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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Schwankendes im Baltikum

Teil von ihnen den gefährdeten Anteil an der Stadtverwaltung zu behaupten.
Nur Reval wurde, dank der radikalen UnVersöhnlichkeit der dortigen Ehlen, die
mit den Russen ein Wahlbündnis eingegangen waren, verloren und auch bei den
letzten Wahlen nur in einem Teil wiedergewonnen. Doch war auch hier ein
Anwachsen der deutschen Stimmen festzustellen. (Über Riga siehe den Aufsatz von
Dr. Th. Schwartz im angezogenen "Livländischen Kalender für 1918".)

So lagen die Dinge vor dem Kriege. Was seitdem geschehen ist, ist bekannt
und braucht nicht dargelegt zu werden. Zarismus, Republik und Maximalisten
sind in dem einen einig gewesen: dem Vernichtungskampf gegen das baltische
Deutschtum. Sicher ist dann auch, daß es zugrunde gegangen wäre, wenn nicht in
zwölfter Stunde Deutschlands Kaiser und Deutschlands Heer uns gerettet hätten.

Und damit ist an uns, baltische Deutsche, die große entscheidende Frage
herangetreten: Was soll nun geschehen? Wie soll sich unser Verhältnis zu Letten
und Ehlen gestalten? Wir sagen uns selbst allmglich, daß wir in vielen, sehr
vielen Stücken werden umlernen müssen. Es gilt das Schlagwort von der "Neu¬
orientierung". Gilt es auch von unserem Verhältnis zu den Jndigenen? Daß
die Spannung beseitigt werden nutz, die heute weite Schichten hüben und drüben
trennt, darüber ist man sich im deutschen Lager in tliesi einig -- ob dieselbe
Gesinnung im keltisch-estmschen Lager bei der heutigen Mehrheit besteht, sei dahin¬
gestellt. Wir wissen es nicht, aus der Presse ist es nicht zu erkennen, die spärlichen
gesellschaftlichen oder persönlichen Beziehungen lassen bei der Zurückhaltung und
Verschlossenheit der Letten und Ehlen keine "Schlüsse zu. Aber mit der auf der einen
Seite, selbst angenommen auf beiden Seiten in tlresi bestehenden Geneigtheit
zu einem inocius vivencii zu kommen, ist im Grunde herzlich wenig erreicht.
Lloyd George und Lord Balfour versichern ja immer wieder, sie wären für einen
Frieden, aber das, was sie einen ehrlichen Frieden nennen, ist die bedingungslose
Kapitulation Deutschlands. Ähnlich war es bis zur Schreckensherrschaft der
Bolschewiki und dem Einmarsch der deutschen Truppen mit Letten und Ehlen.
Es läßt sich unschwer dokumentarisch feststellen, daß die sogenannte führende
keltisch-chemische Intelligenz trotz des Terrors der Bolschewiki eine schroffe Deutschen-
feindschaft zur Schau getragen hat. Die Beschlüsse des usurpierte" Landtages
in Lettland trieften von Haß gegen uns und Sympathie für Rußland; nicht
anders war es in Estland und Nordlivland. Das im Sommer 1917 veröffent¬
lichte Tünninssonsche Agrarprogramm sah ausdrücklich die Enteignung des
gesamten deutschen Großgrundbesitzes vor, wenn auch gegen eine staatlich fest¬
zusetzende Entschädigung. Und wie leidenschaftlich die Abneigung gegen das
Deutschtum gerade in diesen Kreisen chemischer Intelligenz ist, davon überzeugt
sattsam die Agitation der Tonnissvn, Martna und Genossen in England. Siehe
darüber die schlagenden Darlegungen des estländischen Ritterschaftssekretärs von
Schulmann in der "Frankfurter Zeitung" (wiedergegeben in der "Dorpater Zeitung"
Ur. 67, 17. Mai).

