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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Die nationale Eigenart der deutschen Verssprache

Somit ist der Endreim als poetisches Stilmittel nicht ein antideutsches
Fremdgut, sondern ist. obwohl ursprünglich fremden Ursprungs, echter Besitz ge¬
worden. Er hat gewiß auch bei uns die musikalischen Reize, die er den roma¬
nischen Dichtungen verleiht: darüber hinaus jedoch ist seine Bedeutung im deutschen
Vers eine ganz andere als im romanischen. Während der Endreim in den Versen
Racines zum Beispiel zur Verstärkung der Regelmäßigkeit dient, ist die Wirkung
des Reims etwa in Goethes "Faust" oder in Schillers "Wallensteins Lager" gerade
die, daß er die Freiheit und Beweglichkeit der Verssprache nur deutlicher hervor¬
treten läßt und durch sein freies Auftauchen irrationale Glanzlichter in den be¬
weglichen Fluß der Gedanken webt.




Außer dem Endreim ist nun seit alters ein weiteres Stilelement in die
deutsche Verssprache eingedrungen: die klassische Regelmäßigkeit. Diese jedoch ist,
das hoben wir bereits oben hervor, nicht nur ein dem deutschen Geiste fremdes,
nein, sogar ein ihm widerstrebendes Stilmittel. Daher ist die Geschichte der
deutschen Verssprache die eines beständigen Kampfes gegen dies ihr aufgezwungene
Kunstwollen.

Allerdings ist eine gewisse Regelmäßigkeit auch der deutschen Verssprache
eigen- Sie ist keineswegs ein Chaos. Schon die Verbindung mit der Musik
erfordert eine gewisse Ordnung. Indessen der Gradunterschied bedingt hier
Wesensunterschiede. Die Regelmäßigkeit deutscher Poesie ist stets nur annähernd,
mehr geahnt und angedeutet als wirklich streng durchgeführt, was keineswegs
Nachlässigkeit ist. Im klassischen Vers dagegen ist die Regelmäßigkeit absolut.
Die alkäische oder die sapphische Strophe, das Distichon oder der Trimeter sind mit
mathematischer Genauigkeit festzustellen. Ihre Längen und Kürzen sind klare
Gegensätze, während die Betonungsstufen der deutschen Verssprache nur relative
Werte sind. Ebenso ist in der klassischen Prosodie der Franzosen die Silbenzahl
unverrückbar feststehend, ihr eigenstes Stilprinzip, während deutschen Versen
gegenüber das Silvenzählen stets öde Schulmeisteret bleibt.

Indessen, wie in den bildenden Künsten, ist auch in der Poesie die
Suggestionskraft der klassischen Regelmäßigkeit so stark gewesen, daß man sie --
trotz aller Fehlschläge -- immer wieder auch in die deutsche Poesie einzuführen
versuchte. Wie falsch das war, kann man daraus ersehen, daß stets die Zeiten
größter Regelmäßigkeit Zeiten der poetischen Sterilität waren, daß jedoch um¬
gekehrt, je stärker die Dichterpersönlichkeiten waren, sie um so freier die Vers¬
sprache handhabten.

Ein kurzer historischer Überblick offenbart das. Der erste Versuch, die
deutsche Poesie unter klassisches Joch zu spannen, wird, in der sogenannten
karolingischen Renaissancezeit gemacht. Otfrieds Evangelienbuch ist ein Typus
dafür. Allerdings ist die Regelmäßigkeit noch recht inkonsequent, indessen zeigt
ein Vergleich der Verssprache Otfrieds mit der des Helianddichters sehr deutlich,
wie wenig gewonnen wird durch das fremde Stilprinzip. Die Dichtungen
der fvlgenoen Jahrhunderte, die oft gegen die der Stauferzeit zu Unrecht zurück¬
gesetzt werden, stellen sich als immer stärker werdende Reaktion gegen das
klassische Schema dar. Ganz fälschlich sieht man darin technische UnVollkommen¬
heit. So wenig wie der gleichzeitige, sogenannte romanische Baustil aus tech¬
nischem Unvermögen sich von der antiken Tradition fortentwickelt, so wenig darf
man die Entwicklung der Verssprache dieser Jahrhunderte als Zeiten des Un¬
vermögens ansehen; im Gegenteil, die Beweglichkeit und Freiheit dieser Verse
ist gerade der Ausdruck des erstarkenden Nationalgeistes.

