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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Die englische Umklammerung Europas

Im Südosten des Mittelmeeres dienten England bekanntlich die Beherrschung
Ägyptens und der Besitz des nördlich als Flankendeckung vorgeschobenen Cypern
in erster Linie zur Sicherung des Suezkanals und damit der Verbindung nach
Indien, Tatsachen, die man vom englischen Standpunkt aus sehr wohl begreifen
konnte. Die während des Krieges erfolgte Besetzung ägäischer Inseln aber steht
diesen Zielen britischer Mittelmeerpolitik fern. Wohl hatte ihre Besetzung Sicherungs¬
wert gegen einen allzustarken Vorstoß Rußlands in das Mittelmeer, falls ihm
die von England selbst zugesicherte und an den Dardanellen erstrebte Besitznahme
Konstantinopels geglückt wäre. Nach der Zertrümmerung des Zarenreiches entfiel
dieser von England unverblümt ausgesprochene Zweck. Heute dienen sie dazu,
die Südklammer Englands enger und fester um Europa zu ziehen, als es die
strategische Linie Malta--Ägypten--CYPern vordem vermochte. Sie werden jetzt
in England als die Sperrbollwerke gegen die nach Südosten drängende Macht¬
erweiterung Deutschlands und Österreichs gewertet; ihre Wirkung richtet sich aber
natürlich vermöge ihrer Lage ebensogut gegen ein etwa in Zukunft sich wieder
aufrichtendes Rußland und gegen Griechenland, dessen britische Umklammerung
bereits völlig durch Saloniki und die Besetzung einiger Ionischer Inseln erreicht
ist. Es hat das Schicksal Portugals teilen müssen und wird voraussichtlich als
zweite südeuropäische Festlandsverankerung der britischen Klammer dienen sollen.

In wessen Macht steht es, die Südklammer, die England um Europa von
der Mündung des Tajo bis zu den Dardanellen gelegt hat, zu sprengen? Das
sind weltpolitische Probleme, deren Lösung der Zukunft vorbehalten bleiben
müssen; aber sie können restlos sicher erst gelöst werden, wenn ein Gemeinschafts¬
gefühl alle festländischen Europastaaten wider England zusammenschließt, das sich,
je länger der Krieg währt, um so offenkundiger als der wahre Feind Europas zeigt.

Dieses Gemeinschaftsgefühl, das die mittelmeerischen Staaten binden müßre.
um dem englischen Druck entgegenzutreten, müßte sich auch bei den Anliegern der
nördlichen Europarandmeere, der Nord- und Ostsee, regen, wenn die natürliche
Lagesperre, die England immer ausübt, in Zukunft gemildert werden soll. Nur
ein zusammengefaßter einheitlicher Druck von der inneren Linie aus vermöchte
hier Wirksamkeit zu erlangen. Da diese Möglichkeit nicht als eine unbedingte
Utopie erscheint, mindestens nicht in Bezug aus die germanischen Staaten um die
östliche Nordsee und um das baltische Meer und die wirtschaftlich an sie gehult-,
denen Nachbarn, so ist England um so mehr darauf bedacht, einem etwa aus der
inneren Linie vorbrechenden Widerstand durch eine strategisch oder politisch ge¬
festigte Sperre entgegenzutreten. Dahin zielen seine Bestrebungen gegen Island
und Norwegen ebensogut wie gegen Nußland.

Die Isländische Frage tauchte erstmalig während des Krieges Ende 1917
auf, als bekannt wurde, daß in Island eine Sclbständigkeitsbewegung sich von
neuem rege. Daß diese Bewegungen im Sinne, wenn nicht unter dem Zwange
Englands erfolgten, wurde zwar in Anlehnung an die seit 15 Jahren hervor¬
tretenden und schon damals von England gestützten LoSlösungsgelüste der Isländer
angenommen; offenkundig zutage trat diese Tatsache aber erst, als eine Abord¬
nung der Isländischen Regierung im Mai d. Is. in England weilte und in Ver¬
handlungen mit englischen, usamerikanischen, französischen und italienischen Vertretern
eintrat. Der Beteuerung Reuters, daß die dort getroffenen Vereinbarungen
keinerlei politische Bedeutung besäßen, ist der gleiche sWert zuzumessen, wie jener ge¬
legentlich des südspanischen Eisenbahnkaufes. Es kann kein-mZweifcl unterliegen, daß,
die von England erzwungene wirtschaftliche Trennung der Insel von Dänemark nur
der Anfang einer vollen politischen sein wird. Auf der Grundlage der bereits
begonnenen politischen Loslösung laut Vertrag vom Juli d. Is., der am 1. De¬
zember in Kraft treten soll, dürfte die politische Annäherung an England sich
schnell vollziehen. Die vertraglich verbürgte dauernde Neutralität Islands wird
für England ebensowenig ein Hindernis politischer Durchdringung sein, wie die
völkerrechtlich noch heute bestehende Zugehörigkeit Ägyptens zur Türkei es gewesen
ist. Der britische Besitz oder doch mindestens die politische Abhängigkeit Islands


