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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Aus "Frizchens Liederbuch"

auch -- und so sei uns bei allein, was vorkommt, Christentum und Religion ein
treuer Freund in guten Tagen, ein Trost im Leide, ein Schild in der Versuchung!"

Noch mehrere Male wurde Overbeck nach Paris gesandt, so im Jahre 1809,
wo er dem Kaiser Napoleon ein Glückwunschschreiben des Senates zu überreichen
hatte und allen Festlichkeiten beiwohnte. Diese wiederholten Sendungen in die
Hauptstadt der Welt boten ihm die anziehendsten Seiten, er vertiefte sich in die
kostbaren Schätze der Wissenschaft und Kunst und hatte Gelegenheit, die Bekannt¬
schaft der bedeutendsten und interessantesten Männer seiner Zeit zu machen. So
fand er wohl viel Anregung und Genuß, dennoch war das Opfer, das er seiner
Vaterstadt brachte, ein schweres. Denn sein Heim, sein Freundeskreis ging ihm
über alles. In all seinen Briefen kehrt die Sehnsucht nach daheim beständig
wieder und läßt sich nicht übertönen. Er konnte auch nicht viel Linderung und
Rettung verschaffen, und das Gefühl ließ ihn oft verzweifeln, daß die Jahre in
geschäftigem Nichtstun verstrichen. Es mußte aber alles getan werden, was irgend
möglich, und so hielt er auf seinem Posten aus. Die letzte Sendung nach Paris
erfolgte 1811, nach der Vereinigung der Städte Hamburg, Lübeck und Bremen
mit Frankreich. Diese hatten aufgehört, freie Hansastädte zu sein, waren Städte
des von Napoleon gegründeten neuen Kaiserreiches geworden. Kaum die Mutter-
sprache war den freien Reichsstädten geblieben, die Hansa war zertrümmert.
Schmerz um das Verlorene, bange Sorge um die eigene Zukunft und die derer,
die ihm nahestanden, bewegten das Herz Oberdecks, als er zum vierten Male
Paris betrat. Und noch immer war die Zeit der Prüfungen nicht überstanden.
Im Jahre 1813 war Lübeck noch empörenderen Greueln preisgegeben. Erst im
Jahre 1814 wurde auch Lübeck von den Fesseln fremder Herrschaft befreit. --
Noch im selben Jahre berief ein Hochedler Rat Christian Adolf Overbeck zur Bürger-
Meisterwürde. Seine Friedensarbeit, die nun einsetzte, entschädigte ihn in reichem
Maße für die bitteren Jahre, die er mehr als andere hatte auskosten müssen.
Er lebte neben seinein Berufe wieder seiner geliebten Dichtkunst. Im "Musen-
Almanach" und anderen Zeitschriften erschienen Gedichte von ihm. Er nahm
einen Briefwechsel mit Jean Paul auf und pflegte treue Freundschaft mit Vosz,
der ihn zu seinem sechzigsten Geburtstage in einem kleinen Gedicht besungen hat.
Auch Übersetzungen französischer Theaterstücke unternahm Overbeck, so Bajazet von
Racine und Ciuna von Corneille, und errang sich damit das Lob von Jffland
und Opitz. Jedoch konnten die Stücke damals nicht aufgeführt werden, da sie
für ganz unzeitgemäß galten. Ebenso pflegte Overbeck die Musik und, komponierte
einige seiner Gedichte. Er suchte die Aufführung von geistlicher Musik zu fördern
und gründete Liebhaberkonzerte. Diese vielseitige Bildung und mannigfachen
Talente trugen dazu bei. um ihn her eine überaus anziehende Geselligkeit zu ver¬
breiten. Er war allen Nahestehenden des Hauses ein warmer Freund in des
Wortes eigenster Bedeutung.

