Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Deutsche Flurbereinigung

Gedanke, daß Preußen, um in Deutschland zu regieren, zuvörderst sich selbst
liberal regieren müsse, ist fortan ein wesentliches Prinzip der preußisch-deutschen
Bewegung in und außerhalb Preußens". Über die Flugschriften und Berichte
eines Paul Pfizer und Friedrich von Gagern führt er die Staaten des alten
Rheinbundes unmittelbar hinein in die Tage der deutschen Revolution, in denen
alle' diese großen Fragen der verfassungsmäßigen Einigung Kleindeutschlands ihre
Läuterung finden sollten.

Inmitten dieser größten innerpolitischen Krisis erst, die das deutsche Volk
durchzumachen hatte, ist die Rheinprovinz ganz für Preußen und damit für Deutsch,
land gewonnen worden. Erst im Verfassungskampfe um konstitutionelle Umbildung
des hohenzollernschen Staates vollzog sich die völlige Verschmelzung der neuen
Gebiete im Westen nut dem Kernlande Preußens. Zugleich warb Heinrich von
Gagern um den preußischen Staat, daß er sich selbst und sein eigenes Leben auf¬
gebe um Deutschlands willen. Die Oktroyierung der ersten preußischen Verfassung vom
6, Dezember 1848 schien in der Tat zeitweise die Möglichkeit einer Verständigung
zwischen den "schwarz-weißen" Anhängern des Alten und der "schwarz-rot-goldenen"
Bewegung, die aus Frankfurt herandrängte,.zu eröffnen. König Friedrich Wilhelm
der Vierte selbst spielte damals Wohl mit dem Lieblingsgedanken seiner patriarchalisch
gerichteten Staatsanschauung, auf die Einrichtung der Prvvinzialstnnde zurück¬
zugehen, diese jedoch neben den alten Geburtsständen durch eine breite Repräsen¬
tation der Geistlichkeit, Schule, Wissenschaft und selbst der Zensuslosen zu stärken.
Aber das richtige Gefühl, daß weder Preußen noch Deutschland zu solcher Revolution
von oben reif genug seien, hemmte die Entwicklung. Das Programm der "Neichs-
terroristen" um den großdeutschen Max von Gagern, "daß das Haus Hohenzollern
gegen die erbliche Krone eines neuen Deutschen Reiches verzichten müsse auf das
abgeschlossene, überspannte brandenburgische Königtum, das einst unser altes
deutsches Reich zugrunde gerichtet hat", mußte selbst eifrige Freunde und Anhänger
eines bewußten Einheitsstrebens bedenklich machen. Gerade die Vertreter des
rheinischen Liberalismus, die ursprünglich doch die Verknüpfung deutscher und
preußischer Gedanken vermittelten, konnten sich dieser Forderung nicht anschließen.
"Sie hatten mit solchem Eifer für die Verschmelzung der Rheinlande mit dem
preußischen Staate und zugleich für die Erfüllung desselben mit liberalen Ideen
gekämpft, daß ihnen der preußische Staatsgedanke dadurch selbst ans Herz wuchs".
Und willig folgten sie dem Staate ihrer Geburt und ihrer Wahl, als dieser nach
den schweren Tagen der Konfliktszeit und nach den Schlägen von Königgrätz sich
abermals anschickte, nach Deutschland aufzugreifen.

Die Annexionen von Schleswig-Holstein, von Hannover, Kurhessen. Nassau
und Frankfurt machten, nach einem von Bismarck gebilligten offiziösen Worte,
gut, was der Neid und die Eifersucht der übrigen Staaten fünfzig Jahre zuvor
an Preußen gesündigt hatten. "Während es seine durch Friedrich den Großen
geschaffen" Stellung als Großmacht bisher nur durch die äußerste Anspannung
aller Volkskuiste aufrecht erhalten konnte, hat es jetzt durch die Ausfüllung und
Abrundung seines Ländergebietes in Nord- und Mitteldeutschland erst die 'wahr-
Mft naturgemäße Grundlage einer Großmacht an Land und Leuten gewonnen".
Darüber hinaus aber setzten die preußischen Anträge zur Berufung eines aus
allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen hervorgehenden deutschen Parlaments
bereits vor dem Ausbruch des Bruderkrieges planvoll die Politik der "preußischen
Jakobiner" von 1815 fort. Wie damals einem sich territorialer Landgewinn nach
festen und moralische Eroberungen in Süddeutschland "zur Befestigung und Er¬
höhung der preußischen Machtstellung in Deutschland und damit zugleich der
nationalen Macht des deutsche" Vaterlandes". Deutsche und preußische "Mvtiven-
rechen", der Gegensatz zu Osterreich und zu den Liberalen des Berliner Abgeord¬
netenhauses, hatten den pommerschen Junker damals zur Mobilmachung des
'/eigentlichen Volkes" geführt. Erst die Erkenntnis, daß selbst das Dreiklassen-
^ahlrecht, das er damals bekanntlich in überwallenden Zorn auf den Fortschritt
oas elendeste aller Wahlsysteme genannt hat, wandlungsfühig sei und neue, bessere