Um zu einer Verständigung zu kommen, müssen wir Ballen und vor allem
auch die deutsche Verwaltung des Landes A,.O.-N,-Ob.-Ost und nicht weniger' die
deutsche Gesellschaft und Reichstag und andere Instanzen, desgleichen die Presse
wissen, welches denn eigentlich die Wünsche der Letten und Ehlen sind. Oder
genauer ausgedrückt, was diejenigen lettischen und estmschen Gruppen wollen
und hoffen, die sich ohne Hintergedanken auf den Boden der neuen Ordnung zu
stellen bereit sind. Denn nur mit diesen ist natürlich eine Verständigung möglich.
Wie erkennt man diese Gruppen, wie faßt man sie? Dies ist nicht leicht,
unendlich schwerer, als Wohl diejenigen glauben, die ohne Kenntnis der Geschichte
und der Psyche der Letten und Ehlen an die Aufgabe gehen. Man hält uns
deutsche Ballen oft für befangen, unser Urteil für einseitig und hat daher das
Bestreben, gewissermaßen über den streitenden Parteien zu stehen, sich aus
eigener Anschauung und Erfahrung auch ein eigenes Bild zu verschaffen. Wer
wollte gegen ein solches Bestreben Einwand erhebenl Es muß zugegeben
werden -- es kann ja garnicht anders sein -- daß wir bei unserem in ewigem


Schwankendes im Baltikum

Teil von ihnen den gefährdeten Anteil an der Stadtverwaltung zu behaupten.
Nur Reval wurde, dank der radikalen UnVersöhnlichkeit der dortigen Ehlen, die
mit den Russen ein Wahlbündnis eingegangen waren, verloren und auch bei den
letzten Wahlen nur in einem Teil wiedergewonnen. Doch war auch hier ein
Anwachsen der deutschen Stimmen festzustellen. (Über Riga siehe den Aufsatz von
Dr. Th. Schwartz im angezogenen „Livländischen Kalender für 1918".)

So lagen die Dinge vor dem Kriege. Was seitdem geschehen ist, ist bekannt
und braucht nicht dargelegt zu werden. Zarismus, Republik und Maximalisten
sind in dem einen einig gewesen: dem Vernichtungskampf gegen das baltische
Deutschtum. Sicher ist dann auch, daß es zugrunde gegangen wäre, wenn nicht in
zwölfter Stunde Deutschlands Kaiser und Deutschlands Heer uns gerettet hätten.

Und damit ist an uns, baltische Deutsche, die große entscheidende Frage
herangetreten: Was soll nun geschehen? Wie soll sich unser Verhältnis zu Letten
und Ehlen gestalten? Wir sagen uns selbst allmglich, daß wir in vielen, sehr
vielen Stücken werden umlernen müssen. Es gilt das Schlagwort von der „Neu¬
orientierung". Gilt es auch von unserem Verhältnis zu den Jndigenen? Daß
die Spannung beseitigt werden nutz, die heute weite Schichten hüben und drüben
trennt, darüber ist man sich im deutschen Lager in tliesi einig — ob dieselbe
Gesinnung im keltisch-estmschen Lager bei der heutigen Mehrheit besteht, sei dahin¬
gestellt. Wir wissen es nicht, aus der Presse ist es nicht zu erkennen, die spärlichen
gesellschaftlichen oder persönlichen Beziehungen lassen bei der Zurückhaltung und
Verschlossenheit der Letten und Ehlen keine "Schlüsse zu. Aber mit der auf der einen
Seite, selbst angenommen auf beiden Seiten in tlresi bestehenden Geneigtheit
zu einem inocius vivencii zu kommen, ist im Grunde herzlich wenig erreicht.
Lloyd George und Lord Balfour versichern ja immer wieder, sie wären für einen
Frieden, aber das, was sie einen ehrlichen Frieden nennen, ist die bedingungslose
Kapitulation Deutschlands. Ähnlich war es bis zur Schreckensherrschaft der
Bolschewiki und dem Einmarsch der deutschen Truppen mit Letten und Ehlen.
Es läßt sich unschwer dokumentarisch feststellen, daß die sogenannte führende
keltisch-chemische Intelligenz trotz des Terrors der Bolschewiki eine schroffe Deutschen-
feindschaft zur Schau getragen hat. Die Beschlüsse des usurpierte« Landtages
in Lettland trieften von Haß gegen uns und Sympathie für Rußland; nicht
anders war es in Estland und Nordlivland. Das im Sommer 1917 veröffent¬
lichte Tünninssonsche Agrarprogramm sah ausdrücklich die Enteignung des
gesamten deutschen Großgrundbesitzes vor, wenn auch gegen eine staatlich fest¬
zusetzende Entschädigung. Und wie leidenschaftlich die Abneigung gegen das
Deutschtum gerade in diesen Kreisen chemischer Intelligenz ist, davon überzeugt
sattsam die Agitation der Tonnissvn, Martna und Genossen in England. Siehe
darüber die schlagenden Darlegungen des estländischen Ritterschaftssekretärs von
Schulmann in der „Frankfurter Zeitung" (wiedergegeben in der „Dorpater Zeitung"
Ur. 67, 17. Mai).

