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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Der deutsch-russtsche Rückversicherung-Vertrag

Deutschland nachzulassen, so war es so gut wie sicher, daß die Beziehungen der
beiden benachbarten Völker eine schnelle Abkühlung erfahren würden. Und so ge¬
schah es wirklich. Es würde zu weit führen, die einzelnen Vorgänge anzuführen,
die die allmählige Entfremdung bekunden. Wer sich darüber genauer zu unter¬
richten wünscht, wird das Werk des Vicomte Gontaut-Biron über seine Botschafter-
Tätigkeit in Berlin trotz der Einseitigkeit des Inhaltes nicht unbenutzt lassen dürfen.
Es sind darin.zahlreiche Berichte und Briefe über Unterhaltungen mit Alexander
dem Zweiten und russischen Staatsmännern wiedergegeben.") Überall, besonders
während der bekannten Krise von ILTL^kehrt dort die.Mssische-. Mahnung an
Frankreich wieder: "Werdet stark, unsere Interessen sind gemeinsam!" Natürlich
blieb dein deutschen Kanzler diese Entwicklung nicht verborgen, und er hat, wie
man weiß, sie nicht zum wenigsten dem von Neid und Eitelkeit erfüllten Charakter
des russischen Reichskanzlers zugeschrieben. Er hat dann unter dem Druck dieser
allmählichen Wandlung den Versuch gemacht, mit Rußland in ein engeres ver¬
tragsmäßiges Verhältnis zu gelangen. Im August 1876 regte der Feldmarschall
von Manieuffel vorsichtig beim Kaiser Alexander den Abschluß eines Schutz- und
.TrutzMzdnjsses an. Der Monarch reagierte nicht darauf. Bald daräufMer richtete
dieser in Lttvadui an unseren Militär-Bevöllnlächtigten General von Werber die
verfängliche Frage: "Was werden Sie tun, wenn ich mit Osterreich in Krieg
komme?" Wieder, im November 1876, kommt Fürst Bismarck auf die Bündnis¬
frage zurück, indem er durch den Botschafter von Schweinitz bei Fürst Gortschakow
anfragen läßt, ob er in der Lage sein würde, einen Vertrag einzugehen, durch den
Nußland gegen gewisse Leistungen im Orient den deutschen Besitz von Elsaß-
Lothringen verbürge. Das lehnte der russische Kanzler rund ab. Wie Fürst
Bismarck diese Versagung auslegte, davon gibt uns der berühmte Bericht Kenntnis,
den er im September 1879 aus Gastein an Kaiser Wilhelm erstattete, als er
den Abschluß des Bündnisses mit ÖMreiA-Ungarn Mrät^ ^zwischen Hatte
nämlich der russisch-türkische Krieg und insbesonoere"der 'Verlauf des Berliner
Kongresses das Verhältnis Rußlands zu Deutschland. .so ungünstig gestaltet, daß
ein ernster Konflikt zwischen den beiden Mächten nicht außer dem Bereich der
Möglichkeit lag. Die Außenwelt erfuhr davon nicht viel, aber in dem Verkehr
der .Kabinette nahm die Tonart einen immer drohenderen Charakter an. "Leo
kiinra ä'une moniere tre-Z serieuse." so äußerte sich der Zar in seinen VorivürM,
das; wir'Österreich auf dem Balkan gegenüber den. russischen Interessen beharrlich
unterstützten. Das Schreiben, das Kaiser Alexander im August1879 an seinen taiser-
lichenOheim richtete, war derartig, daß Bismarck dazu wörtlich bemerkte: "wenn wir in
ähnlichem Ton antworten, dann ist das gleichbedeutend mit einer Kriegserklärung".
Unter dem Einfluß dieser Vorgänge hat damals Fürst Bismarck den Weg Hom,
-Gastein nach Wien genommen. Seinem Monarchen schrieb er, daß das!
slawophile Rußland seit dem Ausscheiden Napoleons den Frieden Europas be-j
drohe, es habe die Erbschaft des Napoleonischen Cäsarismus übernommen. Und!
er konnte nicht überrascht sein, als er dann in Wien vom Kaiser Franz Joseph Z
und von Andrassy hörte, daß es nicht Rußland, sondern der Weigerung der frau- ^
zösischen Negierung zuzuschreiben sei, wenn noch kein Bündnis zwischen den beiden '
Staaten bestehe. ^

