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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Äer Kampf um das kommnnati! Mahlrecht

Desgleichen ficht Below meine Ansicht an, die Kirche sei dem Einflüsse
des Patrons durch ihre Verfassung entzogen, indem er darauf hinweist, jeder
Patron habe auf die Bestellung des Geistlichen Einfluß. Gewiß, sofern er ihn
wählt. Ein sozialdemokratischer Patron könnte doch höchstens einen sehr liberalen
Geistlichen küren; einen sozialdemokratischen gibt es naturgemäß nicht. Da aber
jeder Geistliche, sei er orthodox oder liberal, selbstverständlich ein Gegner und
Bekämpfer der Sozialdemokratie ist, so wird es dem sozialdemokratischen Patron
ziemlich gleichgültig sein, wer Geistlicher wird, und Gemeindevertretung nebst
Gemeindekirchenrat werden den Ausschlag geben; daß darin aber kaum Sozial¬
demokraten sitzen werden, habe ich schon in meinem Aufsatze ausgeführt.

In einem Falle muß ich aber einen Vorwurf als berechtigt anerkennen.
Ich hatte die Ansicht vertreten, der Staat müsse die Ortspolizei den Städten
nehmen, in denen man der herrschend gewordenen Sozialdemokratie die Polizei-
Verwaltung, also die diskretionäre Ausübung der Staatshoheit, nicht anvertrauen
könne. Ich gebe zu, daß diese Maßregel in jedem einzelnen Falle zu höchst
unangenehmen Interpellationen im Abgeordnetenhause führen würde. Ich ver¬
bessere daher meinen Fehler durch den Vorschlag, überhaupt allgemein die Polizei
von der Staatsverwaltung grundsätzlich zu trennen. Es könnte dabei nach den Ma߬
nahmen Verfahren werden, die ich schon in meinem anderen Aufsatze empfohlen hatte
(S. 114). Dann würden dem Staate die vorhin angedeuteten Interpellationen
erspart bleiben; er würde vom Parlamente in dieser Hinsicht unabhängig sein.
Daß übrigens der Staat vor den ärgsten Angriffen des Parlaments nicht zurück¬
gewichen ist, sondern mit Entschlossenheit und Zähigkeit seine Absichten durchgesetzt
hat, beweist die Konfliktszeit, wo Anwürfe wie "Kainszeichen der Lüge auf der
Stirn" dem Kriegsminister entgegenschallten.

Hinsichtlich der Polenpolitik kann ich aber Belows Vorwürfe nicht hinnehmen.
Landrat und Distriktskommissar sind gewiß bei dem Zickzackkurse der Polenpolitik
übel daran, aber der Staat, der bald milde, bald scharf gegen die Polen verfährt,
kennt doch den polnischen Anmaßungen gegenüber eine gewisse Grenze und spricht
dann ein "bis hierher und nicht weiter". Ob Landrat und Distriktskommissar
genügende Stütze und Stärke gegen die polnischen deutsch- und vaterlandsfeind¬
lichen Bestrebungen gewähren werden, wird sich zeigen. Mit dieser in meinem
Aufsatze geäußerten Ansicht deute ich daraus hin, daß ich selbst der Zukunft
der Ostmark mit einer gewissen Spannung, um nicht zu sagen, Besorgnis
entgegensehe.

