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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr.

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Zwischen Rußland und Italien

vor dem Kriege so ausgiebig durchgefochten werden mußten, finden wir England
seit langem unter den Gegnern Österreich-Ungarns, das also beim Friedensschluß
auch eine Rechnung mit England zu begleichen hat. Indessen sind seine Haupt-
gegner zweifellos wo anders zu suchen. Seit dem Ausscheiden Österreichs aus
seinen alten innerdeutschen und inneritalienischen Beziehungen, also mit anderen
Worten, seit die heutige Doppelmonarchie besteht, liegen die Hauptaufgaben ihrer
Politik auf dem Felde zwischen Rußland und Italien. Die nach schweren diplo¬
matischen und militärischen Kämpfen siegreich vollbrachte Abwehr eines russischen
und eines italienischen Angriffes: das ist der Hauptinhalt der außenpolitischen
Leistungen seit Jahrzehnten,' auf den heute bereits die Monarchie zurückblicken kann.

Es ist ein besonderes, bei uns im Unwillen über die Unzuverlässigkeit und
den Verrat des ehemaligen italienischen Verbündeten selten genügend gewürdigtes
Verdienst der Dreibundpolitik, lange Zeit verhindert zu haben, daß der russische,
und der italienische Angriff gegen Österreich-Ungarn gleichzeitig und in einer
gemeinsamen Aktion erfolgten. Erst seit dein Mai 1915 hat Italien an der Seite
Rußlands den offenen Kampf aufgenommen. Der russische militärische Angriff
aber kann indirekt schon seit 1912 als im Gange befindlich angesehen werden.
Denn schon der Balkanbund dieses Jahres war unter russischer Inspiration eben¬
sogut gegen Österreich-Ungarn wie gegen die Türkei gerichtet. Die beiden Balkan¬
kriege, die österreichisch-ungarischen Unternehmungen in Albanien gegen Monte¬
negro und Serbien (1913) und schließlich der Angriff einer serbischen Mörderhände
auf den Thronfolger Franz Ferdinand in Bosnien sind kriegerische Ereignisse, die
mit denen des Weltkrieges völlig eine zusammenhängende Kette bilden. Der Kampf
zwischen Österreich-Ungarn und Rußland, das sich seiner serbisch-montenegrinischen
Vasallen als Sturmbvcks bediente, beginnt also schon seit 1912 allmählich auf das
Feld offener Gewalt überzugehen, nachdem Rußland schon jahrelang vorher mit
rein diplomatischen Mitteln den Angriff aus den Donaustaat vorbereitet hatte.
In diesem Zeitraume hat Nußland die Ziele seiner Expansion nach Westen aus¬
gestellt, um die es nachher seit 1912 eine kriegerische Verwicklung nach der anderen
vom Zaune gebrochen hat, und in diesem Zeitraume ist sich andererseits Öster-
reich-Ungarn der tödlichen Gefahr bewußt geworden, die es schließlich mit den
Waffen in der Hand überwunden hat. Die Auseinandersetzung mit Rußland ist
seitdem das eigentliche Thema der österreichisch-ungarischen Politik, so wie die Aus¬
einandersetzung mit England das Thema der deutschen Politik ist. Für das Habs¬
burgerreich trat komplizierend aber noch die Möglichkeit einer zweiten Lebens¬
gefahr hinzu, die von Italien aus drohen konnte. Der Versuch, diese Gefahr zu
beschwichtigen, ist bis in den Weltkrieg selber hinein gemacht worden, bis auch
nach dieser Seite hiu die Entscheidung der Waffen angerufen werden mußte.
Zwischen Nußland und Italien mußte die Politik Österreich-Ungarns hindurch¬
steuern, zwischen Rußland und Italien hat sich dann die Monarchie auch militärisch
behaupten müssen.

Fast genau so lange, wie der Kampf noch mit rein diplomatischen Mitteln
geführt wurde, war Graf Ahrenthal der Leiter der auswärtigen Politik Öster¬
reich-Ungarns. Diesem Manne kommt also neben den Heerführern und Staats¬
männern der Kriegszeit selber ein Hauptteil an dem Verdienst zu, daß die
Monarchie die doppelte Gefahr überwunden hat. Die Ministerzeit Nhrenthals,
die von der diplomatischen Abwehr des russischen Angriffes ausgefüllt ist, fällt
in die Jahre vom Oktober 1906 bis zum Februar 1912, wo Graf Nhrenthal,
bis zuletzt im Dienste seines Kaisers, eines vorzeitigen Todes starb*). Ahrenthal
kannte Rußland, denn er war vor seiner Berufung auf den Wiener Vallplatz



