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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Wirtschaftsnachrichiendienst

recht mangelhaften Übersichtlichkeit des Dargebotenen, in dem geringen Eingehen
auf die tatsächlichen Interessen jener Kreise, für die diese Veröffentlichungen er¬
scheinen und vor allem in der Säumigkeit der Berichterstattung. Wie wenig es diese
Veröffentlichungen verstanden, sich den Bedürfnissen der Industrie und Handelswelt
anzupassen, geht beispielsweise aus der bitteren Anklage hervor, die im März 1917
die "Neue Hamburger Börsenhalle" führte: "Im letzten Heft der vom Reichsamt
des Innern herausgegebenen .Nachrichten für Handel, Industrie und Landwirtschaft'
finden sich einige Berichte des Handelssachverständigen beim Kaiserlichen Konsulat
von Tientsin über die wirtschaftliche Lage und den Einfuhrhandel seines Bezirkes --
im Jahre 1914. Das Reichsamt scheint anzunehmen, daß die Wiitschaflskreise,
für die diese .Nachrichten' doch bestimmt sind, ein außerordentlich stark entwickeltes
Bedürfnis nach historischer Lektüre haben. Es scheint es aber auch nicht für nötig
befunden zu haben, sich mit der Bearbeitung des Berichtes ein wenig zu beeilen.
Denn der Bericht ist vom 25. Februar 1916 datiert. Daß die Reise von Tientsin
nach Berlin auch nur. annähernd ein Jahr gedauert habe, ist schwer! es anzunehmen.
Über die Langsamkeit und Schwerfälligkeit des amtlichen Nachrichtendienstes ist
bereits in Friedenszeiten sehr lebhaft geklagt worden. Die bureaukratischen
Hemmungen, die an den gewohnten Verzögerungen schuld sind, scheinen sich
während des Krieges noch verstärkt zu haben. Wenn es jetzt dem Neichsamt an
kompetenten Bearbeitern fehlen sollte, so sollen die zuständigen Kreise darauf
dringen, daß man das Material in Abschrift solchen Stellen aushändigte, die im°
Staupe sind, das Wesentliche vom Unwesentlichen und das Aktuelle vom Nicht¬
aktuellen zu unterscheiden und für rasche und sachgemäße Verbreitung zu Särgen."

Bleibt man beim Lesen dieser Auslassung eingedenk, in welch großzügiger
und wirkungsvoller Weise die entsprechenden staatlichen Stellen des Auslandes,
vor allem in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, in England und Frank¬
reich die einheimischen Wirtschaftsweise mit wichtigem Material schnell und zuver¬
lässig versehen, so kann nicht dringend genug ein Systemwechsel in der deutschen
staatlichen Nachrichtenvermittlung gefordert werden. Gegen Zahlung von 1 Pfund
Sterling im Jahre versorgt das englische Departement ok Lommereial IntelliMnce
des Handelsamtes die interessierte Geschäftswelt mit den neuesten vertraulichen
Sonderinformationen und gibt diesen Kreisen überdies ein wöchentlich heraus¬
gegebenes Buch, in demi auf etwa siebzig Seiten ein sorgfältig ausgewähltes,
wichtiges Nachrichtenmaterial -- der auswärtigen Presse und den Konsularberichten
entnommen -- zusammengetragen ist, in die Hand. In ähnlicher Weise wirkt
das französische "l^euille ä'inkornmtion", das in zahllosen Exemplaren öffentlich
zum Aushang gelangt, während das amerikanische Handclsamt seine wirtschaft¬
lichen Informationen durch acht große, in den Mittelpunkten der Industriegebiete
errichteten Auskunftsstellen in übersichtlicher und für den sofortigen Gebrauch be¬
arbeiteter Form den Wirtschaftskreisen zugängig macht. In der 1914 in New Aork
errichteten Auskunftsstelle wurden im ersten Jahre ihres Bestehens fttnszigtausend
Anfragen erledigt, ein Zeichen, daß man dort in anderer Weise als bei uns die
Wichtigkeit und den Nutzen eines zuverlässigen Nachrichtendienstes erkannte.
