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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Wir brauchen Volkswirte!

sammenhänge. Sie bringen ja nach ihrer Dienstallsbildung nicht den geringsten
Betrag derartiger Kenntnisse mit in ihr Amt, manche der Herren wähnen sich nur
zur würdigen Repräsentation berufen und fühlen sich hoch erhaben über so schäbige.
Dinge wie Frachtengestaltung, Tarifschacher, Handelskammern usw. Als man die
Lücke gar zu bitter empfand, da legte man sich endlich Volkswirte als "Sach¬
verständige" zu, hütete sich jedoch, sie den Botschaften anzugliedern -- wie eS
andere Staaten taten, um ihren Agenten überall die beste Einführung und schärfste
Einsicht zu sichern -- oder sie gar in die Konsulatslaufbahn einzugliedern, sondern
ließ sie sich in kleinen Nebenposten herumdrücken. Es war kein Platz für sie im
Haushalt der "hochherrschaftlichen" Auslandsvertretung-, nur als AusHilfspersonal
ließ man sie zur Not gelten. Und das in einer Zeit, da das Wirtschaftsleben
immer stärker das Dasein der Völker durchdringt, ihnen den Platz im Weltgetriebe
anweist und im Frieden wie im Krieg ihre Schicksale bestimmt I In einer Zeit,
da die wirtschaftstechnischen Vorgänge immer verwickelter, ihre Verflechtungen mit
der Volkswohlfahrt immer engmaschiger werden und das Wirtschaftsleben immer
greller in die politischen Gestaltungen ausstrahltl Diese mangelhafte Rüstung hat
nichts zu tun mit ungenügender Entwicklung der Wirtschaftslvissenschäften, die
etwa die erforderlichen Vorkenntnisse zu beschaffen nicht befähigt gewesen wäre.
Wohl aber hängt sie zusammen mit den bereits erwähnten Mißständen. Einmal
ist zu wenig oder eigentlich nichts geschehen, um ihren Ergebnissen die erwünschte
Verbreitung zu verschaffen und Gelegenheit zur Anwendung zu gewährleisten. Zwei¬
tens war ihre Stellung innerhalb des Hochschulbetriebes und der akademischen
Studienordnung eine unglückliche. In ersterer Hinsicht wäre zu fordern, daß
jeder Verwaltungsjurist sich eine wirklich gründliche Kenntnis volkswirtschaftlicher
Disziplinen aneigne und solche durch eine Prüfung nachweise, die nicht wie heute
als nebensächlich angesehen würde. Weiterhin wäre es ratsam, ein Staatsexamen
einzuführen (etwa als Wirtschaftsreserendar), und diesen zu praktischer Verwaltungs-
tätigkeit bestimmten Leuten eine weitgesteckte Laufbahn vorzubehalten überall dort,
wo innerhalb der Staatsverwaltung wirtschaftliche Kenntnisse und Erfahrungen
in erster Linie und vor formal-juristischer Ausbildung erwünscht scheinen. Es
kämen vornehmlich hierbei in Frage etwa alle Finanzverwaltungen, die Sozial¬
versicherung, die Ministerien für Handel, Landwirtschaft, Eisenbahnen, sowie einige
Abteilungen der inneren Verwaltung, wie z.B. die Statistischen Ämter; ferner
die Handelsabteilung des Auswärtigen Amtes und dessen gesamter Auslandsdienst.
Alle diese Stellen würden ungeheuere Förderung ziehen aus einer starken Durch¬
setzung ihres so einseitig juristischen Personals durch erprobte Volkswirte. Und
die völlige Gleichberechtigung der letzteren, die die natürliche Voraussetzung
sein müßte, könnte der Würde der Juristen gewiß keinen Abbruch tun, vielleicht
eher durch fruchtbringende gemeinsame Arbeit zu deren durch den Ruf der Welt¬
fremdheit ins Wanken geratenen Ansehen beitragen.

