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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Die französische Frau bei Beginn der Revolution

mit dreiunddreißig Jahren natürlich gegen die Pfeile Amors nicht gefeit war,
einen kurzen Nachfrühling durch die Verehrung, die Chateaubriand ihr widmete.
Ein anderes Beispiel treuester Gattenliebe bietet Frau von Lavalette; auch diese
arbeitete für ihren gefangenen Gemahl einen sie selbst gefährdenden Fluchtplan
aus und besiegte seine Weigerung, ihr Opfer anzunehmen., Was alle Beredsamkeit
des Verstandes nicht vermocht hatte, glückte derjenigen der Seele; als die liebende
Frau erklärte: "Wenn du stirbst, so sterbe ich mit dir", beugte er sich ihrem Willen.
Und die Flucht gelang, doch nicht zum Segen der Retterin, die später infolge der Treu¬
losigkeit des Geretteten in Trübsinn verfiel. Auch'einer Frau von Lavergne sei ge¬
dacht, die, als das Revolutionstribunal das Todesurteil ihres Mannes verkündete,
laut rief: "Es lebe der König!", um mit ihm zusammen zum Blutgerüst geführt
zu werden, und ihn an den Stufen des Schafotts mit den Worten tröstete: "Du
weißt, daß ich ohne dich nicht leben kann; nun sterben wir gemeinsam". Wir
sehen, die Seelen vieler dieser Revolutionärinnen waren auf das höchste Heldentum
gestimmt, das sie den Tod verachten ließ; die Frau, so unheilig sie manchmal war
-- wir werden auch davon hören --, gab doch der Welt den Himmel zurück, den
eben Voltaire ihr zu nehmen getrachtet hatte. Für die Liebe, die die Treue solcher
Ehegenossinneu in den Herzen ihrer Gatten wachzurufen wußte, zeugen die Schicksale
des vielgenannten girondistischen Ehepaars Roland. Als Frau Roland, eine der
interessantesten Erscheinungen der Revolutionszeit und ein leuchtendes Vorbild aller
derjenigen, die sich für Ideen zu opfern bereit sind, zum Tode verurteilt wurde,
rief sie, jderen Herz, freilich ohne daß sie die durch die Tugend gezogenen Schranken
überschritten hätte, warm für ihren Parteigenossen Buzot schlug, zunächst doch
ihres betagten Gatten gedenkend: "Roland wird sich töten!" Und sie beurteilte ihn
richtig; er hegte für seine Lebensgefährtin die tiefe Neigung des Greises, der
verwachsen ist mit dem Dasein einer Frau wie ein alter Baum mit dem Ehen,
der ihn ziert; nimmt man ihm diesen Schmuck, steht er einsam und kahl. So mochte
er seine Gattin nicht überleben und entleibte sich selbst. Und eine gleich heiße Liebe
hatte Dantons erste Frau in dem Herzen ihres Mannes zu erwecken gewußt, die
starb, während er von Paris abwesend war, und die er, heimgekehrt, nach sieben
Tagen und sieben Nächten dem Grabe entreißen ließ, um sie in rasendem Schmerze
noch einmal zu umarmen.^

Bei manchen Frauen gingen patriotische Begeisterung und Gattenliebe so weit,-
daß sie ihre Männer sogar ins Feld begleiteten und, mit Säbel und Büchse be¬
wehrt, tapfer an ihrer Seite fochten. Ganz besonders heroisch zeigten sich die'-,
der Vendee entstammenden Anhängerinnen des gestürzten Königshauses; wie man
einst einen Kindertreuzzug gehabt hatte, gab es nun einen solchen dieser Frauen.'-"
Warum sollte das alte "Gott will es" seine Erfüllung nicht erhalten können in
einer Niederwerfung der Revolution durch Frauenhand, wenn es dem Herrn der
Heerscharen so gefiel? Waren doch die Frömmsten der Frommen, Äbtissinnen und
Nonnen, beteiligt. In der Vendee mit ihrem Undurchdringlicher Buschwerk und
