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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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statte für ein weithin hörbares freies Wort uns bewahren, wenn die Presse ihrer
großen Aufgabe als Hort der unabhängigen Kritik entzogen werden sollte, wie
das beispielsweise in Frankreich bereits seit langem weitgehend der Fall ist. Da¬
zu aber ist nötig, daß den politischen Parteien, welche heute die Zugänge zum
Parlament beherrschen, diese Alleinherrschaft genommen wird. Und zwar, ehe es
so weit kommt wie in Frankreich und Nordamerika, daß die besten Volkselemente
sich vielfach ganz von der Politik zurückziehen, weil sie von Ekel über den alles
beherrschenden Mammonismus erfüllt sind und hoffnungslos am Erfolg aller
Gegenbemühungen verzweifeln.

Wir wollen die Sachlage noch etwas tiefer und grundsätzlicher erfassen,
wobei uns gleichzeitig der Unterschied zwischen den alten englischen und den
modernen Verhältnissen nochmals zum Bewußtsein kommen wird. Die moderne
Kulturentwicklung hat die unaufhaltsame Tendenz zur Großorgcmisation. Die
Riesentrusts des privaten Kapitalismus wie die Staatsbetriebe des Sozialismus,
zu denen auch die uns heute so wohlbekannte Kriegswirtschaft gehört, haben das
Gemeinsame, daß sie dem einzelnen die wirtschaftliche Freiheit rauben, ihn zu
einem willenlosen Rädchen in einer ungeheuren Maschine machen, das so wie es
der Mechanismus vorschreibt, mitlaufen muß oder zerdrückt wird. AIs Gegen¬
gewicht gegen diese Freiheitsberaubung und als Rettungsmittel gegenüber dieser
Entpersönlichung der menschlichen Arbeit sehen wir die Tendenz zur Demokrati¬
sierung und Parlamentarisierung. Sie gibt dein einzelnen Anteil an der Staats-
lenkung und damit ein Stück Macht über eben diese Organisationen, von denen
er sonst selbst beherrscht wird. Er bleibt ein einzelner, der in einer ungeheuren
Kolonne mitmarschieren muß; aber er darf mit über die Richtung bestimmen, in
der der Zug sich bewegt und über die Anführer, die den Weg weisen, und diese
Anführer werden dadurch gezwungen, den Weg so zu wühlen, wie es den In¬
teressen des Ganzen und jedes einzelnen entspricht. Aber dieses Mitbestimmungs¬
recht des einzelnen über die Geschicke des Staatsganzen wird illusorisch gemacht,
seine politische Freiheit wird dadurch zur Scheinfreiheit herabgedrückt, daß die das
wirtschaftliche Leben beherrschenden Machthaber auch die politischen Parteien und
die politische Presse sich dienstbar machen, daß sie, um es kaufmännisch auszu¬
drücken, die gesamte politische Maschinerie eines Landes als eine Spezialabteilung
dem übrigen von ihnen kontrollierten Jnteressenkonzern eingliedern. Damit ist
das Aufkommen einer ihnen unbequemen politischen Meinung und eines unab¬
hängigen politischen Willens unmöglich gemacht, Demokratie und Parlamentaris¬
mus sind ihres wahren Inhaltes entleert und zu Atrappen geworden, mit denen
politisch Urteilslose getäuscht werden.

Dieser wahre Inhalt aber, machen wir uns das zum Schluß nochmals klar,
ist der große und wundervolle Gedanke, daß jeder Volksgenosse an der Leitung
des Staates in gleicher Weise teilnimmt und daß einem jeden dadurch der Staat
zu seinem Staat wird und zugleich zu seinem kostbarsten Gut, dessen Wohl und
Wehe er als sein eigenstes Glück und Unglück empfindet. Was dieser große Ge¬
danke, wenn er in einem Volke lebendige Kraft gewinnt, zu bedeuten hat, wie er
die Liebe zum Vaterland und die Opferfreudigkeit des einzelnen für das Ganze
ins Unbegrenzte zu steigern und das gesamte Volk zu einem Ganzen höherer
Ordnung zu verfestigen vermag, das haben wir alle in diesen schweren Tagen
und Jahren erlebt. Wir haben auch erkannt, daß Deutschlands Heil und Zukunft
nur auf dem Wege fortschreitender Demokratisierung liegt, und haben aus diesem
Wege bereits die ersten entscheidenden Schritte getan, so daß wir, selbst wenn wir
wollten, nicht mehr zurück könnÄt. So gilt es jetzt, entschlossen weiter zu schreiten,
aber gleichzeitig die großen Gefahren, welche der Weg birgt, scharf ins Auge zu
fassen. Diese Gefahren, so erkennen wir, haften nicht sowohl dem Wesen der
Demokratie, als vielmehr der unvollkommenen Technik an, mit welcher sie ins
Werk gesetzt wird, und sie lassen sich wirksam vermeiden, wenn man dieser Seite
des Problems die nötige Aufmerksamkeit schenkt, welche ihr bisher im allgemeinen
noch nicht zuteil wurde. Ein technisch einwandfreies Wahlversahren bietet die


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statte für ein weithin hörbares freies Wort uns bewahren, wenn die Presse ihrer
großen Aufgabe als Hort der unabhängigen Kritik entzogen werden sollte, wie
das beispielsweise in Frankreich bereits seit langem weitgehend der Fall ist. Da¬
zu aber ist nötig, daß den politischen Parteien, welche heute die Zugänge zum
Parlament beherrschen, diese Alleinherrschaft genommen wird. Und zwar, ehe es
so weit kommt wie in Frankreich und Nordamerika, daß die besten Volkselemente
sich vielfach ganz von der Politik zurückziehen, weil sie von Ekel über den alles
beherrschenden Mammonismus erfüllt sind und hoffnungslos am Erfolg aller
Gegenbemühungen verzweifeln.