Wenn in diesen Staaten unter staatlicher Führung ein für die dortigen
Handels- und Jndustriekreise segensreicher Wirtschaftsnachrichtendienst, oft zunächst
unter großen finanziellen Opfern, geschaffen werden konnte, so ist das Bild,
das sich noch vor kurzem in Deutschland bot, ein recht betrübliches. Das
Fehlen der staatlichen Führung hatte zur Folge, daß die verschiedenen, auf
Außenhandel angewiesenen Geschäftskreise aus eigener Kraft und unabhängig
voneinander eigene Nachrichtendienste einrichteten. So griff in Deutschland,
dessen Außenhandel mehr als der irgendeines anderen Landes gefürchtet ist, eine
Zersplitterung der .Kräfte, Interessen und Absichten um sich, die eine Zusammen¬
fassung aller in dieser Angelegenheit arbeitenden Stellen nahezu unmöglich
erscheinen ließ. Die Folge dieses bedauerlichen Zustandes war. daß der größte
Teil brauchbaren Nachrichtenstoffes an Stellen aufgehäuft werden konnte, die nur
einem kleinen Teil aller für ihn interessierten Kreise zugäng:g waren, daß ein und


Wirtschaftsnachrichiendienst

recht mangelhaften Übersichtlichkeit des Dargebotenen, in dem geringen Eingehen
auf die tatsächlichen Interessen jener Kreise, für die diese Veröffentlichungen er¬
scheinen und vor allem in der Säumigkeit der Berichterstattung. Wie wenig es diese
Veröffentlichungen verstanden, sich den Bedürfnissen der Industrie und Handelswelt
anzupassen, geht beispielsweise aus der bitteren Anklage hervor, die im März 1917
die „Neue Hamburger Börsenhalle" führte: „Im letzten Heft der vom Reichsamt
des Innern herausgegebenen .Nachrichten für Handel, Industrie und Landwirtschaft'
finden sich einige Berichte des Handelssachverständigen beim Kaiserlichen Konsulat
von Tientsin über die wirtschaftliche Lage und den Einfuhrhandel seines Bezirkes —
im Jahre 1914. Das Reichsamt scheint anzunehmen, daß die Wiitschaflskreise,
für die diese .Nachrichten' doch bestimmt sind, ein außerordentlich stark entwickeltes
Bedürfnis nach historischer Lektüre haben. Es scheint es aber auch nicht für nötig
befunden zu haben, sich mit der Bearbeitung des Berichtes ein wenig zu beeilen.
Denn der Bericht ist vom 25. Februar 1916 datiert. Daß die Reise von Tientsin
nach Berlin auch nur. annähernd ein Jahr gedauert habe, ist schwer! es anzunehmen.
Über die Langsamkeit und Schwerfälligkeit des amtlichen Nachrichtendienstes ist
bereits in Friedenszeiten sehr lebhaft geklagt worden. Die bureaukratischen
Hemmungen, die an den gewohnten Verzögerungen schuld sind, scheinen sich
während des Krieges noch verstärkt zu haben. Wenn es jetzt dem Neichsamt an
kompetenten Bearbeitern fehlen sollte, so sollen die zuständigen Kreise darauf
dringen, daß man das Material in Abschrift solchen Stellen aushändigte, die im°
Staupe sind, das Wesentliche vom Unwesentlichen und das Aktuelle vom Nicht¬
aktuellen zu unterscheiden und für rasche und sachgemäße Verbreitung zu Särgen."

