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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Zwischen Rußland und Italien

ehe Nußland zum Schlage gegen die Monarchie ausholte. Hauptwortführer dieser
Richtung waren militärische Sachverständige, an ihrer Spitze der Generalstabschef
Conrad von Holzendorf. Graf Nhrenthal widersetzte sich diesem Ansinnen. Er
sah voraus, daß eine schwere Niederlage Italiens, selbst wenn sie von den Gro߬
mächten der Entente zugelassen worden wäre, diesen Staat erst recht auf die feind-
liche Seite getrieben Hütte, wenn Rußland seinen großen Kampf begann. "Un¬
schädlich" machen, als Machtfaktor überhaupt vernichten hätte man Italien doch
nicht können, noch viel weniger, als es den Serben und Rumänen gelang, Bul¬
garien durch den zweiten Bcilkankrieg "unschädlich" zu machen. Die Gegnerschaft
Italiens hat sich Österreich-Ungarn mit seiner bundesfreundlichen Haltung zwar
nicht erspart, aber es gelang, seinen Angriff hinzuzögern, bis der neue Feind zu
spät kam, um den großen Siegeszug gegen die Russen von Gorlice-Tarnow bis
Brest-Litowsk irgendwie zu stören. Nach dem Rezept "des Freiherrn von Conrad
hätte Österreich-Ungarn den italienischen Feind bon Anfang an wieder auf dem
Halse gehabt, als der russische losschlug. Freiherr von Conrad trat am 3V. No¬
vember 1911 zeitweilig von seinem Amte zurück, um dann erst im Weltkriege sein
Bestes zum Heile der Monarchie zu tun.

Inzwischen stiegen die Wetterwolken, mit denen die russische Politik Österreich-
Ungarn bedrohte, rasch empor. Ahrenthals Nachfolger, Graf Berchtold,, konnte
sie nicht mehr zerstreuen. In Belgrad wurde der russische Gesandte Hartwig der
Mittelpunkt aller aggressiven Bestrebungen. Er stiftete 1912 den Balkanbund gegen
die Türkei, aber auch gegen Österreich-Ungarn. Mit Meisterhand verstand es
die Diplomatie des Habsburgerreiches nach dem zweiten Valkcinkrieg Bulgarien
sich zu verpflichten, indem sich Österreich-Ungarn als einzige Großmacht für eine
Revision des Bukarester Friedens, der Bulgarien vergewaltigte, einsetzte.

So war die diplomatische Abwehr der Donaumonarchie im ganzen sehr
geschickt und wirksam, bis endlich die ultima ratio der Kanonen nicht mehr zu um¬
gehen war. Aufgabe der heutigen Staatsmänner ist es nun, mit dem gleichen
Geschick einen haltbaren Frieden wieder einzurenken, wie ihn ihre Vorgänger vor
dem Kriege in der Mitte zwischen Nußland und Italien so lange wie möglich zu
bewahren wußten. Beide Gegner haben heute ihre Lehre bekommen, und es dürfte
möglich sein, die Wiederkehr des russischen sowohl wie des italienischen Einflusses
auf die Lösung der Balkanfragen bis auf weiteres auszuschalten. Italien wird
froh sein, wenn es seine Mittelmeerftellung (Tripolitanien) zu retten vermag.
Seinen Einfluß auf Albanien wird Österreich-Ungarn im Einvernehmen mit
Griechenland beseitigen können. Die Hauptsache für die Ruhe auf der Balkan¬
halbinsel ist ohne Zweifel die befriedigende Lösung der serbische^ Frage. Öster¬
reich-Ungarn verfügt selber über einen starken Anteil am serbischen Volksgebiet,
und wenn man die Kroaten und Slowenen einrechnet, leben mehr Serben und
Serbenverwandte unter österreichisch-ungarischen Zepter als unter dem der
Karageorgewitsch. Daß die Serben nach nationaler Einheit streben, ist nicht
weniger berechtigt als der gleiche Anspruch der uns verbündeten Bulgaren. Aber
wie die Dinge liegen, ist es viel natürlicher, daß die serbisch-kroatisch-slowenische
Masse Osterreich-Ungarns die Stammesgenossen des Königreiches Serbien und
Montenegros politisch anzieht als umgekehrt, zumal auch die Überlegenheit
der kulturellen Leistungen auf der Seite der Untertanen Kaiser Karls ist. Das
Ideal des Trialismus. das große Königreich der Südslawen unter Habsburgischen
-Zepter, das wahrscheinlich die panslawistischen Mörder in der Person des Thron¬
folgers Franz Ferdinand hauptsächlich treffen wollten, ist ja einstweilen nicht er¬
füllbar, weil man den Widerspruch der Magyaren gegen die Entlassung Kroatiens und
Slawoniens aus dem Verbände der Länder der Stefanskrone noch nicht überwinden
kann. Die Zweiteilung des Serbentums zwischen Österreich-Ungarn und einem ihm
feindlichen Königreiche darf uns der Friede jedenfalls nicht wieder bescheren,
wenn die Serben wirklich Ruhe halten sollen. Entschließt man sich, die König¬
reiche Serbien und Montenegro wieder herzustellen, so müssen sie durch festes
Vundesverhültnis dauernd mit Österreich-Ungarn verknüpft werden. Das