*) Diese Zeit hat eine zusammenfassende Darstellung gefunden in dem Werke, von
Berthold Motten "Alois Graf Nhrenthal. Sechs Jahre äußere Politik Österreich-Ungarns".
Geheftet 6 M" gebunden 8 M. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1S17. Der Verfasser ist
sehr sachkundig und stand mit dem Grafen Ahrenthal in persönlichen Beziehungen. Das
Material ist aus bester Quelle. Dieses neue Werk liegt der obigen Darstellung vielfach
zugrunde.
Zwischen Rußland und Italien

vor dem Kriege so ausgiebig durchgefochten werden mußten, finden wir England
seit langem unter den Gegnern Österreich-Ungarns, das also beim Friedensschluß
auch eine Rechnung mit England zu begleichen hat. Indessen sind seine Haupt-
gegner zweifellos wo anders zu suchen. Seit dem Ausscheiden Österreichs aus
seinen alten innerdeutschen und inneritalienischen Beziehungen, also mit anderen
Worten, seit die heutige Doppelmonarchie besteht, liegen die Hauptaufgaben ihrer
Politik auf dem Felde zwischen Rußland und Italien. Die nach schweren diplo¬
matischen und militärischen Kämpfen siegreich vollbrachte Abwehr eines russischen
und eines italienischen Angriffes: das ist der Hauptinhalt der außenpolitischen
Leistungen seit Jahrzehnten,' auf den heute bereits die Monarchie zurückblicken kann.

Es ist ein besonderes, bei uns im Unwillen über die Unzuverlässigkeit und
den Verrat des ehemaligen italienischen Verbündeten selten genügend gewürdigtes
Verdienst der Dreibundpolitik, lange Zeit verhindert zu haben, daß der russische,
und der italienische Angriff gegen Österreich-Ungarn gleichzeitig und in einer
gemeinsamen Aktion erfolgten. Erst seit dein Mai 1915 hat Italien an der Seite
Rußlands den offenen Kampf aufgenommen. Der russische militärische Angriff
aber kann indirekt schon seit 1912 als im Gange befindlich angesehen werden.
Denn schon der Balkanbund dieses Jahres war unter russischer Inspiration eben¬
sogut gegen Österreich-Ungarn wie gegen die Türkei gerichtet. Die beiden Balkan¬
kriege, die österreichisch-ungarischen Unternehmungen in Albanien gegen Monte¬
negro und Serbien (1913) und schließlich der Angriff einer serbischen Mörderhände
auf den Thronfolger Franz Ferdinand in Bosnien sind kriegerische Ereignisse, die
mit denen des Weltkrieges völlig eine zusammenhängende Kette bilden. Der Kampf
zwischen Österreich-Ungarn und Rußland, das sich seiner serbisch-montenegrinischen
Vasallen als Sturmbvcks bediente, beginnt also schon seit 1912 allmählich auf das
Feld offener Gewalt überzugehen, nachdem Rußland schon jahrelang vorher mit
rein diplomatischen Mitteln den Angriff aus den Donaustaat vorbereitet hatte.
In diesem Zeitraume hat Nußland die Ziele seiner Expansion nach Westen aus¬
gestellt, um die es nachher seit 1912 eine kriegerische Verwicklung nach der anderen
vom Zaune gebrochen hat, und in diesem Zeitraume ist sich andererseits Öster-
reich-Ungarn der tödlichen Gefahr bewußt geworden, die es schließlich mit den
Waffen in der Hand überwunden hat. Die Auseinandersetzung mit Rußland ist
seitdem das eigentliche Thema der österreichisch-ungarischen Politik, so wie die Aus¬
einandersetzung mit England das Thema der deutschen Politik ist. Für das Habs¬
burgerreich trat komplizierend aber noch die Möglichkeit einer zweiten Lebens¬
gefahr hinzu, die von Italien aus drohen konnte. Der Versuch, diese Gefahr zu
beschwichtigen, ist bis in den Weltkrieg selber hinein gemacht worden, bis auch
nach dieser Seite hiu die Entscheidung der Waffen angerufen werden mußte.
Zwischen Nußland und Italien mußte die Politik Österreich-Ungarns hindurch¬
steuern, zwischen Rußland und Italien hat sich dann die Monarchie auch militärisch
behaupten müssen.

Fast genau so lange, wie der Kampf noch mit rein diplomatischen Mitteln
geführt wurde, war Graf Ahrenthal der Leiter der auswärtigen Politik Öster¬
reich-Ungarns. Diesem Manne kommt also neben den Heerführern und Staats¬
männern der Kriegszeit selber ein Hauptteil an dem Verdienst zu, daß die
Monarchie die doppelte Gefahr überwunden hat. Die Ministerzeit Nhrenthals,
die von der diplomatischen Abwehr des russischen Angriffes ausgefüllt ist, fällt
in die Jahre vom Oktober 1906 bis zum Februar 1912, wo Graf Nhrenthal,
bis zuletzt im Dienste seines Kaisers, eines vorzeitigen Todes starb*). Ahrenthal
kannte Rußland, denn er war vor seiner Berufung auf den Wiener Vallplatz



