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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Umfang herbeitragen, daß die Presse, der nicht nur das grüne Papier fehlt, wie
Ihnen, sondern auch das weiße, nicht den zwanzigsten Teil davon verarbeiten
kann --, die beste Zeitung wird immer nur von zwei Leuten gemacht, einem be¬
gabten Verleger und einem begabten Schreiber, die, soweit sie den Staat nicht
umzuschmeißen drohen, tun und lassen dürfen sollen, was ihnen richtig dünkt.
Der Krieg hat ein bißchen viel Staat zur Entfaltung gebracht. Wir wollen, so¬
lange noch der Feind das Rad rückwärts zu drehen versucht, den starken Arm des
Staates soviel stützen, beschützen, halten, vorwärtsschieben lassen, als irgend möglich.
Aber die drei Jahre Staatsbetrieb und Zwangswirtschaft auf allen möglichen
Gebieten haben in zuviel Köpfen ein theoretisches Zukunftsbild erzeugt, das nach
dem Willen sehr einflußreicher Leute bis in alle Zukunft Wirklichkeit bleiben und
werden soll. Im Kopf des Soldaten malt sich unser künftiges irdisches Leben als
eine Kombination von Kadettenanstalt, Kaserne, Bezirkskommando und Etappe.
Im prophetischen Geiste des Oberregierungsrats als ein riesiges Amt mit Schreib¬
stuben, vielen, vielen Akten, regelmäßigen Kvnimissionssitzmi'gen und Konferenzen
zur Regelung der menschlichen Schicksale und einem großen Amtsschimmel,, der
beschriebenes Papier frißt und Paragraphen von sich gibt. Ein gewaltiges
"Schema l?" leuchtet voran. Süßen Lohn bilden wohlabgestuft^ Titel und die
Orden, denen niemand mehr entgehen darf. Dem Kapitän der Industrie stellt
sich die Zukunft der Deutschen in der Organisationsform einer gewaltigen A.°G.
dar, mit einigen unermeßlich klugen, unermeßlich hoch besoldeten Direktoren an
der Spitze und unter ihnen einem Bienenstaat von fleißigen, wunschlosen, wohl¬
gedrillten Angestellten, die sämtlich einen Knopf auf dem Schädel haben, auf den
der Direktor drückt. Diesen Angestellten wird durch ein patentiertes Verfahren
auf psycho-chemischem Wege die Persönlichkeit mit ihren Unregelmäßigkeiten und
technisch-kaufmännischen Ünzuverlässigkeiten gänzlich entzogen. Alle diese Zu¬
kunftsorganisatoren stimmen darin überein, daß, so tüchtig das deutsche Volk ist,
ihm noch zuviel Unberechenbares, organisatorisch Unzweckmäßiges, Individuelles
anhaftet, daS der Disziplin und Ordnung widerstrebt und den Nutzeffekt der
Arbeit herabsetzt. Da will einer Romantiker sein und von der neuen Zeit nichts
halten, der andere ein Geschäft betreiben, weil es sein Vater schon betrieben hat,
das von der A.-G. mit fünfzig Prozent mehr Nntzew nebenher erledigt werden
könnte, der Vierte möchte gemäß einer sich der Kontrolle entziehenden Welt¬
anschauung leben, der Fünfte, der Fünfte -- so etwas gibt's I -- hat keinen
Respekt vor Titeln und findet -- man traut sich's nicht zu sagen I -- daß uns
die Persönlichkeiten und die unbetitelte Pflichterfüllung herausgerissen haben und
wieder groß machen werden und möchte die Schlußfolgerungen daraus ziehen.

