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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Der Acunpf um das loimimrml" Wahlrecht

(d. h. des allgemeinen, gleichen) ausspricht. Im Gegenteil! Ich sage schon im
ersten Satze "damit muß sich jeder abfinden", knüpfe daran die Ansicht, "die Kon¬
sequenz ist, daß es auch für die Kommunalwahlen maßgebend wird" und spreche
im nächsten Satze von der "Gefahr einer völligen Demokratisierung der Kommunal¬
verwaltungen". So drückt sich kein Verteidiger des allgemeinen, gleichen Wahl¬
rechtes ans. Nein, ich stehe auf dem Boden des Unabwendbaren, um von
diesem Standpunkte aus die Frage zu beleuchten und Matzregeln zur Wahrung
des StaatSinteresscs vorzuschlagen. Gerade hierbei aber macht mir Below (S. 284)
den Vorwurf, "l)r. Reiche scheint den Staat als in der Luft freischwebend, un¬
beeinflußt von realen Parteien und ihren Interessen anzusehen. Das Entscheidende
liegt ja aber gerade darin, daß der .neu orientierte' Staat nichts weniger als
unbeeinflußt von der Sozialdemokratie sein wird". Ich muß diesen Angriff als
den Kernpunkt seiner Kritik ansehen. Der Staat aber, der hier gemeint ist, das
ist die Exekutivgewalt, repräsentiert durch den König als ersten Diener deS Staates
und seine Organe, schwebt durchaus nicht frei in der Luft, sondern steht noch
immer fest auf dem roclrer als bronLö, den Friedrich Wilhelm der Erste errichtet
hat, der Begründer des preußischen Beamtentums: bedächtig, langsam, oft pedantisch,
manchmal auch beschränkt, aber voll Fleißes, voller Redlichkeit und starren Pflichts¬
und Staatsgefühls. Und sobald wird sich das in Preußen nicht ändern, solange
nicht, als eS ein preußisches Königtum und einen preußischen Staat gibt. Gerade
diese altpreutzische Tradition bildet den festesten Damm gegen ein Überfluten
demokratischen Einflusses, gegen eine Herrschaft des Parlaments.

Ich will nun auf die Einzelheiten der Kritik eingehen.

Die Steuererhebung hatte ich für eine rein technische Arbeit erklärt (S. 113),
was Below bestreitet (S. 282). Rein technisch ist aber die Erhebung der Steuern
ohne Zweifel. Etwas durchaus Verschiedenes ist die Finanzgebahrmig der Städte,
die Below dabei im Auge hat. die Festsetzung der Kommunalsteuern zur Bestreitung
des Stadthaushaltes. Diese hat mit der Steuererhebung, wozu auch die Erhebung
der Staatssteuern gehört, nichts zu tun.

Der Vorwurf, auch Fachmänner könnten nicht lediglich nach sachverständigen
Ermessen handeln, sondern seien von der politischen Gewalt abhängig, die sie
anstellt, trifft ebenso häufig die bisherige Kommunalverwaltung, mag sie nun
konservativ, liberal oder klerikal sein, ohne daß sich bei dieser Abhängigkeit
besonderer Schaden ergeben hätte. Warum sollte es bei sozialdemokratischer
Stadtverwaltung grundsätzlich anders sein? Einseitigkeit und Kurzsichtigkeit, die
Below bei solcher Verwaltung befürchtet, sind auch bei der bisherigen Kommunal¬
politik nicht vermieden worden.

Wenn Below mir dann weiter vorwirft, ich urteile über die llbelstönde
der kommunalen Klüngel zu hart, über ihre Beseitigung durch die Sozialdemokratie
zu rosig, so nutz ich demgegenüber nochmals betonen, daß allerdings zunächst
reiner Tisch gemacht werden wird, wie dies ja auch stets der Fall bei neuen
Besen ist, die gut kehren. Below übersieht aber, wie pessimistisch-resigniert ich
mich am Ende dieses Absatzes (S. 114) ausdrückte. "Diese Verbeugung der
Kommunalverwaltung vor dem Geldsäcke wird aufhören, wenigstens eine Zeitlang,
bis die neuen Herren alteingesessen geworden find und ebenfalls der menschlichen
Schwachheit ihren Tribut zollen".

Im Schulwesen, meint ferner Below, werde der Staat nach Einführung
des Reichstagswahlrechtes von dem starken Einflüsse der Sozialdemokratie nicht
unabhängig bleiben, so daß er zögern würde, sozialdemokratischen Oberlehrern
bezw. Direktoren die Bestätigung zu versagen. Ich glaube nicht, daß er sich
davor scheuen wird nur auf die Gefahr hin, im Abgeordnetenhause arg mit¬
genommen zu werden. Wenigstens ist im Jahre 1899 der Kultusminister (Bosse)
nicht vor dem Zentrum zurückgewichen, das damals recht viel zu sagen hatte,
als er den Professor M., den die Stadt Patschkau zum Direktor gewählt hatte,
nicht bestätigte, hauptsächlich aus dem Grunde, weil er katholischer Theologe
(Religions-Oberlehrer) war.


