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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr.

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Randglossen zum Tage

schlotternde Spieler und GauklerI Ihr könnts, denn die Ereignisse geben Euch
rechtI Begründet unseren Willen zum Frieden mit der Logik unserer feststehenden
Überlegenheit und dem Menschheitsgewissen und dem Mitleid mit beschwindelten,
hypnotisierten Völkern. Sagt diesen Völkern, daß, wenn sie nicht endlich erkennen,
daß sie von den gewissenlosesten Verbrechern beschwindelt werden, die je den
Galgen verdient haben, daß dann die große Tatsache der Zeit noch schmerzlicher
und blutiger den allzu leichtgläubigen Völkern strafend zum Bewußtsein kommen
wird, daß das deutsche Volk bis zum sozialdemokratischen Arbeiter die Geduld verliert
und dreinschlägt, bis von der französisch-englischen Kriegsmaschine kein Fetzen mehr da
ist. Sprecht Fraktur mit einer Verbrecherbande, die, wissend, daß sie nicht siegen, uns
nicht kleinkriegen, höchstens einmal einen Teilerfolg vorübergehend erzwingen kann,
fortfährt, Blut zu vergießen und zynisch dem Aufhören des Entsetzlichen, nutzlosen zu
wehren! Schafft der ungeheuren Empörung aller Deutsche« einen Ausdruck, daß
den anderen die Ohren gellen und dann, aber erst dann redet wieder vom Frieden!
Himmelherrgottsternmillionenkreuzdonnerwetter, Staatsmänner, zieht die Glace¬
handschuhe aus und sprecht klar, deutlich, menschlich und eS wird die beste Politik
fein! Und Ihr werdet die Parteien hinter Euch haben! Sprecht laut genug
und noch während des Geschützdonners werden Euch eine Menge Leute in Frank¬
reich und England aufmerksam anhören! Wartet das Echo ab und dann mögt
Ihr wieder diplomatisch reden! Die Zeitungen sprechen wieder von „politischer
Offensive". Ganz recht. Ich empfehle die Offensive der Deutlichkeit gegen eine
Verbrecherbande, die auf alle deutscheu Weichheiten, Uneinigkeiten und Torheite»
spekuliert, ausgehend von der Annahme: man kann den Michel siegen lassen, kann
ihm dabei täglich ins Gesicht spucken und ihn im Augenblick, da es einem paßt, als
unverwüstlichen Friedens- und Versöhnungsmichel an den grünen Tisch bringen.
Möge im Kampf zwischen Bureaukratie und Leidenschaft einmal die Leidenschaft
siegen, die die rednerischen Handgranaten zurückwirft und darauf verzichtet, gerade
jetzt den europäischen Ton verbessern zu wollen, weil das gerade jetzt falsch aus¬
gelegt wird. Herr von Kühlmann hätte seinen berühmten Sätzen über die Mög-
lichkeit noch viel längerer Kriegsdauer eine Anklage gegen diejenigen, die an der
Kriegs-Verlängerung schuld sind, folgen lassen sollen und zwar im Ton und Stil
der Leute, die gegen uns täglich Staatsanwalts-Plädoyers halten. Er hätte die
Logik der Kriegskarte für sich gehabt und wenn er diese Anklage so begründet
und formuliert hätte, daß sie sich dem Gedächtnis der Mitwelt eingebrannt hätte,
wie die großen Anklagereden der Parlamentsgeschichte, hätte er drinnen und
draußen eine Wirkung gehabt, mit der auch Stresemann zufrieden gewesen wäre.
Wir haben das Recht, anzuklagen und unsere Staatsmänner sollten die Töne
finden, die das ungeheure Verbrechen fordert, das von denen begangen wird, die
Hunderttausende bluten lassen, weil sie ein Spiel retten wollen, das nicht mehr
zu retten ist. Mehr Temperament, ihr sanften Herren, weniger AbgeklärtheitI
Was die Völker fühlen, müssen die Staatsmänner in gewissen Momenten heraus¬
schreien können. Für eine Zeit wie die jetzige muß es Grundsatz der Wortführer
einer Nation sein: lieber nicht so leise, dafür aber, bitte, recht deutlich!


Ihr Nemo


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333844/111>, abgerufen am 24.01.2025.