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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Die südslawische Frage in Oesterreich-Ungarn

Wachsen lassen und die national noch nicht zu einem Sonderbewußtsein erwachten
Mazedonier werden dnrch Schule, Kirche, politische Agitation von beiden Staaten
und Nationen umworben, schließen sich dem einen oder anderen Teil an oder
werden mit mehr oder minder feinster Gewalt zu dem einen oder anderen gebracht
oder schwanken endlich zwischen beiden je nach Lage und Stimmung. Österreich-
Ungarns Stellung zu diesem Problem ist durch seine politischen Beziehungen be¬
stimmt; wie früher für serbische, muß es heute für bulgarische Ansprüche eintreten,
soweit diese nicht in seinen Lebensraum übergreifen. Das ist derzeit nicht der
Fall, die Frage für die Monarchie also eine rein außenpolitische. Anders das
zweite Problem: die politische Aufteilung der Serbokroaten und der den Kroaten
eng verwandten Slowenen, also der Südslawen im engeren Sinne oder Jugo¬
slawen. Es gehört, soweit die Staatlichkeit Serbiens und Montenegros in Frage
steht, der äußeren Politik an. Aber es spielt sich zum großen Teil auf dem
Boden der Monarchie ab, ist also auch ein innerpolitisches Problem. Nach einer
besonders von der materialistischen Geschichtsauffassung vertretenen Anschauung
ist nun die Innenpolitik eines Staates bestimmend für seine Außenpolitik.
Zweifellos weisen insbesondere wirtschaftliche, aber auch nationale Gesichtspunkte
in diese Richtung. Aber der Geograph wird nie überseyen können, daß die einem
Staat durch Lage, Raum und organische Entwicklung vorgezeichnete Außenpolitik
vielfach auch für seine innere Gestaltung maßgebend werden muß. Gerade
Österreich-Ungarn hat oft nach den Zielen, die es außerhalb seiner Grenzen ver¬
folgte, seine innere Orientierung vorgenommen, ja vornehmen müssen. Das zeigte
ebensowohl seine frühere Politik als deutsche und italienische Macht, die es zur
deutschen Färbung des Staatswesens und zum Kampf gegen die italienischen
Einheitsbestrebungen brachte, wie seine spätere als Antipode Rußlands im Süd¬
osten und in Polen, die es zu einer Begünstigung der Slawen (denen es größere
Freiheit gewährte, als das Zarentum) führte, und jene als Glied deS Dreibundes,
die es bis in Kleinigkeiten herab zur Rücksichtnahme auf seinen kleinen italienischen
Volksrest und zur Schwäche gegenüber dem Jrredentismus nötigte. Das zeigen
auch die Bemühungen des Grafen Czernin, den bedrohlichen Formeln Wilsons
und der internationalen Sozialdemokratie und Kriegsgegnerschaft vom Seldst-
bestimnnlngsrecht der Völker entgegenzukommen, die sich in der bedingungslosen
Einberufung des Reichsrates, der Polonisierung im Cholmer Gebiet usw. äußerten
und in ungewollter Konsequenz zu der Amnestie führten, ganz neuerlich die inner¬
politischen Rückwirkungen des Friedensschlusses mit der Ukraine. Auch Rumänien
und den Rumänen gegenüber können wir von einer Wechselwirkung der inneren
und äußeren Politik sprechen und vollends in der Südslawenfrage tritt uns der
gegenseitige Einfluß beider deutlich entgegen.