Über den Treueid denke ich doch anders als Below (S. 285). Es handelt
sich nicht darum, "was die Negierung künftig noch verlangen und was sie durch¬
gehen lassen würde", sondern um einen Eidschwur, an dem nicht zu deuteln und
zu drehen ist, den eben ein Pole als Ehrenmann nicht ablegen kann; er würde
ihn sehr bald in schwerste AmtSkonflikte bringen, falls er seinem Polentum treu
bleibt und dasselbe betätigen will, wie es von der polnischen Intelligenz geradezu
gebieterisch verlangt wird. Gerade hierfür kann ich ein Beispiel aus meinem amt¬
lichen Leben anführen. Ich hatte einen Schüler, vielleicht den besten, den ich je
besaß, den Sohn eines polnischen Bauergutsbesitzers. Er beteuerte mir, er habe
zu nichts größere Neigung, als zur Philologie und zum Schulamt. Ich setzte ihm
auseinander, wolle er Oberlehrer werden, so müsse er vor allem ein guter, deutsch¬
gesinnter Reichsbürger und staatstreuer preußischer Beamter sein. Da schüttelte
er den Kopf; das könne er niemals. Nicht lange daraus sah ich ihn in
Kleriker-Tracht.

Below ist jedenfalls für tatkräftige Ostmarkenpolitik. Darin stimme ich mit
ihm völlig überein. Wenn er aber fragt: "Warum sollen wir das Wahlrecht so
ändern, daß den Polen in Provinz und Gemeinde das Übergewicht verschafft
wird?" so glaube ich nicht, daß man nur der Ostmarkenpolittt halber auf das
allgemeine, gleiche Wahlrecht verzichten wird. Ebensowenig glaube ich, daß man
für die Oftmark eine Ausnahme vom allgemeinen, gleichen Wahlrecht machen wird,
jetzt wo man das Ausnahmegesetz der Enteignung von Staats wegen preisgibt
*


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Äer Kampf um das kommnnati! Mahlrecht

Desgleichen ficht Below meine Ansicht an, die Kirche sei dem Einflüsse
des Patrons durch ihre Verfassung entzogen, indem er darauf hinweist, jeder
Patron habe auf die Bestellung des Geistlichen Einfluß. Gewiß, sofern er ihn
wählt. Ein sozialdemokratischer Patron könnte doch höchstens einen sehr liberalen
Geistlichen küren; einen sozialdemokratischen gibt es naturgemäß nicht. Da aber
jeder Geistliche, sei er orthodox oder liberal, selbstverständlich ein Gegner und
Bekämpfer der Sozialdemokratie ist, so wird es dem sozialdemokratischen Patron
ziemlich gleichgültig sein, wer Geistlicher wird, und Gemeindevertretung nebst
Gemeindekirchenrat werden den Ausschlag geben; daß darin aber kaum Sozial¬
demokraten sitzen werden, habe ich schon in meinem Aufsatze ausgeführt.

In einem Falle muß ich aber einen Vorwurf als berechtigt anerkennen.
Ich hatte die Ansicht vertreten, der Staat müsse die Ortspolizei den Städten
nehmen, in denen man der herrschend gewordenen Sozialdemokratie die Polizei-
Verwaltung, also die diskretionäre Ausübung der Staatshoheit, nicht anvertrauen
könne. Ich gebe zu, daß diese Maßregel in jedem einzelnen Falle zu höchst
unangenehmen Interpellationen im Abgeordnetenhause führen würde. Ich ver¬
bessere daher meinen Fehler durch den Vorschlag, überhaupt allgemein die Polizei
von der Staatsverwaltung grundsätzlich zu trennen. Es könnte dabei nach den Ma߬
nahmen Verfahren werden, die ich schon in meinem anderen Aufsatze empfohlen hatte
(S. 114). Dann würden dem Staate die vorhin angedeuteten Interpellationen
erspart bleiben; er würde vom Parlamente in dieser Hinsicht unabhängig sein.
Daß übrigens der Staat vor den ärgsten Angriffen des Parlaments nicht zurück¬
gewichen ist, sondern mit Entschlossenheit und Zähigkeit seine Absichten durchgesetzt
hat, beweist die Konfliktszeit, wo Anwürfe wie „Kainszeichen der Lüge auf der
Stirn" dem Kriegsminister entgegenschallten.