Um zu einer Verständigung zu kommen, müssen wir Ballen und vor allem
auch die deutsche Verwaltung des Landes A,.O.-N,-Ob.-Ost und nicht weniger' die
deutsche Gesellschaft und Reichstag und andere Instanzen, desgleichen die Presse
wissen, welches denn eigentlich die Wünsche der Letten und Ehlen sind. Oder
genauer ausgedrückt, was diejenigen lettischen und estmschen Gruppen wollen
und hoffen, die sich ohne Hintergedanken auf den Boden der neuen Ordnung zu
stellen bereit sind. Denn nur mit diesen ist natürlich eine Verständigung möglich.
Wie erkennt man diese Gruppen, wie faßt man sie? Dies ist nicht leicht,
unendlich schwerer, als Wohl diejenigen glauben, die ohne Kenntnis der Geschichte
und der Psyche der Letten und Ehlen an die Aufgabe gehen. Man hält uns
deutsche Ballen oft für befangen, unser Urteil für einseitig und hat daher das
Bestreben, gewissermaßen über den streitenden Parteien zu stehen, sich aus
eigener Anschauung und Erfahrung auch ein eigenes Bild zu verschaffen. Wer
wollte gegen ein solches Bestreben Einwand erhebenl Es muß zugegeben
werden — es kann ja garnicht anders sein — daß wir bei unserem in ewigem


