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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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lange Krieg Züge in unser Leben gebracht, die ebensoviel!- Zukunftsrätsel dar¬
stellen. Vor ^allein der neue Jugendstil. Draußen wie drinnen ist er gleich merk¬
würdig, draußen erfreulich, daheim das Gegenteil, Ruhm und Ehren, wie sie
in früheren Zeiten ergrauten Schlachtenhelden zuteil wurden, sind heute eine fast
schon alltäglich gewordene Kriegserrungenschaft von Jünglingen. Mit Begeiste¬
rung und Bewunderung blickt ein Volt vom Kaiser bis zum Mann in der
Straße auf Helden, die im Frieden als unbekannte junge Männer höchstens
als Tennis- oder Tanzpartner hätten Ruhm ernten können. Das an individueller
Preisgabe und Kühnheit weithin Sichtbarste leisten unter Millionen Männern
heute im Verhältnis die Jüngsten und ehre Namen gehen von Mund zu Mund,
ihre Bilder von Hand zu Hand. Diese Tatsache gibt der Jugend eine Stellung,
wie sie sie noch niemals innegehabt hat. Die Älteren können nichts tun, als
die altüberkommene Pose der lächelnden Überlegenheit aufgeben -- diejenigen, die
nicht halb so alt sind, halten den Rekord der kühnen Taten und der weitdin
wirkenden Erfolge. Der Unterschied der Jahre ist von jungen Armen beiseite ge¬
schoben, neben dem berühmten weißhaarigen General steht ein ebenso berühmter
junger Mensch, der sein Enkel sein könne. Diese Eroberung des höchsten Ruhmes
durch die Jüngsten ist eine Erscheinung, von der starke Wukungen ausgehen werden.
Der junge Mann wird auf allen Lebensgebieten eine andere Position haben und
mitreden, wo er früher im Hintergrund zu bleiben hatte. Ein Sirom von Jugend
wird ins öffentliche Leben fließen. Daheim hat der Krieg eine andere Art Jugend-
stil entwickelt. Höchst unerf.eulich. aber auch mit Wukungen, die zum Nachdenken
anregen. Ungezählte Knaben haben heute ein Einkommen, von dem ihre Väter
vor fünf Jahren vielleicht für sich als von einem unerreichbaren Ziel geträumt
dahin. Ungezählte Knaben sind in der Lage (und machen davon Gebrauch) aus
ihren Herrn P'pa mitleidig herabzusehen, der keine Ahnung, hat, wie man eine
Flasche Sekt öffnet und im Verkehr mit Oberkellnern besserer Nestauranis eine
klägliche Schüchternheit an den Tag legt, vom Umgang mit der leichteren Damen¬
welt ganz zu schweigen. Der Hundertmarkschein in der Knabenhand ist das
Symbol dieses Jugendstils. Der Knabe, der diesen Hundertmarkschein als Schlüssel
zum Giftschrank der Genüsse benutzt, ist eine Zeitfigur, die seit Jahr und Tag
gründlich in unserem Leben hat Wurzel fassen können. Eltern, die ausgelacht
werden, wenn sie dem unmündigen Hochverdicner befehlen wollen, die gelernt
haben, die Überlegenheit dieser Jugend hinzunehmen, die sich Lohn und Genuß
nach unreifem Gutdünken selbst zu bestimmen pflegt, sind eine Erscheinung dieses
neuen Stils geworden, der Zuk gehabt habt, hübsch tief Wurzel zu schlagen.
