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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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rechte Realität, es ist voller Bewegung aber ohne Geschehen. Es reiht wie die
meisten belgischen Bücher Szenen aneinander, mais Bildchen, verweilt beim Ein¬
zelnen, aber vermag nicht zusammenzufassen. Pallieter hat an der Reese, einem
Nebenfluß der Scheide, einen Bauernhof. Er reitet im Land herum, badet, läßt
sich naßregncn, zecht mit den Schnittern auf dem Felde, geht im Mondschein
spazieren, hört Musik an, klettert auf Bäume, sich die Welt aus der Höhe zu
besehen, verlobt sich, verheiratet sich, Schneebälle sich; aus all dem wird je ein
Kapitel gemacht, aber wie und wovon Pallieter lebt, wie er arbeitet, das weiß
der liebe Himmel. Nun aber, wie diese Kapitel gemacht sind, in einem bald in-
brünstig jubelnden, bald zart nachkostenden Stil, wie eine leuchtende Perlenkette
von Genüssen, und wie mitten im Kriege diese Äußerung schier unbändiger Lust
am Leben, Lust am Kleinsten, Lust am Necken, Lust am Gröbsten, Lust an der
Natur und all ihren Gaben entstehen konnte, das gehört zu den denkwürdigsten
Ereignissen dieses Krieges, es wird manchen geben, der dies Buch urgesundester
Lebensfreude mit einem kleinen Seufzer vielleicht, aber doch mit einem heiter-
innigeu Sonnenstrahl in der Seele aus der Hand legen wird, und es steht drin¬
gend zu wünschen, daß es durch eine gute Übersetzung recht bald allgemein zu¬
gänglich werde; mich dünkt, wir werden für die nächste Zeit Bücher, die die Augen
für soviel auf der Straße liegende und über so mancherlei verdrießlichem Kram
ungenutzt daliegende Schönheit und Freude, brauchen können. Wer es irgend
vermag, lese es im Original, es ist nicht so schwer, wie Streuvels, aber leicht ist
es immerhin nicht. Wirkliche Einbürgerung flämischer Bücher, eine engere geistige
Verbindung mit den Flamen wird in breiteren Schichten Deutschlands kaum
anders als durch gute Übersetzungen zu erreichen sein. So rasch der Gebildete
dahin kommt, eine niederländische Zeitung zu verstehen, so viele Schwierigkeiten
macht, soweit es dein Deutschen wirklich bedeutende Werte zu bieten hat, das
moderne Literaturflämisch. Das gleiche gilt auch für die in französischer Sprache
geschriebenen flämischen Bücher. Camille Lemonmer sowohl wie G. Eckhout, wie
endlich Verhcieren sind wegen ihrer eigenartigen, starke und malerische, dabei un¬
gewöhnliche und noch frische Worte benutzenden Ausdrucksweise mit gewöhnlichen
französischen Kenntnissen nicht oder doch nur sehr unvollkommen zu bewältigen,
gerade auch weil ihre Stärke nicht im Erzählen und Geschehen, das immer mehr
oder weniger leicht erraten werden kann, als im Schildern und Ausmalen liegt.
Auch hier sind wir also im wesentlichen auf Übersetzungen angewiesen. Und wenn
sie alle so gut ausfallen wie die, die Paul Zech von Verharren unter dem Titel
"Die wogende Saat" (Insel-Verlag) herausgegeben hat, so dürfte damit mehr
genützt sein als mit lückenhaften Verständnis des Originals. Zechs Nachdichtungen
sind -- wenn man von vereinzelten und sehr entschuldbaren Steifungen absieht --
Originalschöpfungen aus fremdem Rohstoff, es könnten durchaus deutsche Kunst¬
werke sein, und doch ist alle Eigenart des belgischen Rhapsoden, sein Bilderreich¬
tum, sein Pathos und die Intensität seiner Schreibart, die ihn so hoch über die
vielfach epigonisch-schwatzenden, im leer Rhetorischen steckenbleibenden Lyriker
flämischer Zunge erhebt, voll zur Geltung gekommen. Sehr verdienstvoll ist auch
die Auswahl flämischer Sagen, die der Verlag von Eugen Diederichs als ersten
Band eines deutschen Sagenschatzes herausgebracht hat, namentlich in der Schule
könnten diese im Ganzen recht gut erzählenden, zum Teil sehr wertvollen Stücke
fruchtbar gemacht werden, während die im Insel-Verlag erschienene Auswahl der
Liebesbriefe de Costers an Elise wohl nur bei biographisch interessierten Lesern
T Dr. R, Schacht eilnahme finden werden.