Bleibt man beim Lesen dieser Auslassung eingedenk, in welch großzügiger
und wirkungsvoller Weise die entsprechenden staatlichen Stellen des Auslandes,
vor allem in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, in England und Frank¬
reich die einheimischen Wirtschaftsweise mit wichtigem Material schnell und zuver¬
lässig versehen, so kann nicht dringend genug ein Systemwechsel in der deutschen
staatlichen Nachrichtenvermittlung gefordert werden. Gegen Zahlung von 1 Pfund
Sterling im Jahre versorgt das englische Departement ok Lommereial IntelliMnce
des Handelsamtes die interessierte Geschäftswelt mit den neuesten vertraulichen
Sonderinformationen und gibt diesen Kreisen überdies ein wöchentlich heraus¬
gegebenes Buch, in demi auf etwa siebzig Seiten ein sorgfältig ausgewähltes,
wichtiges Nachrichtenmaterial — der auswärtigen Presse und den Konsularberichten
entnommen — zusammengetragen ist, in die Hand. In ähnlicher Weise wirkt
das französische „l^euille ä'inkornmtion", das in zahllosen Exemplaren öffentlich
zum Aushang gelangt, während das amerikanische Handclsamt seine wirtschaft¬
lichen Informationen durch acht große, in den Mittelpunkten der Industriegebiete
errichteten Auskunftsstellen in übersichtlicher und für den sofortigen Gebrauch be¬
arbeiteter Form den Wirtschaftskreisen zugängig macht. In der 1914 in New Aork
errichteten Auskunftsstelle wurden im ersten Jahre ihres Bestehens fttnszigtausend
Anfragen erledigt, ein Zeichen, daß man dort in anderer Weise als bei uns die
Wichtigkeit und den Nutzen eines zuverlässigen Nachrichtendienstes erkannte.
Wenn in diesen Staaten unter staatlicher Führung ein für die dortigen
Handels- und Jndustriekreise segensreicher Wirtschaftsnachrichtendienst, oft zunächst
unter großen finanziellen Opfern, geschaffen werden konnte, so ist das Bild,
das sich noch vor kurzem in Deutschland bot, ein recht betrübliches. Das
Fehlen der staatlichen Führung hatte zur Folge, daß die verschiedenen, auf
Außenhandel angewiesenen Geschäftskreise aus eigener Kraft und unabhängig
voneinander eigene Nachrichtendienste einrichteten. So griff in Deutschland,
dessen Außenhandel mehr als der irgendeines anderen Landes gefürchtet ist, eine
Zersplitterung der .Kräfte, Interessen und Absichten um sich, die eine Zusammen¬
fassung aller in dieser Angelegenheit arbeitenden Stellen nahezu unmöglich
erscheinen ließ. Die Folge dieses bedauerlichen Zustandes war. daß der größte
Teil brauchbaren Nachrichtenstoffes an Stellen aufgehäuft werden konnte, die nur
einem kleinen Teil aller für ihn interessierten Kreise zugäng:g waren, daß ein und


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[0283] Wirtschaftsnachrichiendienst recht mangelhaften Übersichtlichkeit des Dargebotenen, in dem geringen Eingehen auf die tatsächlichen Interessen jener Kreise, für die diese Veröffentlichungen er¬ scheinen und vor allem in der Säumigkeit der Berichterstattung. Wie wenig es diese Veröffentlichungen verstanden, sich den Bedürfnissen der Industrie und Handelswelt anzupassen, geht beispielsweise aus der bitteren Anklage hervor, die im März 1917 die „Neue Hamburger Börsenhalle" führte: „Im letzten Heft der vom Reichsamt des Innern herausgegebenen .Nachrichten für Handel, Industrie und Landwirtschaft' finden sich einige Berichte des Handelssachverständigen beim Kaiserlichen Konsulat von Tientsin über die wirtschaftliche Lage und den Einfuhrhandel seines Bezirkes — im Jahre 1914. Das Reichsamt scheint anzunehmen, daß die Wiitschaflskreise, für die diese .Nachrichten' doch bestimmt sind, ein außerordentlich stark entwickeltes Bedürfnis nach