Der Acunpf um das loimimrml« Wahlrecht

(d. h. des allgemeinen, gleichen) ausspricht. Im Gegenteil! Ich sage schon im
ersten Satze „damit muß sich jeder abfinden", knüpfe daran die Ansicht, „die Kon¬
sequenz ist, daß es auch für die Kommunalwahlen maßgebend wird" und spreche
im nächsten Satze von der „Gefahr einer völligen Demokratisierung der Kommunal¬
verwaltungen". So drückt sich kein Verteidiger des allgemeinen, gleichen Wahl¬
rechtes ans. Nein, ich stehe auf dem Boden des Unabwendbaren, um von
diesem Standpunkte aus die Frage zu beleuchten und Matzregeln zur Wahrung
des StaatSinteresscs vorzuschlagen. Gerade hierbei aber macht mir Below (S. 284)
den Vorwurf, „l)r. Reiche scheint den Staat als in der Luft freischwebend, un¬
beeinflußt von realen Parteien und ihren Interessen anzusehen. Das Entscheidende
liegt ja aber gerade darin, daß der .neu orientierte' Staat nichts weniger als
unbeeinflußt von der Sozialdemokratie sein wird". Ich muß diesen Angriff als
den Kernpunkt seiner Kritik ansehen. Der Staat aber, der hier gemeint ist, das
ist die Exekutivgewalt, repräsentiert durch den König als ersten Diener deS Staates
und seine Organe, schwebt durchaus nicht frei in der Luft, sondern steht noch
immer fest auf dem roclrer als bronLö, den Friedrich Wilhelm der Erste errichtet
hat, der Begründer des preußischen Beamtentums: bedächtig, langsam, oft pedantisch,
manchmal auch beschränkt, aber voll Fleißes, voller Redlichkeit und starren Pflichts¬
und Staatsgefühls. Und sobald wird sich das in Preußen nicht ändern, solange
nicht, als eS ein preußisches Königtum und einen preußischen Staat gibt. Gerade
diese altpreutzische Tradition bildet den festesten Damm gegen ein Überfluten
demokratischen Einflusses, gegen eine Herrschaft des Parlaments.

Ich will nun auf die Einzelheiten der Kritik eingehen.

Die Steuererhebung hatte ich für eine rein technische Arbeit erklärt (S. 113),
was Below bestreitet (S. 282). Rein technisch ist aber die Erhebung der Steuern
ohne Zweifel. Etwas durchaus Verschiedenes ist die Finanzgebahrmig der Städte,
die Below dabei im Auge hat. die Festsetzung der Kommunalsteuern zur Bestreitung
des Stadthaushaltes. Diese hat mit der Steuererhebung, wozu auch die Erhebung
der Staatssteuern gehört, nichts zu tun.

Der Vorwurf, auch Fachmänner könnten nicht lediglich nach sachverständigen
Ermessen handeln, sondern seien von der politischen Gewalt abhängig, die sie
anstellt, trifft ebenso häufig die bisherige Kommunalverwaltung, mag sie nun
konservativ, liberal oder klerikal sein, ohne daß sich bei dieser Abhängigkeit
besonderer Schaden ergeben hätte. Warum sollte es bei sozialdemokratischer
Stadtverwaltung grundsätzlich anders sein? Einseitigkeit und Kurzsichtigkeit, die
Below bei solcher Verwaltung befürchtet, sind auch bei der bisherigen Kommunal¬
politik nicht vermieden worden.

Wenn Below mir dann weiter vorwirft, ich urteile über die llbelstönde
der kommunalen Klüngel zu hart, über ihre Beseitigung durch die Sozialdemokratie
zu rosig, so nutz ich demgegenüber nochmals betonen, daß allerdings zunächst
reiner Tisch gemacht werden wird, wie dies ja auch stets der Fall bei neuen
Besen ist, die gut kehren. Below übersieht aber, wie pessimistisch-resigniert ich
mich am Ende dieses Absatzes (S. 114) ausdrückte. „Diese Verbeugung der
Kommunalverwaltung vor dem Geldsäcke wird aufhören, wenigstens eine Zeitlang,
bis die neuen Herren alteingesessen geworden find und ebenfalls der menschlichen
Schwachheit ihren Tribut zollen".

Im Schulwesen, meint ferner Below, werde der Staat nach Einführung
des Reichstagswahlrechtes von dem starken Einflüsse der Sozialdemokratie nicht
unabhängig bleiben, so daß er zögern würde, sozialdemokratischen Oberlehrern
bezw. Direktoren die Bestätigung zu versagen. Ich glaube nicht, daß er sich
davor scheuen wird nur auf die Gefahr hin, im Abgeordnetenhause arg mit¬
genommen zu werden. Wenigstens ist im Jahre 1899 der Kultusminister (Bosse)
nicht vor dem Zentrum zurückgewichen, das damals recht viel zu sagen hatte,
als er den Professor M., den die Stadt Patschkau zum Direktor gewählt hatte,
nicht bestätigte, hauptsächlich aus dem Grunde, weil er katholischer Theologe
(Religions-Oberlehrer) war.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/86>, abgerufen am 22.07.2024.