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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Die Parteien und die Ankunft unserer Regierungsform

. Zugleich ist aber auch ein weiterer Irrtum des Formeldenkens deutlich ge¬
worden. Nicht nur steht man innerhalb der Parteien in recht verschiedenen Ab¬
ständen vom Ziel -- dieses ist auch überhaupt nicht in allen Fällen das gleicheI
M. a. W.: was man sich unter Parlamentarismus denkt, nimmt sich hier und
dort und wieder an einer anderen Stelle recht verschieden aus.

Auch dieses Problem hat bei uns im Laufe der Jahre hinsichtlich seiner
begrifflichen Lösung Fortschritte gemacht, obwohl deutsche Gedankenarbeit sich in
der Regel andere Betätigungsgebiete suchte. Wir wollen im allgemeinen --
mit den üblichen naiven oder böswilligen Ausnahmen -- nichts mehr wissen von
dem alleinseligmachenden Univcrsalschema der "guten" Verfassung (Dahlmann),
wie es der ältere Liberalismus in doktrinärem Glauben an Englands Erbweis¬
heit und ihre Propheten (von Montesquieu angefangen) aufrichtete. Man ist
über die Zeiten hinweg, wo Parlamentarismus und Konstitutionalismus als
gleiche Größen behandelt wurden, wie das beispielsweise im Deutschen Reichstage
noch während der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts geschah/)

Namentlich der Krieg hat hier wesentlichen Einfluß geübt, indem er weiten
Kreisen die Illusion der westlichen "Demokratien" zerstörte. "Das Schlagwort
Demokratie, mit dem England und seine Gefolgschaft hausieren gehen, darf uns
nicht blenden, damit wir nicht wie Insekten in ein vel sengendes Licht hinein¬
flattern." In diesen Worten eines -- Gewerkschaftsvorsitzenden lebt die Erkennt¬
nis, daß wir uns vor einer blinden Nachahmung fremder Verfassungseinrichtungen
hüten müssen. Das schließt naturlich nicht aus, wirklich Gutes und Bewährtes
zu nehmen, wo man es findet, und die heimischen Zustände in einer Richtung
fortzubilden, die sich nach dem wenigstens theoretisch im Westen vertretetenen Grund¬
sätze gesteigerten Volkseinflusses orientiert.

Es ist noch nicht lange her, da glaubte unsere Staatslehre und Ver¬
fassungsgeschichte den preußisch-deutschen Typus eines monarchisch-konstitutionellen
"Staatswesens als die eigentümliche heimische Abart dem englischen Parla¬
mentarismus samt seinen plauetanschen Nachbildungen gegenüberstellen zu können.
Ähnlich scheint ja Minister Dr. Friedberg in seiner oben erwähnten Rede trennen
zu wollen, nur daß bet seinem Vorschlage auf dem Worte Parlamentarismus,
nicht mehr auf "monarchisch-konstitutionell" der Nachdruck liegt. Wie weit dem
eine sachliche Verschiedenheit entspricht, läßt sich aus dem Zeitungsabdrucke der
Rede nicht entnehmen. Denn es kommt, wie gesagt, alles darauf ein, was man
unter Parlamentarismus versteht. Der Minister erläuterte den "deutschen" Parla¬
mentarismus als "engere Fühlung zwischen der Volksvertretung und dem Parla¬
ment", darin also mit dem Zentralvorstand seiner Partei (vgl. oben) völlig über¬
einstimmend, und er will diese engere Fühlung durch eine beschränkte Personal¬
union zwischen Abgeordneten- und Regierungsstellen gleichsam garantieren.

Die eigentliche Kardinalfrage, von welchem staatlichen Willenszentrum
Bildung und Bestand des so zusammengesetzten Kabinetts abhängen, ist hier also
umgangen!"

DaS "Berliner Tageblatt -- in seinem Kommentar zur Solinger Rede --
geht sofort an den Nerv der Dinge heran. Vom "deutschen" Parlamentarismus
schreibt das Blatt: "Auch wir haben nichts dagegen", um sogleich fortzufahren:
"Der Kernpunkt des parlamentarischen Systems liegt eben ganz wo anders. Die
Hauptsache ist nämlich, daß das Kabinett zurücktreten muß, wenn ihm die Mehr¬
heit des Parlaments ihr Vertrauen entzieht. Alles andere sind Nebensächlich¬
keiten." In der Tat! Die Hauptsache aber bedeutet, der Leser wolle sich der
Bemerkungen in Heft 9 erinnern, cle Koko die Republik als Staatsform. Denn
mit jenem "muß" ist der Einfluß der Krone auf die Ministerernennung aus¬
geschaltet.