Draußen die Jugend, die im Alter d s Werdens, der sorglosen Lebensfreude, mit
beispielloser Hingabe Pflichten einer übermenschlichen Selbstdisziplin erfüllt -- da-
heim die Jugend, die von ken er Autoritütsfcssel mehr gehalten wird und materielle
Güter ungehindert in einem Maße in Genüsse ummünzen kann, wie das sonst
nur verhältnismäßig wenigen Exemplaren der mehr oder weniger vergoldeten
Tugend möglich war. Es wird einst die Aufgabe der einen sein, ein der Be eiti-
gung der Sünden mitzuwirken, die die vorläufig nicht zu ändernde Entwicklung
durch die anderen anrichten läßt und an den anderen anrichtet. Dazwischen steh^soweit sie nicht mit im Felde ist. und dort die Pflichten der ungezählten treuen
Namenlosen erfüllt, die den alten und den jungen Soldaten eng zusammenschließen
und -- auch eine eigenartige Entwicklung einer umwälzenden Zeit -- leben Unter¬
schied verwischen eine lernende Jugend, mit einem Fuß schon um Heer und eine
borzeitig in die bürgerliche Arbeit Erwachsener hereingezogene, dle vorzeitig ernst
w'd verantwortungsbewußt geworden ist. Eine immer großer werdende Gruppe
die den ernste ten schwersten Sui der Zeit verkörpert, sind die unzähligen Mädchen
und Frauen die harte Männerarbeit verrichten und unter der Last manu ieber
Pflichten vermält^nuche werden. Ein neuer Typus, den die Zeit vor dem Kriege
nicht gekannt ? Im belgischen Kohleurevier gabs ihn als Ausnahme und in
krasschen Gestalt die scho erarbeitende Frau in Männerkleidung W.r werden
die körperl che^ und wirtschaftlichen Wirkungen der Entstehung.


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lange Krieg Züge in unser Leben gebracht, die ebensoviel!- Zukunftsrätsel dar¬
stellen. Vor ^allein der neue Jugendstil. Draußen wie drinnen ist er gleich merk¬
würdig, draußen erfreulich, daheim das Gegenteil, Ruhm und Ehren, wie sie
in früheren Zeiten ergrauten Schlachtenhelden zuteil wurden, sind heute eine fast
schon alltäglich gewordene Kriegserrungenschaft von Jünglingen. Mit Begeiste¬
rung und Bewunderung blickt ein Volt vom Kaiser bis zum Mann in der
Straße auf Helden, die im Frieden als unbekannte junge Männer höchstens
als Tennis- oder Tanzpartner hätten Ruhm ernten können. Das an individueller
Preisgabe und Kühnheit weithin Sichtbarste leisten unter Millionen Männern
heute im Verhältnis die Jüngsten und ehre Namen gehen von Mund zu Mund,
ihre Bilder von Hand zu Hand. Diese Tatsache gibt der Jugend eine Stellung,
wie sie sie noch niemals innegehabt hat. Die Älteren können nichts tun, als
die altüberkommene Pose der lächelnden Überlegenheit aufgeben — diejenigen, die
nicht halb so alt sind, halten den Rekord der kühnen Taten und der weitdin
wirkenden Erfolge. Der Unterschied der Jahre ist von jungen Armen beiseite ge¬
schoben, neben dem berühmten weißhaarigen General steht ein ebenso berühmter
junger Mensch, der sein Enkel sein könne. Diese Eroberung des höchsten Ruhmes
durch die Jüngsten ist eine Erscheinung, von der starke Wukungen ausgehen werden.
Der junge Mann wird auf allen Lebensgebieten eine andere Position haben und
mitreden, wo er früher im Hintergrund zu bleiben hatte. Ein Sirom von Jugend
wird ins öffentliche Leben fließen. Daheim hat der Krieg eine andere Art Jugend-
stil entwickelt. Höchst unerf.eulich. aber auch mit Wukungen, die zum Nachdenken
anregen. Ungezählte Knaben haben heute ein Einkommen, von dem ihre Väter
vor fünf Jahren vielleicht für sich als von einem unerreichbaren Ziel geträumt
dahin. Ungezählte Knaben sind in der Lage (und machen davon Gebrauch) aus
ihren Herrn P'pa mitleidig herabzusehen, der keine Ahnung, hat, wie man eine
Flasche Sekt öffnet und im Verkehr mit Oberkellnern besserer Nestauranis eine
klägliche Schüchternheit an den Tag legt, vom Umgang mit der leichteren Damen¬
welt ganz zu schweigen. Der Hundertmarkschein in der Knabenhand ist das
Symbol dieses Jugendstils. Der Knabe, der diesen Hundertmarkschein als Schlüssel
zum Giftschrank der Genüsse benutzt, ist eine Zeitfigur, die seit Jahr und Tag
gründlich in unserem Leben hat Wurzel fassen können. Eltern, die ausgelacht
werden, wenn sie dem unmündigen Hochverdicner befehlen wollen, die gelernt
haben, die Überlegenheit dieser Jugend hinzunehmen, die sich Lohn und Genuß
nach unreifem Gutdünken selbst zu bestimmen pflegt, sind eine Erscheinung dieses
neuen Stils geworden, der Zuk gehabt habt, hübsch tief Wurzel zu schlagen.