Nachdruck s-imtlichcr Aufsätze nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags ".-.stattet.
BerautworUich: der Herausgeber Georg Cleinow in Berlin-Lichterselde West. -- Wanuslriptfendungen und
Briefe werden erbeten nntor der Adresse:
An die Schriftleituun der Grcnzbotc" i" Berlin SV 11, Tempelhofer Ufer S5-.
Fernsprecher d",S Herausgebers: Amt Lichterfeld" 4S8, des Verlags und der Schriftleitung: Amt Mtzow MW,
Verlag: Verlag der Greuzbeten G. in> b. H. in Berlin SV it, Tempelhaser Ufer Ws
Druck: "Der Reichsbote" G, in. b, H. in B-ritu SV 11, D-ssau-r Straf-e Lo/N,
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rechte Realität, es ist voller Bewegung aber ohne Geschehen. Es reiht wie die
meisten belgischen Bücher Szenen aneinander, mais Bildchen, verweilt beim Ein¬
zelnen, aber vermag nicht zusammenzufassen. Pallieter hat an der Reese, einem
Nebenfluß der Scheide, einen Bauernhof. Er reitet im Land herum, badet, läßt
sich naßregncn, zecht mit den Schnittern auf dem Felde, geht im Mondschein
spazieren, hört Musik an, klettert auf Bäume, sich die Welt aus der Höhe zu
besehen, verlobt sich, verheiratet sich, Schneebälle sich; aus all dem wird je ein
Kapitel gemacht, aber wie und wovon Pallieter lebt, wie er arbeitet, das weiß
der liebe Himmel. Nun aber, wie diese Kapitel gemacht sind, in einem bald in-
brünstig jubelnden, bald zart nachkostenden Stil, wie eine leuchtende Perlenkette
von Genüssen, und wie mitten im Kriege diese Äußerung schier unbändiger Lust
am Leben, Lust am Kleinsten, Lust am Necken, Lust am Gröbsten, Lust an der
Natur und all ihren Gaben entstehen konnte, das gehört zu den denkwürdigsten
Ereignissen dieses Krieges, es wird manchen geben, der dies Buch urgesundester
Lebensfreude mit einem kleinen Seufzer vielleicht, aber doch mit einem heiter-
innigeu Sonnenstrahl in der Seele aus der Hand legen wird, und es steht drin¬
gend zu wünschen, daß es durch eine gute Übersetzung recht bald allgemein zu¬
gänglich werde; mich dünkt, wir werden für die nächste Zeit Bücher, die die Augen
für soviel auf der Straße liegende und über so mancherlei verdrießlichem Kram
ungenutzt daliegende Schönheit und Freude, brauchen können. Wer es irgend
vermag, lese es im Original, es ist nicht so schwer, wie Streuvels, aber leicht ist
es immerhin nicht. Wirkliche Einbürgerung flämischer Bücher, eine engere geistige
Verbindung mit den Flamen wird in breiteren Schichten Deutschlands kaum
anders als durch gute Übersetzungen zu erreichen sein. So rasch der Gebildete
dahin kommt, eine niederländische Zeitung zu verstehen, so viele Schwierigkeiten
macht, soweit es dein Deutschen wirklich bedeutende Werte zu bieten hat, das
moderne Literaturflämisch. Das gleiche gilt auch für die in französischer Sprache
geschriebenen flämischen Bücher. Camille Lemonmer sowohl wie G. Eckhout, wie
endlich Verhcieren sind wegen ihrer eigenartigen, starke und malerische, dabei un¬
gewöhnliche und noch frische Worte benutzenden Ausdrucksweise mit gewöhnlichen
französischen Kenntnissen nicht oder doch nur sehr unvollkommen zu bewältigen,
gerade auch weil ihre Stärke nicht im Erzählen und Geschehen, das immer mehr
oder weniger leicht erraten werden kann, als im Schildern und Ausmalen liegt.