Deutsche Flurbereinigung

Gedanke, daß Preußen, um in Deutschland zu regieren, zuvörderst sich selbst
liberal regieren müsse, ist fortan ein wesentliches Prinzip der preußisch-deutschen
Bewegung in und außerhalb Preußens". Über die Flugschriften und Berichte
eines Paul Pfizer und Friedrich von Gagern führt er die Staaten des alten
Rheinbundes unmittelbar hinein in die Tage der deutschen Revolution, in denen
alle' diese großen Fragen der verfassungsmäßigen Einigung Kleindeutschlands ihre
Läuterung finden sollten.

Inmitten dieser größten innerpolitischen Krisis erst, die das deutsche Volk
durchzumachen hatte, ist die Rheinprovinz ganz für Preußen und damit für Deutsch,
land gewonnen worden. Erst im Verfassungskampfe um konstitutionelle Umbildung
des hohenzollernschen Staates vollzog sich die völlige Verschmelzung der neuen
Gebiete im Westen nut dem Kernlande Preußens. Zugleich warb Heinrich von
Gagern um den preußischen Staat, daß er sich selbst und sein eigenes Leben auf¬
gebe um Deutschlands willen. Die Oktroyierung der ersten preußischen Verfassung vom
6, Dezember 1848 schien in der Tat zeitweise die Möglichkeit einer Verständigung
zwischen den „schwarz-weißen" Anhängern des Alten und der „schwarz-rot-goldenen"
Bewegung, die aus Frankfurt herandrängte,.zu eröffnen. König Friedrich Wilhelm
der Vierte selbst spielte damals Wohl mit dem Lieblingsgedanken seiner patriarchalisch
gerichteten Staatsanschauung, auf die Einrichtung der Prvvinzialstnnde zurück¬
zugehen, diese jedoch neben den alten Geburtsständen durch eine breite Repräsen¬
tation der Geistlichkeit, Schule, Wissenschaft und selbst der Zensuslosen zu stärken.
Aber das richtige Gefühl, daß weder Preußen noch Deutschland zu solcher Revolution
von oben reif genug seien, hemmte die Entwicklung. Das Programm der „Neichs-
terroristen" um den großdeutschen Max von Gagern, „daß das Haus Hohenzollern
gegen die erbliche Krone eines neuen Deutschen Reiches verzichten müsse auf das
abgeschlossene, überspannte brandenburgische Königtum, das einst unser altes
deutsches Reich zugrunde gerichtet hat", mußte selbst eifrige Freunde und Anhänger
eines bewußten Einheitsstrebens bedenklich machen. Gerade die Vertreter des
rheinischen Liberalismus, die ursprünglich doch die Verknüpfung deutscher und
preußischer Gedanken vermittelten, konnten sich dieser Forderung nicht anschließen.
»Sie hatten mit solchem Eifer für die Verschmelzung der Rheinlande mit dem
preußischen Staate und zugleich für die Erfüllung desselben mit liberalen Ideen
gekämpft, daß ihnen der preußische Staatsgedanke dadurch selbst ans Herz wuchs".
Und willig folgten sie dem Staate ihrer Geburt und ihrer Wahl, als dieser nach
den schweren Tagen der Konfliktszeit und nach den Schlägen von Königgrätz sich
abermals anschickte, nach Deutschland aufzugreifen.