Nun noch ein Wort zur falschen Eingliederung der Volkswirtschaftslehre in
den deutschen Hochschulbetrieb. Fast durchweg waren einst die,.Kameralwissenschasten"
den philosophischen Fakultäten zugewiesen worden, was gewiß der Weitung ihres
Forschungsbereiches förderlich gewesenist, vornehmlich durch die enge Berührung mit
der Philosophie und Geschichtswissenschaft. Später wurden sie in Preußen vielfach an
die juristische Fakultät verwiesen; in Süddeutschland hauptsächlich errichteten viele
Universitäten eigene staatswissenschaftliche Fakultäten, oder doch besondere Abtei¬
lungen an ihrer juristischen Fakultät. Schon diese unbestimmte Buntheit der Lage
zeugt deutlich dafür, daß man nicht recht wußte, was damit anzufangen war-
Zweifellos wäre die geeignetste Lösung eine eigene Fakultät, vorausgesetzt, daß
diese planmäßig dazu ausgebaut würde, um für den praktischen Verwaltungsdienst
tüchtige Fachmänner heranzubilden. Hierzu bedürfte sie der Heranziehung juristischer
Disziplinen, wie Staats- und Verwaltungsrecht, Völkerrecht, Verfassungskunde.
Diese Verknüpfung wäre wieder ihrerseits bedingt durch die Zusicherung einer
mit den Juristen gleichberechtigten Laufbahn im Staatsdienst. Zu welchem Zweck
würde man sonst die Leute mit weitem Gesichtskreis für den reinen Verwaltung^-


Wir brauchen Volkswirte!

sammenhänge. Sie bringen ja nach ihrer Dienstallsbildung nicht den geringsten
Betrag derartiger Kenntnisse mit in ihr Amt, manche der Herren wähnen sich nur
zur würdigen Repräsentation berufen und fühlen sich hoch erhaben über so schäbige.
Dinge wie Frachtengestaltung, Tarifschacher, Handelskammern usw. Als man die
Lücke gar zu bitter empfand, da legte man sich endlich Volkswirte als „Sach¬
verständige" zu, hütete sich jedoch, sie den Botschaften anzugliedern — wie eS
andere Staaten taten, um ihren Agenten überall die beste Einführung und schärfste
Einsicht zu sichern — oder sie gar in die Konsulatslaufbahn einzugliedern, sondern
ließ sie sich in kleinen Nebenposten herumdrücken. Es war kein Platz für sie im
Haushalt der „hochherrschaftlichen" Auslandsvertretung-, nur als AusHilfspersonal
ließ man sie zur Not gelten. Und das in einer Zeit, da das Wirtschaftsleben
immer stärker das Dasein der Völker durchdringt, ihnen den Platz im Weltgetriebe
anweist und im Frieden wie im Krieg ihre Schicksale bestimmt I In einer Zeit,
da die wirtschaftstechnischen Vorgänge immer verwickelter, ihre Verflechtungen mit
der Volkswohlfahrt immer engmaschiger werden und das Wirtschaftsleben immer
greller in die politischen Gestaltungen ausstrahltl Diese mangelhafte Rüstung hat
nichts zu tun mit ungenügender Entwicklung der Wirtschaftslvissenschäften, die
etwa die erforderlichen Vorkenntnisse zu beschaffen nicht befähigt gewesen wäre.
Wohl aber hängt sie zusammen mit den bereits erwähnten Mißständen. Einmal
ist zu wenig oder eigentlich nichts geschehen, um ihren Ergebnissen die erwünschte
Verbreitung zu verschaffen und Gelegenheit zur Anwendung zu gewährleisten. Zwei¬
tens war ihre Stellung innerhalb des Hochschulbetriebes und der akademischen
Studienordnung eine unglückliche. In ersterer Hinsicht wäre zu fordern, daß
jeder Verwaltungsjurist sich eine wirklich gründliche Kenntnis volkswirtschaftlicher
Disziplinen aneigne und solche durch eine Prüfung nachweise, die nicht wie heute
als nebensächlich angesehen würde. Weiterhin wäre es ratsam, ein Staatsexamen
einzuführen (etwa als Wirtschaftsreserendar), und diesen zu praktischer Verwaltungs-
tätigkeit bestimmten Leuten eine weitgesteckte Laufbahn vorzubehalten überall dort,
wo innerhalb der Staatsverwaltung wirtschaftliche Kenntnisse und Erfahrungen
in erster Linie und vor formal-juristischer Ausbildung erwünscht scheinen. Es
kämen vornehmlich hierbei in Frage etwa alle Finanzverwaltungen, die Sozial¬
versicherung, die Ministerien für Handel, Landwirtschaft, Eisenbahnen, sowie einige
Abteilungen der inneren Verwaltung, wie z.B. die Statistischen Ämter; ferner
die Handelsabteilung des Auswärtigen Amtes und dessen gesamter Auslandsdienst.