Sollten Sie, geehrter Herr, der Meinung sein, daß die Triumphe der Ver¬
staatlichung zwar groß, aber nicht entscheidend gewesen sind, daß man das Beste
nicht organisieren kann, daß man das Beste sogar weg organisieren kann, nämlich
die vielseitige, schöpferische Kraft des Willens, der aus einer selbständigen Persön¬
lichkeit fließt, stehe sie im großen oder kleinen Kreise, daß viele selbständige
Existenzen für Kraft und Gesamtleistung eines Volkes wichtiger sind, als Riesen¬
organisationen mit ein paar Leitern und tausend gedrückter menschlicher Knöpfe,
daß Deutschlands zahllose kleine Kulturzentren seine Vielseitigkeit erhalten und
damit seine Kraftbasis verbreitert haben, kurz daß der Reichtum an Selbständig¬
keiten, freien Persönlichkeiten, Verantwortlichkeiten, einzelnen Unabhängigkeiten,
Ausdrucksformen menschlicher Beendigung auf allen Gebieten den wahren Wert
Deutschlands darstellen, und daß dieser Wert gepflegt und erhalten werden muß,
wo immer er bedroht ist, in der Persönlichkeit, in der selbständigen Einzelexistenz,
im Bundesstaat -- dann verzeihen Sie diesen langen Satz und sorgen Sie dafür,
daß Ihnen nicht mit dem grünen auch noch das weiße Papier ausgehe, denn
dann werden Sie seiner bedürfen, gegenüber kommenden großen publizistischen und
anderen Konzernen und angesichts wichtiger Friedensaufgaben, an denen gern
mitwirken wird


Ihr Nemo
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Umfang herbeitragen, daß die Presse, der nicht nur das grüne Papier fehlt, wie
Ihnen, sondern auch das weiße, nicht den zwanzigsten Teil davon verarbeiten
kann —, die beste Zeitung wird immer nur von zwei Leuten gemacht, einem be¬
gabten Verleger und einem begabten Schreiber, die, soweit sie den Staat nicht
umzuschmeißen drohen, tun und lassen dürfen sollen, was ihnen richtig dünkt.
Der Krieg hat ein bißchen viel Staat zur Entfaltung gebracht. Wir wollen, so¬
lange noch der Feind das Rad rückwärts zu drehen versucht, den starken Arm des
Staates soviel stützen, beschützen, halten, vorwärtsschieben lassen, als irgend möglich.
Aber die drei Jahre Staatsbetrieb und Zwangswirtschaft auf allen möglichen
Gebieten haben in zuviel Köpfen ein theoretisches Zukunftsbild erzeugt, das nach
dem Willen sehr einflußreicher Leute bis in alle Zukunft Wirklichkeit bleiben und
werden soll. Im Kopf des Soldaten malt sich unser künftiges irdisches Leben als
eine Kombination von Kadettenanstalt, Kaserne, Bezirkskommando und Etappe.
Im prophetischen Geiste des Oberregierungsrats als ein riesiges Amt mit Schreib¬
stuben, vielen, vielen Akten, regelmäßigen Kvnimissionssitzmi'gen und Konferenzen
zur Regelung der menschlichen Schicksale und einem großen Amtsschimmel,, der
beschriebenes Papier frißt und Paragraphen von sich gibt. Ein gewaltiges
„Schema l?" leuchtet voran. Süßen Lohn bilden wohlabgestuft^ Titel und die
Orden, denen niemand mehr entgehen darf. Dem Kapitän der Industrie stellt
sich die Zukunft der Deutschen in der Organisationsform einer gewaltigen A.°G.