Die Annexionen von Schleswig-Holstein, von Hannover, Kurhessen. Nassau
und Frankfurt machten, nach einem von Bismarck gebilligten offiziösen Worte,
gut, was der Neid und die Eifersucht der übrigen Staaten fünfzig Jahre zuvor
an Preußen gesündigt hatten. „Während es seine durch Friedrich den Großen
geschaffen« Stellung als Großmacht bisher nur durch die äußerste Anspannung
aller Volkskuiste aufrecht erhalten konnte, hat es jetzt durch die Ausfüllung und
Abrundung seines Ländergebietes in Nord- und Mitteldeutschland erst die 'wahr-
Mft naturgemäße Grundlage einer Großmacht an Land und Leuten gewonnen".
Darüber hinaus aber setzten die preußischen Anträge zur Berufung eines aus
allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen hervorgehenden deutschen Parlaments
bereits vor dem Ausbruch des Bruderkrieges planvoll die Politik der „preußischen
Jakobiner" von 1815 fort. Wie damals einem sich territorialer Landgewinn nach
festen und moralische Eroberungen in Süddeutschland „zur Befestigung und Er¬
höhung der preußischen Machtstellung in Deutschland und damit zugleich der
nationalen Macht des deutsche» Vaterlandes". Deutsche und preußische „Mvtiven-
rechen", der Gegensatz zu Osterreich und zu den Liberalen des Berliner Abgeord¬
netenhauses, hatten den pommerschen Junker damals zur Mobilmachung des
'/eigentlichen Volkes" geführt. Erst die Erkenntnis, daß selbst das Dreiklassen-
^ahlrecht, das er damals bekanntlich in überwallenden Zorn auf den Fortschritt
oas elendeste aller Wahlsysteme genannt hat, wandlungsfühig sei und neue, bessere


