Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.Wirts chaftsnachrichtendienst Nicht nur, daß unsere Feinde sich in jenen Gebieten, die bisher durch die deutsche Was in Deutschland in dieser Hinsicht vor dem Kriege geleistet worden war, Wenn bis zum Ausbruch des Krieges ein den geschilderten Zwecken dienender Wirts chaftsnachrichtendienst Nicht nur, daß unsere Feinde sich in jenen Gebieten, die bisher durch die deutsche Was in Deutschland in dieser Hinsicht vor dem Kriege geleistet worden war, Wenn bis zum Ausbruch des Krieges ein den geschilderten Zwecken dienender <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0282" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/333765"/> <fw type="header" place="top"> Wirts chaftsnachrichtendienst</fw><lb/> <p xml:id="ID_1109" prev="#ID_1108"> Nicht nur, daß unsere Feinde sich in jenen Gebieten, die bisher durch die deutsche<lb/> Ausfuhr beherrscht wurden, festgesetzt haben und sich durch eine Erfolg versprechende<lb/> wirtschaftliche Kriegsrüstung in ihnen zu halten trachten, wird auch der deutsche<lb/> Außenhandel gegen eine künstlich, gezüchtete und mit den verwerflichsten Mitteln<lb/> angefachte Feindseligkeit einen schweren Kampf zu bestehen haben. Die Beschlüsse<lb/> der Pariser Wirtschaftskonferenz kündigten den rücksichtslosen Wirtschaftskrieg gegen<lb/> die Mittemächte an. Der deutsche Warenabsatz soll im Auslande durch Versagen<lb/> der Meistbegünstigung, durch unüberwindlich hohe Zollschranken, durch Einfuhr¬<lb/> verbote und durch Verunglimpfung deutscher Erzeugnisse in der empfindlichsten<lb/> Weise getroffen, die Rohstoffversorgung des Deutschen Reiches auf alle möglichen<lb/> Arten unterbunden werden, wie es denn überhaupt das Bestreben unserer Feinde<lb/> ist, alle irgendwie erreichbaren Rohstoffe unter ihre Kontrolle, d. h. in ihre Gewalt<lb/> zu bekommen. Mögen nun die in Paris gefaßten Beschlüsse zur Ausführung ge¬<lb/> langen oder nicht: auf alle Fälle stellen diese Bestrebungen, die Hand in Hand<lb/> mit einem wohldurchdachten Nachrichtendienst gehen, eine derart schwere Bedrohung<lb/> unseres auf die Ausfuhr angewiesenen Wirtschaftslebens dar, daß mit den Vor¬<lb/> arbeiten zur Bekämpfung jener Absichten nicht zeitig genug begonnen werden kann.<lb/> Es zeigt sich vor allem, daß der wirtschaftliche Nachrichtendienst, der früher viel¬<lb/> leicht entbehrlich erschien, nunmehr zur zwingenden Notwendigkeit wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_1110"> Was in Deutschland in dieser Hinsicht vor dem Kriege geleistet worden war,<lb/> litt, da die einheitliche Führung, vor allem aber ein zweckdienliches Zusammen¬<lb/> arbeiten zu vermissen waren, an Zersplitterung und unter gewissen sich geltend<lb/> machenden Bestrebungen, durch die geschaffenen Einrichtungen vornehmlich den<lb/> Zwecken und Interessen besonderer Fachgruppen und Vereinigungen zu dienen.<lb/> Dadurch wurde das Zustandekommen eines Nachrichtendienstes, der dem all¬<lb/> gemeinen Interesse zu dienen hätte und der unter Vermeidung doppelter, auf<lb/> denselben Gegenstand gerichteten Arbeit sich auf breiter Grundlage umfassend hätte<lb/> errichten lassen, erschwert und nahezu unmöglich gemacht. Denn das Ziel eines<lb/> wirkungsvoll eingerichteten und geleiteten wirtschaftlichen Nachrichtendienstes ist<lb/> nationaler Art, es ist die Förderung der nationalen Wirtschaft und somit auch der<lb/> nationalen politischen Machtentfaltung. Ein solcher Dienst muß die eingehenden<lb/> Nachrichten schnell und zuverlässig verarbeitet allen beteiligten Kreisen zwecks