Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.StacUssozialismus und kein Ende gesellschaften zur Bildung stiller Reserven. Er sagt, dasz die restlose, Umstellung Rathenau will also, daß die Leitung von Aktiengesellschaften bei der Ver¬ Der in Weltweisheit und verwandten Fächern erfahrene, insbesondere auch Junius StacUssozialismus und kein Ende gesellschaften zur Bildung stiller Reserven. Er sagt, dasz die restlose, Umstellung Rathenau will also, daß die Leitung von Aktiengesellschaften bei der Ver¬ Der in Weltweisheit und verwandten Fächern erfahrene, insbesondere auch Junius <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0179" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/334024"/> <fw type="header" place="top"> StacUssozialismus und kein Ende</fw><lb/> <p xml:id="ID_697" prev="#ID_696"> gesellschaften zur Bildung stiller Reserven. Er sagt, dasz die restlose, Umstellung<lb/> des ganzen Landes auf Rüstungsbeschaffung, das Entstehen Tausender von Werk¬<lb/> stätten in Kriegszeit, die Bewältigung technischer Grundprobleme im Laufe weniger<lb/> Monate nicht hätte gelingen können, wenn nicht zu der Leistungshöhe unserer<lb/> Wirtschaft die Bewegungsfreiheit, Entschlußkraft und Wagelust getreten wären,<lb/> die sich aus Verfügung über große und freie Mittel stützt. Man kann, so fährt<lb/> er fort, nicht zugleich diese Ereignisse und Erfolge verherrlichen und die Mittel<lb/> bekämpfen, aus denen sie entsprangen. Man muß der Wirtschaft die Freiheit<lb/> der Entwicklung und des Entschlusses lassen, deren sie bedarf, und nickt die ver¬<lb/> brieften Ansprüche kaufmännischer Handelsgemeinschaften als alleiniges Gesetz<lb/> über sie gelten lassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_698"> Rathenau will also, daß die Leitung von Aktiengesellschaften bei der Ver¬<lb/> fügung über den Gewinn von der Vormundschaft der Aktionäre loskommen, damit<lb/> stille Reserven gebildet werden können. Aber wieviel mehr als unter dem bindenden<lb/> Statut einer Aktiengesellschaft muß Bewegungsfreiheit, Entschlußkraft und Wagelust<lb/> nicht einzelner Erwerbsgesellschaften, sondern allgemeinen des Handels und des<lb/> Gewerbes unter der von Rathenau nicht bekämpften, sondern verteidigten Vor¬<lb/> mundschaft des Staates verkümmern, in dessen Schreibzimmern neue Moral und<lb/> neue Verkehrssitten zusammengebraut werden, unzählig und unfruchtbar wie Sand<lb/> am Meer. Die Zwangswirtschaft wie sie jetzt über das Notwendige weit hinaus<lb/> im Schwang ist, bedroht viel wertvollere stille Reserven als diejenigen, deren<lb/> Bildung Rathenau vor dem Zugriff der Aktionäre schlitzen will, nämlich die Grund¬<lb/> begriffe der Ehrbarkeit. Dies wird sich noch deutlicher als heute zeigen, wenn<lb/> einst aus den liebevoll geöffneten Pforten der Ämter und Kriegsgesellschaften<lb/> Tausende und Abertausende hinaufgeströmt sind und ihren Platz gefunden haben<lb/> in der mehr oder minder freigewordenen Privatwirtschaft. Mehr als die kampf¬<lb/> verwilderten Soldaten, die aus dem Felde zum Schraubstock oder zum Pflug<lb/> zurückkehren, werden uns diese Schüler der Neuzeit zu raten aufgeben, denn was<lb/> sie wechseln, ist nur Sessel und Pult. Die von der Kriegswirtschaft erzwungene<lb/> gegenseitige Durchdringung der im Erwerbe sichergestellten, in der Erwerbshöhe<lb/> beschränkten Beamtenschaft und der auf eigene Rechnung und Gefahr arbeitenden,<lb/> im Erwerbe völlig unbehinderten Volksschichten wirkt auf das öffentliche Rechts¬<lb/> bewußtsein geradezu verheerend.</p><lb/> <p xml:id="ID_699"> Der in Weltweisheit und verwandten Fächern erfahrene, insbesondere auch<lb/> für Knobloch, Tabak und ein besonders ätherisches Erzeugnis zuständige Geheimbderat<lb/> Johann Wolfgang hat von den Kriegswirlschaftsgesellschaften ein artig zutreffendes<lb/> Wort gesprochen: „S'ist ein Gesetz der Teufel und Gespenster: wo sie herein¬<lb/> geschlüpft, da müssen sie hinaus. Beim ersten sind wir frei, beim zweiten sind<lb/> wir Knechte." Für das verhängnisvolle Pentcrgramma, das da Beharrungs¬<lb/> vermögen oder Trägheitsgesetz heißt, ist kein Nattenzcchn gewachsen. „Die ich rief<lb/> die Geister -—". Wer kennt sich aus in den Mäandergängen unserer Kriegs¬<lb/> wirtschaft, der täglich neue Hydraköpfe entknospen, denn Arbeit gebiert Arbeit.<lb/> Der Deutsche organisiert, um zu organisieren. So unbehaglich-behagliche Ge¬<lb/> legenheit wie jetzt findet er nicht wieder. Und wenn, wie es geschieht, der Abraum<lb/> nicht hinter die Fersen geschafft wird, sondern vor den Zehen aufgetürmt, so<lb/> wächst er zu immer größeren Haufen, an denen sich der Bienenfleiß Losgelassener<lb/> ergötzen mag in Ewigkeit oder wenigstens solange, bis alles sinnreich Verwaltete<lb/> gründlich zerwaltet und aus dem Kosmos unserer Wirtschaft ein Chaos geworden ist.</p><lb/> <note type="byline"> Junius</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0179]
