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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Der neue tschechische Kurs

slatvistisch-russophilen, gegen das Bündnis mit Deutschland gerichteten Politik des
Dr. Kranmr in der Vorkriegszeit. Dieses führende Blatt hatte 1915/16, geleitet
von dem Aktivisten Tobolka unter dem Einfluß des Absolutismus und der im
Mai 1915 günstig gewordenen Kriegslage gegen Rußland eine mehr transigente
austroslawische Haltung angenommen. Eine Frucht dieser Haltung ist auch das
bekannte, in Deutschland und Osterreich in usum Oelvluni massenhaft verbreitete
Sammelwerk des Abgeordneten Dr. Tobolka "Das böhmische Volk. Wohngebiete,
körperliche Tüchtigkeit, geistige und materielle Kultur" (Prag, 1916), das mit stark
auströslawischem Akzent die Tschechen als ein Volk mit mitteleuropäisch-deutscher
Kulturtendenz hinstellt, also eine Absage an den politischen Panslawismus bedeutet.
Kenner der Verhältnisse hielten diese Abkehr vom bündnisfeindlichen Radikalismus
nicht für echt, zum mindesten nicht für die Meinung der Mehrheit. Der Umschlag
trat tatsächlich sofort ein, als der Amnestie-Erlaß dem wegen Hochverrates ver¬
urteilten Dr. Kramür die Zügel der tschechischen Politik in die Hände drückte:
die gemäßigte Tobolka-Gruppe wurde von der Leitung der "Närodni Lisch" ent¬
fernt und das Blatt unter der Leitung des Kreises des "Närod" völlig zur Tri¬
büne der Kramärschen Politik gemacht, des extremen staatsrechtlich-demokratischen
Radikalismus der Dreikönigsdeklaration.
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Heute bildet der "Närod mit dem "Närodm Lisch und mit der Monats¬
schrift "CeskÄ Revue", von deren Leitung Tobolka ebenfalls entfernt wurde, dann
mit der Frauenzeitschrift "Zensky foet" (Frauenwelt) und einer Reihe von Provinz-
blättern einen Konzern von Blättern radikalster staatsrechtlich-demokratischer
Observanz. Durch das Aufgehen der selbständigen Parteien in der Einheitspartei
hat der Konzern in seinen führenden Mitarbeitern die heterogensten, vor nicht
langer Zeit einander noch feindlichen Elemente vereinigt. Die geistigen Leiter
dieses Konzerns sind Dr. Krcmmr und der Dichter Viktor Dyk, ein Vertreter des
bedingungslosen staatsrechtlichen Radikalismus.

Heute beherrscht diese Zeitungsgruppe durch ihre sehr energische Agitation,
die schon den kommenden Neichstagswahlen gilt, und durch ihren Terrorismus
gegen die Vertreter des politisch Erreichbaren die öffentliche Meinung der Volks¬
mehrheit -- die Steigerung des politischen Ideals von der Maideklaration 1917
zum hemmungslosen, die Monarchie sprengenden Imperialismus der Dreikönigs¬
deklaration ist vorzugsweise ihrem Einfluß zuzuschreiben.

Unter dem Einfluß des Konzerns steht fast die gesamte tschechische Presse,
Die staatsrechtlich-demokratische Idee ist richtunggebend für die Agrarier (Hauptblatt
"Verlöv"), deren linker Flügel, die Gruppe des gewesenen Ministers Prüfet,
vollständig im staatsrechtlichen Radikalismus ausgegangen ist -- (der Führer der
gemäßigten tschechischen Agrarier Mastälka ist Aktivist). Unter dem Einfluß des
Konzerns stand bis vor kurzem die autonomistisch. separatistische Gruppe der
tschechischen Sozialdemokratie (Gruppe Modräcek, Habermann) mit den Blättern
"NovÄ Doba" (Neue Zeit), "Socialistickö Lisch" (Soz. Blätter), "Mlady Socialist""
(Der junge Sozialist), "Omladina" (Jugend) u. a. In engster Verbindung mit
dem Konzern steht das aus der ehemaligen staatsrechtlich-radikalen "Samostalnost"
(Selbständigkeit) hervorgegangene Wochenblatt "Neodvislost" (Unabhängigkeit),
dann die ehemals parteilose "Närodni Politik"" (Volkspolitik), die meistverbreitete
tschechische Zeitung, das Blatt des kleinen Mannes, und der größte Teil der
Provinzpresse -- der jüngst gegründete "Vychol" in Pardubitz ist der ostböhmische
Ableger des Konzerns. Auch der "Rozhled" (Umschau), das Propagandablatt
der starken tschechisch-jüdischen Assimilationbewegung, muß hier genannt werden.

