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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

mäßige Rechte würde es seinerseits erst dann
erwerben, wenn der hier vorgesehene Ver¬
trag unter Beteiligung Schwedens abge¬
schlossen wäre.

Der deutsch - finnländische Friedensver-
trag vom 7. März 1918 wiederholt hinsicht¬
lich der Alandsinseln die Bestimmung des
Friedens von Brest>Litowsk und begründet
damit eine entsprechende Berechtigung und
Verpflichtung auch für Finnland. Außerdem
enthält er für Finnland die einschneidende
Verpflichtung, keinen Teil seines Besitzstandes
an eine fremde Macht abzutreten, noch einer
solchen Macht eine Servitut an seinem Hoheits¬
gebiete einzuräumen, ohne sich vorher mit
Deutschland darüber verständigt zu haben.

Inzwischen war Finnland mit deutscher
Hilfe und durch seine weißen Garden befreit
worden. Daß auch schwedische Freiwillige
sich am Freiheitskämpfe Finnlands beteiligten,
soll nicht verschwiegen werden. Damit hatte
aber der schwedische Staat nichts zu tun.
Dieser hatte vielmehr den Freiheitskampf
Finnlands nach Möglichkeit durch sein Waffen¬
ausfuhrverbot erschwert.

Die öffentliche Meinung Schwedens be¬
schäftigt sich gleichwohl auf das lebhafteste
mit den Alandsinseln und möchte die Inseln
am liebsten für Schweden erwerben, nachdem
es die schwedische Politik mit beispiellosem
Ungeschick verstanden hat, all.e günstigen Ge¬
legenheiten zu versäumen. Es ist daher ein
besonderes Verdienst von Prof. Dr. Max
Fleischmann das ganze Problem in einer
Denkschrift"), wofür ihm die finnländische
Gesandschaft Stoff zur Verfügung gestellt hat,
eingehend und gründlich erörtert zu haben.

Schweden hatte bisher jedenfalls kein
vertragsmäßiges Recht auf Nichtbefestigung
der Alandsinseln. Auch die Friedensverträge
Deutschlands mit Rußland und Finnland ge¬
währen ihm vorläufig keinerlei Recht, sondern
nur eine Aussicht, künftig einmal zu dem be¬
sonderen Vertrage über die Alandsinseln zu¬
gezogen zu werden und damit vertragsmäßige
Rechte zu erwerben.

[Spaltenumbruch]

Zu einem Erwerbe der Inselgruppe durch
Schweden wird es schwerlich mehr kommen.
Dazu ist es zu spät. Einmal wollen es die
Finnländer selbst nicht. Die Finnländer
schwedischer Abstammung sind am wenigsten
zu einer Abtretung geneigt, da sie dadurch
den an sich schwachen schwedischen Volksteil
noch mehr schwächen würden. Ob dermalen
die Alander überhaupt noch geneigt sein wür¬
den, den Anschluß an Schweden zu erstreben,
nachdem sich die schwedische Hilfe als zu ihrer
Befreiung entbehrlich erwiesen hat, kann
dahingestellt bleiben. Jedenfalls hat Finnland
im vollen Umfange seines Gebietes, zu dem
auch die Alandsinseln gehören, seine Unab¬
hängigkeit erlangt. Und nimmermehr kann
einer einzelnen Inselgruppe das Recht zuge¬
standen werden, sich vom ganzen loszulösen.

Die Fleischmannsche Denkschrift weist nun
im einzelnen nach, wie die Alandsinseln weder
aus geschichtlichen noch aus geographischen
noch aus ethnographischen Gründen von
Schweden beansprucht werden können, sondern
nach allen diesen Gesichtspunkten zu Finnland
gehören und immer gehört haben. Höchstens
in handelspolitischer Hinsicht böte die Ver¬
bindung und Schweden den Bewohnern der
Alandsinseln gewisse Vorteile.