ihren dichten. Hecken, um die bei der Nähe des Meeres oft graue Nebelschleier
wallen, sollte hier und da unter hohen, seit alters geheiligten druidischen Eichen
die Jungfrau Maria erschienen sein -- so richtete man in den Köpfen der Frauen
Verwirrung an und fanatisierte ihre Herzen. Und im Beichtstuhl wurde der Funke
des Royalismus, der in der Brust der Vendoerin glühte, von königstreueu Priestern -
zur hellen Flamme angefacht, die dann in vertrauten Stunden häuslicher Zärtlichkeit,
von begeisterten Brandstifterinnen übertragen, auch die Herzen der Männer ergriff;
in den Frauen der Venöse erwuchsen der Gegenrevolution überall, in jedem
Hause und in jeder Familie, zelotische Vorkümpferinnen. Predigt und Beichte
bewährten noch einmal ihre alte Macht über weibliche Herzen, denn die Frauen,
.denen meist die Kraft fehlt, ungläubig zu sein,- bedürfen einer Stütze, und immer
hat es unter ihnen solche gegeben, denen die Soutane gefährlicher war als selbst
die Uniform. Und wie die Priester die Töchter der Vestdee beherrschten, so übten
diese wieder starken Einfluß auf die Gottesmänner aus; ist doch das Geheimnis
des Beichtstuhles von einer eigenartigen Poesie umflossen, die nichts von ihrem


Die französische Frau bei Beginn der Revolution

mit dreiunddreißig Jahren natürlich gegen die Pfeile Amors nicht gefeit war,
einen kurzen Nachfrühling durch die Verehrung, die Chateaubriand ihr widmete.
Ein anderes Beispiel treuester Gattenliebe bietet Frau von Lavalette; auch diese
arbeitete für ihren gefangenen Gemahl einen sie selbst gefährdenden Fluchtplan
aus und besiegte seine Weigerung, ihr Opfer anzunehmen., Was alle Beredsamkeit
des Verstandes nicht vermocht hatte, glückte derjenigen der Seele; als die liebende
Frau erklärte: „Wenn du stirbst, so sterbe ich mit dir", beugte er sich ihrem Willen.
Und die Flucht gelang, doch nicht zum Segen der Retterin, die später infolge der Treu¬
losigkeit des Geretteten in Trübsinn verfiel. Auch'einer Frau von Lavergne sei ge¬
dacht, die, als das Revolutionstribunal das Todesurteil ihres Mannes verkündete,
laut rief: „Es lebe der König!", um mit ihm zusammen zum Blutgerüst geführt
zu werden, und ihn an den Stufen des Schafotts mit den Worten tröstete: „Du
weißt, daß ich ohne dich nicht leben kann; nun sterben wir gemeinsam". Wir
sehen, die Seelen vieler dieser Revolutionärinnen waren auf das höchste Heldentum
gestimmt, das sie den Tod verachten ließ; die Frau, so unheilig sie manchmal war
— wir werden auch davon hören —, gab doch der Welt den Himmel zurück, den
eben Voltaire ihr zu nehmen getrachtet hatte. Für die Liebe, die die Treue solcher
Ehegenossinneu in den Herzen ihrer Gatten wachzurufen wußte, zeugen die Schicksale
des vielgenannten girondistischen Ehepaars Roland. Als Frau Roland, eine der
interessantesten Erscheinungen der Revolutionszeit und ein leuchtendes Vorbild aller
derjenigen, die sich für Ideen zu opfern bereit sind, zum Tode verurteilt wurde,
rief sie, jderen Herz, freilich ohne daß sie die durch die Tugend gezogenen Schranken
überschritten hätte, warm für ihren Parteigenossen Buzot schlug, zunächst doch
ihres betagten Gatten gedenkend: „Roland wird sich töten!" Und sie beurteilte ihn
richtig; er hegte für seine Lebensgefährtin die tiefe Neigung des Greises, der
verwachsen ist mit dem Dasein einer Frau wie ein alter Baum mit dem Ehen,
der ihn ziert; nimmt man ihm diesen Schmuck, steht er einsam und kahl. So mochte