Alle diese Stellen würden ungeheuere Förderung ziehen aus einer starken Durch¬
setzung ihres so einseitig juristischen Personals durch erprobte Volkswirte. Und
die völlige Gleichberechtigung der letzteren, die die natürliche Voraussetzung
sein müßte, könnte der Würde der Juristen gewiß keinen Abbruch tun, vielleicht
eher durch fruchtbringende gemeinsame Arbeit zu deren durch den Ruf der Welt¬
fremdheit ins Wanken geratenen Ansehen beitragen.

Nun noch ein Wort zur falschen Eingliederung der Volkswirtschaftslehre in
den deutschen Hochschulbetrieb. Fast durchweg waren einst die,.Kameralwissenschasten"
den philosophischen Fakultäten zugewiesen worden, was gewiß der Weitung ihres
Forschungsbereiches förderlich gewesenist, vornehmlich durch die enge Berührung mit
der Philosophie und Geschichtswissenschaft. Später wurden sie in Preußen vielfach an
die juristische Fakultät verwiesen; in Süddeutschland hauptsächlich errichteten viele
Universitäten eigene staatswissenschaftliche Fakultäten, oder doch besondere Abtei¬
lungen an ihrer juristischen Fakultät. Schon diese unbestimmte Buntheit der Lage
zeugt deutlich dafür, daß man nicht recht wußte, was damit anzufangen war-
Zweifellos wäre die geeignetste Lösung eine eigene Fakultät, vorausgesetzt, daß
diese planmäßig dazu ausgebaut würde, um für den praktischen Verwaltungsdienst
tüchtige Fachmänner heranzubilden. Hierzu bedürfte sie der Heranziehung juristischer
Disziplinen, wie Staats- und Verwaltungsrecht, Völkerrecht, Verfassungskunde.
Diese Verknüpfung wäre wieder ihrerseits bedingt durch die Zusicherung einer
mit den Juristen gleichberechtigten Laufbahn im Staatsdienst. Zu welchem Zweck
würde man sonst die Leute mit weitem Gesichtskreis für den reinen Verwaltung^-


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[0262] Wir brauchen Volkswirte! sammenhänge. Sie bringen ja nach ihrer Dienstallsbildung nicht den geringsten Betrag derartiger Kenntnisse mit in ihr Amt, manche der Herren wähnen sich nur zur würdigen Repräsentation berufen und fühlen sich hoch erhaben über so schäbige. Dinge wie Frachtengestaltung, Tarifschacher, Handelskammern usw. Als man die Lücke gar zu bitter empfand, da legte man sich endlich Volkswirte als „Sach¬ verständige" zu, hütete sich jedoch, sie den Botschaften anzugliedern — wie eS andere Staaten taten, um ihren Agenten überall die beste Einführung und schärfste Einsicht zu sichern — oder sie gar in die Konsulatslaufbahn einzugliedern, sondern ließ sie sich in kleinen Nebenposten herumdrücken. Es war kein Platz für sie im Haushalt der „hochherrschaftlichen" Auslandsvertretung-, nur als AusHilfspersonal ließ man sie zur Not gelten. Und das in einer Zeit, da das Wirtschaftsleben immer stärker das Dasein der Völker durchdringt, ihnen den Platz im Weltgetriebe anweist und im Frieden wie im Krieg ihre Schicksale bestimmt I In einer Zeit, da die wirtschaftstechnischen Vorgänge immer verwickelter, ihre Verflechtungen mit der Volkswohlfahrt immer engmaschiger werden und das Wirtschaftsleben immer greller in die politischen Gestaltungen ausstrahltl Diese mangelhafte Rüstung hat nichts zu tun mit ungenügender Entwicklung der Wirtschaftslvissenschäften, die