Draußen die Jugend, die im Alter d s Werdens, der sorglosen Lebensfreude, mit
beispielloser Hingabe Pflichten einer übermenschlichen Selbstdisziplin erfüllt — da-
heim die Jugend, die von ken er Autoritütsfcssel mehr gehalten wird und materielle
Güter ungehindert in einem Maße in Genüsse ummünzen kann, wie das sonst
nur verhältnismäßig wenigen Exemplaren der mehr oder weniger vergoldeten
Tugend möglich war. Es wird einst die Aufgabe der einen sein, ein der Be eiti-
gung der Sünden mitzuwirken, die die vorläufig nicht zu ändernde Entwicklung
durch die anderen anrichten läßt und an den anderen anrichtet. Dazwischen steh^soweit sie nicht mit im Felde ist. und dort die Pflichten der ungezählten treuen
Namenlosen erfüllt, die den alten und den jungen Soldaten eng zusammenschließen
und — auch eine eigenartige Entwicklung einer umwälzenden Zeit — leben Unter¬
schied verwischen eine lernende Jugend, mit einem Fuß schon um Heer und eine
borzeitig in die bürgerliche Arbeit Erwachsener hereingezogene, dle vorzeitig ernst
w'd verantwortungsbewußt geworden ist. Eine immer großer werdende Gruppe
die den ernste ten schwersten Sui der Zeit verkörpert, sind die unzähligen Mädchen
und Frauen die harte Männerarbeit verrichten und unter der Last manu ieber
Pflichten vermält^nuche werden. Ein neuer Typus, den die Zeit vor dem Kriege
nicht gekannt ? Im belgischen Kohleurevier gabs ihn als Ausnahme und in
krasschen Gestalt die scho erarbeitende Frau in Männerkleidung W.r werden
die körperl che^ und wirtschaftlichen Wirkungen der Entstehung.


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[0265] Randglossen zum Tage lange Krieg Züge in unser Leben gebracht, die ebensoviel!- Zukunftsrätsel dar¬ stellen. Vor ^allein der neue Jugendstil. Draußen wie drinnen ist er gleich merk¬ würdig, draußen erfreulich, daheim das Gegenteil, Ruhm und Ehren, wie sie in früheren Zeiten ergrauten Schlachtenhelden zuteil wurden, sind heute eine fast schon alltäglich gewordene Kriegserrungenschaft von Jünglingen. Mit Begeiste¬ rung und Bewunderung blickt ein Volt vom Kaiser bis zum Mann in der Straße auf Helden, die im Frieden als unbekannte junge Männer höchstens als Tennis- oder Tanzpartner hätten Ruhm ernten können. Das an individueller Preisgabe und Kühnheit weithin Sichtbarste leisten unter Millionen Männern heute im Verhältnis die Jüngsten und ehre Namen gehen von Mund zu Mund, ihre Bilder von Hand zu Hand. Diese Tatsache gibt der Jugend eine Stellung, wie sie sie noch niemals innegehabt hat. Die Älteren können nichts tun, als die altüberkommene Pose der lächelnden Überlegenheit aufgeben — diejenigen, die nicht halb so alt sind, halten den Rekord der kühnen Taten und der weitdin wirkenden Erfolge. Der Unterschied der Jahre ist von jungen Armen beiseite ge¬ schoben, neben dem berühmten weißhaarigen General steht ein ebenso berühmter junger Mensch, der sein Enkel sein könne. Diese Eroberung des höchsten Ruhmes durch die Jüngsten ist eine Erscheinung, von der starke Wukungen ausgehen werden. Der