Aber wie in den Augenkünsten setzt auch in der Dichtung um 1200 eine neue
Invasion ein, die zwar nicht rein klassisch ist, vielmehr aus dem damals noch recht
germanischen Frankreich kommt und daher durchaus nicht so unorganisch sich ein¬
drängt. Es ist der höfische Stil, den man mit Recht, wenn auch oft mit falschen
Beweisgründen, der gothischen Bewegung in den bildenden Künsten gleichgesetzt


Die nationale Eigenart der deutschen Verssprache

Somit ist der Endreim als poetisches Stilmittel nicht ein antideutsches
Fremdgut, sondern ist. obwohl ursprünglich fremden Ursprungs, echter Besitz ge¬
worden. Er hat gewiß auch bei uns die musikalischen Reize, die er den roma¬
nischen Dichtungen verleiht: darüber hinaus jedoch ist seine Bedeutung im deutschen
Vers eine ganz andere als im romanischen. Während der Endreim in den Versen
Racines zum Beispiel zur Verstärkung der Regelmäßigkeit dient, ist die Wirkung
des Reims etwa in Goethes „Faust" oder in Schillers „Wallensteins Lager" gerade
die, daß er die Freiheit und Beweglichkeit der Verssprache nur deutlicher hervor¬
treten läßt und durch sein freies Auftauchen irrationale Glanzlichter in den be¬
weglichen Fluß der Gedanken webt.




Außer dem Endreim ist nun seit alters ein weiteres Stilelement in die
deutsche Verssprache eingedrungen: die klassische Regelmäßigkeit. Diese jedoch ist,
das hoben wir bereits oben hervor, nicht nur ein dem deutschen Geiste fremdes,
nein, sogar ein ihm widerstrebendes Stilmittel. Daher ist die Geschichte der
deutschen Verssprache die eines beständigen Kampfes gegen dies ihr aufgezwungene
Kunstwollen.

Allerdings ist eine gewisse Regelmäßigkeit auch der deutschen Verssprache
eigen- Sie ist keineswegs ein Chaos. Schon die Verbindung mit der Musik
erfordert eine gewisse Ordnung. Indessen der Gradunterschied bedingt hier
Wesensunterschiede. Die Regelmäßigkeit deutscher Poesie ist stets nur annähernd,
mehr geahnt und angedeutet als wirklich streng durchgeführt, was keineswegs
Nachlässigkeit ist. Im klassischen Vers dagegen ist die Regelmäßigkeit absolut.
Die alkäische oder die sapphische Strophe, das Distichon oder der Trimeter sind mit
mathematischer Genauigkeit festzustellen. Ihre Längen und Kürzen sind klare
Gegensätze, während die Betonungsstufen der deutschen Verssprache nur relative
Werte sind. Ebenso ist in der klassischen Prosodie der Franzosen die Silbenzahl
unverrückbar feststehend, ihr eigenstes Stilprinzip, während deutschen Versen
gegenüber das Silvenzählen stets öde Schulmeisteret bleibt.

Indessen, wie in den bildenden Künsten, ist auch in der Poesie die
Suggestionskraft der klassischen Regelmäßigkeit so stark gewesen, daß man sie —
trotz aller Fehlschläge — immer wieder auch in die deutsche Poesie einzuführen
versuchte. Wie falsch das war, kann man daraus ersehen, daß stets die Zeiten
größter Regelmäßigkeit Zeiten der poetischen Sterilität waren, daß jedoch um¬
gekehrt, je stärker die Dichterpersönlichkeiten waren, sie um so freier die Vers¬
sprache handhabten.

Ein kurzer historischer Überblick offenbart das. Der erste Versuch, die
deutsche Poesie unter klassisches Joch zu spannen, wird, in der sogenannten
karolingischen Renaissancezeit gemacht. Otfrieds Evangelienbuch ist ein Typus
dafür. Allerdings ist die Regelmäßigkeit noch recht inkonsequent, indessen zeigt
ein Vergleich der Verssprache Otfrieds mit der des Helianddichters sehr deutlich,
wie wenig gewonnen wird durch das fremde Stilprinzip. Die Dichtungen
der fvlgenoen Jahrhunderte, die oft gegen die der Stauferzeit zu Unrecht zurück¬
gesetzt werden, stellen sich als immer stärker werdende Reaktion gegen das
klassische Schema dar. Ganz fälschlich sieht man darin technische UnVollkommen¬
heit. So wenig wie der gleichzeitige, sogenannte romanische Baustil aus tech¬
nischem Unvermögen sich von der antiken Tradition fortentwickelt, so wenig darf
man die Entwicklung der Verssprache dieser Jahrhunderte als Zeiten des Un¬
vermögens ansehen; im Gegenteil, die Beweglichkeit und Freiheit dieser Verse
ist gerade der Ausdruck des erstarkenden Nationalgeistes.

