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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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geht. Die polnische Mehrheit wird stets, ohne es zu wissen, am Gängelband der
englischen Interessen geführt*). Ist es nicht besser, das Erreichbare zu nehmen,
als mit hysterischen Stimmen nach Allein zu schreien/' Ähnlich schreibt die
"Godzina Polski" vom 5. Oktober: "Die Gegner des Aufbaues des polnischen
Staates arbeiten unermüdlich im Sinne der bekannten Weisungen der Entente,
welche in der allgemein bekannten .Instruktion' des Herrn Dmowski veröffentlicht
waren. Nachdem sie sahen, daß die bisherigen Mittel der Nichtzulassung zur
staatlich-schöpferischen Arbeit nicht ausreichten, ergreifen sie ein neues, im Lager
der Nationaldemokratie längst erprobtes Mittel. Es ist dies die Versteigerung
der Zugeständnisse. Die Zentralmächte geben die Unabhängigkeit, .das ist zu
wenig' -- sagen die Nationaldemokraten ,wir wollen die Unabhängigkeit mit
der Zulassung zur See/ -- Selbstverständlich ,den besten Patrioten', als welche
sich einzig die Nationaldemokraten betrachten, paßt es nicht, darauf einzugehen,
was die Deutschen geben. -- Die .einzigen, wahren Vertreter des Volkes' müssen
doch am meisten verlangen, denn sonst wären sie nicht die einzigen."
Auch die "Wiadomosci Polski" betonen, daß der Ban eines polnischen
Staates in Anlehnung an die Entente nicht möglich sei. Ein polnischer Staat
kann gegen das Interesse der Zentralmächte nicht gebildet werden. Die "Passivistcn"
vergraben Polen in ihre Herzen; die "Aktivisten" wollen ein lebendes Polen
haben und verlassen daher die Sphären der schönen Trünme. Diese und
ähnliche polnische Stimmen veranlassen die Times am 1. November zur Klage, daß
die Lage in Polen sehr kritisch sei und die Verhältnisse zur Verwirklichung der
deutschen Hoffnungen führen. Dabei darf man aber nicht vergessen, daß andere
Zeitungen Polens entsprechend den polnischen Parteien*"), die sie vertreten, auch
einen verschiedenen Standpunkt einnehmen werden. Diese Parteiungen im Lande
bilden die große Schwäche Polens gegenüber dem geschlossenen Vorgehen der
Mehrheit der ententefreundlichen Polen im Auslande, ein Umstand, der zur
berechtigten Besorgnis Anlaß gibt. Interessant ist es nachzulesen, wie Herr
A. Boleski (Wien) in einem Artikel in "Mitteleuropa" S. 216 zu beweisen sucht,
daß die Polen in Frankreich sich mit den Franzosen verbrüdern müssen, weil dies
den mitteleuropäischen Gedanken fördere.

In Österreich hat sich die polnische Stimmung etwas beruhigt. Der Polen¬
klub ist nach langem Konklave für die Obmannswahl endlich wieder verhandlungs¬
fähig geworden und seit Anfang Oktober fand eine Annäherung an die Negierung
statt. Schon am 2. Oktober stellt der Obmannstellvertreter Daszynski fest, daß
die Polen keine Politik gegen den Staat und das Parlament machen wollen und
gegen entsprechende Zugeständnisse mit der Regierung gehen würden. Die
Forderungen betreffen zunächst die Zivilverwaltung Galiziens und die galizische
Legion, die nur an der Ostfront verwendet und als Kader für das polnische Heer
betrachtet werden solle. Nach erhaltene,?, Zugeständnissen stimmten die Polen
für das viermonatliche Budgetprovisorium. Aber der geschäftsführende Obmann
Dr. Glombinski hat es sich nicht versagt, am 20. Oktober zu erklären, "daß die
polnische Frage, wie alle (?) Polen glauben, nur auf internationalem Wege,
hoffentlich auf einem Weltkongreß, gelöst werden kann." Bemerkenswert ist auch,




") Man vgl. unsere früheren Ausführungen in den "Grenzbotenl"
**) Darüber Mitteleuropa Ur. 19 "Die Presse und die Parteien in Polen".

