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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

besonders dankbar und werden uns mit
ihnen noch öfter beschäftigen.

Heute seien sie jedem Gebildeten, der in
irgendeinem Verhältnis zur Politik steht, sei
es auch nur als Zuschauer, warm empfohlen.
Exzellenz Hammann schreibt einen klaren,
fesselnden Stil. Der Verleger hat für einen
großen schönen Druck gesorgt. So Wirkt
alles zusammen, um die Lektüre deS nicht
sehr umfangreichen Buches zu .einem gewissen
G. Li. Genuß zu machen.


[Spaltenumbruch]

Wer nicht wählt, ist entweder mit den
bestehenden Zuständen im allgemeinen zu¬
frieden oder er weiß nicht, wen er mit der
Vertretung seiner politischen Interessen be¬
trauen soll, weil die Parteien oder deren
Vertrauensmänner nicht nach seinem Geschmack
sind. In den überwiegend meisten Fällen ist
seine Stimmenthaltung als ein stillschweigend
zum Ausdruck gebrachtes Vertrauen gegen die
Regierung zu bewerten. Infolgedessen sollte
es auch die Regierung sein, die über die
Stimmen der "NichtWähler" verfügt. Sie
beziehungsweise der Bundesrat sollte für je
100000 oder 160000 der nicht abgegebenen
Stimmen einen Abgeordneten bestimmen
können. Es ist selbstverständlich, daß diese
Negierungsabgeordneten Männer sein müßten,
deren hoher Wert sür die Gesamtheit durch
ihr Wirken erwiesen ist, die aber weder Zeit
noch Geld haben, sich durch den Staub der
Wnhlschlachten schleifen zu lassen oder sich
berufsmäßig in der Partei emporzuarbeiten,
um sich dann mit ihren Idealen in ein enges
Parteiprogramm einzwängen zu lassen.

Wer als Richtwähler mit diesem Ver¬
fahren nicht einverstanden ist, mag sich die
triftigen Gründe, derentwegen er der Wahl
fernblieb, bescheinigen lassen, sei es durch den
Arzt oder eine behördliche Stelle.

Prof. Dr. sah. [Ende Spaltensatz]
Parteilose Wählerstimme".

Stimmzetteln folgender einfacher Weg:




Randglossen zum Tage

A".l de", Herausgeber

' ehr geehrter Herr, ob man den pathetisch stelzenden Leitartikel verfaßt,
oder dem Tagesereignis die bescheidene Glosse nachsendet, was in
dieser beispiellosen Osterzeit geschieht, muß selbst einen Stresemann
nach Worten und einen Rudolf Presber nach Reimen ringen lassen.
Wir klugen Leute daheim gehen, auch wenn uns sonst nicht so leicht
bei unserer Gottähnlichkeit bange wird, noch immer ein wenig be-
nönmien uuiher. Nur Theodor Wolff, der so sehr an sich glaubt und glaubt, daß
seine Leser so sehr an ihn glauben, hat uns noch einen Artikel lang vom Fürsten
Lichnowsky erzählt und gezeigt, daß er alles vorher gewußt hat und auch an der
Tatsache, daß seine interessante Schreibtischschublade das berühmte menschliche
Dokument schon so früh beherbergt hat, nachgewiesen, welche Wichtigkeit wir ihm
beizumessen haben. Sonst hat in diesen Tagen niemand mehr von etwas anderem
geschrieben, als von dem Ungeheueren, das nach dreieinhalb Jahren, Beispielloses
in den Schatten stellend, wieder deutschem Geist und deutschem Willen einwachsen
ist. Wo ist der wichtigtuende Streit von vor vier Wochen? Junker und Fabrik¬
arbeiter denken und empfinden heute so dasselbe, daß sie ihre Zeitungslektüre ans-


Maßgebliches und Unmaßgebliches

[Beginn Spaltensatz]

besonders dankbar und werden uns mit
ihnen noch öfter beschäftigen.

Heute seien sie jedem Gebildeten, der in
irgendeinem Verhältnis zur Politik steht, sei
es auch nur als Zuschauer, warm empfohlen.
Exzellenz Hammann schreibt einen klaren,
fesselnden Stil. Der Verleger hat für einen
großen schönen Druck gesorgt. So Wirkt
alles zusammen, um die Lektüre deS nicht
sehr umfangreichen Buches zu .einem gewissen
G. Li. Genuß zu machen.


[Spaltenumbruch]

Wer nicht wählt, ist entweder mit den
bestehenden Zuständen im allgemeinen zu¬
frieden oder er weiß nicht, wen er mit der
Vertretung seiner politischen Interessen be¬
trauen soll, weil die Parteien oder deren
Vertrauensmänner nicht nach seinem Geschmack
sind. In den überwiegend meisten Fällen ist
seine Stimmenthaltung als ein stillschweigend
zum Ausdruck gebrachtes Vertrauen gegen die
Regierung zu bewerten. Infolgedessen sollte
es auch die Regierung sein, die über die
Stimmen der „NichtWähler" verfügt. Sie
beziehungsweise der Bundesrat sollte für je
100000 oder 160000 der nicht abgegebenen
Stimmen einen Abgeordneten bestimmen
können. Es ist selbstverständlich, daß diese
Negierungsabgeordneten Männer sein müßten,
deren hoher Wert sür die Gesamtheit durch
ihr Wirken erwiesen ist, die aber weder Zeit
noch Geld haben, sich durch den Staub der
Wnhlschlachten schleifen zu lassen oder sich
berufsmäßig in der Partei emporzuarbeiten,
um sich dann mit ihren Idealen in ein enges
Parteiprogramm einzwängen zu lassen.

Wer als Richtwähler mit diesem Ver¬
fahren nicht einverstanden ist, mag sich die
triftigen Gründe, derentwegen er der Wahl
fernblieb, bescheinigen lassen, sei es durch den
Arzt oder eine behördliche Stelle.

Prof. Dr. sah. [Ende Spaltensatz]
Parteilose Wählerstimme».

Stimmzetteln folgender einfacher Weg:




Randglossen zum Tage

A».l de», Herausgeber

' ehr geehrter Herr, ob man den pathetisch stelzenden Leitartikel verfaßt,
oder dem Tagesereignis die bescheidene Glosse nachsendet, was in
dieser beispiellosen Osterzeit geschieht, muß selbst einen Stresemann
nach Worten und einen Rudolf Presber nach Reimen ringen lassen.
Wir klugen Leute daheim gehen, auch wenn uns sonst nicht so leicht
bei unserer Gottähnlichkeit bange wird, noch immer ein wenig be-
nönmien uuiher. Nur Theodor Wolff, der so sehr an sich glaubt und glaubt, daß
seine Leser so sehr an ihn glauben, hat uns noch einen Artikel lang vom Fürsten
Lichnowsky erzählt und gezeigt, daß er alles vorher gewußt hat und auch an der
Tatsache, daß seine interessante Schreibtischschublade das berühmte menschliche
Dokument schon so früh beherbergt hat, nachgewiesen, welche Wichtigkeit wir ihm
beizumessen haben. Sonst hat in diesen Tagen niemand mehr von etwas anderem
geschrieben, als von dem Ungeheueren, das nach dreieinhalb Jahren, Beispielloses
in den Schatten stellend, wieder deutschem Geist und deutschem Willen einwachsen
ist. Wo ist der wichtigtuende Streit von vor vier Wochen? Junker und Fabrik¬
arbeiter denken und empfinden heute so dasselbe, daß sie ihre Zeitungslektüre ans-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/34>, abgerufen am 22.07.2024.