StacUssozialismus und kein Ende
gesellschaften zur Bildung stiller Reserven. Er sagt, dasz die restlose, Umstellung
des ganzen Landes auf Rüstungsbeschaffung, das Entstehen Tausender von Werk¬
stätten in Kriegszeit, die Bewältigung technischer Grundprobleme im Laufe weniger
Monate nicht hätte gelingen können, wenn nicht zu der Leistungshöhe unserer
Wirtschaft die Bewegungsfreiheit, Entschlußkraft und Wagelust getreten wären,
die sich aus Verfügung über große und freie Mittel stützt. Man kann, so fährt
er fort, nicht zugleich diese Ereignisse und Erfolge verherrlichen und die Mittel
bekämpfen, aus denen sie entsprangen. Man muß der Wirtschaft die Freiheit
der Entwicklung und des Entschlusses lassen, deren sie bedarf, und nickt die ver¬
brieften Ansprüche kaufmännischer Handelsgemeinschaften als alleiniges Gesetz
über sie gelten lassen.
Rathenau will also, daß die Leitung von Aktiengesellschaften bei der Ver¬
fügung über den Gewinn von der Vormundschaft der Aktionäre loskommen, damit
stille Reserven gebildet werden können. Aber wieviel mehr als unter dem bindenden
Statut einer Aktiengesellschaft muß Bewegungsfreiheit, Entschlußkraft und Wagelust
nicht einzelner Erwerbsgesellschaften, sondern allgemeinen des Handels und des
Gewerbes unter der von Rathenau nicht bekämpften, sondern verteidigten Vor¬
mundschaft des Staates verkümmern, in dessen Schreibzimmern neue Moral und
neue Verkehrssitten zusammengebraut werden, unzählig und unfruchtbar wie Sand
am Meer. Die Zwangswirtschaft wie sie jetzt über das Notwendige weit hinaus
im Schwang ist, bedroht viel wertvollere stille Reserven als diejenigen, deren
Bildung Rathenau vor dem Zugriff der Aktionäre schlitzen will, nämlich die Grund¬
begriffe der Ehrbarkeit. Dies wird sich noch deutlicher als heute zeigen, wenn
einst aus den liebevoll geöffneten Pforten der Ämter und Kriegsgesellschaften
Tausende und Abertausende hinaufgeströmt sind und ihren Platz gefunden haben
in der mehr oder minder freigewordenen Privatwirtschaft. Mehr als die kampf¬
verwilderten Soldaten, die aus dem Felde zum Schraubstock oder zum Pflug
zurückkehren, werden uns diese Schüler der Neuzeit zu raten aufgeben, denn was
sie wechseln, ist nur Sessel und Pult. Die von der Kriegswirtschaft erzwungene
gegenseitige Durchdringung der im Erwerbe sichergestellten, in der Erwerbshöhe
beschränkten Beamtenschaft und der auf eigene Rechnung und Gefahr arbeitenden,
im Erwerbe völlig unbehinderten Volksschichten wirkt auf das öffentliche Rechts¬
bewußtsein geradezu verheerend.
Der in Weltweisheit und verwandten Fächern erfahrene, insbesondere auch
für Knobloch, Tabak und ein besonders ätherisches Erzeugnis zuständige Geheimbderat
Johann Wolfgang hat von den Kriegswirlschaftsgesellschaften ein artig zutreffendes
Wort gesprochen: „S'ist ein Gesetz der Teufel und Gespenster: wo sie herein¬
geschlüpft, da müssen sie hinaus. Beim ersten sind wir frei, beim zweiten sind
wir Knechte." Für das verhängnisvolle Pentcrgramma, das da Beharrungs¬
vermögen oder Trägheitsgesetz heißt, ist kein Nattenzcchn gewachsen. „Die ich rief
die Geister -—". Wer kennt sich aus in den Mäandergängen unserer Kriegs¬
wirtschaft, der täglich neue Hydraköpfe entknospen, denn Arbeit gebiert Arbeit.
Der Deutsche organisiert, um zu organisieren. So unbehaglich-behagliche Ge¬
legenheit wie jetzt findet er nicht wieder. Und wenn, wie es geschieht, der Abraum
nicht hinter die Fersen geschafft wird, sondern vor den Zehen aufgetürmt, so
wächst er zu immer größeren Haufen, an denen sich der Bienenfleiß Losgelassener
ergötzen mag in Ewigkeit oder wenigstens solange, bis alles sinnreich Verwaltete
gründlich zerwaltet und aus dem Kosmos unserer Wirtschaft ein Chaos geworden ist.
Junius
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