In glücklichster Ehe lebte Overbeck mit seiner Frau, die ihm vier Söhne
und zwei Töchter schenkte. Welch innigen Anteil er an dem Gedeihen seiner
Kinder nahm, davon zeugen die Gedicht" und Briefe in beredter Weise. Es ist
ihm vergönnt gewesen, an einem seiner Kinder hohe Freude zu erleben. Eben
jenes Frizchen, den er uns so nahe gebracht hat, wurde der bedeutende Maler
Friedrich Overbeck, der in Rom die Gemeinschaft der deutschen Romantiker, die
unter dem Namen "Nazarener" bekannt sind, gründete. Anfangs hatte der Vmer
nicht ohne Sorge die Neigung seines Sohnes zum künstlerischen Berufe wahr¬
genommen, je entschiedener sich aber das Talent äußerte, desto mehr förderte er
die Liebe und Neigung dafür. Drei Forderungen stellte er jedoch seinem Sohne
und mahnte ihn immer wieder daran, damit er "vor flacher Mittelmäßigkeit, des
Künstlers Todsünde," bewahrt bleibe: erstens vollkommene technische Fertigkeit,
zweitens klassische Geistesbildung, drittens höchste sittliche Veredelung. Daher
gestattete er dem Sohne keine Vernachlässigung der Schulbildung. Besonders
legte Vater Overbeck Wert auf das Studium der Alten, "den Homer in der
rechten Hand und die Bibel in der linken oder umgekehrt, so, dünkt mich, kann


Aus „Frizchens Liederbuch"

auch — und so sei uns bei allein, was vorkommt, Christentum und Religion ein
treuer Freund in guten Tagen, ein Trost im Leide, ein Schild in der Versuchung!"

Noch mehrere Male wurde Overbeck nach Paris gesandt, so im Jahre 1809,
wo er dem Kaiser Napoleon ein Glückwunschschreiben des Senates zu überreichen
hatte und allen Festlichkeiten beiwohnte. Diese wiederholten Sendungen in die
Hauptstadt der Welt boten ihm die anziehendsten Seiten, er vertiefte sich in die
kostbaren Schätze der Wissenschaft und Kunst und hatte Gelegenheit, die Bekannt¬
schaft der bedeutendsten und interessantesten Männer seiner Zeit zu machen. So
fand er wohl viel Anregung und Genuß, dennoch war das Opfer, das er seiner
Vaterstadt brachte, ein schweres. Denn sein Heim, sein Freundeskreis ging ihm
über alles. In all seinen Briefen kehrt die Sehnsucht nach daheim beständig
wieder und läßt sich nicht übertönen. Er konnte auch nicht viel Linderung und
Rettung verschaffen, und das Gefühl ließ ihn oft verzweifeln, daß die Jahre in
geschäftigem Nichtstun verstrichen. Es mußte aber alles getan werden, was irgend
möglich, und so hielt er auf seinem Posten aus. Die letzte Sendung nach Paris
erfolgte 1811, nach der Vereinigung der Städte Hamburg, Lübeck und Bremen
mit Frankreich. Diese hatten aufgehört, freie Hansastädte zu sein, waren Städte
des von Napoleon gegründeten neuen Kaiserreiches geworden. Kaum die Mutter-
sprache war den freien Reichsstädten geblieben, die Hansa war zertrümmert.
Schmerz um das Verlorene, bange Sorge um die eigene Zukunft und die derer,
die ihm nahestanden, bewegten das Herz Oberdecks, als er zum vierten Male
Paris betrat. Und noch immer war die Zeit der Prüfungen nicht überstanden.
Im Jahre 1813 war Lübeck noch empörenderen Greueln preisgegeben. Erst im
Jahre 1814 wurde auch Lübeck von den Fesseln fremder Herrschaft befreit. —
Noch im selben Jahre berief ein Hochedler Rat Christian Adolf Overbeck zur Bürger-
Meisterwürde. Seine Friedensarbeit, die nun einsetzte, entschädigte ihn in reichem
Maße für die bitteren Jahre, die er mehr als andere hatte auskosten müssen.
Er lebte neben seinein Berufe wieder seiner geliebten Dichtkunst. Im „Musen-
Almanach" und anderen Zeitschriften erschienen Gedichte von ihm. Er nahm
einen Briefwechsel mit Jean Paul auf und pflegte treue Freundschaft mit Vosz,
der ihn zu seinem sechzigsten Geburtstage in einem kleinen Gedicht besungen hat.
Auch Übersetzungen französischer Theaterstücke unternahm Overbeck, so Bajazet von
Racine und Ciuna von Corneille, und errang sich damit das Lob von Jffland
und Opitz. Jedoch konnten die Stücke damals nicht aufgeführt werden, da sie
für ganz unzeitgemäß galten. Ebenso pflegte Overbeck die Musik und, komponierte
einige seiner Gedichte. Er suchte die Aufführung von geistlicher Musik zu fördern
und gründete Liebhaberkonzerte. Diese vielseitige Bildung und mannigfachen
Talente trugen dazu bei. um ihn her eine überaus anziehende Geselligkeit zu ver¬
breiten. Er war allen Nahestehenden des Hauses ein warmer Freund in des
Wortes eigenster Bedeutung.