er seine Gattin nicht überleben und entleibte sich selbst. Und eine gleich heiße Liebe
hatte Dantons erste Frau in dem Herzen ihres Mannes zu erwecken gewußt, die
starb, während er von Paris abwesend war, und die er, heimgekehrt, nach sieben
Tagen und sieben Nächten dem Grabe entreißen ließ, um sie in rasendem Schmerze
noch einmal zu umarmen.^

Bei manchen Frauen gingen patriotische Begeisterung und Gattenliebe so weit,-
daß sie ihre Männer sogar ins Feld begleiteten und, mit Säbel und Büchse be¬
wehrt, tapfer an ihrer Seite fochten. Ganz besonders heroisch zeigten sich die'-,
der Vendee entstammenden Anhängerinnen des gestürzten Königshauses; wie man
einst einen Kindertreuzzug gehabt hatte, gab es nun einen solchen dieser Frauen.'-«
Warum sollte das alte „Gott will es" seine Erfüllung nicht erhalten können in
einer Niederwerfung der Revolution durch Frauenhand, wenn es dem Herrn der
Heerscharen so gefiel? Waren doch die Frömmsten der Frommen, Äbtissinnen und
Nonnen, beteiligt. In der Vendee mit ihrem Undurchdringlicher Buschwerk und
ihren dichten. Hecken, um die bei der Nähe des Meeres oft graue Nebelschleier
wallen, sollte hier und da unter hohen, seit alters geheiligten druidischen Eichen
die Jungfrau Maria erschienen sein — so richtete man in den Köpfen der Frauen
Verwirrung an und fanatisierte ihre Herzen. Und im Beichtstuhl wurde der Funke
des Royalismus, der in der Brust der Vendoerin glühte, von königstreueu Priestern -
zur hellen Flamme angefacht, die dann in vertrauten Stunden häuslicher Zärtlichkeit,
von begeisterten Brandstifterinnen übertragen, auch die Herzen der Männer ergriff;
in den Frauen der Venöse erwuchsen der Gegenrevolution überall, in jedem
Hause und in jeder Familie, zelotische Vorkümpferinnen. Predigt und Beichte
bewährten noch einmal ihre alte Macht über weibliche Herzen, denn die Frauen,
.denen meist die Kraft fehlt, ungläubig zu sein,- bedürfen einer Stütze, und immer
hat es unter ihnen solche gegeben, denen die Soutane gefährlicher war als selbst
die Uniform. Und wie die Priester die Töchter der Vestdee beherrschten, so übten
diese wieder starken Einfluß auf die Gottesmänner aus; ist doch das Geheimnis
des Beichtstuhles von einer eigenartigen Poesie umflossen, die nichts von ihrem


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[0052] Die französische Frau bei Beginn der Revolution mit dreiunddreißig Jahren natürlich gegen die Pfeile Amors nicht gefeit war, einen kurzen Nachfrühling durch die Verehrung, die Chateaubriand ihr widmete. Ein anderes Beispiel treuester Gattenliebe bietet Frau von Lavalette; auch diese arbeitete für ihren gefangenen Gemahl einen sie selbst gefährdenden Fluchtplan aus und besiegte seine Weigerung, ihr Opfer anzunehmen., Was alle Beredsamkeit des Verstandes nicht vermocht hatte, glückte derjenigen der Seele; als die liebende Frau erklärte: „Wenn du stirbst, so sterbe ich mit dir", beugte er sich ihrem Willen. Und die Flucht gelang, doch nicht zum Segen der Retterin, die später infolge der Treu¬ losigkeit des Geretteten in Trübsinn verfiel. Auch'einer Frau von Lavergne sei ge¬ dacht, die, als das Revolutionstribunal das Todesurteil ihres Mannes verkündete, laut rief: „Es lebe der König!", um mit ihm zusammen zum Blutgerüst geführt zu werden, und ihn an den Stufen des Schafotts mit den Worten tröstete: „Du weißt, daß ich ohne dich nicht leben kann; nun sterben wir gemeinsam". Wir sehen, die Seelen vieler dieser Revolutionärinnen