Die Südslawen im engeren Sinne wohnen geschlossen (nur randlich aufge¬
lockert) in einem Gebiet von rund 200000 Quadratkilometern. Wenn wir, nicht ganz
genau der faktischen nationalen Stellung entsprechend, als Unterscheidungsmerkmal
zwischen den vielfach neben- und untereinander wohnenden Serben und Kroaten
die Konfession und ohne Rücksicht auf die Dialektgrenze als solches zwischen Serben
und Kroaten die Schriftsprache ansehen, ergeben sich folgende runde Zahlen für
1910: Slowenen in Steiermark 0,4, Kärnten 0,08, Kram 0,5, Küstenland 0.2,
also in Österreich etwa IV-t Million, dazu in Ungarn und Kroatien 0,1, im ita¬
lienischen Friaul 0.04 Million: Kroaten in Kroatien 1.6, Ungarn 0,2, Bosnien
und Herzegowina 0,4, Osterreich 0,7 (und zwar Dalmatien 0.5, Jstrien 0,2), zu¬
sammen etwa 3 Millionen; Serben in Südungarn 0,5, Kroatien 0,6, Bosnien
und Herzegowina 0.8 Mill. orthodoxer und 0,6 mohammedanischer Konfession (die
Moslem stehen allerdings politisch eher zu den Kroaten und meist ganz für sich),
in Dalmatien 0,1, Montenegro 0,-4, in Serbiens alten Grenzen 2,8 Millionen,
zusammen, wenn wir die 1913 serbisch gewordenen und nicht bulgarisch orientierten
Slawen in Mazedonien auf V. bis 1 Million veranschlagen, 5V? bis 6Vs Millionen,
von denen über 2V" auf den: Boden der Monarchie wohnen. Die Gesamtzahl
der drei Völker läßt sich also auf 10 bis 11 Millionen veranschlagen, wenn wir


Die südslawische Frage in Oesterreich-Ungarn

Wachsen lassen und die national noch nicht zu einem Sonderbewußtsein erwachten
Mazedonier werden dnrch Schule, Kirche, politische Agitation von beiden Staaten
und Nationen umworben, schließen sich dem einen oder anderen Teil an oder
werden mit mehr oder minder feinster Gewalt zu dem einen oder anderen gebracht
oder schwanken endlich zwischen beiden je nach Lage und Stimmung. Österreich-
Ungarns Stellung zu diesem Problem ist durch seine politischen Beziehungen be¬
stimmt; wie früher für serbische, muß es heute für bulgarische Ansprüche eintreten,
soweit diese nicht in seinen Lebensraum übergreifen. Das ist derzeit nicht der
Fall, die Frage für die Monarchie also eine rein außenpolitische. Anders das
zweite Problem: die politische Aufteilung der Serbokroaten und der den Kroaten
eng verwandten Slowenen, also der Südslawen im engeren Sinne oder Jugo¬
slawen. Es gehört, soweit die Staatlichkeit Serbiens und Montenegros in Frage
steht, der äußeren Politik an. Aber es spielt sich zum großen Teil auf dem
Boden der Monarchie ab, ist also auch ein innerpolitisches Problem. Nach einer
besonders von der materialistischen Geschichtsauffassung vertretenen Anschauung
ist nun die Innenpolitik eines Staates bestimmend für seine Außenpolitik.
Zweifellos weisen insbesondere wirtschaftliche, aber auch nationale Gesichtspunkte
in diese Richtung. Aber der Geograph wird nie überseyen können, daß die einem
Staat durch Lage, Raum und organische Entwicklung vorgezeichnete Außenpolitik
vielfach auch für seine innere Gestaltung maßgebend werden muß. Gerade
Österreich-Ungarn hat oft nach den Zielen, die es außerhalb seiner Grenzen ver¬
folgte, seine innere Orientierung vorgenommen, ja vornehmen müssen. Das zeigte
ebensowohl seine frühere Politik als deutsche und italienische Macht, die es zur
deutschen Färbung des Staatswesens und zum Kampf gegen die italienischen
Einheitsbestrebungen brachte, wie seine spätere als Antipode Rußlands im Süd¬
osten und in Polen, die es zu einer Begünstigung der Slawen (denen es größere
Freiheit gewährte, als das Zarentum) führte, und jene als Glied deS Dreibundes,
die es bis in Kleinigkeiten herab zur Rücksichtnahme auf seinen kleinen italienischen
Volksrest und zur Schwäche gegenüber dem Jrredentismus nötigte. Das zeigen
auch die Bemühungen des Grafen Czernin, den bedrohlichen Formeln Wilsons
und der internationalen Sozialdemokratie und Kriegsgegnerschaft vom Seldst-
bestimnnlngsrecht der Völker entgegenzukommen, die sich in der bedingungslosen
Einberufung des Reichsrates, der Polonisierung im Cholmer Gebiet usw. äußerten
und in ungewollter Konsequenz zu der Amnestie führten, ganz neuerlich die inner¬
politischen Rückwirkungen des Friedensschlusses mit der Ukraine. Auch Rumänien
und den Rumänen gegenüber können wir von einer Wechselwirkung der inneren
und äußeren Politik sprechen und vollends in der Südslawenfrage tritt uns der
gegenseitige Einfluß beider deutlich entgegen.