In glücklichster Ehe lebte Overbeck mit seiner Frau, die ihm vier Söhne
und zwei Töchter schenkte. Welch innigen Anteil er an dem Gedeihen seiner
Kinder nahm, davon zeugen die Gedicht« und Briefe in beredter Weise. Es ist
ihm vergönnt gewesen, an einem seiner Kinder hohe Freude zu erleben. Eben
jenes Frizchen, den er uns so nahe gebracht hat, wurde der bedeutende Maler
Friedrich Overbeck, der in Rom die Gemeinschaft der deutschen Romantiker, die
unter dem Namen „Nazarener" bekannt sind, gründete. Anfangs hatte der Vmer
nicht ohne Sorge die Neigung seines Sohnes zum künstlerischen Berufe wahr¬
genommen, je entschiedener sich aber das Talent äußerte, desto mehr förderte er
die Liebe und Neigung dafür. Drei Forderungen stellte er jedoch seinem Sohne
und mahnte ihn immer wieder daran, damit er „vor flacher Mittelmäßigkeit, des
Künstlers Todsünde," bewahrt bleibe: erstens vollkommene technische Fertigkeit,
zweitens klassische Geistesbildung, drittens höchste sittliche Veredelung. Daher
gestattete er dem Sohne keine Vernachlässigung der Schulbildung. Besonders
legte Vater Overbeck Wert auf das Studium der Alten, „den Homer in der
rechten Hand und die Bibel in der linken oder umgekehrt, so, dünkt mich, kann