*) Diese Zeit hat eine zusammenfassende Darstellung gefunden in dem Werke, von
Berthold Motten „Alois Graf Nhrenthal. Sechs Jahre äußere Politik Österreich-Ungarns".
Geheftet 6 M„ gebunden 8 M. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1S17. Der Verfasser ist
sehr sachkundig und stand mit dem Grafen Ahrenthal in persönlichen Beziehungen. Das
Material ist aus bester Quelle. Dieses neue Werk liegt der obigen Darstellung vielfach
zugrunde.
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[0118] Zwischen Rußland und Italien vor dem Kriege so ausgiebig durchgefochten werden mußten, finden wir England seit langem unter den Gegnern Österreich-Ungarns, das also beim Friedensschluß auch eine Rechnung mit England zu begleichen hat. Indessen sind seine Haupt- gegner zweifellos wo anders zu suchen. Seit dem Ausscheiden Österreichs aus seinen alten innerdeutschen und inneritalienischen Beziehungen, also mit anderen Worten, seit die heutige Doppelmonarchie besteht, liegen die Hauptaufgaben ihrer Politik auf dem Felde zwischen Rußland und Italien. Die nach schweren diplo¬ matischen und militärischen Kämpfen siegreich vollbrachte Abwehr eines russischen und eines italienischen Angriffes: das ist der Hauptinhalt der außenpolitischen Leistungen seit Jahrzehnten,' auf den heute bereits die Monarchie zurückblicken kann. Es ist ein besonderes, bei uns im Unwillen über die Unzuverlässigkeit und den Verrat des ehemaligen italienischen Verbündeten selten genügend gewürdigtes Verdienst der Dreibundpolitik, lange Zeit verhindert zu haben, daß der russische, und der italienische Angriff gegen Österreich-Ungarn gleichzeitig und in einer gemeinsamen Aktion erfolgten. Erst seit dein Mai 1915 hat Italien an der Seite Rußlands den offenen Kampf aufgenommen. Der russische militärische Angriff aber kann indirekt schon seit 1912 als im Gange befindlich angesehen werden. Denn schon der Balkanbund dieses Jahres war unter russischer Inspiration eben¬ sogut gegen Österreich-Ungarn wie gegen die Türkei gerichtet. Die beiden Balkan¬ kriege, die österreichisch-ungarischen Unternehmungen in Albanien gegen Monte¬ negro und Serbien (1913) und schließlich der Angriff einer serbischen Mörderhände auf den Thronfolger Franz Ferdinand in Bosnien sind kriegerische Ereignisse, die mit denen des Weltkrieges völlig eine zusammenhängende Kette bilden. Der Kampf zwischen Österreich-Ungarn und Rußland, das sich seiner serbisch-montenegrinischen Vasallen als Sturmbvcks bediente, beginnt also schon seit 1912 allmählich auf das Feld offener Gewalt überzugehen, nachdem Rußland schon jahrelang vorher mit rein diplomatischen Mitteln den Angriff aus den Donaustaat vorbereitet hatte. In diesem Zeitraume hat Nußland die Ziele seiner Expansion nach Westen aus¬ gestellt, um die es nachher seit 1912 eine kriegerische Verwicklung nach der anderen vom Zaune gebrochen hat, und in diesem Zeitraume ist sich andererseits Öster- reich-Ungarn der tödlichen Gefahr bewußt geworden, die es schließlich mit den Waffen in der Hand überwunden hat. Die Auseinandersetzung mit Rußland ist seitdem das eigentliche Thema der österreichisch-ungarischen Politik, so wie die Aus¬ einandersetzung mit England das Thema der deutschen Politik ist. Für das Habs¬ burgerreich trat komplizierend aber noch die Möglichkeit einer zweiten Lebens¬ gefahr hinzu, die von Italien aus drohen konnte. Der Versuch, diese Gefahr zu beschwichtigen, ist bis in den Weltkrieg selber hinein gemacht worden, bis auch nach dieser Seite hiu die Entscheidung der Waffen angerufen werden mußte. Zwischen Nußland und Italien mußte die Politik Österreich-Ungarns hindurch¬ steuern, zwischen Rußland und Italien hat sich dann die Monarchie auch militärisch behaupten müssen. Fast genau so lange, wie der Kampf noch mit rein diplomatischen Mitteln geführt wurde, war Graf Ahrenthal der Leiter der auswärtigen Politik Öster¬ reich-Ungarns. Diesem Manne kommt also neben den Heerführern und Staats¬ männern der Kriegszeit selber ein Hauptteil an dem Verdienst zu, daß die Monarchie die doppelte Gefahr überwunden hat. Die Ministerzeit Nhrenthals, die von der diplomatischen Abwehr des russischen Angriffes ausgefüllt ist, fällt in die Jahre vom Oktober 1906 bis zum Februar 1912, wo Graf Nhrenthal, bis zuletzt im Dienste seines Kaisers, eines vorzeitigen Todes starb*). Ahrenthal kannte Rußland, denn er war vor seiner Berufung auf den Wiener Vallplatz *) Diese Zeit hat eine zusammenfassende Darstellung gefunden in dem Werke, von Berthold Motten „Alois Graf Nhrenthal. Sechs Jahre äußere Politik Österreich-Ungarns". Geheftet 6 M„ gebunden 8 M. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1S17. Der Verfasser ist sehr sachkundig und stand mit dem Grafen Ahrenthal in persönlichen Beziehungen. Das Material ist aus bester Quelle. Dieses neue Werk liegt der obigen Darstellung vielfach zugrunde.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333482/118>, abgerufen am 24.07.2024.