Die Südslawen im engeren Sinne wohnen geschlossen (nur randlich aufge¬
lockert) in einem Gebiet von rund 200000 Quadratkilometern. Wenn wir, nicht ganz
genau der faktischen nationalen Stellung entsprechend, als Unterscheidungsmerkmal
zwischen den vielfach neben- und untereinander wohnenden Serben und Kroaten
die Konfession und ohne Rücksicht auf die Dialektgrenze als solches zwischen Serben
und Kroaten die Schriftsprache ansehen, ergeben sich folgende runde Zahlen für
1910: Slowenen in Steiermark 0,4, Kärnten 0,08, Kram 0,5, Küstenland 0.2,
also in Österreich etwa IV-t Million, dazu in Ungarn und Kroatien 0,1, im ita¬
lienischen Friaul 0.04 Million: Kroaten in Kroatien 1.6, Ungarn 0,2, Bosnien
und Herzegowina 0,4, Osterreich 0,7 (und zwar Dalmatien 0.5, Jstrien 0,2), zu¬
sammen etwa 3 Millionen; Serben in Südungarn 0,5, Kroatien 0,6, Bosnien
und Herzegowina 0.8 Mill. orthodoxer und 0,6 mohammedanischer Konfession (die
Moslem stehen allerdings politisch eher zu den Kroaten und meist ganz für sich),
in Dalmatien 0,1, Montenegro 0,-4, in Serbiens alten Grenzen 2,8 Millionen,
zusammen, wenn wir die 1913 serbisch gewordenen und nicht bulgarisch orientierten
Slawen in Mazedonien auf V. bis 1 Million veranschlagen, 5V? bis 6Vs Millionen,
von denen über 2V» auf den: Boden der Monarchie wohnen. Die Gesamtzahl
der drei Völker läßt sich also auf 10 bis 11 Millionen veranschlagen, wenn wir