Daß die Alandsinseln mit der bestehenden
Servitut auf die neue Staatsgewalt über¬
gegangen sind, erscheint nicht recht einleuchtend,
denn die Verpflichtung zur Nichtbefestigung
war eine persönliche Verbindlichkeit Rußlands
und war schon mit Kriegsbeginn unter¬
gegangen. Aber Finnland ist eine neue Ver¬
pflichtung dieser Art Deutschland gegenüber
eingegangen, und Deutschland ist Rußland
gegenüber zu ihrer Wahrung verpflichtet.

Die Denkschrift erörtert zum Schlüsse noch
den möglichen Inhalt des künftigen Vertrages,
als da sind Nichtbefestigung, schwedische Mit¬
herrschaft, gemeinsame Besatzung, Republik
unter schwedischen und finnischen Schutze und
Neutralisierung und hegt gegen alle diese
Möglichkeiten mit Recht gewisse Bedenken.
Das wahrscheinliche Ergebnis wird unter Auf¬
rechterhaltung der finnländischen Staatsgewalt
deren Verpflichtung zur Nichtbefestigung, viel¬
leicht unter Neutralisation der Inseln sein.
Damit wird denn auch die Alandsfrage ihre
Lonrad Bornhak Erledigung finden.

[Ende Spaltensatz]
*) Dr. zur. Max Fleischmann, Die Alands¬
frage. Eine Denkschrift. 1918. Als Hand¬
schrift gedruckt. Verlagsbuchhandlung, von
Julius Springer in Berlin.
Maßgebliches und Unmaßgebliches

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mäßige Rechte würde es seinerseits erst dann
erwerben, wenn der hier vorgesehene Ver¬
trag unter Beteiligung Schwedens abge¬
schlossen wäre.

Der deutsch - finnländische Friedensver-
trag vom 7. März 1918 wiederholt hinsicht¬
lich der Alandsinseln die Bestimmung des
Friedens von Brest>Litowsk und begründet
damit eine entsprechende Berechtigung und
Verpflichtung auch für Finnland. Außerdem
enthält er für Finnland die einschneidende
Verpflichtung, keinen Teil seines Besitzstandes
an eine fremde Macht abzutreten, noch einer
solchen Macht eine Servitut an seinem Hoheits¬
gebiete einzuräumen, ohne sich vorher mit
Deutschland darüber verständigt zu haben.

Inzwischen war Finnland mit deutscher
Hilfe und durch seine weißen Garden befreit
worden. Daß auch schwedische Freiwillige
sich am Freiheitskämpfe Finnlands beteiligten,
soll nicht verschwiegen werden. Damit hatte
aber der schwedische Staat nichts zu tun.
Dieser hatte vielmehr den Freiheitskampf
Finnlands nach Möglichkeit durch sein Waffen¬
ausfuhrverbot erschwert.

Die öffentliche Meinung Schwedens be¬
schäftigt sich gleichwohl auf das lebhafteste
mit den Alandsinseln und möchte die Inseln
am liebsten für Schweden erwerben, nachdem
es die schwedische Politik mit beispiellosem
Ungeschick verstanden hat, all.e günstigen Ge¬
legenheiten zu versäumen. Es ist daher ein
besonderes Verdienst von Prof. Dr. Max
Fleischmann das ganze Problem in einer
Denkschrift"), wofür ihm die finnländische
Gesandschaft Stoff zur Verfügung gestellt hat,
eingehend und gründlich erörtert zu haben.

Schweden hatte bisher jedenfalls kein
vertragsmäßiges Recht auf Nichtbefestigung
der Alandsinseln. Auch die Friedensverträge
Deutschlands mit Rußland und Finnland ge¬
währen ihm vorläufig keinerlei Recht, sondern
nur eine Aussicht, künftig einmal zu dem be¬
sonderen Vertrage über die Alandsinseln zu¬
gezogen zu werden und damit vertragsmäßige
Rechte zu erwerben.