Zweifellos zielen die Bestrebungen der "orthodoxen" Neuorientierung in
diese Richtung; vorderhand wird allerdings meist versichert, die Dinge wären



-) S. "Politische Wochenschrift" Jahrg. !l, S. 164.
Die Parteien und die Ankunft unserer Regierungsform

. Zugleich ist aber auch ein weiterer Irrtum des Formeldenkens deutlich ge¬
worden. Nicht nur steht man innerhalb der Parteien in recht verschiedenen Ab¬
ständen vom Ziel — dieses ist auch überhaupt nicht in allen Fällen das gleicheI
M. a. W.: was man sich unter Parlamentarismus denkt, nimmt sich hier und
dort und wieder an einer anderen Stelle recht verschieden aus.

Auch dieses Problem hat bei uns im Laufe der Jahre hinsichtlich seiner
begrifflichen Lösung Fortschritte gemacht, obwohl deutsche Gedankenarbeit sich in
der Regel andere Betätigungsgebiete suchte. Wir wollen im allgemeinen —
mit den üblichen naiven oder böswilligen Ausnahmen — nichts mehr wissen von
dem alleinseligmachenden Univcrsalschema der „guten" Verfassung (Dahlmann),
wie es der ältere Liberalismus in doktrinärem Glauben an Englands Erbweis¬
heit und ihre Propheten (von Montesquieu angefangen) aufrichtete. Man ist
über die Zeiten hinweg, wo Parlamentarismus und Konstitutionalismus als
gleiche Größen behandelt wurden, wie das beispielsweise im Deutschen Reichstage
noch während der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts geschah/)

Namentlich der Krieg hat hier wesentlichen Einfluß geübt, indem er weiten
Kreisen die Illusion der westlichen „Demokratien" zerstörte. „Das Schlagwort
Demokratie, mit dem England und seine Gefolgschaft hausieren gehen, darf uns
nicht blenden, damit wir nicht wie Insekten in ein vel sengendes Licht hinein¬
flattern." In diesen Worten eines — Gewerkschaftsvorsitzenden lebt die Erkennt¬
nis, daß wir uns vor einer blinden Nachahmung fremder Verfassungseinrichtungen
hüten müssen. Das schließt naturlich nicht aus, wirklich Gutes und Bewährtes
zu nehmen, wo man es findet, und die heimischen Zustände in einer Richtung
fortzubilden, die sich nach dem wenigstens theoretisch im Westen vertretetenen Grund¬
sätze gesteigerten Volkseinflusses orientiert.

Es ist noch nicht lange her, da glaubte unsere Staatslehre und Ver¬
fassungsgeschichte den preußisch-deutschen Typus eines monarchisch-konstitutionellen
«Staatswesens als die eigentümliche heimische Abart dem englischen Parla¬
mentarismus samt seinen plauetanschen Nachbildungen gegenüberstellen zu können.
Ähnlich scheint ja Minister Dr. Friedberg in seiner oben erwähnten Rede trennen
zu wollen, nur daß bet seinem Vorschlage auf dem Worte Parlamentarismus,
nicht mehr auf „monarchisch-konstitutionell" der Nachdruck liegt. Wie weit dem
eine sachliche Verschiedenheit entspricht, läßt sich aus dem Zeitungsabdrucke der
Rede nicht entnehmen. Denn es kommt, wie gesagt, alles darauf ein, was man
unter Parlamentarismus versteht. Der Minister erläuterte den „deutschen" Parla¬
mentarismus als „engere Fühlung zwischen der Volksvertretung und dem Parla¬
ment", darin also mit dem Zentralvorstand seiner Partei (vgl. oben) völlig über¬
einstimmend, und er will diese engere Fühlung durch eine beschränkte Personal¬
union zwischen Abgeordneten- und Regierungsstellen gleichsam garantieren.

Die eigentliche Kardinalfrage, von welchem staatlichen Willenszentrum
Bildung und Bestand des so zusammengesetzten Kabinetts abhängen, ist hier also
umgangen!"

DaS „Berliner Tageblatt — in seinem Kommentar zur Solinger Rede —
geht sofort an den Nerv der Dinge heran. Vom „deutschen" Parlamentarismus
schreibt das Blatt: „Auch wir haben nichts dagegen", um sogleich fortzufahren:
„Der Kernpunkt des parlamentarischen Systems liegt eben ganz wo anders. Die
Hauptsache ist nämlich, daß das Kabinett zurücktreten muß, wenn ihm die Mehr¬
heit des Parlaments ihr Vertrauen entzieht. Alles andere sind Nebensächlich¬
keiten." In der Tat! Die Hauptsache aber bedeutet, der Leser wolle sich der
Bemerkungen in Heft 9 erinnern, cle Koko die Republik als Staatsform. Denn
mit jenem „muß" ist der Einfluß der Krone auf die Ministerernennung aus¬
geschaltet.

