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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Aaas der dritten Lesung

besonders nervösen und ungeduldigen Zeit noch so gedehnt und endlos vorkommen,
in Lebensfragen des Staates muß eben einfach Zeit und Selbstbeherrschung da
sein, bis alle, aber auch alle Möglichkeiten der Lösung erschöpft sind. Soll man
wirklich auf eine Versöhnung der Gegensätze oder wenigstens einen gerechten Aus-
gleich der Forderungen verzichten, weil die Erkenntnis -- und zwar auf allen
Seiten -- erst allmählich reifen kann?

Wir haben keinen Anlaß, die Möglichkeit eines solchen Ausgleiches zu ver¬
neinen, betrachten das Problem vielmehr noch so, wie vor vierzehn Tagen an
dieser Stelle ausgeführt wurde. Wann allerdings die Verständigung eintreten
mag, ob schon in den kommenden Wochen oder erst nach dem Eingreifen des
Herrenhauses, läßt sich natürlich nicht sagen.

Die Ansichten und Absichten der Parteien sind zur Zeit in Kürze folgende:

Auf der Rechten hat der Ausgang der zweiten und dritten Lesung begreif¬
licherweise eine zuversichtliche Stimmung gezeitigt. Wir meinen damit allerdings
nicht das unverantwortliche Gebahren in der "Deutschen Zeitung", wo die Frage
aufgeworfen wird, warum man nicht den 3wtus quo ante wiederherstellen sollte und das
Juliversprechen anders behandelt werden müsse als jenes von 1908 unter Bülow.
Aber z. B. die "Kreuzzeitung", obwohl sie etwas ärgerlich der Lohmanngruppe
die Schuld für Entstehung des "Vakuums" zuschiebt, glaubt doch immerhin an
seine Ausfüllung, wenn auch zunächst nur vom Entgegenkommen der Wahlrechts¬
freunde gesprochen wird. In einer Zuschrift der "Deutschen Tageszeitung" werden
aber schon Rechte und Mittelparteien in einem Atem genannt, wo von "Bereit-
Willigkeit zur Verständigung" die Rede ist. Und die Freitonservativen haben durch
ihren neuen Führer, Justizrat Lüdicke, in dritter Lesung bereits die "Brücke der
Verständigung" näher bezeichnet; es ist der Antrag Lohmann, bei welchem -- wie
wir hinzufügen können -- insbesondere auf Punkt 4 (Selbständigkeitsmcrkmal
der zweiten Zusatzstimme) Wert gelegt wird. Die von der "Berliner Börsen-
Zeitung" aufgebrachte Nachricht, daß man in diesen Kreisen eine sogenannte "Haus-
haltsstimme" (also in der Hauptsache ein Mchrstimmenrecht der Verheirateten)
neben der auch vom Vizepräsidenten Dr. Friedberg gebilligten Altersstimme bean-
tragen wolle, entbehrt, wie wir bestimmt wissen, jeglicher Unterlage; ein solcher
Antrag würde ja auch, wie das genannte Blatt selber, zugeben muß, nur eine
"Scheinsicherung" darstellen.

Im Gegensatz dazu zeigt sich auf der Linken eine gewisse Resignation, nut
der die Möglichkeit einer "Verständigung" erörtert^ wird. Die Reformreglerung
muß sich von dieser Seite bittere Vorwürfe über "schwache und Versagen machen
lassen. Der "Vorwärts" versteigt sich ihr gegenüber sogar bereits zu dem in¬
direkten Vorwurfe der "unehrlichen Politik" (16. Mai). Irgendwelche Konzessionen
werden weit abgewiesen. Der Großberliner Parteitag der Fortschrittler betont
das "unverrückbare Festhalten" an der Forderung des gleichen Wahlrechtes, und
das Organ der Berliner Sozialdemokratie ist schon über den Gedanken einer Alters-,
stimme empört. "Was kann da alles noch kommen." Verständnisvoll arbeitet
man Hand in Hand. Der verantwortungsbewußte Führer des schwäbischen Frei-
sinns, 'Konrad Haußmann, prägt im Parlamente seines Heimatstaates die Sentenz:
"Am Tage der Herabsetzung der Brotrationen lehnt der befangene Dreiklassen¬
landtag in Preußen daS gleiche Wahlrecht ab," und wirst mit herzlich bedauernder
Miene den Giftbrocken unter das Volk. Prompt findet sich tags darauf die Äuße-
rung an der Spitze des "Vorwärts", der froh ist, für diesmal der Mühe des
Stichworlsnchens überhoben zu sein. . . . " -r