etwa die erforderlichen Vorkenntnisse zu beschaffen nicht befähigt gewesen wäre. Wohl aber hängt sie zusammen mit den bereits erwähnten Mißständen. Einmal ist zu wenig oder eigentlich nichts geschehen, um ihren Ergebnissen die erwünschte Verbreitung zu verschaffen und Gelegenheit zur Anwendung zu gewährleisten. Zwei¬ tens war ihre Stellung innerhalb des Hochschulbetriebes und der akademischen Studienordnung eine unglückliche. In ersterer Hinsicht wäre zu fordern, daß jeder Verwaltungsjurist sich eine wirklich gründliche Kenntnis volkswirtschaftlicher Disziplinen aneigne und solche durch eine Prüfung nachweise, die nicht wie heute als nebensächlich angesehen würde. Weiterhin wäre es ratsam, ein Staatsexamen einzuführen (etwa als Wirtschaftsreserendar), und diesen zu praktischer Verwaltungs- tätigkeit bestimmten Leuten eine weitgesteckte Laufbahn vorzubehalten überall dort, wo innerhalb der Staatsverwaltung wirtschaftliche Kenntnisse und Erfahrungen in erster Linie und vor formal-juristischer Ausbildung erwünscht scheinen. Es kämen vornehmlich hierbei in Frage etwa alle Finanzverwaltungen, die Sozial¬ versicherung, die Ministerien für Handel, Landwirtschaft, Eisenbahnen, sowie einige Abteilungen der inneren Verwaltung, wie z.B. die Statistischen Ämter; ferner die Handelsabteilung des Auswärtigen Amtes und dessen gesamter Auslandsdienst. Alle diese Stellen würden ungeheuere Förderung ziehen aus einer starken Durch¬ setzung ihres so einseitig juristischen Personals durch erprobte Volkswirte. Und die völlige Gleichberechtigung der letzteren, die die natürliche Voraussetzung sein müßte, könnte der Würde der Juristen gewiß keinen Abbruch tun, vielleicht eher durch fruchtbringende gemeinsame Arbeit zu deren durch den Ruf der Welt¬ fremdheit ins Wanken geratenen Ansehen beitragen. Nun noch ein Wort zur falschen Eingliederung der Volkswirtschaftslehre in den deutschen Hochschulbetrieb. Fast durchweg waren einst die,.Kameralwissenschasten" den philosophischen Fakultäten zugewiesen worden, was gewiß der Weitung ihres Forschungsbereiches förderlich gewesenist, vornehmlich durch die enge Berührung mit der Philosophie und Geschichtswissenschaft. Später wurden sie in Preußen vielfach an die juristische Fakultät verwiesen; in Süddeutschland hauptsächlich errichteten viele Universitäten eigene staatswissenschaftliche Fakultäten, oder doch besondere Abtei¬ lungen an ihrer juristischen Fakultät. Schon diese unbestimmte Buntheit der Lage zeugt deutlich dafür, daß man nicht recht wußte, was damit anzufangen war- Zweifellos wäre die geeignetste Lösung eine eigene Fakultät, vorausgesetzt, daß diese planmäßig dazu ausgebaut würde, um für den praktischen Verwaltungsdienst tüchtige Fachmänner heranzubilden. Hierzu bedürfte sie der Heranziehung juristischer Disziplinen, wie Staats- und Verwaltungsrecht, Völkerrecht, Verfassungskunde. Diese Verknüpfung wäre wieder ihrerseits bedingt durch die Zusicherung einer mit den Juristen gleichberechtigten Laufbahn im Staatsdienst. Zu welchem Zweck würde man sonst die Leute mit weitem Gesichtskreis für den reinen Verwaltung^-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/262>, abgerufen am 22.07.2024.