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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Schwankendes im Baltikum

einer künstlich gezüchteten chemisch-lettischen Kultur setzt, die bei Licht gesehen
überhaupt keine gemeine Kultur, sondern in ihrem positiven Teil ein Ableger
deutscher Kultur ist. Zu noch einem Glück wenigstens wäre von baltischer Seite
zum Begriff der Parität eine einschränkende Ergänzung hinzuzufügen: sie darf
der Besiedlung des Landes nicht als höheres Prinzip abwehrend entgegengehalten
werden. Deutschland braucht den vorhandenen Landüberschutz für seine wachsende
Bevölkerung und die baltischen Deutschen brauchen sie als Schutz gegen die früher
oder später gefährlich werdende Majorisierung. Wollten die baltischen Deutschen
diesen Gesichtspunkt außer Acht lassen, so verlören sie ihre Existenzberechtigung
und das Recht, für ihre numerische Inferiorität einen Schutz und eine Abwehr
der Majoritätsansprüche zu erwarten. Eine verständige Parität in Verwaltung,
Gericht. Kirche und anderen Gebieten sind wir unter dieser Voraussetzung zuzu¬
gestehen bereit. Sie würde bei richtiger Auswahl der Personen den oben fest¬
gelegten Grundcharakter des baltischen Landesstaates um so weniger zu bedrohen
vermögen, als es im Interesse des Deutschen Reiches liegt, ihn in keinem Stück
verwischen zu lassen, ihn vielmehr durch die drei Staffeln deutscher Politik zu
stärken, die Vizekanzler von Poyer in der angezogenen Rede aufgestellt hat: wirt¬
schaftliche Erschließung, militärische Sicherung, Kolonisation -- alles drei Ent¬
wicklungspunkte, die der deutschen Bevölkerung Altlivlcmds die so notwendige
Erhöhung ihrer numerischen Kraft zuführen, insonderheit zur allmählichen Bildung
eines deutschen Bauernstandes führen werden, zu dem verheißungsvolle Ansätze
bereits vor dein Kriege gemacht worden sind. Bei voller Wahrung der Parität
würde sich das Schwergewicht immer auch auf die deutsche Seite neigen, zu der
auch ohne jede zwangsweise Eindeutschung auf dem Wege des deutschen Schul¬
zwanges, des deutschen Militärdienstes und des durch Handel und Wandel ge¬
botenen Besuches Deutschlands und seiner Bildungsstätten auch Letten und Ehlen
in steigendem Matze in natürlichem Prozetz hinstreben werden. So wird die
Verdeutschung des Landes seinen natürlichen Gang nehmen. Es werden damit
auch die gesellschaftlichen Schranken, die heute durch sprachliche Sonderung und
nationale Gegensätzlichkeit gezogen sind, allmählich fallen. Denn welcher Grund
sollte für uns Deutsche vorliegen, Leute, die, obwohl Letien und Ehlen von Ge¬
burt, doch sich rückhaltlos den deutschen Kulturidealen angeschlossen haben und in
dem politischen und wirtschaftlichen Anschluß an Deutschland auch ihren Vorteil
sehen, nicht bei wirklich vorhandener gleicher Bildung und gleichen sozialen Formen
als gleichwertige Glieder der Gesellschaft, der Geselligkeit anzusehen?

Für die deutsche Verwaltung des Landes und die Neichsinstcmzen wird es
nun, wie oben schon gesagt worden ist, von hohem Wert sein, zu erfahren, welche
Stellung die keltisch-chemischen Kreise, soweit sie in Betracht kommen, zu dem
Problem einnehmen. Ich betonte schon die Schwierigkeiten, denn diese Kreise
sind sehr verschlossen und hüllen sich oft in vieldeutiges Schweigen, sind mi߬
trauisch und übertragen die Gegensätze gegen uns auch auf den Deutschen im
Reich. Sie sind zudem alle sehr demokratisch, viele sozialistisch, ein Teil im Innern
bolschewistisch. Die englische Orientierung hat bei dem Gewicht, daß bei Völkern
auf dieser Stufe das gedruckte Wort und einzelne gewandte "Führer" haben,
fraglos viele Anhänger. Nicht zwar aus Sympathie für England, denn was
wissen sie von England, sondern aus dem Glauben, daß die deutsche Herrschaft
hier nur etwas Vorübergehendes ist, ein Glaube, der durch künstlich ausgestreute
Gerüchte immer wieder neue Nahrung erhält. Grundbedingung zu einem offenen
Anschluß des Landvolkes wäre daher, datz die unverrückbaren Richtlinien deutscher
Ostenpolitik in unzweideutiger Weise festgelegt und veröffentlicht und die Loslösung
von Rußland endlich auch formell ausgeführt würde. Der lettische und chemische
Landmann ist wie jeder Bauer in hohem Maße ein Wirklichkeitsmensch. Vor
Tatsachen beugt er sich. Die heutige scheinbare Ungewißheit schadet unendlich
und ist die Quelle vieler Mißverständnisse und gührender Unzufriedenheit.