Neben den Tagesblättern des Konzerns wirkt in seinem Sinne, doch radikaler
und offener in der Aufdeckung der letzten Ziele des souveränen Staates, eine Flut
von Revuen und Zeitschriften, die zum größten Teil im letzten Halbjahr ent¬
standen sind. Unter den älteren Revuen steht die von Masaryk, dein Begründer
der staatsrechtfeindlichen Realistenpartei, dem ehemaligen anhero-slawischen Real¬
politiker und nunmehrigen Ententeagenten, gegründete sehr ferisse Monatsschrift
"Nase Doba" (Unsere Zeit) völlig im Dienste von Krcunärs staatsrechtlicher Demo-


Der neue tschechische Kurs

slatvistisch-russophilen, gegen das Bündnis mit Deutschland gerichteten Politik des
Dr. Kranmr in der Vorkriegszeit. Dieses führende Blatt hatte 1915/16, geleitet
von dem Aktivisten Tobolka unter dem Einfluß des Absolutismus und der im
Mai 1915 günstig gewordenen Kriegslage gegen Rußland eine mehr transigente
austroslawische Haltung angenommen. Eine Frucht dieser Haltung ist auch das
bekannte, in Deutschland und Osterreich in usum Oelvluni massenhaft verbreitete
Sammelwerk des Abgeordneten Dr. Tobolka „Das böhmische Volk. Wohngebiete,
körperliche Tüchtigkeit, geistige und materielle Kultur" (Prag, 1916), das mit stark
auströslawischem Akzent die Tschechen als ein Volk mit mitteleuropäisch-deutscher
Kulturtendenz hinstellt, also eine Absage an den politischen Panslawismus bedeutet.
Kenner der Verhältnisse hielten diese Abkehr vom bündnisfeindlichen Radikalismus
nicht für echt, zum mindesten nicht für die Meinung der Mehrheit. Der Umschlag
trat tatsächlich sofort ein, als der Amnestie-Erlaß dem wegen Hochverrates ver¬
urteilten Dr. Kramür die Zügel der tschechischen Politik in die Hände drückte:
die gemäßigte Tobolka-Gruppe wurde von der Leitung der „Närodni Lisch" ent¬
fernt und das Blatt unter der Leitung des Kreises des „Närod" völlig zur Tri¬
büne der Kramärschen Politik gemacht, des extremen staatsrechtlich-demokratischen
Radikalismus der Dreikönigsdeklaration.
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Heute bildet der „Närod mit dem „Närodm Lisch und mit der Monats¬
schrift „CeskÄ Revue", von deren Leitung Tobolka ebenfalls entfernt wurde, dann
mit der Frauenzeitschrift „Zensky foet" (Frauenwelt) und einer Reihe von Provinz-
blättern einen Konzern von Blättern radikalster staatsrechtlich-demokratischer
Observanz. Durch das Aufgehen der selbständigen Parteien in der Einheitspartei
hat der Konzern in seinen führenden Mitarbeitern die heterogensten, vor nicht
langer Zeit einander noch feindlichen Elemente vereinigt. Die geistigen Leiter
dieses Konzerns sind Dr. Krcmmr und der Dichter Viktor Dyk, ein Vertreter des
bedingungslosen staatsrechtlichen Radikalismus.