In-<lb/> formation und Auswertung zur Verfügung stellen, er muß, gestützt aus die amt¬<lb/> lichen Stellen im Auslande, auf die privaten Einrichtungen und auf seine eigenen<lb/> Vertreter ein möglichst lückenloses, aktuelles Material über die sich im Auslande<lb/> abspielenden wirtschaftlichen und politischen Vorgänge, über Stimmungen und<lb/> kulturelle Eigenarten, soweit sie für das inländische Wirtschaftsleben von Belang<lb/> sind, mit genügender Sachkenntnis allen interessierten Gruppen in leicht zugäng¬<lb/> licher Weise geordnet zu beschaffen suchen und darüber hinaus das Ausland mit<lb/> Nachrichten versorgen, die geeignet erscheinen, der einheimischen Kultur, Denkweise<lb/> und dem deutschen Wirtschaftsleben Geltung im Auslande zu verschaffen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1111" next="#ID_1112"> Wenn bis zum Ausbruch des Krieges ein den geschilderten Zwecken dienender<lb/> Nachrichtendienst im deutschen Wirtschaftsleben zu vermissen war, so ist dadurch<lb/> zur Genüge dargetan, daß bei uns das Interesse für eine zuverlässige, dem Aktuellen<lb/> dienende Berichterstattung ein sehr geringes war, daß man von dem Werte einer<lb/> derartigen Einrichtung nicht genügend durchdrungen war und daß nur ein kleiner<lb/> Teil jener Kreise, denen ein solcher Dienst zum Vorteil gereichen muß, wußte, was<lb/> in außerdeutschen Ländern in dieser Hinsicht geleistet worden ist und welcher<lb/> Nutzen durch ihn erzielt werden kann. Vor allem aber ist auffällig die geringe<lb/> Beachtung, die dieser Angelegenheit von feiten des Staats entgegengebracht wurde.<lb/> Wohl fehlte es nicht an amtlicher Berichterstattung. Ihr dienten die vom Reichs¬<lb/> amt des Innern herausgegebenene „Nachrichten für Handel, Industrie und Land¬<lb/> wirtschaft", die „Berichte über Handel und Industrie", das „Deutsche Handels¬<lb/> archiv" und die „Mitteilungen zur Verwertung in deutschen Interessenkreisen".<lb/> Das Interesse der beteiligten Geschäftswelt für diese Veröffentlichungen ist indessen<lb/> im allgemeinen ein nur geringes geblieben. Der Grund ist zu suchen in der oft</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0282]
Wirts chaftsnachrichtendienst
Nicht nur, daß unsere Feinde sich in jenen Gebieten, die bisher durch die deutsche
Ausfuhr beherrscht wurden, festgesetzt haben und sich durch eine Erfolg versprechende
wirtschaftliche Kriegsrüstung in ihnen zu halten trachten, wird auch der deutsche
Außenhandel gegen eine künstlich, gezüchtete und mit den verwerflichsten Mitteln
angefachte Feindseligkeit einen schweren Kampf zu bestehen haben. Die Beschlüsse
der Pariser Wirtschaftskonferenz kündigten den rücksichtslosen Wirtschaftskrieg gegen
die Mittemächte an. Der deutsche Warenabsatz soll im Auslande durch Versagen
der Meistbegünstigung, durch unüberwindlich hohe Zollschranken, durch Einfuhr¬
verbote und durch Verunglimpfung deutscher Erzeugnisse in der empfindlichsten
Weise getroffen, die Rohstoffversorgung des Deutschen Reiches auf alle möglichen
Arten unterbunden werden, wie es denn überhaupt das Bestreben unserer Feinde
ist, alle irgendwie erreichbaren Rohstoffe unter ihre Kontrolle, d. h. in ihre Gewalt
zu bekommen. Mögen nun die in Paris gefaßten Beschlüsse zur Ausführung ge¬
langen oder nicht: auf alle Fälle stellen diese Bestrebungen, die Hand in Hand
mit einem wohldurchdachten Nachrichtendienst gehen, eine derart schwere Bedrohung
unseres auf die Ausfuhr angewiesenen Wirtschaftslebens dar, daß mit den Vor¬
arbeiten zur Bekämpfung jener Absichten nicht zeitig genug begonnen werden kann.