Auch hier sind wir also im wesentlichen auf Übersetzungen angewiesen. Und wenn
sie alle so gut ausfallen wie die, die Paul Zech von Verharren unter dem Titel
„Die wogende Saat" (Insel-Verlag) herausgegeben hat, so dürfte damit mehr
genützt sein als mit lückenhaften Verständnis des Originals. Zechs Nachdichtungen
sind — wenn man von vereinzelten und sehr entschuldbaren Steifungen absieht —
Originalschöpfungen aus fremdem Rohstoff, es könnten durchaus deutsche Kunst¬
werke sein, und doch ist alle Eigenart des belgischen Rhapsoden, sein Bilderreich¬
tum, sein Pathos und die Intensität seiner Schreibart, die ihn so hoch über die
vielfach epigonisch-schwatzenden, im leer Rhetorischen steckenbleibenden Lyriker
flämischer Zunge erhebt, voll zur Geltung gekommen. Sehr verdienstvoll ist auch
die Auswahl flämischer Sagen, die der Verlag von Eugen Diederichs als ersten
Band eines deutschen Sagenschatzes herausgebracht hat, namentlich in der Schule
könnten diese im Ganzen recht gut erzählenden, zum Teil sehr wertvollen Stücke
fruchtbar gemacht werden, während die im Insel-Verlag erschienene Auswahl der
Liebesbriefe de Costers an Elise wohl nur bei biographisch interessierten Lesern
T Dr. R, Schacht eilnahme finden werden.




Nachdruck s-imtlichcr Aufsätze nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags «.-.stattet.
BerautworUich: der Herausgeber Georg Cleinow in Berlin-Lichterselde West. — Wanuslriptfendungen und
Briefe werden erbeten nntor der Adresse:
An die Schriftleituun der Grcnzbotc» i» Berlin SV 11, Tempelhofer Ufer S5-.
Fernsprecher d«,S Herausgebers: Amt Lichterfeld« 4S8, des Verlags und der Schriftleitung: Amt Mtzow MW,
Verlag: Verlag der Greuzbeten G. in> b. H. in Berlin SV it, Tempelhaser Ufer Ws
Druck: „Der Reichsbote" G, in. b, H. in B-ritu SV 11, D-ssau-r Straf-e Lo/N,
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[0148] Neue Bücher rechte Realität, es ist voller Bewegung aber ohne Geschehen. Es reiht wie die meisten belgischen Bücher Szenen aneinander, mais Bildchen, verweilt beim Ein¬ zelnen, aber vermag nicht zusammenzufassen. Pallieter hat an der Reese, einem Nebenfluß der Scheide, einen Bauernhof. Er reitet im Land herum, badet, läßt sich naßregncn, zecht mit den Schnittern auf dem Felde, geht im Mondschein spazieren, hört Musik an, klettert auf Bäume, sich die Welt aus der Höhe zu besehen, verlobt sich, verheiratet sich, Schneebälle sich; aus all dem wird je ein Kapitel gemacht, aber wie und wovon Pallieter lebt, wie er arbeitet, das weiß der liebe Himmel. Nun aber, wie diese Kapitel gemacht sind, in einem bald in- brünstig jubelnden, bald zart nachkostenden Stil, wie eine leuchtende Perlenkette von Genüssen, und wie mitten im Kriege diese Äußerung schier unbändiger Lust am Leben, Lust am Kleinsten, Lust am Necken, Lust am Gröbsten, Lust an der Natur und all ihren Gaben entstehen konnte, das gehört zu den denkwürdigsten Ereignissen dieses Krieges, es wird manchen geben, der dies Buch urgesundester Lebensfreude mit einem kleinen Seufzer vielleicht, aber doch mit einem heiter- innigeu Sonnenstrahl in der Seele aus der Hand legen wird, und es steht drin¬ gend zu wünschen, daß es durch eine gute