Gegenüber dieser Prinzipienstarre (M lustitia. "wie wir sie auffassen .
pewcit IZciruKsm) die auf der Linken noch stärker vorhanden zu sein scheint als
bei den konservativen Ultras, gewinnen die Mittelparteien an Bedeutung.

"Eine Verständigung zwischen Nationalliberalen. Freikonservativen und
Zentrum ist in den letzten Tagen zweifellos angebahnt worden . büßt es im
-.Berliner Tageblatt". Dementsprechend finden wir in "Natlonalliberaler Korre¬
spondenz" und Germania" eine optimistische Auffassung der Lage. Diese äußert


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Aaas der dritten Lesung

besonders nervösen und ungeduldigen Zeit noch so gedehnt und endlos vorkommen,
in Lebensfragen des Staates muß eben einfach Zeit und Selbstbeherrschung da
sein, bis alle, aber auch alle Möglichkeiten der Lösung erschöpft sind. Soll man
wirklich auf eine Versöhnung der Gegensätze oder wenigstens einen gerechten Aus-
gleich der Forderungen verzichten, weil die Erkenntnis — und zwar auf allen
Seiten — erst allmählich reifen kann?

Wir haben keinen Anlaß, die Möglichkeit eines solchen Ausgleiches zu ver¬
neinen, betrachten das Problem vielmehr noch so, wie vor vierzehn Tagen an
dieser Stelle ausgeführt wurde. Wann allerdings die Verständigung eintreten
mag, ob schon in den kommenden Wochen oder erst nach dem Eingreifen des
Herrenhauses, läßt sich natürlich nicht sagen.

Die Ansichten und Absichten der Parteien sind zur Zeit in Kürze folgende:

Auf der Rechten hat der Ausgang der zweiten und dritten Lesung begreif¬
licherweise eine zuversichtliche Stimmung gezeitigt. Wir meinen damit allerdings
nicht das unverantwortliche Gebahren in der „Deutschen Zeitung", wo die Frage
aufgeworfen wird, warum man nicht den 3wtus quo ante wiederherstellen sollte und das
Juliversprechen anders behandelt werden müsse als jenes von 1908 unter Bülow.
Aber z. B. die „Kreuzzeitung", obwohl sie etwas ärgerlich der Lohmanngruppe
die Schuld für Entstehung des „Vakuums" zuschiebt, glaubt doch immerhin an
seine Ausfüllung, wenn auch zunächst nur vom Entgegenkommen der Wahlrechts¬
freunde gesprochen wird. In einer Zuschrift der „Deutschen Tageszeitung" werden
aber schon Rechte und Mittelparteien in einem Atem genannt, wo von „Bereit-
Willigkeit zur Verständigung" die Rede ist. Und die Freitonservativen haben durch
ihren neuen Führer, Justizrat Lüdicke, in dritter Lesung bereits die „Brücke der
Verständigung" näher bezeichnet; es ist der Antrag Lohmann, bei welchem — wie
wir hinzufügen können — insbesondere auf Punkt 4 (Selbständigkeitsmcrkmal
der zweiten Zusatzstimme) Wert gelegt wird. Die von der „Berliner Börsen-
Zeitung" aufgebrachte Nachricht, daß man in diesen Kreisen eine sogenannte „Haus-
haltsstimme" (also in der Hauptsache ein Mchrstimmenrecht der Verheirateten)
neben der auch vom Vizepräsidenten Dr. Friedberg gebilligten Altersstimme bean-
tragen wolle, entbehrt, wie wir bestimmt wissen, jeglicher Unterlage; ein solcher
Antrag würde ja auch, wie das genannte Blatt selber, zugeben muß, nur eine
„Scheinsicherung" darstellen.