Hinsichtlich der Polenpolitik kann ich aber Belows Vorwürfe nicht hinnehmen.
Landrat und Distriktskommissar sind gewiß bei dem Zickzackkurse der Polenpolitik
übel daran, aber der Staat, der bald milde, bald scharf gegen die Polen verfährt,
kennt doch den polnischen Anmaßungen gegenüber eine gewisse Grenze und spricht
dann ein „bis hierher und nicht weiter". Ob Landrat und Distriktskommissar
genügende Stütze und Stärke gegen die polnischen deutsch- und vaterlandsfeind¬
lichen Bestrebungen gewähren werden, wird sich zeigen. Mit dieser in meinem
Aufsatze geäußerten Ansicht deute ich daraus hin, daß ich selbst der Zukunft
der Ostmark mit einer gewissen Spannung, um nicht zu sagen, Besorgnis
entgegensehe.

Über den Treueid denke ich doch anders als Below (S. 285). Es handelt
sich nicht darum, „was die Negierung künftig noch verlangen und was sie durch¬
gehen lassen würde", sondern um einen Eidschwur, an dem nicht zu deuteln und
zu drehen ist, den eben ein Pole als Ehrenmann nicht ablegen kann; er würde
ihn sehr bald in schwerste AmtSkonflikte bringen, falls er seinem Polentum treu
bleibt und dasselbe betätigen will, wie es von der polnischen Intelligenz geradezu
gebieterisch verlangt wird. Gerade hierfür kann ich ein Beispiel aus meinem amt¬
lichen Leben anführen. Ich hatte einen Schüler, vielleicht den besten, den ich je
besaß, den Sohn eines polnischen Bauergutsbesitzers. Er beteuerte mir, er habe
zu nichts größere Neigung, als zur Philologie und zum Schulamt. Ich setzte ihm
auseinander, wolle er Oberlehrer werden, so müsse er vor allem ein guter, deutsch¬
gesinnter Reichsbürger und staatstreuer preußischer Beamter sein. Da schüttelte
er den Kopf; das könne er niemals. Nicht lange daraus sah ich ihn in
Kleriker-Tracht.