waren auf das höchste Heldentum gestimmt, das sie den Tod verachten ließ; die Frau, so unheilig sie manchmal war — wir werden auch davon hören —, gab doch der Welt den Himmel zurück, den eben Voltaire ihr zu nehmen getrachtet hatte. Für die Liebe, die die Treue solcher Ehegenossinneu in den Herzen ihrer Gatten wachzurufen wußte, zeugen die Schicksale des vielgenannten girondistischen Ehepaars Roland. Als Frau Roland, eine der interessantesten Erscheinungen der Revolutionszeit und ein leuchtendes Vorbild aller derjenigen, die sich für Ideen zu opfern bereit sind, zum Tode verurteilt wurde, rief sie, jderen Herz, freilich ohne daß sie die durch die Tugend gezogenen Schranken überschritten hätte, warm für ihren Parteigenossen Buzot schlug, zunächst doch ihres betagten Gatten gedenkend: „Roland wird sich töten!" Und sie beurteilte ihn richtig; er hegte für seine Lebensgefährtin die tiefe Neigung des Greises, der verwachsen ist mit dem Dasein einer Frau wie ein alter Baum mit dem Ehen, der ihn ziert; nimmt man ihm diesen Schmuck, steht er einsam und kahl. So mochte er seine Gattin nicht überleben und entleibte sich selbst. Und eine gleich heiße Liebe hatte Dantons erste Frau in dem Herzen ihres Mannes zu erwecken gewußt, die starb, während er von Paris abwesend war, und die er, heimgekehrt, nach sieben Tagen und sieben Nächten dem Grabe entreißen ließ, um sie in rasendem Schmerze noch einmal zu umarmen.^ Bei manchen Frauen gingen patriotische Begeisterung und Gattenliebe so weit,- daß sie ihre Männer sogar ins Feld begleiteten und, mit Säbel und Büchse be¬ wehrt, tapfer an ihrer Seite fochten. Ganz besonders heroisch zeigten sich die'-, der Vendee entstammenden Anhängerinnen des gestürzten Königshauses; wie man einst einen Kindertreuzzug gehabt hatte, gab es nun einen solchen dieser Frauen.'-« Warum sollte das alte „Gott will es" seine Erfüllung nicht erhalten können in einer Niederwerfung der Revolution durch Frauenhand, wenn es dem Herrn der Heerscharen so gefiel? Waren doch die Frömmsten der Frommen, Äbtissinnen und Nonnen, beteiligt. In der Vendee mit ihrem Undurchdringlicher Buschwerk und ihren dichten. Hecken, um die bei der Nähe des Meeres oft graue Nebelschleier wallen, sollte hier und da unter hohen, seit alters geheiligten druidischen Eichen die Jungfrau Maria erschienen sein — so richtete man in den Köpfen der Frauen Verwirrung an und fanatisierte ihre Herzen. Und im Beichtstuhl wurde der Funke des Royalismus, der in der Brust der Vendoerin glühte, von königstreueu Priestern - zur hellen Flamme angefacht, die dann in vertrauten Stunden häuslicher Zärtlichkeit, von begeisterten Brandstifterinnen übertragen, auch die Herzen der Männer ergriff; in den Frauen der Venöse erwuchsen der Gegenrevolution überall, in jedem Hause und in jeder Familie, zelotische Vorkümpferinnen. Predigt und Beichte bewährten noch einmal ihre alte Macht über weibliche Herzen, denn die Frauen, .denen meist die Kraft fehlt, ungläubig zu sein,- bedürfen einer Stütze, und immer hat es unter ihnen solche gegeben, denen die Soutane gefährlicher war als selbst die Uniform. Und wie die Priester die Töchter der Vestdee beherrschten, so übten diese wieder starken Einfluß auf die Gottesmänner aus; ist doch das Geheimnis des Beichtstuhles von einer eigenartigen Poesie umflossen, die nichts von ihrem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/52>, abgerufen am 26.08.2024.