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[0325] Aus „Frizchens Liederbuch" auch — und so sei uns bei allein, was vorkommt, Christentum und Religion ein treuer Freund in guten Tagen, ein Trost im Leide, ein Schild in der Versuchung!" Noch mehrere Male wurde Overbeck nach Paris gesandt, so im Jahre 1809, wo er dem Kaiser Napoleon ein Glückwunschschreiben des Senates zu überreichen hatte und allen Festlichkeiten beiwohnte. Diese wiederholten Sendungen in die Hauptstadt der Welt boten ihm die anziehendsten Seiten, er vertiefte sich in die kostbaren Schätze der Wissenschaft und Kunst und hatte Gelegenheit, die Bekannt¬ schaft der bedeutendsten und interessantesten Männer seiner Zeit zu machen. So fand er wohl viel Anregung und Genuß, dennoch war das Opfer, das er seiner Vaterstadt brachte, ein schweres. Denn sein Heim, sein Freundeskreis ging ihm über alles. In all seinen Briefen kehrt die Sehnsucht nach daheim beständig wieder und läßt sich nicht übertönen. Er konnte auch nicht viel Linderung und Rettung verschaffen, und das Gefühl ließ ihn oft verzweifeln, daß die Jahre in geschäftigem Nichtstun verstrichen. Es mußte aber alles getan werden, was irgend möglich, und so hielt er auf seinem Posten aus. Die letzte Sendung nach Paris erfolgte 1811, nach der Vereinigung der Städte Hamburg, Lübeck und Bremen mit Frankreich. Diese hatten aufgehört, freie Hansastädte zu sein, waren Städte des von Napoleon gegründeten neuen Kaiserreiches geworden. Kaum die Mutter- sprache war den freien Reichsstädten geblieben, die Hansa war zertrümmert. Schmerz um das Verlorene, bange Sorge um die eigene Zukunft und die derer, die ihm nahestanden, bewegten das Herz Oberdecks, als er zum vierten Male Paris betrat. Und noch immer war die Zeit der Prüfungen nicht überstanden. Im Jahre 1813 war Lübeck noch empörenderen Greueln preisgegeben. Erst im Jahre 1814 wurde auch Lübeck von den Fesseln fremder Herrschaft befreit. — Noch im selben Jahre berief ein Hochedler Rat Christian Adolf Overbeck zur Bürger- Meisterwürde. Seine Friedensarbeit, die nun einsetzte, entschädigte ihn in reichem Maße für die bitteren Jahre, die er mehr als andere hatte auskosten müssen. Er lebte neben seinein Berufe wieder seiner geliebten Dichtkunst. Im „Musen- Almanach" und anderen Zeitschriften erschienen Gedichte von ihm. Er nahm einen Briefwechsel mit Jean Paul auf und pflegte treue Freundschaft mit Vosz, der ihn zu seinem sechzigsten Geburtstage in einem kleinen Gedicht besungen hat. Auch Übersetzungen französischer Theaterstücke unternahm Overbeck, so Bajazet von Racine und Ciuna von Corneille, und errang sich damit das Lob von Jffland und Opitz. Jedoch konnten die Stücke damals nicht aufgeführt werden, da sie für ganz unzeitgemäß galten. Ebenso pflegte Overbeck die Musik und, komponierte einige seiner Gedichte. Er suchte die Aufführung von geistlicher Musik zu fördern und gründete Liebhaberkonzerte. Diese vielseitige Bildung und mannigfachen Talente trugen dazu bei. um ihn her eine überaus anziehende Geselligkeit zu ver¬ breiten. Er war allen Nahestehenden des Hauses ein warmer Freund in des Wortes eigenster Bedeutung. In glücklichster Ehe lebte Overbeck mit seiner Frau, die ihm vier Söhne und zwei Töchter schenkte. Welch innigen Anteil er an dem Gedeihen seiner Kinder nahm, davon zeugen die Gedicht« und Briefe in beredter Weise. Es ist ihm vergönnt gewesen, an einem seiner Kinder hohe Freude zu erleben. Eben jenes Frizchen, den er uns so nahe gebracht hat, wurde der bedeutende Maler Friedrich Overbeck, der in Rom die Gemeinschaft der deutschen Romantiker, die unter dem Namen „Nazarener" bekannt sind, gründete. Anfangs hatte der Vmer nicht ohne Sorge die Neigung seines Sohnes zum künstlerischen Berufe wahr¬ genommen, je entschiedener sich aber das Talent äußerte, desto mehr förderte er die Liebe und Neigung dafür. Drei Forderungen stellte er jedoch seinem Sohne und mahnte ihn immer wieder daran, damit er „vor flacher Mittelmäßigkeit, des Künstlers Todsünde," bewahrt bleibe: erstens vollkommene technische Fertigkeit, zweitens klassische Geistesbildung, drittens höchste sittliche Veredelung. Daher gestattete er dem Sohne keine Vernachlässigung der Schulbildung. Besonders legte Vater Overbeck Wert auf das Studium der Alten, „den Homer in der rechten Hand und die Bibel in der linken oder umgekehrt, so, dünkt mich, kann

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/325>, abgerufen am 25.08.2024.