Zweifellos zielen die Bestrebungen der „orthodoxen" Neuorientierung in
diese Richtung; vorderhand wird allerdings meist versichert, die Dinge wären



-) S. „Politische Wochenschrift" Jahrg. !l, S. 164.
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[0322] Die Parteien und die Ankunft unserer Regierungsform . Zugleich ist aber auch ein weiterer Irrtum des Formeldenkens deutlich ge¬ worden. Nicht nur steht man innerhalb der Parteien in recht verschiedenen Ab¬ ständen vom Ziel — dieses ist auch überhaupt nicht in allen Fällen das gleicheI M. a. W.: was man sich unter Parlamentarismus denkt, nimmt sich hier und dort und wieder an einer anderen Stelle recht verschieden aus. Auch dieses Problem hat bei uns im Laufe der Jahre hinsichtlich seiner begrifflichen Lösung Fortschritte gemacht, obwohl deutsche Gedankenarbeit sich in der Regel andere Betätigungsgebiete suchte. Wir wollen im allgemeinen — mit den üblichen naiven oder böswilligen Ausnahmen — nichts mehr wissen von dem alleinseligmachenden Univcrsalschema der „guten" Verfassung (Dahlmann), wie es der ältere Liberalismus in doktrinärem Glauben an Englands Erbweis¬ heit und ihre Propheten (von Montesquieu angefangen) aufrichtete. Man ist über die Zeiten hinweg, wo Parlamentarismus und Konstitutionalismus als gleiche Größen behandelt wurden, wie das beispielsweise im Deutschen Reichstage noch während der achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts geschah/) Namentlich der Krieg hat hier wesentlichen Einfluß geübt, indem er weiten Kreisen die Illusion der westlichen „Demokratien" zerstörte. „Das Schlagwort Demokratie, mit dem England und seine Gefolgschaft hausieren gehen, darf uns nicht blenden, damit wir nicht wie Insekten in ein vel sengendes Licht hinein¬ flattern." In diesen Worten eines — Gewerkschaftsvorsitzenden lebt die Erkennt¬ nis, daß wir uns vor einer blinden Nachahmung fremder Verfassungseinrichtungen hüten müssen. Das schließt naturlich nicht aus, wirklich Gutes und Bewährtes zu nehmen, wo man es findet, und die heimischen Zustände in einer Richtung fortzubilden, die sich nach dem wenigstens theoretisch im Westen vertretetenen Grund¬ sätze gesteigerten Volkseinflusses orientiert. Es ist noch nicht lange her, da glaubte unsere Staatslehre und Ver¬ fassungsgeschichte den preußisch-deutschen Typus eines monarchisch-konstitutionellen «Staatswesens als die eigentümliche heimische Abart dem englischen Parla¬ mentarismus samt seinen plauetanschen Nachbildungen gegenüberstellen zu können. Ähnlich scheint ja Minister Dr. Friedberg in seiner oben erwähnten Rede trennen zu wollen, nur daß bet seinem Vorschlage auf dem Worte Parlamentarismus, nicht mehr auf „monarchisch-konstitutionell" der Nachdruck liegt. Wie weit dem eine sachliche Verschiedenheit entspricht, läßt sich aus dem Zeitungsabdrucke der Rede nicht entnehmen. Denn es kommt, wie gesagt, alles darauf ein, was man unter Parlamentarismus versteht. Der Minister erläuterte den „deutschen" Parla¬ mentarismus als „engere Fühlung zwischen der Volksvertretung und dem Parla¬ ment", darin also mit dem Zentralvorstand seiner Partei (vgl. oben) völlig über¬ einstimmend, und er will diese engere Fühlung durch eine beschränkte Personal¬ union zwischen Abgeordneten- und Regierungsstellen gleichsam garantieren. Die eigentliche Kardinalfrage, von welchem staatlichen Willenszentrum Bildung und Bestand des so zusammengesetzten Kabinetts abhängen, ist hier also umgangen!" DaS „Berliner Tageblatt — in seinem Kommentar zur Solinger Rede — geht sofort an den Nerv der Dinge heran. Vom „deutschen" Parlamentarismus schreibt das Blatt: „Auch wir haben nichts dagegen", um sogleich fortzufahren: „Der Kernpunkt des parlamentarischen Systems liegt eben ganz wo anders. Die Hauptsache ist nämlich, daß das Kabinett zurücktreten muß, wenn ihm die Mehr¬ heit des Parlaments ihr Vertrauen entzieht. Alles andere sind Nebensächlich¬ keiten." In der Tat! Die Hauptsache aber bedeutet, der Leser wolle sich der Bemerkungen in Heft 9 erinnern, cle Koko die Republik als Staatsform. Denn mit jenem „muß" ist der Einfluß der Krone auf die Ministerernennung aus¬ geschaltet. Zweifellos zielen die Bestrebungen der „orthodoxen" Neuorientierung in diese Richtung; vorderhand wird allerdings meist versichert, die Dinge wären -) S. „Politische Wochenschrift" Jahrg. !l, S. 164.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/322>, abgerufen am 22.07.2024.