Dieser Dinge"") muß man sich erinnern, um.die^treibenden Kräfte zu er-
kennen, die zu dem Rückversicherungsvertrage geführt haben. Unter den russischen
Drohungen hatte die deutsche Politik -- sehr gegen die Neigung des alten Kaisers,
der fest an den Überlieferungen seines Hauses hing -- die Wendung nach Öster¬
reich genommen und damit das alte Verhältnis zu Rußland gelöst. Wie seinen ,



Die Schriftleitung.

") Reiches Material enthalten darüber auch die russischen Briefe von G. Cleinow, die
die "Grenzboien" von 1906 ab bis kurz vor Ausbruch des Weltkrieges veröffentlicht haben.
"*) Sie sind am ausführlichsten in der bekannten Lebensgeschichte des Grasen Andrassy
von Wertheimer geschildert. Der Verfasser hat über diesen Zeitabschnitt die Akten des Ber¬
liner Auswärtigen Amtes benutzen dürfen.
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Der deutsch-russtsche Rückversicherung-Vertrag

Deutschland nachzulassen, so war es so gut wie sicher, daß die Beziehungen der
beiden benachbarten Völker eine schnelle Abkühlung erfahren würden. Und so ge¬
schah es wirklich. Es würde zu weit führen, die einzelnen Vorgänge anzuführen,
die die allmählige Entfremdung bekunden. Wer sich darüber genauer zu unter¬
richten wünscht, wird das Werk des Vicomte Gontaut-Biron über seine Botschafter-
Tätigkeit in Berlin trotz der Einseitigkeit des Inhaltes nicht unbenutzt lassen dürfen.
Es sind darin.zahlreiche Berichte und Briefe über Unterhaltungen mit Alexander
dem Zweiten und russischen Staatsmännern wiedergegeben.") Überall, besonders
während der bekannten Krise von ILTL^kehrt dort die.Mssische-. Mahnung an
Frankreich wieder: „Werdet stark, unsere Interessen sind gemeinsam!" Natürlich
blieb dein deutschen Kanzler diese Entwicklung nicht verborgen, und er hat, wie
man weiß, sie nicht zum wenigsten dem von Neid und Eitelkeit erfüllten Charakter
des russischen Reichskanzlers zugeschrieben. Er hat dann unter dem Druck dieser
allmählichen Wandlung den Versuch gemacht, mit Rußland in ein engeres ver¬
tragsmäßiges Verhältnis zu gelangen. Im August 1876 regte der Feldmarschall
von Manieuffel vorsichtig beim Kaiser Alexander den Abschluß eines Schutz- und
.TrutzMzdnjsses an. Der Monarch reagierte nicht darauf. Bald daräufMer richtete
dieser in Lttvadui an unseren Militär-Bevöllnlächtigten General von Werber die
verfängliche Frage: „Was werden Sie tun, wenn ich mit Osterreich in Krieg
komme?" Wieder, im November 1876, kommt Fürst Bismarck auf die Bündnis¬
frage zurück, indem er durch den Botschafter von Schweinitz bei Fürst Gortschakow
anfragen läßt, ob er in der Lage sein würde, einen Vertrag einzugehen, durch den
Nußland gegen gewisse Leistungen im Orient den deutschen Besitz von Elsaß-
Lothringen verbürge. Das lehnte der russische Kanzler rund ab. Wie Fürst
Bismarck diese Versagung auslegte, davon gibt uns der berühmte Bericht Kenntnis,
den er im September 1879 aus Gastein an Kaiser Wilhelm erstattete, als er
den Abschluß des Bündnisses mit ÖMreiA-Ungarn Mrät^ ^zwischen Hatte
nämlich der russisch-türkische Krieg und insbesonoere"der 'Verlauf des Berliner
Kongresses das Verhältnis Rußlands zu Deutschland. .so ungünstig gestaltet, daß
ein ernster Konflikt zwischen den beiden Mächten nicht außer dem Bereich der
Möglichkeit lag. Die Außenwelt erfuhr davon nicht viel, aber in dem Verkehr
der .Kabinette nahm die Tonart einen immer drohenderen Charakter an. „Leo
kiinra ä'une moniere tre-Z serieuse." so äußerte sich der Zar in seinen VorivürM,
das; wir'Österreich auf dem Balkan gegenüber den. russischen Interessen beharrlich
unterstützten. Das Schreiben, das Kaiser Alexander im August1879 an seinen taiser-
lichenOheim richtete, war derartig, daß Bismarck dazu wörtlich bemerkte: „wenn wir in
ähnlichem Ton antworten, dann ist das gleichbedeutend mit einer Kriegserklärung".
Unter dem Einfluß dieser Vorgänge hat damals Fürst Bismarck den Weg Hom,
-Gastein nach Wien genommen. Seinem Monarchen schrieb er, daß das!
slawophile Rußland seit dem Ausscheiden Napoleons den Frieden Europas be-j
drohe, es habe die Erbschaft des Napoleonischen Cäsarismus übernommen. Und!
er konnte nicht überrascht sein, als er dann in Wien vom Kaiser Franz Joseph Z
und von Andrassy hörte, daß es nicht Rußland, sondern der Weigerung der frau- ^
zösischen Negierung zuzuschreiben sei, wenn noch kein Bündnis zwischen den beiden '
Staaten bestehe. ^

