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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Reform des wcchwerfahrens

Z it schiebt sich das Interesse der Partei dem Interesse des Vaterlandes unter,
die Macht und das Gedeihen der ParUi wird erstes Ziel, hinter dem die Bedürf¬
nisse der Wähler und das Wohl des Staates zurücktreten. Bei der Aufstellung
der Kandidaten fürs Parlament wird der zuverlässige Parteigänger auf den Schild
erhoben und nicht der warmherzige Vaterlandsfreund oder der geniale politische
Denker. Im Gegenteil, jeder Neuerer, der das altanerkannle'Parteiprogramm
in Frage stellt, d,e Kreise der bisherigen Pa'teiherrscher stört, der Parteiorthodoxie
und Bureaukratie gegenüber seine eigene Meinung behauptet, ist unwillkommen
und wird tunlichst unterdrückt. Unter der Flagge: Treue der Partei und dein
Parteiprogramm beherrscht ein Konservatismus übler Art heute vielfach unsere
Politischen Parteien sowohl auf der Rechten wie auf der Linken, läßt neue Ideen
erst herein, wenn sie all und banal gewmden sind und halt gerade die Besten,
die Männer eigener Kraft und Prägung, der politischen Laufbahn fern. Ooer
wer wollte behaupten, daß in unserem Reichstage die 397 fähigsten Köpfe des
deutschen Volks versammelt seien, wie das doch eigentlich der Fall sein sollte
und müßte? Wenn an der Klage, daß die Demokratie die Herrschaft der Mittel¬
mäßigkeit bedeute, etwas Wahres ist, so trägt die Schuld daran vielleicht weniger
die immer behauptete Unfähigkeit der Massen, das Hervorragende zu erkennen, als
vielmehr die Unzulänglichkeit unserer politischen Einrichtungen und insbesondere
unserer Wahlverfuhren, die ihm den Zugang zu dem Platz, der ihm gebührt,
verwehren. '

Aber die Entwicklung des Peu'teimesens kann noch weiter führen. Je voll¬
kommener die Patteiorgnnisation ausgebaut wird, je mehr sie Einfluß auf das
gesamte Denken des Volkes gewinnt, Zeitungen und Zeitschriften sich dienstbar
macht, je größer und straffer gegliedert das Heer von Parteibeamteu, Wahlrednern
u >d Wahlwerbern wird, um so mehr spielen die Parteisiuänzen, welche diesen
ganzen Apparat unterhalten und lebensfähig machen müssen, eine ausschlaggebende
Rolle, um so mehr wird die ganze Organisation zu einem kaufmännischen Beirieb,
um so mehr wächst der Einfluß derjenigen, die die Hand auf der Parteikasse
daven und von denen es abhängt, ob dieser Kasse der alles belebende goldene
Strom zufließt oder nicht. Die Partei wi>d ein Geschäflsunternehmen und wird
das Eigentum des reichen Mannes, der sie bezahlt. Und indem dieser als kluger
Kaufmann auch gleich die Gegenpartei in seinen Dienst nimmt, gewinnt er die
Herrschaft über den Staat überhaupt. Die Demokratie ist zur Plutokratie ent¬
artet und zwar zur heimlichen Plutokratie im Gegensatz zu jener viel harmloseren
offenkundiger, welche etwa mittels eines hohen Zensus oder eines Klassenwahl-
verfahrcns das Recht auf Vertretung um Parlament den Begüterten vorbehält.
Gerade weil die das öffentliche Wesen beherrschenden Drahtzieher als solche gar
nicht,,hervortreten, sondern nur ihren Geschäftsführer, den "Boß" der Partei, vor
der Öffentlichkeit agieren lassen, ist jeder Widerstand gegen diese Macht so aus-
sichiSIos. Sie herrscht anonym und darum unfaßbar, unverantwortlich, unbe¬
schränkt und rücksichtslos.

Wir sehen dieses Endstadium der parlamentarischen Entwicklung in Nord¬
amerika in weitem Maße bereits eingetreten. Es ist ein öffentliches Geheimnis,
daß die Milliardäre von Wallstreet die Vereinigten Staaten fast unumschränkt
beherrschen und daß alle Kämpfe des amerikanischen Volkes gegen die Macht der
Trusts bisher vergeblich gewesen sind. In Frankreich liegen die Dinge nicht
wesentlich anders. ' Auch bei uns sind die ersten Anfänge dieser Entwicklung dene-
n,>h genug zu erkennen, und gerade in den letzten Monaten konnte man wieder
einmal ein wenig hinter den Schleier blicken und ahnend erkennen, wie auch bei
uns der Großkapitalismus auf die Parteien und die politische Presse seine schwere
Hand zu legen versucht.