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[0075] Die südslawische Frage in Oesterreich-Ungarn Wachsen lassen und die national noch nicht zu einem Sonderbewußtsein erwachten Mazedonier werden dnrch Schule, Kirche, politische Agitation von beiden Staaten und Nationen umworben, schließen sich dem einen oder anderen Teil an oder werden mit mehr oder minder feinster Gewalt zu dem einen oder anderen gebracht oder schwanken endlich zwischen beiden je nach Lage und Stimmung. Österreich- Ungarns Stellung zu diesem Problem ist durch seine politischen Beziehungen be¬ stimmt; wie früher für serbische, muß es heute für bulgarische Ansprüche eintreten, soweit diese nicht in seinen Lebensraum übergreifen. Das ist derzeit nicht der Fall, die Frage für die Monarchie also eine rein außenpolitische. Anders das zweite Problem: die politische Aufteilung der Serbokroaten und der den Kroaten eng verwandten Slowenen, also der Südslawen im engeren Sinne oder Jugo¬ slawen. Es gehört, soweit die Staatlichkeit Serbiens und Montenegros in Frage steht, der äußeren Politik an. Aber es spielt sich zum großen Teil auf dem Boden der Monarchie ab, ist also auch ein innerpolitisches Problem. Nach einer besonders von der materialistischen Geschichtsauffassung vertretenen Anschauung ist nun die Innenpolitik eines Staates bestimmend für seine Außenpolitik. Zweifellos weisen insbesondere wirtschaftliche, aber auch nationale Gesichtspunkte in diese Richtung. Aber der Geograph wird nie überseyen können, daß die einem Staat durch Lage, Raum und organische Entwicklung vorgezeichnete Außenpolitik vielfach auch für seine innere Gestaltung maßgebend werden muß. Gerade Österreich-Ungarn hat oft nach den Zielen, die es außerhalb seiner Grenzen ver¬ folgte, seine innere Orientierung vorgenommen, ja vornehmen müssen. Das zeigte ebensowohl seine frühere Politik als deutsche und italienische Macht, die es zur deutschen Färbung des Staatswesens und zum Kampf gegen die italienischen Einheitsbestrebungen brachte, wie seine spätere als Antipode Rußlands im Süd¬ osten und in Polen, die es zu einer Begünstigung der Slawen (denen es größere Freiheit gewährte, als das Zarentum) führte, und jene als Glied deS Dreibundes, die es bis in Kleinigkeiten herab zur Rücksichtnahme auf seinen kleinen italienischen Volksrest und zur Schwäche gegenüber dem Jrredentismus nötigte. Das zeigen auch die Bemühungen des Grafen Czernin, den bedrohlichen Formeln Wilsons und der internationalen Sozialdemokratie und Kriegsgegnerschaft vom Seldst- bestimnnlngsrecht der Völker entgegenzukommen, die sich in der bedingungslosen Einberufung des Reichsrates, der Polonisierung im Cholmer Gebiet usw. äußerten und in ungewollter Konsequenz zu der Amnestie führten, ganz neuerlich die inner¬ politischen Rückwirkungen des Friedensschlusses mit der Ukraine. Auch Rumänien und den Rumänen gegenüber können wir von einer Wechselwirkung der inneren und äußeren Politik sprechen und vollends in der Südslawenfrage tritt uns der gegenseitige Einfluß beider deutlich entgegen. Die Südslawen im engeren Sinne wohnen geschlossen (nur randlich aufge¬ lockert) in einem Gebiet von rund 200000 Quadratkilometern. Wenn wir, nicht ganz genau der faktischen nationalen Stellung entsprechend, als Unterscheidungsmerkmal zwischen den vielfach neben- und untereinander wohnenden Serben und Kroaten die Konfession und ohne Rücksicht auf die Dialektgrenze als solches zwischen Serben und Kroaten die Schriftsprache ansehen, ergeben sich folgende runde Zahlen für 1910: Slowenen in Steiermark 0,4, Kärnten 0,08, Kram 0,5, Küstenland 0.2, also in Österreich etwa IV-t Million, dazu in Ungarn und Kroatien 0,1, im ita¬ lienischen Friaul 0.04 Million: Kroaten in Kroatien 1.6, Ungarn 0,2, Bosnien und Herzegowina 0,4, Osterreich 0,7 (und zwar Dalmatien 0.5, Jstrien 0,2), zu¬ sammen etwa 3 Millionen; Serben in Südungarn 0,5, Kroatien 0,6, Bosnien und Herzegowina 0.8 Mill. orthodoxer und 0,6 mohammedanischer Konfession (die Moslem stehen allerdings politisch eher zu den Kroaten und meist ganz für sich), in Dalmatien 0,1, Montenegro 0,-4, in Serbiens alten Grenzen 2,8 Millionen, zusammen, wenn wir die 1913 serbisch gewordenen und nicht bulgarisch orientierten Slawen in Mazedonien auf V. bis 1 Million veranschlagen, 5V? bis 6Vs Millionen, von denen über 2V» auf den: Boden der Monarchie wohnen. Die Gesamtzahl der drei Völker läßt sich also auf 10 bis 11 Millionen veranschlagen, wenn wir

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/75>, abgerufen am 23.07.2024.