Die englische Umklammerung Europas

Im Südosten des Mittelmeeres dienten England bekanntlich die Beherrschung
Ägyptens und der Besitz des nördlich als Flankendeckung vorgeschobenen Cypern
in erster Linie zur Sicherung des Suezkanals und damit der Verbindung nach
Indien, Tatsachen, die man vom englischen Standpunkt aus sehr wohl begreifen
konnte. Die während des Krieges erfolgte Besetzung ägäischer Inseln aber steht
diesen Zielen britischer Mittelmeerpolitik fern. Wohl hatte ihre Besetzung Sicherungs¬
wert gegen einen allzustarken Vorstoß Rußlands in das Mittelmeer, falls ihm
die von England selbst zugesicherte und an den Dardanellen erstrebte Besitznahme
Konstantinopels geglückt wäre. Nach der Zertrümmerung des Zarenreiches entfiel
dieser von England unverblümt ausgesprochene Zweck. Heute dienen sie dazu,
die Südklammer Englands enger und fester um Europa zu ziehen, als es die
strategische Linie Malta—Ägypten—CYPern vordem vermochte. Sie werden jetzt
in England als die Sperrbollwerke gegen die nach Südosten drängende Macht¬
erweiterung Deutschlands und Österreichs gewertet; ihre Wirkung richtet sich aber
natürlich vermöge ihrer Lage ebensogut gegen ein etwa in Zukunft sich wieder
aufrichtendes Rußland und gegen Griechenland, dessen britische Umklammerung
bereits völlig durch Saloniki und die Besetzung einiger Ionischer Inseln erreicht
ist. Es hat das Schicksal Portugals teilen müssen und wird voraussichtlich als
zweite südeuropäische Festlandsverankerung der britischen Klammer dienen sollen.

In wessen Macht steht es, die Südklammer, die England um Europa von
der Mündung des Tajo bis zu den Dardanellen gelegt hat, zu sprengen? Das
sind weltpolitische Probleme, deren Lösung der Zukunft vorbehalten bleiben
müssen; aber sie können restlos sicher erst gelöst werden, wenn ein Gemeinschafts¬
gefühl alle festländischen Europastaaten wider England zusammenschließt, das sich,
je länger der Krieg währt, um so offenkundiger als der wahre Feind Europas zeigt.

Dieses Gemeinschaftsgefühl, das die mittelmeerischen Staaten binden müßre.
um dem englischen Druck entgegenzutreten, müßte sich auch bei den Anliegern der
nördlichen Europarandmeere, der Nord- und Ostsee, regen, wenn die natürliche
Lagesperre, die England immer ausübt, in Zukunft gemildert werden soll. Nur
ein zusammengefaßter einheitlicher Druck von der inneren Linie aus vermöchte
hier Wirksamkeit zu erlangen. Da diese Möglichkeit nicht als eine unbedingte
Utopie erscheint, mindestens nicht in Bezug aus die germanischen Staaten um die
östliche Nordsee und um das baltische Meer und die wirtschaftlich an sie gehult-,
denen Nachbarn, so ist England um so mehr darauf bedacht, einem etwa aus der
inneren Linie vorbrechenden Widerstand durch eine strategisch oder politisch ge¬
festigte Sperre entgegenzutreten. Dahin zielen seine Bestrebungen gegen Island
und Norwegen ebensogut wie gegen Nußland.

Die Isländische Frage tauchte erstmalig während des Krieges Ende 1917
auf, als bekannt wurde, daß in Island eine Sclbständigkeitsbewegung sich von
neuem rege. Daß diese Bewegungen im Sinne, wenn nicht unter dem Zwange
Englands erfolgten, wurde zwar in Anlehnung an die seit 15 Jahren hervor¬
tretenden und schon damals von England gestützten LoSlösungsgelüste der Isländer
angenommen; offenkundig zutage trat diese Tatsache aber erst, als eine Abord¬
nung der Isländischen Regierung im Mai d. Is. in England weilte und in Ver¬
handlungen mit englischen, usamerikanischen, französischen und italienischen Vertretern
eintrat. Der Beteuerung Reuters, daß die dort getroffenen Vereinbarungen
keinerlei politische Bedeutung besäßen, ist der gleiche sWert zuzumessen, wie jener ge¬
legentlich des südspanischen Eisenbahnkaufes. Es kann kein-mZweifcl unterliegen, daß,
die von England erzwungene wirtschaftliche Trennung der Insel von Dänemark nur
der Anfang einer vollen politischen sein wird. Auf der Grundlage der bereits
begonnenen politischen Loslösung laut Vertrag vom Juli d. Is., der am 1. De¬
zember in Kraft treten soll, dürfte die politische Annäherung an England sich
schnell vollziehen. Die vertraglich verbürgte dauernde Neutralität Islands wird
für England ebensowenig ein Hindernis politischer Durchdringung sein, wie die
völkerrechtlich noch heute bestehende Zugehörigkeit Ägyptens zur Türkei es gewesen
ist. Der britische Besitz oder doch mindestens die politische Abhängigkeit Islands


