalfrage mit der nach dem Urheber des Krieges hat erst kürzlich einen unserer leitenden Männer zu der überschlauen Verlegcuhcitsauskunft geführt, den gänzlich erledigten Zarismus zum Sündenbock zu machen. Wenn durch derlei parlamentarische Klopffechtereien der Kriegswille unserer Feinde fortargumenticrt werden könnte, dann wollte man sie gewiß gelten lassen. Dazu sind diese rhetorischen Mittelchen aber nun wirklich zu leichten Kalibers. So wurde durch solche Vegütigungsversuche lediglich das für unser Volk unendlich wichtige Problem verdunkelt, wer in diesem Stadium des Krieges, wo der Zarismus erledigt und das offizielle Nußland vom Kriegs¬ schauplatz abgetreten ist, als unser eigentlicher Feind anzusehen sei. Die Frage nach dem Urheber des Krieges — von den feindlichen Siaatsmännern bis zur Übermüdung durchgehechelt, — wird immer akademischer, oder, wenn man will, parlamentarischer. Zur Lösung jener anderen wichtigeren Frage trägt sie kaum mehr etwas bei. Vielmehr zerlegt sich die in die Teilprobleme, welcher, unserer Feinde in der Gegenwart an Machimilteln der gefährlichste und in seinem KriegL- willen der zäheste, welcher in Zukunft der subjektiv unversöhnlichste und objektiv in feinen Interessen den unsrigen am schroffsten entgegenstehende ist. Für die ersten beiden Teilsragen kommen natürlich nur die Mächte in Frage, die heute noch mit uus im Kampfe stehen. Und je mehr in diesem Kampf die wirtschaftlichen Faktoren an Entscheidungsschwere zunehmen, desto klarer wird es uns, daß nicht die romanischen, sondern die angelsächsischen Völker unsere gefähr¬ lichsten Feinde sind -ab desiomehr neigt sich die Wagschale dieser Entscheidung zugunsten des wirtschaftlich unverbrauchter, durch seine Herrschaft über die Roh¬ stoffe wichtigeren, an Menschen- und Kapitalreserven mächtigeren Amerika. Was die Zähigkeit des Kriegswillens anlangt, so scheiden erst recht die kleineren Völrke, also auch Italien und vollends die vielen Mitläufer der amerikanischen Kriegs¬ erklärung, aus. Auch in Amerika sind wir nach unserer Kenntnis der La^e noch immer geneigt, den kriegsfeindlicken pazifistischen Strömungen eine größere Be¬ deutsamkeit als in Europa beizumessen. Schwerer zu entscheiden ist die Frage, ob England oder Frankreich den zäheren Kriegswillen zeigen. Wer zu-Anfang dieses Krieges Frankreich nur die jäh aufflackernde, aber schnell verglühende .Kriegs¬ leidenschaft einer Hystcrika zugetraut hat, ist jedenfalls inzwischen eines besseren belehrt worden. Auch nutz die Tatsache, daß unsere Heere weit im Innern dieses Landes stehen, stets aufs neue aufstachelnd auf den Kriegswillen der ohne Zweifel heroischen französischen Nation wirken. Sehen wir dort vor allem die irrationalen Faktoren die Kriegsmüdigkeit niederhalten, so spielt in England mehr die kalte und zielbewußte Entschlossenheit, die deutsche Weltmachtkonkurrenz ein für allemal zu erledigen, als unbesieglicher kriegsverlängernder Faktor die entscheidende Rolle. Wenn wir nun die Erwägung auf die letzten beiden Teilfragen ausdehnen, wer von unseren Feinden in Zukunft als der subjektiv unversöhnlichste und ob¬ jektiv uns in seinen Interessen am meisten konträre anzusetzen sei, so erweitert sich der Kreis der fraglichen Mächte auch aus die, mit denen wir bereits Frieden geschlossen haben. Und das mit Vollziehung des Ostfriedens scheinbar begrabene

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/222>, abgerufen am 22.07.2024.