Heute beherrscht diese Zeitungsgruppe durch ihre sehr energische Agitation,
die schon den kommenden Neichstagswahlen gilt, und durch ihren Terrorismus
gegen die Vertreter des politisch Erreichbaren die öffentliche Meinung der Volks¬
mehrheit — die Steigerung des politischen Ideals von der Maideklaration 1917
zum hemmungslosen, die Monarchie sprengenden Imperialismus der Dreikönigs¬
deklaration ist vorzugsweise ihrem Einfluß zuzuschreiben.

Unter dem Einfluß des Konzerns steht fast die gesamte tschechische Presse,
Die staatsrechtlich-demokratische Idee ist richtunggebend für die Agrarier (Hauptblatt
„Verlöv"), deren linker Flügel, die Gruppe des gewesenen Ministers Prüfet,
vollständig im staatsrechtlichen Radikalismus ausgegangen ist — (der Führer der
gemäßigten tschechischen Agrarier Mastälka ist Aktivist). Unter dem Einfluß des
Konzerns stand bis vor kurzem die autonomistisch. separatistische Gruppe der
tschechischen Sozialdemokratie (Gruppe Modräcek, Habermann) mit den Blättern
„NovÄ Doba" (Neue Zeit), „Socialistickö Lisch" (Soz. Blätter), „Mlady Socialist»"
(Der junge Sozialist), „Omladina" (Jugend) u. a. In engster Verbindung mit
dem Konzern steht das aus der ehemaligen staatsrechtlich-radikalen „Samostalnost"
(Selbständigkeit) hervorgegangene Wochenblatt „Neodvislost" (Unabhängigkeit),
dann die ehemals parteilose „Närodni Politik«" (Volkspolitik), die meistverbreitete
tschechische Zeitung, das Blatt des kleinen Mannes, und der größte Teil der
Provinzpresse — der jüngst gegründete „Vychol" in Pardubitz ist der ostböhmische
Ableger des Konzerns. Auch der „Rozhled" (Umschau), das Propagandablatt
der starken tschechisch-jüdischen Assimilationbewegung, muß hier genannt werden.

Neben den Tagesblättern des Konzerns wirkt in seinem Sinne, doch radikaler
und offener in der Aufdeckung der letzten Ziele des souveränen Staates, eine Flut
von Revuen und Zeitschriften, die zum größten Teil im letzten Halbjahr ent¬
standen sind. Unter den älteren Revuen steht die von Masaryk, dein Begründer
der staatsrechtfeindlichen Realistenpartei, dem ehemaligen anhero-slawischen Real¬
politiker und nunmehrigen Ententeagenten, gegründete sehr ferisse Monatsschrift
„Nase Doba" (Unsere Zeit) völlig im Dienste von Krcunärs staatsrechtlicher Demo-