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0335" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/333432"/>
          <fw type="header" place="top"> Deutsche Flurbereinigung</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1240" prev="#ID_1239"> Gedanke, daß Preußen, um in Deutschland zu regieren, zuvörderst sich selbst<lb/>
liberal regieren müsse, ist fortan ein wesentliches Prinzip der preußisch-deutschen<lb/>
Bewegung in und außerhalb Preußens". Über die Flugschriften und Berichte<lb/>
eines Paul Pfizer und Friedrich von Gagern führt er die Staaten des alten<lb/>
Rheinbundes unmittelbar hinein in die Tage der deutschen Revolution, in denen<lb/>
alle' diese großen Fragen der verfassungsmäßigen Einigung Kleindeutschlands ihre<lb/>
Läuterung finden sollten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1241"> Inmitten dieser größten innerpolitischen Krisis erst, die das deutsche Volk<lb/>
durchzumachen hatte, ist die Rheinprovinz ganz für Preußen und damit für Deutsch,<lb/>
land gewonnen worden. Erst im Verfassungskampfe um konstitutionelle Umbildung<lb/>
des hohenzollernschen Staates vollzog sich die völlige Verschmelzung der neuen<lb/>
Gebiete im Westen nut dem Kernlande Preußens. Zugleich warb Heinrich von<lb/>
Gagern um den preußischen Staat, daß er sich selbst und sein eigenes Leben auf¬<lb/>
gebe um Deutschlands willen. Die Oktroyierung der ersten preußischen Verfassung vom<lb/>
6, Dezember 1848 schien in der Tat zeitweise die Möglichkeit einer Verständigung<lb/>
zwischen den &#x201E;schwarz-weißen" Anhängern des Alten und der &#x201E;schwarz-rot-goldenen"<lb/>
Bewegung, die aus Frankfurt herandrängte,.zu eröffnen. König Friedrich Wilhelm<lb/>
der Vierte selbst spielte damals Wohl mit dem Lieblingsgedanken seiner patriarchalisch<lb/>
gerichteten Staatsanschauung, auf die Einrichtung der Prvvinzialstnnde zurück¬<lb/>
zugehen, diese jedoch neben den alten Geburtsständen durch eine breite Repräsen¬<lb/>
tation der Geistlichkeit, Schule, Wissenschaft und selbst der Zensuslosen zu stärken.<lb/>
Aber das richtige Gefühl, daß weder Preußen noch Deutschland zu solcher Revolution<lb/>
von oben reif genug seien, hemmte die Entwicklung. Das Programm der &#x201E;Neichs-<lb/>
terroristen" um den großdeutschen Max von Gagern, &#x201E;daß das Haus Hohenzollern<lb/>
gegen die erbliche Krone eines neuen Deutschen Reiches verzichten müsse auf das<lb/>
abgeschlossene, überspannte brandenburgische Königtum, das einst unser altes<lb/>
deutsches Reich zugrunde gerichtet hat", mußte selbst eifrige Freunde und Anhänger<lb/>
eines bewußten Einheitsstrebens bedenklich machen. Gerade die Vertreter des<lb/>
rheinischen Liberalismus, die ursprünglich doch die Verknüpfung deutscher und<lb/>
preußischer Gedanken vermittelten, konnten sich dieser Forderung nicht anschließen.<lb/>
»Sie hatten mit solchem Eifer für die Verschmelzung der Rheinlande mit dem<lb/>
preußischen Staate und zugleich für die Erfüllung desselben mit liberalen Ideen<lb/>
gekämpft, daß ihnen der preußische Staatsgedanke dadurch selbst ans Herz wuchs".<lb/>
Und willig folgten sie dem Staate ihrer Geburt und ihrer Wahl, als dieser nach<lb/>
den schweren Tagen der Konfliktszeit und nach den Schlägen von Königgrätz sich<lb/>
abermals anschickte, nach Deutschland aufzugreifen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1242" next="#ID_1243"> Die Annexionen von Schleswig-Holstein, von Hannover, Kurhessen. Nassau<lb/>
und Frankfurt machten, nach einem von Bismarck gebilligten offiziösen Worte,<lb/>
gut, was der Neid und die Eifersucht der übrigen Staaten fünfzig Jahre zuvor<lb/>
an Preußen gesündigt hatten. &#x201E;Während es seine durch Friedrich den Großen<lb/>
geschaffen« Stellung als Großmacht bisher nur durch die äußerste Anspannung<lb/>
aller Volkskuiste aufrecht erhalten konnte, hat es jetzt durch die Ausfüllung und<lb/>
Abrundung seines Ländergebietes in Nord- und Mitteldeutschland erst die 'wahr-<lb/>
Mft naturgemäße Grundlage einer Großmacht an Land und Leuten gewonnen".<lb/>
Darüber hinaus aber setzten die preußischen Anträge zur Berufung eines aus<lb/>
allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen hervorgehenden deutschen Parlaments<lb/>
bereits vor dem Ausbruch des Bruderkrieges planvoll die Politik der &#x201E;preußischen<lb/>
Jakobiner" von 1815 fort. Wie damals einem sich territorialer Landgewinn nach<lb/>
festen und moralische Eroberungen in Süddeutschland &#x201E;zur Befestigung und Er¬<lb/>
höhung der preußischen Machtstellung in Deutschland und damit zugleich der<lb/>
nationalen Macht des deutsche» Vaterlandes". Deutsche und preußische &#x201E;Mvtiven-<lb/>
rechen", der Gegensatz zu Osterreich und zu den Liberalen des Berliner Abgeord¬<lb/>
netenhauses, hatten den pommerschen Junker damals zur Mobilmachung des<lb/>