junge Mann wird auf allen Lebensgebieten eine andere Position haben und mitreden, wo er früher im Hintergrund zu bleiben hatte. Ein Sirom von Jugend wird ins öffentliche Leben fließen. Daheim hat der Krieg eine andere Art Jugend- stil entwickelt. Höchst unerf.eulich. aber auch mit Wukungen, die zum Nachdenken anregen. Ungezählte Knaben haben heute ein Einkommen, von dem ihre Väter vor fünf Jahren vielleicht für sich als von einem unerreichbaren Ziel geträumt dahin. Ungezählte Knaben sind in der Lage (und machen davon Gebrauch) aus ihren Herrn P'pa mitleidig herabzusehen, der keine Ahnung, hat, wie man eine Flasche Sekt öffnet und im Verkehr mit Oberkellnern besserer Nestauranis eine klägliche Schüchternheit an den Tag legt, vom Umgang mit der leichteren Damen¬ welt ganz zu schweigen. Der Hundertmarkschein in der Knabenhand ist das Symbol dieses Jugendstils. Der Knabe, der diesen Hundertmarkschein als Schlüssel zum Giftschrank der Genüsse benutzt, ist eine Zeitfigur, die seit Jahr und Tag gründlich in unserem Leben hat Wurzel fassen können. Eltern, die ausgelacht werden, wenn sie dem unmündigen Hochverdicner befehlen wollen, die gelernt haben, die Überlegenheit dieser Jugend hinzunehmen, die sich Lohn und Genuß nach unreifem Gutdünken selbst zu bestimmen pflegt, sind eine Erscheinung dieses neuen Stils geworden, der Zuk gehabt habt, hübsch tief Wurzel zu schlagen. Draußen die Jugend, die im Alter d s Werdens, der sorglosen Lebensfreude, mit beispielloser Hingabe Pflichten einer übermenschlichen Selbstdisziplin erfüllt — da- heim die Jugend, die von ken er Autoritütsfcssel mehr gehalten wird und materielle Güter ungehindert in einem Maße in Genüsse ummünzen kann, wie das sonst nur verhältnismäßig wenigen Exemplaren der mehr oder weniger vergoldeten Tugend möglich war. Es wird einst die Aufgabe der einen sein, ein der Be eiti- gung der Sünden mitzuwirken, die die vorläufig nicht zu ändernde Entwicklung durch die anderen anrichten läßt und an den anderen anrichtet. Dazwischen steh^soweit sie nicht mit im Felde ist. und dort die Pflichten der ungezählten treuen Namenlosen erfüllt, die den alten und den jungen Soldaten eng zusammenschließen und — auch eine eigenartige Entwicklung einer umwälzenden Zeit — leben Unter¬ schied verwischen eine lernende Jugend, mit einem Fuß schon um Heer und eine borzeitig in die bürgerliche Arbeit Erwachsener hereingezogene, dle vorzeitig ernst w'd verantwortungsbewußt geworden ist. Eine immer großer werdende Gruppe die den ernste ten schwersten Sui der Zeit verkörpert, sind die unzähligen Mädchen und Frauen die harte Männerarbeit verrichten und unter der Last manu ieber Pflichten vermält^nuche werden. Ein neuer Typus, den die Zeit vor dem Kriege nicht gekannt ? Im belgischen Kohleurevier gabs ihn als Ausnahme und in krasschen Gestalt die scho erarbeitende Frau in Männerkleidung W.r werden die körperl che^ und wirtschaftlichen Wirkungen der Entstehung.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/265>, abgerufen am 27.08.2024.