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[0016] Der neue tschechische Kurs slatvistisch-russophilen, gegen das Bündnis mit Deutschland gerichteten Politik des Dr. Kranmr in der Vorkriegszeit. Dieses führende Blatt hatte 1915/16, geleitet von dem Aktivisten Tobolka unter dem Einfluß des Absolutismus und der im Mai 1915 günstig gewordenen Kriegslage gegen Rußland eine mehr transigente austroslawische Haltung angenommen. Eine Frucht dieser Haltung ist auch das bekannte, in Deutschland und Osterreich in usum Oelvluni massenhaft verbreitete Sammelwerk des Abgeordneten Dr. Tobolka „Das böhmische Volk. Wohngebiete, körperliche Tüchtigkeit, geistige und materielle Kultur" (Prag, 1916), das mit stark auströslawischem Akzent die Tschechen als ein Volk mit mitteleuropäisch-deutscher Kulturtendenz hinstellt, also eine Absage an den politischen Panslawismus bedeutet. Kenner der Verhältnisse hielten diese Abkehr vom bündnisfeindlichen Radikalismus nicht für echt, zum mindesten nicht für die Meinung der Mehrheit. Der Umschlag trat tatsächlich sofort ein, als der Amnestie-Erlaß dem wegen Hochverrates ver¬ urteilten Dr. Kramür die Zügel der tschechischen Politik in die Hände drückte: die gemäßigte Tobolka-Gruppe wurde von der Leitung der „Närodni Lisch" ent¬ fernt und das Blatt unter der Leitung des Kreises des „Närod" völlig zur Tri¬ büne der Kramärschen Politik gemacht, des extremen staatsrechtlich-demokratischen Radikalismus der Dreikönigsdeklaration. "" Heute bildet der „Närod mit dem „Närodm Lisch und mit der Monats¬ schrift „CeskÄ Revue", von deren Leitung Tobolka ebenfalls entfernt wurde, dann mit der Frauenzeitschrift „Zensky foet" (Frauenwelt) und einer Reihe von Provinz- blättern einen Konzern von Blättern radikalster staatsrechtlich-demokratischer Observanz. Durch das Aufgehen der selbständigen Parteien in der Einheitspartei hat der Konzern in seinen führenden Mitarbeitern die heterogensten, vor nicht langer Zeit einander noch feindlichen Elemente vereinigt. Die geistigen Leiter dieses Konzerns sind Dr. Krcmmr und der Dichter Viktor Dyk, ein Vertreter des bedingungslosen staatsrechtlichen Radikalismus. Heute beherrscht diese Zeitungsgruppe durch ihre sehr energische Agitation, die schon den kommenden Neichstagswahlen gilt, und durch ihren Terrorismus gegen die Vertreter des politisch Erreichbaren die öffentliche Meinung der Volks¬ mehrheit — die Steigerung des politischen Ideals von der Maideklaration 1917 zum hemmungslosen, die Monarchie sprengenden Imperialismus der Dreikönigs¬ deklaration ist vorzugsweise ihrem Einfluß zuzuschreiben. Unter dem Einfluß des Konzerns steht fast die gesamte tschechische Presse, Die staatsrechtlich-demokratische Idee ist richtunggebend für die Agrarier (Hauptblatt „Verlöv"), deren linker Flügel, die Gruppe des gewesenen Ministers Prüfet, vollständig im staatsrechtlichen Radikalismus ausgegangen ist — (der Führer der gemäßigten tschechischen Agrarier Mastälka ist Aktivist). Unter dem Einfluß des Konzerns stand bis vor kurzem die autonomistisch. separatistische Gruppe der tschechischen Sozialdemokratie (Gruppe Modräcek, Habermann) mit den Blättern „NovÄ Doba" (Neue Zeit), „Socialistickö Lisch" (Soz. Blätter), „Mlady Socialist»" (Der junge Sozialist), „Omladina" (Jugend) u. a. In engster Verbindung mit dem Konzern steht das aus der ehemaligen staatsrechtlich-radikalen „Samostalnost" (Selbständigkeit) hervorgegangene Wochenblatt „Neodvislost" (Unabhängigkeit), dann die ehemals parteilose „Närodni Politik«" (Volkspolitik), die meistverbreitete tschechische Zeitung, das Blatt des kleinen Mannes, und der größte Teil der Provinzpresse — der jüngst gegründete „Vychol" in Pardubitz ist der ostböhmische Ableger des Konzerns. Auch der „Rozhled" (Umschau), das Propagandablatt der starken tschechisch-jüdischen Assimilationbewegung, muß hier genannt werden. Neben den Tagesblättern des Konzerns wirkt in seinem Sinne, doch radikaler und offener in der Aufdeckung der letzten Ziele des souveränen Staates, eine Flut von Revuen und Zeitschriften, die zum größten Teil im letzten Halbjahr ent¬ standen sind. Unter den älteren Revuen steht die von Masaryk, dein Begründer der staatsrechtfeindlichen Realistenpartei, dem ehemaligen anhero-slawischen Real¬ politiker und nunmehrigen Ententeagenten, gegründete sehr ferisse Monatsschrift „Nase Doba" (Unsere Zeit) völlig im Dienste von Krcunärs staatsrechtlicher Demo-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/16>, abgerufen am 22.07.2024.