Es gibt, so weit ich sehe, uur einen Weg, um der furchtbaren Gefahr der
Amerikanisierung unseres öffentlichen Wesens, die uns jetzt bedroht, wirksam zu
begegnen, das ist, daß wir unabhängig denkenden Männern den Zugang zur
Volksvertretung offen halten und die parlamentarische Rednerbühne als Zufluchts-


Reform des wcchwerfahrens

Z it schiebt sich das Interesse der Partei dem Interesse des Vaterlandes unter,
die Macht und das Gedeihen der ParUi wird erstes Ziel, hinter dem die Bedürf¬
nisse der Wähler und das Wohl des Staates zurücktreten. Bei der Aufstellung
der Kandidaten fürs Parlament wird der zuverlässige Parteigänger auf den Schild
erhoben und nicht der warmherzige Vaterlandsfreund oder der geniale politische
Denker. Im Gegenteil, jeder Neuerer, der das altanerkannle'Parteiprogramm
in Frage stellt, d,e Kreise der bisherigen Pa'teiherrscher stört, der Parteiorthodoxie
und Bureaukratie gegenüber seine eigene Meinung behauptet, ist unwillkommen
und wird tunlichst unterdrückt. Unter der Flagge: Treue der Partei und dein
Parteiprogramm beherrscht ein Konservatismus übler Art heute vielfach unsere
Politischen Parteien sowohl auf der Rechten wie auf der Linken, läßt neue Ideen
erst herein, wenn sie all und banal gewmden sind und halt gerade die Besten,
die Männer eigener Kraft und Prägung, der politischen Laufbahn fern. Ooer
wer wollte behaupten, daß in unserem Reichstage die 397 fähigsten Köpfe des
deutschen Volks versammelt seien, wie das doch eigentlich der Fall sein sollte
und müßte? Wenn an der Klage, daß die Demokratie die Herrschaft der Mittel¬
mäßigkeit bedeute, etwas Wahres ist, so trägt die Schuld daran vielleicht weniger
die immer behauptete Unfähigkeit der Massen, das Hervorragende zu erkennen, als
vielmehr die Unzulänglichkeit unserer politischen Einrichtungen und insbesondere
unserer Wahlverfuhren, die ihm den Zugang zu dem Platz, der ihm gebührt,
verwehren. '

Aber die Entwicklung des Peu'teimesens kann noch weiter führen. Je voll¬
kommener die Patteiorgnnisation ausgebaut wird, je mehr sie Einfluß auf das
gesamte Denken des Volkes gewinnt, Zeitungen und Zeitschriften sich dienstbar
macht, je größer und straffer gegliedert das Heer von Parteibeamteu, Wahlrednern
u >d Wahlwerbern wird, um so mehr spielen die Parteisiuänzen, welche diesen
ganzen Apparat unterhalten und lebensfähig machen müssen, eine ausschlaggebende
Rolle, um so mehr wird die ganze Organisation zu einem kaufmännischen Beirieb,
um so mehr wächst der Einfluß derjenigen, die die Hand auf der Parteikasse
daven und von denen es abhängt, ob dieser Kasse der alles belebende goldene
Strom zufließt oder nicht. Die Partei wi>d ein Geschäflsunternehmen und wird
das Eigentum des reichen Mannes, der sie bezahlt. Und indem dieser als kluger
Kaufmann auch gleich die Gegenpartei in seinen Dienst nimmt, gewinnt er die
Herrschaft über den Staat überhaupt. Die Demokratie ist zur Plutokratie ent¬
artet und zwar zur heimlichen Plutokratie im Gegensatz zu jener viel harmloseren
offenkundiger, welche etwa mittels eines hohen Zensus oder eines Klassenwahl-
verfahrcns das Recht auf Vertretung um Parlament den Begüterten vorbehält.
Gerade weil die das öffentliche Wesen beherrschenden Drahtzieher als solche gar
nicht,,hervortreten, sondern nur ihren Geschäftsführer, den „Boß" der Partei, vor
der Öffentlichkeit agieren lassen, ist jeder Widerstand gegen diese Macht so aus-
sichiSIos. Sie herrscht anonym und darum unfaßbar, unverantwortlich, unbe¬
schränkt und rücksichtslos.

Wir sehen dieses Endstadium der parlamentarischen Entwicklung in Nord¬
amerika in weitem Maße bereits eingetreten. Es ist ein öffentliches Geheimnis,
daß die Milliardäre von Wallstreet die Vereinigten Staaten fast unumschränkt
beherrschen und daß alle Kämpfe des amerikanischen Volkes gegen die Macht der
Trusts bisher vergeblich gewesen sind. In Frankreich liegen die Dinge nicht
wesentlich anders. ' Auch bei uns sind die ersten Anfänge dieser Entwicklung dene-
n,>h genug zu erkennen, und gerade in den letzten Monaten konnte man wieder
einmal ein wenig hinter den Schleier blicken und ahnend erkennen, wie auch bei
uns der Großkapitalismus auf die Parteien und die politische Presse seine schwere
Hand zu legen versucht.