Schwankendes im Baltikum

einer künstlich gezüchteten chemisch-lettischen Kultur setzt, die bei Licht gesehen
überhaupt keine gemeine Kultur, sondern in ihrem positiven Teil ein Ableger
deutscher Kultur ist. Zu noch einem Glück wenigstens wäre von baltischer Seite
zum Begriff der Parität eine einschränkende Ergänzung hinzuzufügen: sie darf
der Besiedlung des Landes nicht als höheres Prinzip abwehrend entgegengehalten
werden. Deutschland braucht den vorhandenen Landüberschutz für seine wachsende
Bevölkerung und die baltischen Deutschen brauchen sie als Schutz gegen die früher
oder später gefährlich werdende Majorisierung. Wollten die baltischen Deutschen
diesen Gesichtspunkt außer Acht lassen, so verlören sie ihre Existenzberechtigung
und das Recht, für ihre numerische Inferiorität einen Schutz und eine Abwehr
der Majoritätsansprüche zu erwarten. Eine verständige Parität in Verwaltung,
Gericht. Kirche und anderen Gebieten sind wir unter dieser Voraussetzung zuzu¬
gestehen bereit. Sie würde bei richtiger Auswahl der Personen den oben fest¬
gelegten Grundcharakter des baltischen Landesstaates um so weniger zu bedrohen
vermögen, als es im Interesse des Deutschen Reiches liegt, ihn in keinem Stück
verwischen zu lassen, ihn vielmehr durch die drei Staffeln deutscher Politik zu
stärken, die Vizekanzler von Poyer in der angezogenen Rede aufgestellt hat: wirt¬
schaftliche Erschließung, militärische Sicherung, Kolonisation — alles drei Ent¬
wicklungspunkte, die der deutschen Bevölkerung Altlivlcmds die so notwendige
Erhöhung ihrer numerischen Kraft zuführen, insonderheit zur allmählichen Bildung
eines deutschen Bauernstandes führen werden, zu dem verheißungsvolle Ansätze
bereits vor dein Kriege gemacht worden sind. Bei voller Wahrung der Parität
würde sich das Schwergewicht immer auch auf die deutsche Seite neigen, zu der
auch ohne jede zwangsweise Eindeutschung auf dem Wege des deutschen Schul¬
zwanges, des deutschen Militärdienstes und des durch Handel und Wandel ge¬
botenen Besuches Deutschlands und seiner Bildungsstätten auch Letten und Ehlen
in steigendem Matze in natürlichem Prozetz hinstreben werden. So wird die
Verdeutschung des Landes seinen natürlichen Gang nehmen. Es werden damit
auch die gesellschaftlichen Schranken, die heute durch sprachliche Sonderung und
nationale Gegensätzlichkeit gezogen sind, allmählich fallen. Denn welcher Grund
sollte für uns Deutsche vorliegen, Leute, die, obwohl Letien und Ehlen von Ge¬
burt, doch sich rückhaltlos den deutschen Kulturidealen angeschlossen haben und in
dem politischen und wirtschaftlichen Anschluß an Deutschland auch ihren Vorteil
sehen, nicht bei wirklich vorhandener gleicher Bildung und gleichen sozialen Formen
als gleichwertige Glieder der Gesellschaft, der Geselligkeit anzusehen?

Für die deutsche Verwaltung des Landes und die Neichsinstcmzen wird es
nun, wie oben schon gesagt worden ist, von hohem Wert sein, zu erfahren, welche
Stellung die keltisch-chemischen Kreise, soweit sie in Betracht kommen, zu dem
Problem einnehmen. Ich betonte schon die Schwierigkeiten, denn diese Kreise
sind sehr verschlossen und hüllen sich oft in vieldeutiges Schweigen, sind mi߬
trauisch und übertragen die Gegensätze gegen uns auch auf den Deutschen im
Reich. Sie sind zudem alle sehr demokratisch, viele sozialistisch, ein Teil im Innern
bolschewistisch. Die englische Orientierung hat bei dem Gewicht, daß bei Völkern
auf dieser Stufe das gedruckte Wort und einzelne gewandte „Führer" haben,
fraglos viele Anhänger. Nicht zwar aus Sympathie für England, denn was
wissen sie von England, sondern aus dem Glauben, daß die deutsche Herrschaft
hier nur etwas Vorübergehendes ist, ein Glaube, der durch künstlich ausgestreute
Gerüchte immer wieder neue Nahrung erhält. Grundbedingung zu einem offenen
Anschluß des Landvolkes wäre daher, datz die unverrückbaren Richtlinien deutscher
Ostenpolitik in unzweideutiger Weise festgelegt und veröffentlicht und die Loslösung
von Rußland endlich auch formell ausgeführt würde. Der lettische und chemische
Landmann ist wie jeder Bauer in hohem Maße ein Wirklichkeitsmensch. Vor
Tatsachen beugt er sich. Die heutige scheinbare Ungewißheit schadet unendlich
und ist die Quelle vieler Mißverständnisse und gührender Unzufriedenheit.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/147>, abgerufen am 25.08.2024.