Dieser Dinge"") muß man sich erinnern, um.die^treibenden Kräfte zu er-
kennen, die zu dem Rückversicherungsvertrage geführt haben. Unter den russischen
Drohungen hatte die deutsche Politik — sehr gegen die Neigung des alten Kaisers,
der fest an den Überlieferungen seines Hauses hing — die Wendung nach Öster¬
reich genommen und damit das alte Verhältnis zu Rußland gelöst. Wie seinen ,



Die Schriftleitung.

") Reiches Material enthalten darüber auch die russischen Briefe von G. Cleinow, die
die „Grenzboien" von 1906 ab bis kurz vor Ausbruch des Weltkrieges veröffentlicht haben.
"*) Sie sind am ausführlichsten in der bekannten Lebensgeschichte des Grasen Andrassy
von Wertheimer geschildert. Der Verfasser hat über diesen Zeitabschnitt die Akten des Ber¬
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[0039] Der deutsch-russtsche Rückversicherung-Vertrag Deutschland nachzulassen, so war es so gut wie sicher, daß die Beziehungen der beiden benachbarten Völker eine schnelle Abkühlung erfahren würden. Und so ge¬ schah es wirklich. Es würde zu weit führen, die einzelnen Vorgänge anzuführen, die die allmählige Entfremdung bekunden. Wer sich darüber genauer zu unter¬ richten wünscht, wird das Werk des Vicomte Gontaut-Biron über seine Botschafter- Tätigkeit in Berlin trotz der Einseitigkeit des Inhaltes nicht unbenutzt lassen dürfen. Es sind darin.zahlreiche Berichte und Briefe über Unterhaltungen mit Alexander dem Zweiten und russischen Staatsmännern wiedergegeben.") Überall, besonders während der bekannten Krise von ILTL^kehrt dort die.Mssische-. Mahnung an Frankreich wieder: „Werdet stark, unsere Interessen sind gemeinsam!" Natürlich blieb dein deutschen Kanzler diese Entwicklung nicht verborgen, und er hat, wie man weiß, sie nicht zum wenigsten dem von Neid und Eitelkeit erfüllten Charakter des russischen Reichskanzlers zugeschrieben. Er hat dann unter dem Druck dieser allmählichen Wandlung den Versuch gemacht, mit Rußland in ein engeres ver¬ tragsmäßiges Verhältnis zu gelangen. Im August 1876 regte der Feldmarschall von Manieuffel vorsichtig beim Kaiser Alexander den Abschluß eines Schutz- und .TrutzMzdnjsses an. Der Monarch reagierte nicht darauf. Bald daräufMer richtete dieser in Lttvadui an unseren Militär-Bevöllnlächtigten General von Werber die verfängliche Frage: „Was werden Sie tun, wenn ich mit Osterreich in Krieg komme?" Wieder, im November 1876, kommt Fürst Bismarck auf die Bündnis¬ frage zurück, indem er durch den Botschafter von Schweinitz bei Fürst Gortschakow anfragen läßt, ob er in der Lage sein würde, einen Vertrag einzugehen, durch den Nußland