Zwischen Rußland und Italien

ehe Nußland zum Schlage gegen die Monarchie ausholte. Hauptwortführer dieser
Richtung waren militärische Sachverständige, an ihrer Spitze der Generalstabschef
Conrad von Holzendorf. Graf Nhrenthal widersetzte sich diesem Ansinnen. Er
sah voraus, daß eine schwere Niederlage Italiens, selbst wenn sie von den Gro߬
mächten der Entente zugelassen worden wäre, diesen Staat erst recht auf die feind-
liche Seite getrieben Hütte, wenn Rußland seinen großen Kampf begann. „Un¬
schädlich" machen, als Machtfaktor überhaupt vernichten hätte man Italien doch
nicht können, noch viel weniger, als es den Serben und Rumänen gelang, Bul¬
garien durch den zweiten Bcilkankrieg „unschädlich" zu machen. Die Gegnerschaft
Italiens hat sich Österreich-Ungarn mit seiner bundesfreundlichen Haltung zwar
nicht erspart, aber es gelang, seinen Angriff hinzuzögern, bis der neue Feind zu
spät kam, um den großen Siegeszug gegen die Russen von Gorlice-Tarnow bis
Brest-Litowsk irgendwie zu stören. Nach dem Rezept »des Freiherrn von Conrad
hätte Österreich-Ungarn den italienischen Feind bon Anfang an wieder auf dem
Halse gehabt, als der russische losschlug. Freiherr von Conrad trat am 3V. No¬
vember 1911 zeitweilig von seinem Amte zurück, um dann erst im Weltkriege sein
Bestes zum Heile der Monarchie zu tun.

Inzwischen stiegen die Wetterwolken, mit denen die russische Politik Österreich-
Ungarn bedrohte, rasch empor. Ahrenthals Nachfolger, Graf Berchtold,, konnte
sie nicht mehr zerstreuen. In Belgrad wurde der russische Gesandte Hartwig der
Mittelpunkt aller aggressiven Bestrebungen. Er stiftete 1912 den Balkanbund gegen
die Türkei, aber auch gegen Österreich-Ungarn. Mit Meisterhand verstand es
die Diplomatie des Habsburgerreiches nach dem zweiten Valkcinkrieg Bulgarien
sich zu verpflichten, indem sich Österreich-Ungarn als einzige Großmacht für eine
Revision des Bukarester Friedens, der Bulgarien vergewaltigte, einsetzte.