'/eigentlichen Volkes" geführt. Erst die Erkenntnis, daß selbst das Dreiklassen-<lb/>
^ahlrecht, das er damals bekanntlich in überwallenden Zorn auf den Fortschritt<lb/>
oas elendeste aller Wahlsysteme genannt hat, wandlungsfühig sei und neue, bessere</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0335] Deutsche Flurbereinigung Gedanke, daß Preußen, um in Deutschland zu regieren, zuvörderst sich selbst liberal regieren müsse, ist fortan ein wesentliches Prinzip der preußisch-deutschen Bewegung in und außerhalb Preußens". Über die Flugschriften und Berichte eines Paul Pfizer und Friedrich von Gagern führt er die Staaten des alten Rheinbundes unmittelbar hinein in die Tage der deutschen Revolution, in denen alle' diese großen Fragen der verfassungsmäßigen Einigung Kleindeutschlands ihre Läuterung finden sollten. Inmitten dieser größten innerpolitischen Krisis erst, die das deutsche Volk durchzumachen hatte, ist die Rheinprovinz ganz für Preußen und damit für Deutsch, land gewonnen worden. Erst im Verfassungskampfe um konstitutionelle Umbildung des hohenzollernschen Staates vollzog sich die völlige Verschmelzung der neuen Gebiete im Westen nut dem Kernlande Preußens. Zugleich warb Heinrich von Gagern um den preußischen Staat, daß er sich selbst und sein eigenes Leben auf¬ gebe um Deutschlands willen. Die Oktroyierung der ersten preußischen Verfassung vom 6, Dezember 1848 schien in der Tat zeitweise die Möglichkeit einer Verständigung zwischen den „schwarz-weißen" Anhängern des Alten und der „schwarz-rot-goldenen" Bewegung, die aus Frankfurt herandrängte,.zu eröffnen. König Friedrich Wilhelm der Vierte selbst spielte damals Wohl mit dem Lieblingsgedanken seiner patriarchalisch gerichteten Staatsanschauung, auf die Einrichtung der Prvvinzialstnnde zurück¬ zugehen, diese jedoch neben den alten Geburtsständen durch eine breite Repräsen¬ tation der Geistlichkeit, Schule, Wissenschaft und selbst der Zensuslosen zu stärken. Aber das richtige Gefühl, daß weder Preußen noch Deutschland zu solcher Revolution von oben reif genug seien, hemmte die Entwicklung. Das Programm der „Neichs- terroristen" um den großdeutschen Max von Gagern, „daß das Haus Hohenzollern gegen die erbliche Krone eines neuen Deutschen Reiches verzichten müsse auf das abgeschlossene, überspannte brandenburgische Königtum, das einst unser altes deutsches Reich zugrunde gerichtet hat", mußte selbst eifrige Freunde und Anhänger eines bewußten Einheitsstrebens bedenklich machen. Gerade die Vertreter des rheinischen Liberalismus, die ursprünglich doch die Verknüpfung deutscher und preußischer Gedanken vermittelten, konnten sich dieser Forderung nicht anschließen. »Sie hatten mit solchem Eifer für die Verschmelzung der Rheinlande mit dem preußischen Staate und zugleich für die Erfüllung desselben mit liberalen Ideen gekämpft, daß ihnen der preußische Staatsgedanke dadurch selbst ans Herz wuchs". Und willig folgten sie dem Staate ihrer Geburt und ihrer Wahl, als dieser nach den schweren Tagen der Konfliktszeit und nach den Schlägen von Königgrätz sich abermals anschickte, nach Deutschland aufzugreifen. Die Annexionen von Schleswig-Holstein, von Hannover, Kurhessen. Nassau und Frankfurt machten, nach einem von Bismarck gebilligten offiziösen Worte, gut, was der Neid und die Eifersucht der übrigen Staaten fünfzig Jahre zuvor an Preußen gesündigt hatten. „Während es seine durch Friedrich den Großen geschaffen« Stellung als Großmacht bisher nur durch die äußerste Anspannung aller Volkskuiste aufrecht erhalten konnte, hat es jetzt durch die Ausfüllung und Abrundung seines Ländergebietes in Nord- und Mitteldeutschland erst die 'wahr- Mft naturgemäße Grundlage einer Großmacht an Land und Leuten gewonnen". Darüber hinaus aber setzten die preußischen Anträge zur Berufung eines aus allgemeinen, gleichen und geheimen Wahlen hervorgehenden deutschen Parlaments bereits vor dem Ausbruch des Bruderkrieges planvoll die Politik der „preußischen Jakobiner" von 1815 fort. Wie damals einem sich territorialer Landgewinn nach festen und moralische Eroberungen in Süddeutschland „zur Befestigung und Er¬ höhung der preußischen Machtstellung in Deutschland und damit zugleich der nationalen Macht des deutsche» Vaterlandes". Deutsche und preußische „Mvtiven- rechen", der Gegensatz zu Osterreich und zu den Liberalen des Berliner Abgeord¬ netenhauses, hatten den pommerschen Junker damals zur Mobilmachung des '/eigentlichen Volkes" geführt. Erst die Erkenntnis, daß selbst das Dreiklassen- ^ahlrecht, das er damals bekanntlich in überwallenden Zorn auf den Fortschritt oas elendeste aller Wahlsysteme genannt hat, wandlungsfühig sei und neue, bessere

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/335
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/335>, abgerufen am 22.07.2024.