dar, mit einigen unermeßlich klugen, unermeßlich hoch besoldeten Direktoren an
der Spitze und unter ihnen einem Bienenstaat von fleißigen, wunschlosen, wohl¬
gedrillten Angestellten, die sämtlich einen Knopf auf dem Schädel haben, auf den
der Direktor drückt. Diesen Angestellten wird durch ein patentiertes Verfahren
auf psycho-chemischem Wege die Persönlichkeit mit ihren Unregelmäßigkeiten und
technisch-kaufmännischen Ünzuverlässigkeiten gänzlich entzogen. Alle diese Zu¬
kunftsorganisatoren stimmen darin überein, daß, so tüchtig das deutsche Volk ist,
ihm noch zuviel Unberechenbares, organisatorisch Unzweckmäßiges, Individuelles
anhaftet, daS der Disziplin und Ordnung widerstrebt und den Nutzeffekt der
Arbeit herabsetzt. Da will einer Romantiker sein und von der neuen Zeit nichts
halten, der andere ein Geschäft betreiben, weil es sein Vater schon betrieben hat,
das von der A.-G. mit fünfzig Prozent mehr Nntzew nebenher erledigt werden
könnte, der Vierte möchte gemäß einer sich der Kontrolle entziehenden Welt¬
anschauung leben, der Fünfte, der Fünfte — so etwas gibt's I — hat keinen
Respekt vor Titeln und findet — man traut sich's nicht zu sagen I — daß uns
die Persönlichkeiten und die unbetitelte Pflichterfüllung herausgerissen haben und
wieder groß machen werden und möchte die Schlußfolgerungen daraus ziehen.

Sollten Sie, geehrter Herr, der Meinung sein, daß die Triumphe der Ver¬
staatlichung zwar groß, aber nicht entscheidend gewesen sind, daß man das Beste
nicht organisieren kann, daß man das Beste sogar weg organisieren kann, nämlich
die vielseitige, schöpferische Kraft des Willens, der aus einer selbständigen Persön¬
lichkeit fließt, stehe sie im großen oder kleinen Kreise, daß viele selbständige
Existenzen für Kraft und Gesamtleistung eines Volkes wichtiger sind, als Riesen¬
organisationen mit ein paar Leitern und tausend gedrückter menschlicher Knöpfe,
daß Deutschlands zahllose kleine Kulturzentren seine Vielseitigkeit erhalten und
damit seine Kraftbasis verbreitert haben, kurz daß der Reichtum an Selbständig¬
keiten, freien Persönlichkeiten, Verantwortlichkeiten, einzelnen Unabhängigkeiten,
Ausdrucksformen menschlicher Beendigung auf allen Gebieten den wahren Wert
Deutschlands darstellen, und daß dieser Wert gepflegt und erhalten werden muß,
wo immer er bedroht ist, in der Persönlichkeit, in der selbständigen Einzelexistenz,
im Bundesstaat — dann verzeihen Sie diesen langen Satz und sorgen Sie dafür,
daß Ihnen nicht mit dem grünen auch noch das weiße Papier ausgehe, denn
dann werden Sie seiner bedürfen, gegenüber kommenden großen publizistischen und
anderen Konzernen und angesichts wichtiger Friedensaufgaben, an denen gern
mitwirken wird


Ihr Nemo
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[0374] Randglossen zum Tage Umfang herbeitragen, daß die Presse, der nicht nur das grüne Papier fehlt, wie Ihnen, sondern auch das weiße, nicht den zwanzigsten Teil davon verarbeiten kann —, die beste Zeitung wird immer nur von zwei Leuten gemacht, einem be¬ gabten Verleger und einem begabten Schreiber, die, soweit sie den Staat nicht umzuschmeißen drohen, tun und lassen dürfen sollen, was ihnen richtig dünkt. Der Krieg hat ein bißchen viel Staat zur Entfaltung gebracht. Wir wollen, so¬ lange noch der Feind das Rad rückwärts zu drehen versucht, den starken Arm des Staates soviel stützen, beschützen, halten, vorwärtsschieben lassen, als irgend möglich. Aber die drei Jahre Staatsbetrieb und Zwangswirtschaft auf allen möglichen Gebieten haben in zuviel Köpfen ein theoretisches Zukunftsbild erzeugt, das nach dem Willen sehr