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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Der neue tschechische Kur5

Forderung eines aus dem Rahmen der Monarchie losgelösten souveränen Staates
als Frucht der Demokratisierung Europas durch den Weltkrieg wurde erst durch
den Aufruf der Schriftsteller heraufgeführt, der nachdrücklich die Wirksamkeit des
Abgeordnetenverbandes bestimmt hat. Aufhebung aller hemmenden Fesseln des
Absolutismus, allgemeine Amnestie und sofortige Ergänzungswahlen für den
Reichsrat sind die engeren Forderungen dieses an das Forum von ganz Europa
und der Übersee ausdrücklich appellierenden Aufrufes. Die tschechische Frage (die
im Gegensatz zur polnischen und südslawischen eine rein innerösterreichische, durch¬
aus keine europäische ist), soll als ein Teil der Weltpolitik erscheinen, durch den
Aufruf wird für die Weltfriedenskonserenz der Anteil der Tschechen an der "Welt¬
ernte der französischen Revolution" Angemeldet. Unbeirrt durch die innere und
äußere Politik Österreichs, unbeirrt durch die Kriegslage soll die tschechische Politik
im engen Bunde mit Polen und Slowenen den Weg zum eigenen Staate gehen.

Die unmittelbaren Früchte dieses Aufrufes find die beiden Deklarationen
der Abgeordneten. Die erste vom 30. Mai 1917 verlangt: Aufhebung des Dua¬
lismus, Umgestaltung der Habsburg-lothringischen Monarchie in einen Bundes¬
staat von freien und gleichberechtigten Nationalstaaten, sowie Verbindung aller
Zweige des tschechischen Volkes mit Einschluß der ungarischen Slowaken zu einem
demokratischen tschechischen Staate.

Zwei Prinzipien müssen zur Begründung dieser Forderung dienen: in
erster Reihe das Nationalitätenprinzip, das Halbwort vom Selbstbestimmungs-
recht der Völker, das die Entente sichtbar von den Slawen übernommen hat --
es findet sich schon in Bakunins "Aufruf an die Slawen" aus den vierziger
Jahren und öfter in tschechischen Proklamationen, so im staatsrechtlichen Memo¬
randum vom 8. Dezember 1870*). In zweiter Reihe erst und als Verstärkung
des Naturrechtes tritt in der Maideklaration die Berufung auf die "unverzicht¬
baren, durch Staatsakte voll anerkannten historischen Rechte" auf -- also eine
absonderliche Mischung moderner und antiquiert historischer Prinzipien. Wie
meisterhaft die beiden logisch nicht immer vereinbaren Prinzipien verquickt werden,
um den letzten Zielen dieser Deklaration zu dienen -- zur Gewinnung der Sozial¬
demokraten, zum Anspruch auf die Slowaken und zur macchiavellistischen Be¬
gründung der Herrschaft über die Sudetendeutschen muß bald das eine bald das
andere herhalten -- und warum das hohe Palladium der tschechischen Politik,
das historische Staatsrecht, in dieser Deklaration vor der naturrechtlichen Selbst¬
bestimmung zurücktreten muß, das zeigt in eindringlich dialektischer Schärfe die
sehr beachtenswerte Schrift von Dr. L. E. "Gedanken zum böhmischen Staat",
Prag 1918, aus der Sammlung: Flugschriften der deutschen Fortschrittspartei
in Böhmen.

Die Dreikönigsdeklaration, die vorzugsweise nach Litauisch-Brest gerichtet
war, wo Graf Czernin am 22. Dezember 1917 zu verhandeln begonnen hatte,
hat die Idee des Bundesstaates gleichberechtigter und freier Nationalstaaten im
Rahmen der Monarchie und das Interesse der Dynastie, das in der Maideklaration
noch bekräftigt worden war, völlig fallen gelassen. Mit schärfer Spitze gegen
Czernins Absicht, die nationale Selbstbestimmung in jedem Staate auf verfassungs¬
mäßigen Wege zu regeln, verlangt diese Deklaration im Bunde mit "allen Demo¬
kratien der Welt" und mit neuerlicher erhöhter Berufung auf das vom "neuen
Nußland" aufgestellte Prinzip der absoluten Selbstbestimmung einen nach außen
wie nach innen selbständigen, souveränen, demokratischen, tschechischen Staat in
den historischen Grenzen der Länder und Sitze des Volkes und seines slowakischen
Zweiges. Die Loslösung von der Monarchie ist expressif verbi3 in der Dekla¬
ration nicht enthalten, aber Presse wie Politiker behandeln die Frage überein¬
stimmend nur auf der Grundlage vollster, also eindeutiger Souveränität. In der



*) Vgl. zur Kritik dieses Begriffes H. Cunoro, Marx und das Selbstbestimmungsrecht
der Nationen, die "Neue Zeit", 86. Jahrg. S. 577 ff., und Ludw. Spiegel, "Die Verfassungs¬
frage in Österreich", Schmollers Jahrb., Bd. 42, 1; 1918 S. 211 ff.
Der neue tschechische Kur5