Übersetzung recht bald allgemein zu¬ gänglich werde; mich dünkt, wir werden für die nächste Zeit Bücher, die die Augen für soviel auf der Straße liegende und über so mancherlei verdrießlichem Kram ungenutzt daliegende Schönheit und Freude, brauchen können. Wer es irgend vermag, lese es im Original, es ist nicht so schwer, wie Streuvels, aber leicht ist es immerhin nicht. Wirkliche Einbürgerung flämischer Bücher, eine engere geistige Verbindung mit den Flamen wird in breiteren Schichten Deutschlands kaum anders als durch gute Übersetzungen zu erreichen sein. So rasch der Gebildete dahin kommt, eine niederländische Zeitung zu verstehen, so viele Schwierigkeiten macht, soweit es dein Deutschen wirklich bedeutende Werte zu bieten hat, das moderne Literaturflämisch. Das gleiche gilt auch für die in französischer Sprache geschriebenen flämischen Bücher. Camille Lemonmer sowohl wie G. Eckhout, wie endlich Verhcieren sind wegen ihrer eigenartigen, starke und malerische, dabei un¬ gewöhnliche und noch frische Worte benutzenden Ausdrucksweise mit gewöhnlichen französischen Kenntnissen nicht oder doch nur sehr unvollkommen zu bewältigen, gerade auch weil ihre Stärke nicht im Erzählen und Geschehen, das immer mehr oder weniger leicht erraten werden kann, als im Schildern und Ausmalen liegt. Auch hier sind wir also im wesentlichen auf Übersetzungen angewiesen. Und wenn sie alle so gut ausfallen wie die, die Paul Zech von Verharren unter dem Titel „Die wogende Saat" (Insel-Verlag) herausgegeben hat, so dürfte damit mehr genützt sein als mit lückenhaften Verständnis des Originals. Zechs Nachdichtungen sind — wenn man von vereinzelten und sehr entschuldbaren Steifungen absieht — Originalschöpfungen aus fremdem Rohstoff, es könnten durchaus deutsche Kunst¬ werke sein, und doch ist alle Eigenart des belgischen Rhapsoden, sein Bilderreich¬ tum, sein Pathos und die Intensität seiner Schreibart, die ihn so hoch über die vielfach epigonisch-schwatzenden, im leer Rhetorischen steckenbleibenden Lyriker flämischer Zunge erhebt, voll zur Geltung gekommen. Sehr verdienstvoll ist auch die Auswahl flämischer Sagen, die der Verlag von Eugen Diederichs als ersten Band eines deutschen Sagenschatzes herausgebracht hat, namentlich in der Schule könnten diese im Ganzen recht gut erzählenden, zum Teil sehr wertvollen Stücke fruchtbar gemacht werden, während die im Insel-Verlag erschienene Auswahl der Liebesbriefe de Costers an Elise wohl nur bei biographisch interessierten Lesern T Dr. R, Schacht eilnahme finden werden. Nachdruck s-imtlichcr Aufsätze nur mit ausdrücklicher Erlaubnis des Verlags «.-.stattet. BerautworUich: der Herausgeber Georg Cleinow in Berlin-Lichterselde West. — Wanuslriptfendungen und Briefe werden erbeten nntor der Adresse: An die Schriftleituun der Grcnzbotc» i» Berlin SV 11, Tempelhofer Ufer S5-. Fernsprecher d«,S Herausgebers: Amt Lichterfeld« 4S8, des Verlags und der Schriftleitung: Amt Mtzow MW, Verlag: Verlag der Greuzbeten G. in> b. H. in Berlin SV it, Tempelhaser Ufer Ws Druck: „Der Reichsbote" G, in. b, H. in B-ritu SV 11, D-ssau-r Straf-e Lo/N,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/148>, abgerufen am 22.07.2024.