Es zeigt sich vor allem, daß der wirtschaftliche Nachrichtendienst, der früher viel¬
leicht entbehrlich erschien, nunmehr zur zwingenden Notwendigkeit wird.
Was in Deutschland in dieser Hinsicht vor dem Kriege geleistet worden war,
litt, da die einheitliche Führung, vor allem aber ein zweckdienliches Zusammen¬
arbeiten zu vermissen waren, an Zersplitterung und unter gewissen sich geltend
machenden Bestrebungen, durch die geschaffenen Einrichtungen vornehmlich den
Zwecken und Interessen besonderer Fachgruppen und Vereinigungen zu dienen.
Dadurch wurde das Zustandekommen eines Nachrichtendienstes, der dem all¬
gemeinen Interesse zu dienen hätte und der unter Vermeidung doppelter, auf
denselben Gegenstand gerichteten Arbeit sich auf breiter Grundlage umfassend hätte
errichten lassen, erschwert und nahezu unmöglich gemacht. Denn das Ziel eines
wirkungsvoll eingerichteten und geleiteten wirtschaftlichen Nachrichtendienstes ist
nationaler Art, es ist die Förderung der nationalen Wirtschaft und somit auch der
nationalen politischen Machtentfaltung. Ein solcher Dienst muß die eingehenden
Nachrichten schnell und zuverlässig verarbeitet allen beteiligten Kreisen zwecks In-
formation und Auswertung zur Verfügung stellen, er muß, gestützt aus die amt¬
lichen Stellen im Auslande, auf die privaten Einrichtungen und auf seine eigenen
Vertreter ein möglichst lückenloses, aktuelles Material über die sich im Auslande
abspielenden wirtschaftlichen und politischen Vorgänge, über Stimmungen und
kulturelle Eigenarten, soweit sie für das inländische Wirtschaftsleben von Belang
sind, mit genügender Sachkenntnis allen interessierten Gruppen in leicht zugäng¬
licher Weise geordnet zu beschaffen suchen und darüber hinaus das Ausland mit
Nachrichten versorgen, die geeignet erscheinen, der einheimischen Kultur, Denkweise
und dem deutschen Wirtschaftsleben Geltung im Auslande zu verschaffen.
Wenn bis zum Ausbruch des Krieges ein den geschilderten Zwecken dienender
Nachrichtendienst im deutschen Wirtschaftsleben zu vermissen war, so ist dadurch
zur Genüge dargetan, daß bei uns das Interesse für eine zuverlässige, dem Aktuellen
dienende Berichterstattung ein sehr geringes war, daß man von dem Werte einer
derartigen Einrichtung nicht genügend durchdrungen war und daß nur ein kleiner
Teil jener Kreise, denen ein solcher Dienst zum Vorteil gereichen muß, wußte, was
in außerdeutschen Ländern in dieser Hinsicht geleistet worden ist und welcher
Nutzen durch ihn erzielt werden kann. Vor allem aber ist auffällig die geringe
Beachtung, die dieser Angelegenheit von feiten des Staats entgegengebracht wurde.
Wohl fehlte es nicht an amtlicher Berichterstattung. Ihr dienten die vom Reichs¬
amt des Innern herausgegebenene „Nachrichten für Handel, Industrie und Land¬
wirtschaft", die „Berichte über Handel und Industrie", das „Deutsche Handels¬
archiv" und die „Mitteilungen zur Verwertung in deutschen Interessenkreisen".
Das Interesse der beteiligten Geschäftswelt für diese Veröffentlichungen ist indessen
im allgemeinen ein nur geringes geblieben. Der Grund ist zu suchen in der oft
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