[Spaltenumbruch]

Zu einem Erwerbe der Inselgruppe durch
Schweden wird es schwerlich mehr kommen.
Dazu ist es zu spät. Einmal wollen es die
Finnländer selbst nicht. Die Finnländer
schwedischer Abstammung sind am wenigsten
zu einer Abtretung geneigt, da sie dadurch
den an sich schwachen schwedischen Volksteil
noch mehr schwächen würden. Ob dermalen
die Alander überhaupt noch geneigt sein wür¬
den, den Anschluß an Schweden zu erstreben,
nachdem sich die schwedische Hilfe als zu ihrer
Befreiung entbehrlich erwiesen hat, kann
dahingestellt bleiben. Jedenfalls hat Finnland
im vollen Umfange seines Gebietes, zu dem
auch die Alandsinseln gehören, seine Unab¬
hängigkeit erlangt. Und nimmermehr kann
einer einzelnen Inselgruppe das Recht zuge¬
standen werden, sich vom ganzen loszulösen.

Die Fleischmannsche Denkschrift weist nun
im einzelnen nach, wie die Alandsinseln weder
aus geschichtlichen noch aus geographischen
noch aus ethnographischen Gründen von
Schweden beansprucht werden können, sondern
nach allen diesen Gesichtspunkten zu Finnland
gehören und immer gehört haben. Höchstens
in handelspolitischer Hinsicht böte die Ver¬
bindung und Schweden den Bewohnern der
Alandsinseln gewisse Vorteile.

Daß die Alandsinseln mit der bestehenden
Servitut auf die neue Staatsgewalt über¬
gegangen sind, erscheint nicht recht einleuchtend,
denn die Verpflichtung zur Nichtbefestigung
war eine persönliche Verbindlichkeit Rußlands
und war schon mit Kriegsbeginn unter¬
gegangen. Aber Finnland ist eine neue Ver¬
pflichtung dieser Art Deutschland gegenüber
eingegangen, und Deutschland ist Rußland
gegenüber zu ihrer Wahrung verpflichtet.

Die Denkschrift erörtert zum Schlüsse noch
den möglichen Inhalt des künftigen Vertrages,
als da sind Nichtbefestigung, schwedische Mit¬
herrschaft, gemeinsame Besatzung, Republik
unter schwedischen und finnischen Schutze und
Neutralisierung und hegt gegen alle diese
Möglichkeiten mit Recht gewisse Bedenken.
Das wahrscheinliche Ergebnis wird unter Auf¬
rechterhaltung der finnländischen Staatsgewalt
deren Verpflichtung zur Nichtbefestigung, viel¬
leicht unter Neutralisation der Inseln sein.
Damit wird denn auch die Alandsfrage ihre
Lonrad Bornhak Erledigung finden.