historischer Lektüre haben. Es scheint es aber auch nicht für nötig befunden zu haben, sich mit der Bearbeitung des Berichtes ein wenig zu beeilen. Denn der Bericht ist vom 25. Februar 1916 datiert. Daß die Reise von Tientsin nach Berlin auch nur. annähernd ein Jahr gedauert habe, ist schwer! es anzunehmen. Über die Langsamkeit und Schwerfälligkeit des amtlichen Nachrichtendienstes ist bereits in Friedenszeiten sehr lebhaft geklagt worden. Die bureaukratischen Hemmungen, die an den gewohnten Verzögerungen schuld sind, scheinen sich während des Krieges noch verstärkt zu haben. Wenn es jetzt dem Neichsamt an kompetenten Bearbeitern fehlen sollte, so sollen die zuständigen Kreise darauf dringen, daß man das Material in Abschrift solchen Stellen aushändigte, die im° Staupe sind, das Wesentliche vom Unwesentlichen und das Aktuelle vom Nicht¬ aktuellen zu unterscheiden und für rasche und sachgemäße Verbreitung zu Särgen." Bleibt man beim Lesen dieser Auslassung eingedenk, in welch großzügiger und wirkungsvoller Weise die entsprechenden staatlichen Stellen des Auslandes, vor allem in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, in England und Frank¬ reich die einheimischen Wirtschaftsweise mit wichtigem Material schnell und zuver¬ lässig versehen, so kann nicht dringend genug ein Systemwechsel in der deutschen staatlichen Nachrichtenvermittlung gefordert werden. Gegen Zahlung von 1 Pfund Sterling im Jahre versorgt das englische Departement ok Lommereial IntelliMnce des Handelsamtes die interessierte Geschäftswelt mit den neuesten vertraulichen Sonderinformationen und gibt diesen Kreisen überdies ein wöchentlich heraus¬ gegebenes Buch, in demi auf etwa siebzig Seiten ein sorgfältig ausgewähltes, wichtiges Nachrichtenmaterial — der auswärtigen Presse und den Konsularberichten entnommen — zusammengetragen ist, in die Hand. In ähnlicher Weise wirkt das französische „l^euille ä'inkornmtion", das in zahllosen Exemplaren öffentlich zum Aushang gelangt, während das amerikanische Handclsamt seine wirtschaft¬ lichen Informationen durch acht große, in den Mittelpunkten der Industriegebiete errichteten Auskunftsstellen in übersichtlicher und für den sofortigen Gebrauch be¬ arbeiteter Form den Wirtschaftskreisen zugängig macht. In der 1914 in New Aork errichteten Auskunftsstelle wurden im ersten Jahre ihres Bestehens fttnszigtausend Anfragen erledigt, ein Zeichen, daß man dort in anderer Weise als bei uns die Wichtigkeit und den Nutzen eines zuverlässigen Nachrichtendienstes erkannte. Wenn in diesen Staaten unter staatlicher Führung ein für die dortigen Handels- und Jndustriekreise segensreicher Wirtschaftsnachrichtendienst, oft zunächst unter großen finanziellen Opfern, geschaffen werden konnte, so ist das Bild, das sich noch vor kurzem in Deutschland bot, ein recht betrübliches. Das Fehlen der staatlichen Führung hatte zur Folge, daß die verschiedenen, auf Außenhandel angewiesenen Geschäftskreise aus eigener Kraft und unabhängig voneinander eigene Nachrichtendienste einrichteten. So griff in Deutschland, dessen Außenhandel mehr als der irgendeines anderen Landes gefürchtet ist, eine Zersplitterung der .Kräfte, Interessen und Absichten um sich, die eine Zusammen¬ fassung aller in dieser Angelegenheit arbeitenden Stellen nahezu unmöglich erscheinen ließ. Die Folge dieses bedauerlichen Zustandes war. daß der größte Teil brauchbaren Nachrichtenstoffes an Stellen aufgehäuft werden konnte, die nur einem kleinen Teil aller für ihn interessierten Kreise zugäng:g waren, daß ein und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/283>, abgerufen am 22.07.2024.