Forderung eines aus dem Rahmen der Monarchie losgelösten souveränen Staates
als Frucht der Demokratisierung Europas durch den Weltkrieg wurde erst durch
den Aufruf der Schriftsteller heraufgeführt, der nachdrücklich die Wirksamkeit des
Abgeordnetenverbandes bestimmt hat. Aufhebung aller hemmenden Fesseln des
Absolutismus, allgemeine Amnestie und sofortige Ergänzungswahlen für den
Reichsrat sind die engeren Forderungen dieses an das Forum von ganz Europa
und der Übersee ausdrücklich appellierenden Aufrufes. Die tschechische Frage (die
im Gegensatz zur polnischen und südslawischen eine rein innerösterreichische, durch¬
aus keine europäische ist), soll als ein Teil der Weltpolitik erscheinen, durch den
Aufruf wird für die Weltfriedenskonserenz der Anteil der Tschechen an der „Welt¬
ernte der französischen Revolution" Angemeldet. Unbeirrt durch die innere und
äußere Politik Österreichs, unbeirrt durch die Kriegslage soll die tschechische Politik
im engen Bunde mit Polen und Slowenen den Weg zum eigenen Staate gehen.

Die unmittelbaren Früchte dieses Aufrufes find die beiden Deklarationen
der Abgeordneten. Die erste vom 30. Mai 1917 verlangt: Aufhebung des Dua¬
lismus, Umgestaltung der Habsburg-lothringischen Monarchie in einen Bundes¬
staat von freien und gleichberechtigten Nationalstaaten, sowie Verbindung aller
Zweige des tschechischen Volkes mit Einschluß der ungarischen Slowaken zu einem
demokratischen tschechischen Staate.

Zwei Prinzipien müssen zur Begründung dieser Forderung dienen: in
erster Reihe das Nationalitätenprinzip, das Halbwort vom Selbstbestimmungs-
recht der Völker, das die Entente sichtbar von den Slawen übernommen hat —
es findet sich schon in Bakunins „Aufruf an die Slawen" aus den vierziger
Jahren und öfter in tschechischen Proklamationen, so im staatsrechtlichen Memo¬
randum vom 8. Dezember 1870*). In zweiter Reihe erst und als Verstärkung
des Naturrechtes tritt in der Maideklaration die Berufung auf die „unverzicht¬
baren, durch Staatsakte voll anerkannten historischen Rechte" auf — also eine
absonderliche Mischung moderner und antiquiert historischer Prinzipien. Wie
meisterhaft die beiden logisch nicht immer vereinbaren Prinzipien verquickt werden,
um den letzten Zielen dieser Deklaration zu dienen — zur Gewinnung der Sozial¬
demokraten, zum Anspruch auf die Slowaken und zur macchiavellistischen Be¬
gründung der Herrschaft über die Sudetendeutschen muß bald das eine bald das
andere herhalten — und warum das hohe Palladium der tschechischen Politik,
das historische Staatsrecht, in dieser Deklaration vor der naturrechtlichen Selbst¬
bestimmung zurücktreten muß, das zeigt in eindringlich dialektischer Schärfe die
sehr beachtenswerte Schrift von Dr. L. E. „Gedanken zum böhmischen Staat",
Prag 1918, aus der Sammlung: Flugschriften der deutschen Fortschrittspartei
in Böhmen.

Die Dreikönigsdeklaration, die vorzugsweise nach Litauisch-Brest gerichtet
war, wo Graf Czernin am 22. Dezember 1917 zu verhandeln begonnen hatte,
hat die Idee des Bundesstaates gleichberechtigter und freier Nationalstaaten im
Rahmen der Monarchie und das Interesse der Dynastie, das in der Maideklaration
noch bekräftigt worden war, völlig fallen gelassen. Mit schärfer Spitze gegen
Czernins Absicht, die nationale Selbstbestimmung in jedem Staate auf verfassungs¬
mäßigen Wege zu regeln, verlangt diese Deklaration im Bunde mit „allen Demo¬
kratien der Welt" und mit neuerlicher erhöhter Berufung auf das vom „neuen
Nußland" aufgestellte Prinzip der absoluten Selbstbestimmung einen nach außen
wie nach innen selbständigen, souveränen, demokratischen, tschechischen Staat in
den historischen Grenzen der Länder und Sitze des Volkes und seines slowakischen
Zweiges. Die Loslösung von der Monarchie ist expressif verbi3 in der Dekla¬
ration nicht enthalten, aber Presse wie Politiker behandeln die Frage überein¬
stimmend nur auf der Grundlage vollster, also eindeutiger Souveränität. In der