einflußreicher Leute bis in alle Zukunft Wirklichkeit bleiben und werden soll. Im Kopf des Soldaten malt sich unser künftiges irdisches Leben als eine Kombination von Kadettenanstalt, Kaserne, Bezirkskommando und Etappe. Im prophetischen Geiste des Oberregierungsrats als ein riesiges Amt mit Schreib¬ stuben, vielen, vielen Akten, regelmäßigen Kvnimissionssitzmi'gen und Konferenzen zur Regelung der menschlichen Schicksale und einem großen Amtsschimmel,, der beschriebenes Papier frißt und Paragraphen von sich gibt. Ein gewaltiges „Schema l?" leuchtet voran. Süßen Lohn bilden wohlabgestuft^ Titel und die Orden, denen niemand mehr entgehen darf. Dem Kapitän der Industrie stellt sich die Zukunft der Deutschen in der Organisationsform einer gewaltigen A.°G. dar, mit einigen unermeßlich klugen, unermeßlich hoch besoldeten Direktoren an der Spitze und unter ihnen einem Bienenstaat von fleißigen, wunschlosen, wohl¬ gedrillten Angestellten, die sämtlich einen Knopf auf dem Schädel haben, auf den der Direktor drückt. Diesen Angestellten wird durch ein patentiertes Verfahren auf psycho-chemischem Wege die Persönlichkeit mit ihren Unregelmäßigkeiten und technisch-kaufmännischen Ünzuverlässigkeiten gänzlich entzogen. Alle diese Zu¬ kunftsorganisatoren stimmen darin überein, daß, so tüchtig das deutsche Volk ist, ihm noch zuviel Unberechenbares, organisatorisch Unzweckmäßiges, Individuelles anhaftet, daS der Disziplin und Ordnung widerstrebt und den Nutzeffekt der Arbeit herabsetzt. Da will einer Romantiker sein und von der neuen Zeit nichts halten, der andere ein Geschäft betreiben, weil es sein Vater schon betrieben hat, das von der A.-G. mit fünfzig Prozent mehr Nntzew nebenher erledigt werden könnte, der Vierte möchte gemäß einer sich der Kontrolle entziehenden Welt¬ anschauung leben, der Fünfte, der Fünfte — so etwas gibt's I — hat keinen Respekt vor Titeln und findet — man traut sich's nicht zu sagen I — daß uns die Persönlichkeiten und die unbetitelte Pflichterfüllung herausgerissen haben und wieder groß machen werden und möchte die Schlußfolgerungen daraus ziehen. Sollten Sie, geehrter Herr, der Meinung sein, daß die Triumphe der Ver¬ staatlichung zwar groß, aber nicht entscheidend gewesen sind, daß man das Beste nicht organisieren kann, daß man das Beste sogar weg organisieren kann, nämlich die vielseitige, schöpferische Kraft des Willens, der aus einer selbständigen Persön¬ lichkeit fließt, stehe sie im großen oder kleinen Kreise, daß viele selbständige Existenzen für Kraft und Gesamtleistung eines Volkes wichtiger sind, als Riesen¬ organisationen mit ein paar Leitern und tausend gedrückter menschlicher Knöpfe, daß Deutschlands zahllose kleine Kulturzentren seine Vielseitigkeit erhalten und damit seine Kraftbasis verbreitert haben, kurz daß der Reichtum an Selbständig¬ keiten, freien Persönlichkeiten, Verantwortlichkeiten, einzelnen Unabhängigkeiten, Ausdrucksformen menschlicher Beendigung auf allen Gebieten den wahren Wert Deutschlands darstellen, und daß dieser Wert gepflegt und erhalten werden muß, wo immer er bedroht ist, in der Persönlichkeit, in der selbständigen Einzelexistenz, im Bundesstaat — dann verzeihen Sie diesen langen Satz und sorgen Sie dafür, daß Ihnen nicht mit dem grünen auch noch das weiße Papier ausgehe, denn dann werden Sie seiner bedürfen, gegenüber kommenden großen publizistischen und anderen Konzernen und angesichts wichtiger Friedensaufgaben, an denen gern mitwirken wird Ihr Nemo

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Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/374>, abgerufen am 22.07.2024.