Im Gegensatz dazu zeigt sich auf der Linken eine gewisse Resignation, nut
der die Möglichkeit einer „Verständigung" erörtert^ wird. Die Reformreglerung
muß sich von dieser Seite bittere Vorwürfe über «schwache und Versagen machen
lassen. Der „Vorwärts" versteigt sich ihr gegenüber sogar bereits zu dem in¬
direkten Vorwurfe der „unehrlichen Politik" (16. Mai). Irgendwelche Konzessionen
werden weit abgewiesen. Der Großberliner Parteitag der Fortschrittler betont
das „unverrückbare Festhalten" an der Forderung des gleichen Wahlrechtes, und
das Organ der Berliner Sozialdemokratie ist schon über den Gedanken einer Alters-,
stimme empört. „Was kann da alles noch kommen." Verständnisvoll arbeitet
man Hand in Hand. Der verantwortungsbewußte Führer des schwäbischen Frei-
sinns, 'Konrad Haußmann, prägt im Parlamente seines Heimatstaates die Sentenz:
»Am Tage der Herabsetzung der Brotrationen lehnt der befangene Dreiklassen¬
landtag in Preußen daS gleiche Wahlrecht ab," und wirst mit herzlich bedauernder
Miene den Giftbrocken unter das Volk. Prompt findet sich tags darauf die Äuße-
rung an der Spitze des „Vorwärts", der froh ist, für diesmal der Mühe des
Stichworlsnchens überhoben zu sein. . . . » -r

Gegenüber dieser Prinzipienstarre (M lustitia. „wie wir sie auffassen .
pewcit IZciruKsm) die auf der Linken noch stärker vorhanden zu sein scheint als
bei den konservativen Ultras, gewinnen die Mittelparteien an Bedeutung.

„Eine Verständigung zwischen Nationalliberalen. Freikonservativen und
Zentrum ist in den letzten Tagen zweifellos angebahnt worden . büßt es im
-.Berliner Tageblatt". Dementsprechend finden wir in „Natlonalliberaler Korre¬
spondenz" und Germania" eine optimistische Auffassung der Lage. Diese äußert