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[0174] Die englische Umklammerung Europas Im Südosten des Mittelmeeres dienten England bekanntlich die Beherrschung Ägyptens und der Besitz des nördlich als Flankendeckung vorgeschobenen Cypern in erster Linie zur Sicherung des Suezkanals und damit der Verbindung nach Indien, Tatsachen, die man vom englischen Standpunkt aus sehr wohl begreifen konnte. Die während des Krieges erfolgte Besetzung ägäischer Inseln aber steht diesen Zielen britischer Mittelmeerpolitik fern. Wohl hatte ihre Besetzung Sicherungs¬ wert gegen einen allzustarken Vorstoß Rußlands in das Mittelmeer, falls ihm die von England selbst zugesicherte und an den Dardanellen erstrebte Besitznahme Konstantinopels geglückt wäre. Nach der Zertrümmerung des Zarenreiches entfiel dieser von England unverblümt ausgesprochene Zweck. Heute dienen sie dazu, die Südklammer Englands enger und fester um Europa zu ziehen, als es die strategische Linie Malta—Ägypten—CYPern vordem vermochte. Sie werden jetzt in England als die Sperrbollwerke gegen die nach Südosten drängende Macht¬ erweiterung Deutschlands und Österreichs gewertet; ihre Wirkung richtet sich aber natürlich vermöge ihrer Lage ebensogut gegen ein etwa in Zukunft sich wieder aufrichtendes Rußland und gegen Griechenland, dessen britische Umklammerung bereits völlig durch Saloniki und die Besetzung einiger Ionischer Inseln erreicht ist. Es hat das Schicksal Portugals teilen müssen und wird voraussichtlich als zweite südeuropäische Festlandsverankerung der britischen Klammer dienen sollen. In wessen Macht steht es, die Südklammer, die England um Europa von der Mündung des Tajo bis zu den Dardanellen gelegt hat, zu sprengen? Das sind weltpolitische Probleme, deren Lösung der Zukunft vorbehalten bleiben müssen; aber sie können restlos sicher erst gelöst werden, wenn ein Gemeinschafts¬ gefühl alle festländischen Europastaaten wider England zusammenschließt, das sich, je länger der Krieg währt, um so offenkundiger als der wahre Feind Europas zeigt. Dieses Gemeinschaftsgefühl, das die mittelmeerischen Staaten binden müßre. um dem englischen Druck entgegenzutreten, müßte sich auch bei den Anliegern der nördlichen Europarandmeere, der Nord- und Ostsee, regen, wenn die natürliche Lagesperre, die England immer ausübt, in Zukunft gemildert werden soll. Nur ein zusammengefaßter einheitlicher Druck von der inneren Linie aus vermöchte hier Wirksamkeit zu erlangen. Da diese Möglichkeit nicht als eine unbedingte Utopie erscheint, mindestens nicht in Bezug aus die germanischen Staaten um die östliche Nordsee und um das baltische Meer und die wirtschaftlich an sie gehult-, denen Nachbarn, so ist England um so mehr darauf bedacht, einem etwa aus der inneren Linie vorbrechenden Widerstand durch eine strategisch oder politisch ge¬ festigte Sperre entgegenzutreten. Dahin zielen seine Bestrebungen gegen Island und Norwegen ebensogut wie gegen Nußland. Die Isländische Frage tauchte erstmalig während des Krieges Ende 1917 auf, als bekannt wurde, daß in Island eine Sclbständigkeitsbewegung sich von neuem rege. Daß diese Bewegungen im Sinne, wenn nicht unter dem Zwange Englands erfolgten, wurde zwar in Anlehnung an die seit 15 Jahren hervor¬ tretenden und schon damals von England gestützten LoSlösungsgelüste der Isländer angenommen; offenkundig zutage trat diese Tatsache aber erst, als eine Abord¬ nung der Isländischen Regierung im Mai d. Is. in England weilte und in Ver¬ handlungen mit englischen, usamerikanischen, französischen und italienischen Vertretern eintrat. Der Beteuerung Reuters, daß die dort getroffenen Vereinbarungen keinerlei politische Bedeutung besäßen, ist der gleiche sWert zuzumessen, wie jener ge¬ legentlich des südspanischen Eisenbahnkaufes. Es kann kein-mZweifcl unterliegen, daß, die von England erzwungene wirtschaftliche Trennung der Insel von Dänemark nur der Anfang einer vollen politischen sein wird. Auf der Grundlage der bereits begonnenen politischen Loslösung laut Vertrag vom Juli d. Is., der am 1. De¬ zember in Kraft treten soll, dürfte die politische Annäherung an England sich schnell vollziehen. Die vertraglich verbürgte dauernde Neutralität Islands wird für England ebensowenig ein Hindernis politischer Durchdringung sein, wie die völkerrechtlich noch heute bestehende Zugehörigkeit Ägyptens zur Türkei es gewesen ist. Der britische Besitz oder doch mindestens die politische Abhängigkeit Islands

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/174>, abgerufen am 22.07.2024.