gegen gewisse Leistungen im Orient den deutschen Besitz von Elsaß- Lothringen verbürge. Das lehnte der russische Kanzler rund ab. Wie Fürst Bismarck diese Versagung auslegte, davon gibt uns der berühmte Bericht Kenntnis, den er im September 1879 aus Gastein an Kaiser Wilhelm erstattete, als er den Abschluß des Bündnisses mit ÖMreiA-Ungarn Mrät^ ^zwischen Hatte nämlich der russisch-türkische Krieg und insbesonoere"der 'Verlauf des Berliner Kongresses das Verhältnis Rußlands zu Deutschland. .so ungünstig gestaltet, daß ein ernster Konflikt zwischen den beiden Mächten nicht außer dem Bereich der Möglichkeit lag. Die Außenwelt erfuhr davon nicht viel, aber in dem Verkehr der .Kabinette nahm die Tonart einen immer drohenderen Charakter an. „Leo kiinra ä'une moniere tre-Z serieuse." so äußerte sich der Zar in seinen VorivürM, das; wir'Österreich auf dem Balkan gegenüber den. russischen Interessen beharrlich unterstützten. Das Schreiben, das Kaiser Alexander im August1879 an seinen taiser- lichenOheim richtete, war derartig, daß Bismarck dazu wörtlich bemerkte: „wenn wir in ähnlichem Ton antworten, dann ist das gleichbedeutend mit einer Kriegserklärung". Unter dem Einfluß dieser Vorgänge hat damals Fürst Bismarck den Weg Hom, -Gastein nach Wien genommen. Seinem Monarchen schrieb er, daß das! slawophile Rußland seit dem Ausscheiden Napoleons den Frieden Europas be-j drohe, es habe die Erbschaft des Napoleonischen Cäsarismus übernommen. Und! er konnte nicht überrascht sein, als er dann in Wien vom Kaiser Franz Joseph Z und von Andrassy hörte, daß es nicht Rußland, sondern der Weigerung der frau- ^ zösischen Negierung zuzuschreiben sei, wenn noch kein Bündnis zwischen den beiden ' Staaten bestehe. ^ Dieser Dinge"") muß man sich erinnern, um.die^treibenden Kräfte zu er- kennen, die zu dem Rückversicherungsvertrage geführt haben. Unter den russischen Drohungen hatte die deutsche Politik — sehr gegen die Neigung des alten Kaisers, der fest an den Überlieferungen seines Hauses hing — die Wendung nach Öster¬ reich genommen und damit das alte Verhältnis zu Rußland gelöst. Wie seinen , Die Schriftleitung. ") Reiches Material enthalten darüber auch die russischen Briefe von G. Cleinow, die die „Grenzboien" von 1906 ab bis kurz vor Ausbruch des Weltkrieges veröffentlicht haben. "*) Sie sind am ausführlichsten in der bekannten Lebensgeschichte des Grasen Andrassy von Wertheimer geschildert. Der Verfasser hat über diesen Zeitabschnitt die Akten des Ber¬ liner Auswärtigen Amtes benutzen dürfen. 3»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/39>, abgerufen am 22.07.2024.