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[0223] Aaas der dritten Lesung besonders nervösen und ungeduldigen Zeit noch so gedehnt und endlos vorkommen, in Lebensfragen des Staates muß eben einfach Zeit und Selbstbeherrschung da sein, bis alle, aber auch alle Möglichkeiten der Lösung erschöpft sind. Soll man wirklich auf eine Versöhnung der Gegensätze oder wenigstens einen gerechten Aus- gleich der Forderungen verzichten, weil die Erkenntnis — und zwar auf allen Seiten — erst allmählich reifen kann? Wir haben keinen Anlaß, die Möglichkeit eines solchen Ausgleiches zu ver¬ neinen, betrachten das Problem vielmehr noch so, wie vor vierzehn Tagen an dieser Stelle ausgeführt wurde. Wann allerdings die Verständigung eintreten mag, ob schon in den kommenden Wochen oder erst nach dem Eingreifen des Herrenhauses, läßt sich natürlich nicht sagen. Die Ansichten und Absichten der Parteien sind zur Zeit in Kürze folgende: Auf der Rechten hat der Ausgang der zweiten und dritten Lesung begreif¬ licherweise eine zuversichtliche Stimmung gezeitigt. Wir meinen damit allerdings nicht das unverantwortliche Gebahren in der „Deutschen Zeitung", wo die Frage aufgeworfen wird, warum man nicht den 3wtus quo ante wiederherstellen sollte und das Juliversprechen anders behandelt werden müsse als jenes von 1908 unter Bülow. Aber z. B. die „Kreuzzeitung", obwohl sie etwas ärgerlich der Lohmanngruppe die Schuld für Entstehung des „Vakuums" zuschiebt, glaubt doch immerhin an seine Ausfüllung, wenn auch zunächst nur vom Entgegenkommen der Wahlrechts¬ freunde gesprochen wird. In einer Zuschrift der „Deutschen Tageszeitung" werden aber schon Rechte und Mittelparteien in einem Atem genannt, wo von „Bereit- Willigkeit zur Verständigung" die Rede ist. Und die Freitonservativen haben durch ihren neuen Führer, Justizrat Lüdicke, in dritter Lesung bereits die „Brücke der Verständigung" näher bezeichnet; es ist der Antrag Lohmann, bei welchem — wie wir hinzufügen können — insbesondere auf Punkt 4 (Selbständigkeitsmcrkmal der zweiten Zusatzstimme) Wert gelegt wird. Die von der „Berliner Börsen- Zeitung" aufgebrachte Nachricht, daß man in diesen Kreisen eine sogenannte „Haus- haltsstimme" (also in der Hauptsache ein Mchrstimmenrecht der Verheirateten) neben der auch vom Vizepräsidenten Dr. Friedberg gebilligten Altersstimme bean- tragen wolle, entbehrt, wie wir bestimmt wissen, jeglicher Unterlage; ein solcher Antrag würde ja auch, wie das genannte Blatt selber, zugeben muß, nur eine „Scheinsicherung" darstellen. Im Gegensatz dazu zeigt sich auf der Linken eine gewisse Resignation, nut der die Möglichkeit einer „Verständigung" erörtert^ wird. Die Reformreglerung muß sich von dieser Seite bittere Vorwürfe über «schwache und Versagen machen lassen. Der „Vorwärts" versteigt sich ihr gegenüber sogar bereits zu dem in¬ direkten Vorwurfe der „unehrlichen Politik" (16. Mai). Irgendwelche Konzessionen werden weit abgewiesen. Der Großberliner Parteitag der Fortschrittler betont das „unverrückbare Festhalten" an der Forderung des gleichen Wahlrechtes, und das Organ der Berliner Sozialdemokratie ist schon über den Gedanken einer Alters-, stimme empört. „Was kann da alles noch kommen." Verständnisvoll arbeitet man Hand in Hand. Der verantwortungsbewußte Führer des schwäbischen Frei- sinns, 'Konrad Haußmann, prägt im Parlamente seines Heimatstaates die Sentenz: »Am Tage der Herabsetzung der Brotrationen lehnt der befangene Dreiklassen¬ landtag in Preußen daS gleiche Wahlrecht ab," und wirst mit herzlich bedauernder Miene den Giftbrocken unter das Volk. Prompt findet sich tags darauf die Äuße- rung an der Spitze des „Vorwärts", der froh ist, für diesmal der Mühe des Stichworlsnchens überhoben zu sein. . . . » -r Gegenüber dieser Prinzipienstarre (M lustitia. „wie wir sie auffassen . pewcit IZciruKsm) die auf der Linken noch stärker vorhanden zu sein scheint als bei den konservativen Ultras, gewinnen die Mittelparteien an Bedeutung. „Eine Verständigung zwischen Nationalliberalen. Freikonservativen und Zentrum ist in den letzten Tagen zweifellos angebahnt worden . büßt es im -.Berliner Tageblatt". Dementsprechend finden wir in „Natlonalliberaler Korre¬ spondenz" und Germania" eine optimistische Auffassung der Lage. Diese äußert 16'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/223>, abgerufen am 01.10.2024.