geht. Die polnische Mehrheit wird stets, ohne es zu wissen, am Gängelband der
englischen Interessen geführt*). Ist es nicht besser, das Erreichbare zu nehmen,
als mit hysterischen Stimmen nach Allein zu schreien/' Ähnlich schreibt die
„Godzina Polski" vom 5. Oktober: „Die Gegner des Aufbaues des polnischen
Staates arbeiten unermüdlich im Sinne der bekannten Weisungen der Entente,
welche in der allgemein bekannten .Instruktion' des Herrn Dmowski veröffentlicht
waren. Nachdem sie sahen, daß die bisherigen Mittel der Nichtzulassung zur
staatlich-schöpferischen Arbeit nicht ausreichten, ergreifen sie ein neues, im Lager
der Nationaldemokratie längst erprobtes Mittel. Es ist dies die Versteigerung
der Zugeständnisse. Die Zentralmächte geben die Unabhängigkeit, .das ist zu
wenig' — sagen die Nationaldemokraten ,wir wollen die Unabhängigkeit mit
der Zulassung zur See/ — Selbstverständlich ,den besten Patrioten', als welche
sich einzig die Nationaldemokraten betrachten, paßt es nicht, darauf einzugehen,
was die Deutschen geben. — Die .einzigen, wahren Vertreter des Volkes' müssen
doch am meisten verlangen, denn sonst wären sie nicht die einzigen."
Auch die „Wiadomosci Polski" betonen, daß der Ban eines polnischen
Staates in Anlehnung an die Entente nicht möglich sei. Ein polnischer Staat
kann gegen das Interesse der Zentralmächte nicht gebildet werden. Die „Passivistcn"
vergraben Polen in ihre Herzen; die „Aktivisten" wollen ein lebendes Polen
haben und verlassen daher die Sphären der schönen Trünme. Diese und
ähnliche polnische Stimmen veranlassen die Times am 1. November zur Klage, daß
die Lage in Polen sehr kritisch sei und die Verhältnisse zur Verwirklichung der
deutschen Hoffnungen führen. Dabei darf man aber nicht vergessen, daß andere
Zeitungen Polens entsprechend den polnischen Parteien*"), die sie vertreten, auch
einen verschiedenen Standpunkt einnehmen werden. Diese Parteiungen im Lande
bilden die große Schwäche Polens gegenüber dem geschlossenen Vorgehen der
Mehrheit der ententefreundlichen Polen im Auslande, ein Umstand, der zur
berechtigten Besorgnis Anlaß gibt. Interessant ist es nachzulesen, wie Herr
A. Boleski (Wien) in einem Artikel in „Mitteleuropa" S. 216 zu beweisen sucht,
daß die Polen in Frankreich sich mit den Franzosen verbrüdern müssen, weil dies
den mitteleuropäischen Gedanken fördere.

In Österreich hat sich die polnische Stimmung etwas beruhigt. Der Polen¬
klub ist nach langem Konklave für die Obmannswahl endlich wieder verhandlungs¬
fähig geworden und seit Anfang Oktober fand eine Annäherung an die Negierung
statt. Schon am 2. Oktober stellt der Obmannstellvertreter Daszynski fest, daß
die Polen keine Politik gegen den Staat und das Parlament machen wollen und
gegen entsprechende Zugeständnisse mit der Regierung gehen würden. Die
Forderungen betreffen zunächst die Zivilverwaltung Galiziens und die galizische
Legion, die nur an der Ostfront verwendet und als Kader für das polnische Heer
betrachtet werden solle. Nach erhaltene,?, Zugeständnissen stimmten die Polen
für das viermonatliche Budgetprovisorium. Aber der geschäftsführende Obmann
Dr. Glombinski hat es sich nicht versagt, am 20. Oktober zu erklären, „daß die
polnische Frage, wie alle (?) Polen glauben, nur auf internationalem Wege,
hoffentlich auf einem Weltkongreß, gelöst werden kann." Bemerkenswert ist auch,




") Man vgl. unsere früheren Ausführungen in den „Grenzbotenl"
**) Darüber Mitteleuropa Ur. 19 „Die Presse und die Parteien in Polen".
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/64>, abgerufen am 21.11.2024.