Es gibt, so weit ich sehe, uur einen Weg, um der furchtbaren Gefahr der
Amerikanisierung unseres öffentlichen Wesens, die uns jetzt bedroht, wirksam zu
begegnen, das ist, daß wir unabhängig denkenden Männern den Zugang zur
Volksvertretung offen halten und die parlamentarische Rednerbühne als Zufluchts-


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[0243] Reform des wcchwerfahrens Z it schiebt sich das Interesse der Partei dem Interesse des Vaterlandes unter, die Macht und das Gedeihen der ParUi wird erstes Ziel, hinter dem die Bedürf¬ nisse der Wähler und das Wohl des Staates zurücktreten. Bei der Aufstellung der Kandidaten fürs Parlament wird der zuverlässige Parteigänger auf den Schild erhoben und nicht der warmherzige Vaterlandsfreund oder der geniale politische Denker. Im Gegenteil, jeder Neuerer, der das altanerkannle'Parteiprogramm in Frage stellt, d,e Kreise der bisherigen Pa'teiherrscher stört, der Parteiorthodoxie und Bureaukratie gegenüber seine eigene Meinung behauptet, ist unwillkommen und wird tunlichst unterdrückt. Unter der Flagge: Treue der Partei und dein Parteiprogramm beherrscht ein Konservatismus übler Art heute vielfach unsere Politischen Parteien sowohl auf der Rechten wie auf der Linken, läßt neue Ideen erst herein, wenn sie all und banal gewmden sind und halt gerade die Besten, die Männer eigener Kraft und Prägung, der politischen Laufbahn fern. Ooer wer wollte behaupten, daß in unserem Reichstage die 397 fähigsten Köpfe des deutschen Volks versammelt seien, wie das doch eigentlich der Fall sein sollte und müßte? Wenn an der Klage, daß die Demokratie die Herrschaft der Mittel¬ mäßigkeit bedeute, etwas Wahres ist, so trägt die Schuld daran vielleicht weniger die immer behauptete Unfähigkeit der Massen, das Hervorragende zu erkennen, als vielmehr die Unzulänglichkeit unserer politischen Einrichtungen und insbesondere unserer Wahlverfuhren, die ihm den Zugang zu dem Platz, der ihm gebührt, verwehren. ' Aber die Entwicklung des Peu'teimesens kann noch weiter führen. Je voll¬ kommener die Patteiorgnnisation ausgebaut wird, je mehr sie Einfluß auf das gesamte Denken des Volkes gewinnt, Zeitungen und Zeitschriften sich dienstbar macht, je größer und straffer gegliedert das Heer von Parteibeamteu, Wahlrednern u >d Wahlwerbern wird, um so mehr spielen die Parteisiuänzen, welche diesen ganzen Apparat unterhalten und lebensfähig machen müssen, eine ausschlaggebende Rolle, um so mehr wird die ganze Organisation zu einem kaufmännischen Beirieb, um so mehr wächst der Einfluß derjenigen, die die Hand auf der Parteikasse daven und von denen es abhängt, ob dieser Kasse der alles belebende goldene Strom zufließt oder nicht. Die Partei wi>d ein Geschäflsunternehmen und wird das Eigentum des reichen Mannes, der sie bezahlt. Und indem dieser als kluger Kaufmann auch gleich die Gegenpartei in seinen Dienst nimmt, gewinnt er die Herrschaft über den Staat überhaupt. Die Demokratie ist zur Plutokratie ent¬ artet und zwar zur heimlichen Plutokratie im Gegensatz zu jener viel harmloseren offenkundiger, welche etwa mittels eines hohen Zensus oder eines Klassenwahl- verfahrcns das Recht auf Vertretung um Parlament den Begüterten vorbehält. Gerade weil die das öffentliche Wesen beherrschenden Drahtzieher als solche gar nicht,,hervortreten, sondern nur ihren Geschäftsführer, den „Boß" der Partei, vor der Öffentlichkeit agieren lassen, ist jeder Widerstand gegen diese Macht so aus- sichiSIos. Sie herrscht anonym und darum unfaßbar, unverantwortlich, unbe¬ schränkt und rücksichtslos. Wir sehen dieses Endstadium der parlamentarischen Entwicklung in Nord¬ amerika in weitem Maße bereits eingetreten. Es ist ein öffentliches Geheimnis, daß die Milliardäre von Wallstreet die Vereinigten Staaten fast unumschränkt beherrschen und daß alle Kämpfe des amerikanischen Volkes gegen die Macht der Trusts bisher vergeblich gewesen sind. In Frankreich liegen die Dinge nicht wesentlich anders. ' Auch bei uns sind die ersten Anfänge dieser Entwicklung dene- n,>h genug zu erkennen, und gerade in den letzten Monaten konnte man wieder einmal ein wenig hinter den Schleier blicken und ahnend erkennen, wie auch bei uns der Großkapitalismus auf die Parteien und die politische Presse seine schwere Hand zu legen versucht. Es gibt, so weit ich sehe, uur einen Weg, um der furchtbaren Gefahr der Amerikanisierung unseres öffentlichen Wesens, die uns jetzt bedroht, wirksam zu begegnen, das ist, daß wir unabhängig denkenden Männern den Zugang zur Volksvertretung offen halten und die parlamentarische Rednerbühne als Zufluchts-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/243>, abgerufen am 22.07.2024.