Aber wie in den Augenkünsten setzt auch in der Dichtung um 1200 eine neue
Invasion ein, die zwar nicht rein klassisch ist, vielmehr aus dem damals noch recht
germanischen Frankreich kommt und daher durchaus nicht so unorganisch sich ein¬
drängt. Es ist der höfische Stil, den man mit Recht, wenn auch oft mit falschen
Beweisgründen, der gothischen Bewegung in den bildenden Künsten gleichgesetzt


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[0342] Die nationale Eigenart der deutschen Verssprache Somit ist der Endreim als poetisches Stilmittel nicht ein antideutsches Fremdgut, sondern ist. obwohl ursprünglich fremden Ursprungs, echter Besitz ge¬ worden. Er hat gewiß auch bei uns die musikalischen Reize, die er den roma¬ nischen Dichtungen verleiht: darüber hinaus jedoch ist seine Bedeutung im deutschen Vers eine ganz andere als im romanischen. Während der Endreim in den Versen Racines zum Beispiel zur Verstärkung der Regelmäßigkeit dient, ist die Wirkung des Reims etwa in Goethes „Faust" oder in Schillers „Wallensteins Lager" gerade die, daß er die Freiheit und Beweglichkeit der Verssprache nur deutlicher hervor¬ treten läßt und durch sein freies Auftauchen irrationale Glanzlichter in den be¬ weglichen Fluß der Gedanken webt. Außer dem Endreim ist nun seit alters ein weiteres Stilelement in die deutsche Verssprache eingedrungen: die klassische Regelmäßigkeit. Diese jedoch ist, das hoben wir bereits oben hervor, nicht nur ein dem deutschen Geiste fremdes, nein, sogar ein ihm widerstrebendes Stilmittel. Daher ist die Geschichte der deutschen Verssprache die eines beständigen Kampfes gegen dies ihr aufgezwungene Kunstwollen. Allerdings ist eine gewisse Regelmäßigkeit auch der deutschen Verssprache eigen- Sie ist keineswegs ein Chaos. Schon die Verbindung mit der Musik erfordert eine gewisse Ordnung. Indessen der Gradunterschied bedingt hier Wesensunterschiede. Die Regelmäßigkeit deutscher Poesie ist stets nur annähernd, mehr geahnt und angedeutet als wirklich streng durchgeführt, was keineswegs Nachlässigkeit ist. Im klassischen Vers dagegen ist die Regelmäßigkeit absolut. Die alkäische oder die sapphische Strophe, das Distichon oder der Trimeter sind mit mathematischer Genauigkeit festzustellen. Ihre Längen und Kürzen sind klare Gegensätze, während die Betonungsstufen der deutschen Verssprache nur relative Werte sind. Ebenso ist in der klassischen Prosodie der Franzosen die Silbenzahl unverrückbar feststehend, ihr eigenstes Stilprinzip, während deutschen Versen gegenüber das Silvenzählen stets öde Schulmeisteret bleibt. Indessen, wie in den bildenden Künsten, ist auch in der Poesie die Suggestionskraft der klassischen Regelmäßigkeit so stark gewesen, daß man sie — trotz aller Fehlschläge — immer wieder auch in die deutsche Poesie einzuführen versuchte. Wie falsch das war, kann man daraus ersehen, daß stets die Zeiten größter Regelmäßigkeit Zeiten der poetischen Sterilität waren, daß jedoch um¬ gekehrt, je stärker die Dichterpersönlichkeiten waren, sie um so freier die Vers¬ sprache handhabten. Ein kurzer historischer Überblick offenbart das. Der erste Versuch, die deutsche Poesie unter klassisches Joch zu spannen, wird, in der sogenannten karolingischen Renaissancezeit gemacht. Otfrieds Evangelienbuch ist ein Typus dafür. Allerdings ist die Regelmäßigkeit noch recht inkonsequent, indessen zeigt ein Vergleich der Verssprache Otfrieds mit der des Helianddichters sehr deutlich, wie wenig gewonnen wird durch das fremde Stilprinzip. Die Dichtungen der fvlgenoen Jahrhunderte, die oft gegen die der Stauferzeit zu Unrecht zurück¬ gesetzt werden, stellen sich als immer stärker werdende Reaktion gegen das klassische Schema dar. Ganz fälschlich sieht man darin technische UnVollkommen¬ heit. So wenig wie der gleichzeitige, sogenannte romanische Baustil aus tech¬ nischem Unvermögen sich von der antiken Tradition fortentwickelt, so wenig darf man die Entwicklung der Verssprache dieser Jahrhunderte als Zeiten des Un¬ vermögens ansehen; im Gegenteil, die Beweglichkeit und Freiheit dieser Verse ist gerade der Ausdruck des erstarkenden Nationalgeistes. Aber wie in den Augenkünsten setzt auch in der Dichtung um 1200 eine neue Invasion ein, die zwar nicht rein klassisch ist, vielmehr aus dem damals noch recht germanischen Frankreich kommt und daher durchaus nicht so unorganisch sich ein¬ drängt. Es ist der höfische Stil, den man mit Recht, wenn auch oft mit falschen Beweisgründen, der gothischen Bewegung in den bildenden Künsten gleichgesetzt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/342>, abgerufen am 22.07.2024.