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[0145] Schwankendes im Baltikum Teil von ihnen den gefährdeten Anteil an der Stadtverwaltung zu behaupten. Nur Reval wurde, dank der radikalen UnVersöhnlichkeit der dortigen Ehlen, die mit den Russen ein Wahlbündnis eingegangen waren, verloren und auch bei den letzten Wahlen nur in einem Teil wiedergewonnen. Doch war auch hier ein Anwachsen der deutschen Stimmen festzustellen. (Über Riga siehe den Aufsatz von Dr. Th. Schwartz im angezogenen „Livländischen Kalender für 1918".) So lagen die Dinge vor dem Kriege. Was seitdem geschehen ist, ist bekannt und braucht nicht dargelegt zu werden. Zarismus, Republik und Maximalisten sind in dem einen einig gewesen: dem Vernichtungskampf gegen das baltische Deutschtum. Sicher ist dann auch, daß es zugrunde gegangen wäre, wenn nicht in zwölfter Stunde Deutschlands Kaiser und Deutschlands Heer uns gerettet hätten. Und damit ist an uns, baltische Deutsche, die große entscheidende Frage herangetreten: Was soll nun geschehen? Wie soll sich unser Verhältnis zu Letten und Ehlen gestalten? Wir sagen uns selbst allmglich, daß wir in vielen, sehr vielen Stücken werden umlernen müssen. Es gilt das Schlagwort von der „Neu¬ orientierung". Gilt es auch von unserem Verhältnis zu den Jndigenen? Daß die Spannung beseitigt werden nutz, die heute weite Schichten hüben und drüben trennt, darüber ist man sich im deutschen Lager in tliesi einig — ob dieselbe Gesinnung im keltisch-estmschen Lager bei der heutigen Mehrheit besteht, sei dahin¬ gestellt. Wir wissen es nicht, aus der Presse ist es nicht zu erkennen, die spärlichen gesellschaftlichen oder persönlichen Beziehungen lassen bei der Zurückhaltung und Verschlossenheit der Letten und Ehlen keine "Schlüsse zu. Aber mit der auf der einen Seite, selbst angenommen auf beiden Seiten in tlresi bestehenden Geneigtheit zu einem inocius vivencii zu kommen, ist im Grunde herzlich wenig erreicht. Lloyd George und Lord Balfour versichern ja immer wieder, sie wären für einen Frieden, aber das, was sie einen ehrlichen Frieden nennen, ist die bedingungslose Kapitulation Deutschlands. Ähnlich war es bis zur Schreckensherrschaft der Bolschewiki und dem Einmarsch der deutschen Truppen mit Letten und Ehlen. Es läßt sich unschwer dokumentarisch feststellen, daß die sogenannte führende keltisch-chemische Intelligenz trotz des Terrors der Bolschewiki eine schroffe Deutschen- feindschaft zur Schau getragen hat. Die Beschlüsse des usurpierte« Landtages in Lettland trieften von Haß gegen uns und Sympathie für Rußland; nicht anders war es in Estland und Nordlivland. Das im Sommer 1917 veröffent¬ lichte Tünninssonsche Agrarprogramm sah ausdrücklich die Enteignung des gesamten deutschen Großgrundbesitzes vor, wenn auch gegen eine staatlich fest¬ zusetzende Entschädigung. Und wie leidenschaftlich die Abneigung gegen das Deutschtum gerade in diesen Kreisen chemischer Intelligenz ist, davon überzeugt sattsam die Agitation der Tonnissvn, Martna und Genossen in England. Siehe darüber die schlagenden Darlegungen des estländischen Ritterschaftssekretärs von Schulmann in der „Frankfurter Zeitung" (wiedergegeben in der „Dorpater Zeitung" Ur. 67, 17. Mai). Um zu einer Verständigung zu kommen, müssen wir Ballen und vor allem auch die deutsche Verwaltung des Landes A,.O.-N,-Ob.-Ost und nicht weniger' die deutsche Gesellschaft und Reichstag und andere Instanzen, desgleichen die Presse wissen, welches denn eigentlich die Wünsche der Letten und Ehlen sind. Oder genauer ausgedrückt, was diejenigen lettischen und estmschen Gruppen wollen und hoffen, die sich ohne Hintergedanken auf den Boden der neuen Ordnung zu stellen bereit sind. Denn nur mit diesen ist natürlich eine Verständigung möglich. Wie erkennt man diese Gruppen, wie faßt man sie? Dies ist nicht leicht, unendlich schwerer, als Wohl diejenigen glauben, die ohne Kenntnis der Geschichte und der Psyche der Letten und Ehlen an die Aufgabe gehen. Man hält uns deutsche Ballen oft für befangen, unser Urteil für einseitig und hat daher das Bestreben, gewissermaßen über den streitenden Parteien zu stehen, sich aus eigener Anschauung und Erfahrung auch ein eigenes Bild zu verschaffen. Wer wollte gegen ein solches Bestreben Einwand erhebenl Es muß zugegeben werden — es kann ja garnicht anders sein — daß wir bei unserem in ewigem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/145>, abgerufen am 22.07.2024.