Below ist jedenfalls für tatkräftige Ostmarkenpolitik. Darin stimme ich mit
ihm völlig überein. Wenn er aber fragt: „Warum sollen wir das Wahlrecht so
ändern, daß den Polen in Provinz und Gemeinde das Übergewicht verschafft
wird?" so glaube ich nicht, daß man nur der Ostmarkenpolittt halber auf das
allgemeine, gleiche Wahlrecht verzichten wird. Ebensowenig glaube ich, daß man
für die Oftmark eine Ausnahme vom allgemeinen, gleichen Wahlrecht machen wird,
jetzt wo man das Ausnahmegesetz der Enteignung von Staats wegen preisgibt
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[0087] Äer Kampf um das kommnnati! Mahlrecht Desgleichen ficht Below meine Ansicht an, die Kirche sei dem Einflüsse des Patrons durch ihre Verfassung entzogen, indem er darauf hinweist, jeder Patron habe auf die Bestellung des Geistlichen Einfluß. Gewiß, sofern er ihn wählt. Ein sozialdemokratischer Patron könnte doch höchstens einen sehr liberalen Geistlichen küren; einen sozialdemokratischen gibt es naturgemäß nicht. Da aber jeder Geistliche, sei er orthodox oder liberal, selbstverständlich ein Gegner und Bekämpfer der Sozialdemokratie ist, so wird es dem sozialdemokratischen Patron ziemlich gleichgültig sein, wer Geistlicher wird, und Gemeindevertretung nebst Gemeindekirchenrat werden den Ausschlag geben; daß darin aber kaum Sozial¬ demokraten sitzen werden, habe ich schon in meinem Aufsatze ausgeführt. In einem Falle muß ich aber einen Vorwurf als berechtigt anerkennen. Ich hatte die Ansicht vertreten, der Staat müsse die Ortspolizei den Städten nehmen, in denen man der herrschend gewordenen Sozialdemokratie die Polizei- Verwaltung, also die diskretionäre Ausübung der Staatshoheit, nicht anvertrauen könne. Ich gebe zu, daß diese Maßregel in jedem einzelnen Falle zu höchst unangenehmen Interpellationen im Abgeordnetenhause führen würde. Ich ver¬ bessere daher meinen Fehler durch den Vorschlag, überhaupt allgemein die Polizei von der Staatsverwaltung grundsätzlich zu trennen. Es könnte dabei nach den Ma߬ nahmen Verfahren werden, die ich schon in meinem anderen Aufsatze empfohlen hatte (S. 114). Dann würden dem Staate die vorhin angedeuteten Interpellationen erspart bleiben; er würde vom Parlamente in dieser Hinsicht unabhängig sein. Daß übrigens der Staat vor den ärgsten Angriffen des Parlaments nicht zurück¬ gewichen ist, sondern mit Entschlossenheit und Zähigkeit seine Absichten durchgesetzt hat, beweist die Konfliktszeit, wo Anwürfe wie „Kainszeichen der Lüge auf der Stirn" dem Kriegsminister entgegenschallten. Hinsichtlich der Polenpolitik kann ich aber Belows Vorwürfe nicht hinnehmen. Landrat und Distriktskommissar sind gewiß bei dem Zickzackkurse der Polenpolitik übel daran, aber der Staat, der bald milde, bald scharf gegen die Polen verfährt, kennt doch den polnischen Anmaßungen gegenüber eine gewisse Grenze und spricht dann ein „bis hierher und nicht weiter". Ob Landrat und Distriktskommissar genügende Stütze und Stärke gegen die polnischen deutsch- und vaterlandsfeind¬ lichen Bestrebungen gewähren werden, wird sich zeigen. Mit dieser in meinem Aufsatze geäußerten Ansicht deute ich daraus hin, daß ich selbst der Zukunft der Ostmark mit einer gewissen Spannung, um nicht zu sagen, Besorgnis entgegensehe. Über den Treueid denke ich doch anders als Below (S. 285). Es handelt sich nicht darum, „was die Negierung künftig noch verlangen und was sie durch¬ gehen lassen würde", sondern um einen Eidschwur, an dem nicht zu deuteln und zu drehen ist, den eben ein Pole als Ehrenmann nicht ablegen kann; er würde ihn sehr bald in schwerste AmtSkonflikte bringen, falls er seinem Polentum treu bleibt und dasselbe betätigen will, wie es von der polnischen Intelligenz geradezu gebieterisch verlangt wird. Gerade hierfür kann ich ein Beispiel aus meinem amt¬ lichen Leben anführen. Ich hatte einen Schüler, vielleicht den besten, den ich je besaß, den Sohn eines polnischen Bauergutsbesitzers. Er beteuerte mir, er habe zu nichts größere Neigung, als zur Philologie und zum Schulamt. Ich setzte ihm auseinander, wolle er Oberlehrer werden, so müsse er vor allem ein guter, deutsch¬ gesinnter Reichsbürger und staatstreuer preußischer Beamter sein. Da schüttelte er den Kopf; das könne er niemals. Nicht lange daraus sah ich ihn in Kleriker-Tracht. Below ist jedenfalls für tatkräftige Ostmarkenpolitik. Darin stimme ich mit ihm völlig überein. Wenn er aber fragt: „Warum sollen wir das Wahlrecht so ändern, daß den Polen in Provinz und Gemeinde das Übergewicht verschafft wird?" so glaube ich nicht, daß man nur der Ostmarkenpolittt halber auf das allgemeine, gleiche Wahlrecht verzichten wird. Ebensowenig glaube ich, daß man für die Oftmark eine Ausnahme vom allgemeinen, gleichen Wahlrecht machen wird, jetzt wo man das Ausnahmegesetz der Enteignung von Staats wegen preisgibt * ö

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/87>, abgerufen am 22.07.2024.