*) Vgl. zur Kritik dieses Begriffes H. Cunoro, Marx und das Selbstbestimmungsrecht
der Nationen, die „Neue Zeit", 86. Jahrg. S. 577 ff., und Ludw. Spiegel, „Die Verfassungs¬
frage in Österreich", Schmollers Jahrb., Bd. 42, 1; 1918 S. 211 ff.
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[0014] Der neue tschechische Kur5 Forderung eines aus dem Rahmen der Monarchie losgelösten souveränen Staates als Frucht der Demokratisierung Europas durch den Weltkrieg wurde erst durch den Aufruf der Schriftsteller heraufgeführt, der nachdrücklich die Wirksamkeit des Abgeordnetenverbandes bestimmt hat. Aufhebung aller hemmenden Fesseln des Absolutismus, allgemeine Amnestie und sofortige Ergänzungswahlen für den Reichsrat sind die engeren Forderungen dieses an das Forum von ganz Europa und der Übersee ausdrücklich appellierenden Aufrufes. Die tschechische Frage (die im Gegensatz zur polnischen und südslawischen eine rein innerösterreichische, durch¬ aus keine europäische ist), soll als ein Teil der Weltpolitik erscheinen, durch den Aufruf wird für die Weltfriedenskonserenz der Anteil der Tschechen an der „Welt¬ ernte der französischen Revolution" Angemeldet. Unbeirrt durch die innere und äußere Politik Österreichs, unbeirrt durch die Kriegslage soll die tschechische Politik im engen Bunde mit Polen und Slowenen den Weg zum eigenen Staate gehen. Die unmittelbaren Früchte dieses Aufrufes find die beiden Deklarationen der Abgeordneten. Die erste vom 30. Mai 1917 verlangt: Aufhebung des Dua¬ lismus, Umgestaltung der Habsburg-lothringischen Monarchie in einen Bundes¬ staat von freien und gleichberechtigten Nationalstaaten, sowie Verbindung aller Zweige des tschechischen Volkes mit Einschluß der ungarischen Slowaken zu einem demokratischen tschechischen Staate. Zwei Prinzipien müssen zur Begründung dieser Forderung dienen: in erster Reihe das Nationalitätenprinzip, das Halbwort vom Selbstbestimmungs- recht der Völker, das die Entente sichtbar von den Slawen übernommen hat — es findet sich schon in Bakunins „Aufruf an die Slawen" aus den vierziger Jahren und öfter in tschechischen Proklamationen, so im staatsrechtlichen Memo¬ randum vom 8. Dezember 1870*). In zweiter Reihe erst und als Verstärkung des Naturrechtes tritt in der Maideklaration die Berufung auf die „unverzicht¬ baren, durch Staatsakte voll anerkannten historischen Rechte" auf — also eine absonderliche Mischung moderner und antiquiert historischer Prinzipien. Wie meisterhaft die beiden logisch nicht immer vereinbaren Prinzipien verquickt werden, um den letzten Zielen dieser Deklaration zu dienen — zur Gewinnung der Sozial¬ demokraten, zum Anspruch auf die Slowaken und zur macchiavellistischen Be¬ gründung der Herrschaft über die Sudetendeutschen muß bald das eine bald das andere herhalten — und warum das hohe Palladium der tschechischen Politik, das historische Staatsrecht, in dieser Deklaration vor der naturrechtlichen Selbst¬ bestimmung zurücktreten muß, das zeigt in eindringlich dialektischer Schärfe die sehr beachtenswerte Schrift von Dr. L. E. „Gedanken zum böhmischen Staat", Prag 1918, aus der Sammlung: Flugschriften der deutschen Fortschrittspartei in Böhmen. Die Dreikönigsdeklaration, die vorzugsweise nach Litauisch-Brest gerichtet war, wo Graf Czernin am 22. Dezember 1917 zu verhandeln begonnen hatte, hat die Idee des Bundesstaates gleichberechtigter und freier Nationalstaaten im Rahmen der Monarchie und das Interesse der Dynastie, das in der Maideklaration noch bekräftigt worden war, völlig fallen gelassen. Mit schärfer Spitze gegen Czernins Absicht, die nationale Selbstbestimmung in jedem Staate auf verfassungs¬ mäßigen Wege zu regeln, verlangt diese Deklaration im Bunde mit „allen Demo¬ kratien der Welt" und mit neuerlicher erhöhter Berufung auf das vom „neuen Nußland" aufgestellte Prinzip der absoluten Selbstbestimmung einen nach außen wie nach innen selbständigen, souveränen, demokratischen, tschechischen Staat in den historischen Grenzen der Länder und Sitze des Volkes und seines slowakischen Zweiges. Die Loslösung von der Monarchie ist expressif verbi3 in der Dekla¬ ration nicht enthalten, aber Presse wie Politiker behandeln die Frage überein¬ stimmend nur auf der Grundlage vollster, also eindeutiger Souveränität. In der *) Vgl. zur Kritik dieses Begriffes H. Cunoro, Marx und das Selbstbestimmungsrecht der Nationen, die „Neue Zeit", 86. Jahrg. S. 577 ff., und Ludw. Spiegel, „Die Verfassungs¬ frage in Österreich", Schmollers Jahrb., Bd. 42, 1; 1918 S. 211 ff.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/14>, abgerufen am 22.07.2024.