So war die diplomatische Abwehr der Donaumonarchie im ganzen sehr
geschickt und wirksam, bis endlich die ultima ratio der Kanonen nicht mehr zu um¬
gehen war. Aufgabe der heutigen Staatsmänner ist es nun, mit dem gleichen
Geschick einen haltbaren Frieden wieder einzurenken, wie ihn ihre Vorgänger vor
dem Kriege in der Mitte zwischen Nußland und Italien so lange wie möglich zu
bewahren wußten. Beide Gegner haben heute ihre Lehre bekommen, und es dürfte
möglich sein, die Wiederkehr des russischen sowohl wie des italienischen Einflusses
auf die Lösung der Balkanfragen bis auf weiteres auszuschalten. Italien wird
froh sein, wenn es seine Mittelmeerftellung (Tripolitanien) zu retten vermag.
Seinen Einfluß auf Albanien wird Österreich-Ungarn im Einvernehmen mit
Griechenland beseitigen können. Die Hauptsache für die Ruhe auf der Balkan¬
halbinsel ist ohne Zweifel die befriedigende Lösung der serbische^ Frage. Öster¬
reich-Ungarn verfügt selber über einen starken Anteil am serbischen Volksgebiet,
und wenn man die Kroaten und Slowenen einrechnet, leben mehr Serben und
Serbenverwandte unter österreichisch-ungarischen Zepter als unter dem der
Karageorgewitsch. Daß die Serben nach nationaler Einheit streben, ist nicht
weniger berechtigt als der gleiche Anspruch der uns verbündeten Bulgaren. Aber
wie die Dinge liegen, ist es viel natürlicher, daß die serbisch-kroatisch-slowenische
Masse Osterreich-Ungarns die Stammesgenossen des Königreiches Serbien und
Montenegros politisch anzieht als umgekehrt, zumal auch die Überlegenheit
der kulturellen Leistungen auf der Seite der Untertanen Kaiser Karls ist. Das
Ideal des Trialismus. das große Königreich der Südslawen unter Habsburgischen
-Zepter, das wahrscheinlich die panslawistischen Mörder in der Person des Thron¬
folgers Franz Ferdinand hauptsächlich treffen wollten, ist ja einstweilen nicht er¬
füllbar, weil man den Widerspruch der Magyaren gegen die Entlassung Kroatiens und
Slawoniens aus dem Verbände der Länder der Stefanskrone noch nicht überwinden
kann. Die Zweiteilung des Serbentums zwischen Österreich-Ungarn und einem ihm
feindlichen Königreiche darf uns der Friede jedenfalls nicht wieder bescheren,
wenn die Serben wirklich Ruhe halten sollen. Entschließt man sich, die König¬
reiche Serbien und Montenegro wieder herzustellen, so müssen sie durch festes
Vundesverhültnis dauernd mit Österreich-Ungarn verknüpft werden. Das