[Ende Spaltensatz]
*) Dr. zur. Max Fleischmann, Die Alands¬
frage. Eine Denkschrift. 1918. Als Hand¬
schrift gedruckt. Verlagsbuchhandlung, von
Julius Springer in Berlin.
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[0219] Maßgebliches und Unmaßgebliches mäßige Rechte würde es seinerseits erst dann erwerben, wenn der hier vorgesehene Ver¬ trag unter Beteiligung Schwedens abge¬ schlossen wäre. Der deutsch - finnländische Friedensver- trag vom 7. März 1918 wiederholt hinsicht¬ lich der Alandsinseln die Bestimmung des Friedens von Brest>Litowsk und begründet damit eine entsprechende Berechtigung und Verpflichtung auch für Finnland. Außerdem enthält er für Finnland die einschneidende Verpflichtung, keinen Teil seines Besitzstandes an eine fremde Macht abzutreten, noch einer solchen Macht eine Servitut an seinem Hoheits¬ gebiete einzuräumen, ohne sich vorher mit Deutschland darüber verständigt zu haben. Inzwischen war Finnland mit deutscher Hilfe und durch seine weißen Garden befreit worden. Daß auch schwedische Freiwillige sich am Freiheitskämpfe Finnlands beteiligten, soll nicht verschwiegen werden. Damit hatte aber der schwedische Staat nichts zu tun. Dieser hatte vielmehr den Freiheitskampf Finnlands nach Möglichkeit durch sein Waffen¬ ausfuhrverbot erschwert. Die öffentliche Meinung Schwedens be¬ schäftigt sich gleichwohl auf das lebhafteste mit den Alandsinseln und möchte die Inseln am liebsten für Schweden erwerben, nachdem es die schwedische Politik mit beispiellosem Ungeschick verstanden hat, all.e günstigen Ge¬ legenheiten zu versäumen. Es ist daher ein besonderes Verdienst von Prof. Dr. Max Fleischmann das ganze Problem in einer Denkschrift"), wofür ihm die finnländische Gesandschaft Stoff zur Verfügung gestellt hat, eingehend und gründlich erörtert zu haben. Schweden hatte bisher jedenfalls kein vertragsmäßiges Recht auf Nichtbefestigung der Alandsinseln. Auch die Friedensverträge Deutschlands mit Rußland und Finnland ge¬ währen ihm vorläufig keinerlei Recht, sondern nur eine Aussicht, künftig einmal zu dem be¬ sonderen Vertrage über die Alandsinseln zu¬ gezogen zu werden und damit vertragsmäßige Rechte zu erwerben. Zu einem Erwerbe der Inselgruppe durch Schweden wird es schwerlich mehr kommen. Dazu ist es zu spät. Einmal wollen es die Finnländer selbst nicht. Die Finnländer schwedischer Abstammung sind am wenigsten zu einer Abtretung geneigt, da sie dadurch den an sich schwachen schwedischen Volksteil noch mehr schwächen würden. Ob dermalen die Alander überhaupt noch geneigt sein wür¬ den, den Anschluß an Schweden zu erstreben, nachdem sich die schwedische Hilfe als zu ihrer Befreiung entbehrlich erwiesen hat, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls hat Finnland im vollen Umfange seines Gebietes, zu dem auch die Alandsinseln gehören, seine Unab¬ hängigkeit erlangt. Und nimmermehr kann einer einzelnen Inselgruppe das Recht zuge¬ standen werden, sich vom ganzen loszulösen. Die Fleischmannsche Denkschrift weist nun im einzelnen nach, wie die Alandsinseln weder aus geschichtlichen noch aus geographischen noch aus ethnographischen Gründen von Schweden beansprucht werden können, sondern nach allen diesen Gesichtspunkten zu Finnland gehören und immer gehört haben. Höchstens in handelspolitischer Hinsicht böte die Ver¬ bindung und Schweden den Bewohnern der Alandsinseln gewisse Vorteile. Daß die Alandsinseln mit der bestehenden Servitut auf die neue Staatsgewalt über¬ gegangen sind, erscheint nicht recht einleuchtend, denn die Verpflichtung zur Nichtbefestigung war eine persönliche Verbindlichkeit Rußlands und war schon mit Kriegsbeginn unter¬ gegangen. Aber Finnland ist eine neue Ver¬ pflichtung dieser Art Deutschland gegenüber eingegangen, und Deutschland ist Rußland gegenüber zu ihrer Wahrung verpflichtet. Die Denkschrift erörtert zum Schlüsse noch den möglichen Inhalt des künftigen Vertrages, als da sind Nichtbefestigung, schwedische Mit¬ herrschaft, gemeinsame Besatzung, Republik unter schwedischen und finnischen Schutze und Neutralisierung und hegt gegen alle diese Möglichkeiten mit Recht gewisse Bedenken. Das wahrscheinliche Ergebnis wird unter Auf¬ rechterhaltung der finnländischen Staatsgewalt deren Verpflichtung zur Nichtbefestigung, viel¬ leicht unter Neutralisation der Inseln sein. Damit wird denn auch die Alandsfrage ihre Lonrad Bornhak Erledigung finden. *) Dr. zur. Max Fleischmann, Die Alands¬ frage. Eine Denkschrift. 1918. Als Hand¬ schrift gedruckt. Verlagsbuchhandlung, von Julius Springer in Berlin.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/219>, abgerufen am 22.07.2024.