Wir wollen die Sachlage noch etwas tiefer und grundsätzlicher erfassen,
wobei uns gleichzeitig der Unterschied zwischen den alten englischen und den
modernen Verhältnissen nochmals zum Bewußtsein kommen wird. Die moderne
Kulturentwicklung hat die unaufhaltsame Tendenz zur Großorgcmisation. Die
Riesentrusts des privaten Kapitalismus wie die Staatsbetriebe des Sozialismus,
zu denen auch die uns heute so wohlbekannte Kriegswirtschaft gehört, haben das
Gemeinsame, daß sie dem einzelnen die wirtschaftliche Freiheit rauben, ihn zu
einem willenlosen Rädchen in einer ungeheuren Maschine machen, das so wie es
der Mechanismus vorschreibt, mitlaufen muß oder zerdrückt wird. AIs Gegen¬
gewicht gegen diese Freiheitsberaubung und als Rettungsmittel gegenüber dieser
Entpersönlichung der menschlichen Arbeit sehen wir die Tendenz zur Demokrati¬
sierung und Parlamentarisierung. Sie gibt dein einzelnen Anteil an der Staats-
lenkung und damit ein Stück Macht über eben diese Organisationen, von denen
er sonst selbst beherrscht wird. Er bleibt ein einzelner, der in einer ungeheuren
Kolonne mitmarschieren muß; aber er darf mit über die Richtung bestimmen, in
der der Zug sich bewegt und über die Anführer, die den Weg weisen, und diese
Anführer werden dadurch gezwungen, den Weg so zu wühlen, wie es den In¬
teressen des Ganzen und jedes einzelnen entspricht. Aber dieses Mitbestimmungs¬
recht des einzelnen über die Geschicke des Staatsganzen wird illusorisch gemacht,
seine politische Freiheit wird dadurch zur Scheinfreiheit herabgedrückt, daß die das
wirtschaftliche Leben beherrschenden Machthaber auch die politischen Parteien und
die politische Presse sich dienstbar machen, daß sie, um es kaufmännisch auszu¬
drücken, die gesamte politische Maschinerie eines Landes als eine Spezialabteilung
dem übrigen von ihnen kontrollierten Jnteressenkonzern eingliedern. Damit ist
das Aufkommen einer ihnen unbequemen politischen Meinung und eines unab¬
hängigen politischen Willens unmöglich gemacht, Demokratie und Parlamentaris¬
mus sind ihres wahren Inhaltes entleert und zu Atrappen geworden, mit denen
politisch Urteilslose getäuscht werden.

Dieser wahre Inhalt aber, machen wir uns das zum Schluß nochmals klar,
ist der große und wundervolle Gedanke, daß jeder Volksgenosse an der Leitung
des Staates in gleicher Weise teilnimmt und daß einem jeden dadurch der Staat
zu seinem Staat wird und zugleich zu seinem kostbarsten Gut, dessen Wohl und
Wehe er als sein eigenstes Glück und Unglück empfindet. Was dieser große Ge¬
danke, wenn er in einem Volke lebendige Kraft gewinnt, zu bedeuten hat, wie er
die Liebe zum Vaterland und die Opferfreudigkeit des einzelnen für das Ganze
ins Unbegrenzte zu steigern und das gesamte Volk zu einem Ganzen höherer
Ordnung zu verfestigen vermag, das haben wir alle in diesen schweren Tagen
und Jahren erlebt. Wir haben auch erkannt, daß Deutschlands Heil und Zukunft
nur auf dem Wege fortschreitender Demokratisierung liegt, und haben aus diesem
Wege bereits die ersten entscheidenden Schritte getan, so daß wir, selbst wenn wir
wollten, nicht mehr zurück könnÄt. So gilt es jetzt, entschlossen weiter zu schreiten,
aber gleichzeitig die großen Gefahren, welche der Weg birgt, scharf ins Auge zu
fassen. Diese Gefahren, so erkennen wir, haften nicht sowohl dem Wesen der
Demokratie, als vielmehr der unvollkommenen Technik an, mit welcher sie ins
Werk gesetzt wird, und sie lassen sich wirksam vermeiden, wenn man dieser Seite
des Problems die nötige Aufmerksamkeit schenkt, welche ihr bisher im allgemeinen
noch nicht zuteil wurde. Ein technisch einwandfreies Wahlversahren bietet die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/244>, abgerufen am 22.07.2024.