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[0123] Zwischen Rußland und Italien ehe Nußland zum Schlage gegen die Monarchie ausholte. Hauptwortführer dieser Richtung waren militärische Sachverständige, an ihrer Spitze der Generalstabschef Conrad von Holzendorf. Graf Nhrenthal widersetzte sich diesem Ansinnen. Er sah voraus, daß eine schwere Niederlage Italiens, selbst wenn sie von den Gro߬ mächten der Entente zugelassen worden wäre, diesen Staat erst recht auf die feind- liche Seite getrieben Hütte, wenn Rußland seinen großen Kampf begann. „Un¬ schädlich" machen, als Machtfaktor überhaupt vernichten hätte man Italien doch nicht können, noch viel weniger, als es den Serben und Rumänen gelang, Bul¬ garien durch den zweiten Bcilkankrieg „unschädlich" zu machen. Die Gegnerschaft Italiens hat sich Österreich-Ungarn mit seiner bundesfreundlichen Haltung zwar nicht erspart, aber es gelang, seinen Angriff hinzuzögern, bis der neue Feind zu spät kam, um den großen Siegeszug gegen die Russen von Gorlice-Tarnow bis Brest-Litowsk irgendwie zu stören. Nach dem Rezept »des Freiherrn von Conrad hätte Österreich-Ungarn den italienischen Feind bon Anfang an wieder auf dem Halse gehabt, als der russische losschlug. Freiherr von Conrad trat am 3V. No¬ vember 1911 zeitweilig von seinem Amte zurück, um dann erst im Weltkriege sein Bestes zum Heile der Monarchie zu tun. Inzwischen stiegen die Wetterwolken, mit denen die russische Politik Österreich- Ungarn bedrohte, rasch empor. Ahrenthals Nachfolger, Graf Berchtold,, konnte sie nicht mehr zerstreuen. In Belgrad wurde der russische Gesandte Hartwig der Mittelpunkt aller aggressiven Bestrebungen. Er stiftete 1912 den Balkanbund gegen die Türkei, aber auch gegen Österreich-Ungarn. Mit Meisterhand verstand es die Diplomatie des Habsburgerreiches nach dem zweiten Valkcinkrieg Bulgarien sich zu verpflichten, indem sich Österreich-Ungarn als einzige Großmacht für eine Revision des Bukarester Friedens, der Bulgarien vergewaltigte, einsetzte. So war die diplomatische Abwehr der Donaumonarchie im ganzen sehr geschickt und wirksam, bis endlich die ultima ratio der Kanonen nicht mehr zu um¬ gehen war. Aufgabe der heutigen Staatsmänner ist es nun, mit dem gleichen Geschick einen haltbaren Frieden wieder einzurenken, wie ihn ihre Vorgänger vor dem Kriege in der Mitte zwischen Nußland und Italien so lange wie möglich zu bewahren wußten. Beide Gegner haben heute ihre Lehre bekommen, und es dürfte möglich sein, die Wiederkehr des russischen sowohl wie des italienischen Einflusses auf die Lösung der Balkanfragen bis auf weiteres auszuschalten. Italien wird froh sein, wenn es seine Mittelmeerftellung (Tripolitanien) zu retten vermag. Seinen Einfluß auf Albanien wird Österreich-Ungarn im Einvernehmen mit Griechenland beseitigen können. Die Hauptsache für die Ruhe auf der Balkan¬ halbinsel ist ohne Zweifel die befriedigende Lösung der serbische^ Frage. Öster¬ reich-Ungarn verfügt selber über einen starken Anteil am serbischen Volksgebiet, und wenn man die Kroaten und Slowenen einrechnet, leben mehr Serben und Serbenverwandte unter österreichisch-ungarischen Zepter als unter dem der Karageorgewitsch. Daß die Serben nach nationaler Einheit streben, ist nicht weniger berechtigt als der gleiche Anspruch der uns verbündeten Bulgaren. Aber wie die Dinge liegen, ist es viel natürlicher, daß die serbisch-kroatisch-slowenische Masse Osterreich-Ungarns die Stammesgenossen des Königreiches Serbien und Montenegros politisch anzieht als umgekehrt, zumal auch die Überlegenheit der kulturellen Leistungen auf der Seite der Untertanen Kaiser Karls ist. Das Ideal des Trialismus. das große Königreich der Südslawen unter Habsburgischen -Zepter, das wahrscheinlich die panslawistischen Mörder in der Person des Thron¬ folgers Franz Ferdinand hauptsächlich treffen wollten, ist ja einstweilen nicht er¬ füllbar, weil man den Widerspruch der Magyaren gegen die Entlassung Kroatiens und Slawoniens aus dem Verbände der Länder der Stefanskrone noch nicht überwinden kann. Die Zweiteilung des Serbentums zwischen Österreich-Ungarn und einem ihm feindlichen Königreiche darf uns der Friede jedenfalls nicht wieder bescheren, wenn die Serben wirklich Ruhe halten sollen. Entschließt man sich, die König¬ reiche Serbien und Montenegro wieder herzustellen, so müssen sie durch festes Vundesverhültnis dauernd mit Österreich-Ungarn verknüpft werden. Das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/123>, abgerufen am 24.07.2024.