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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Lateinisch oder Katholisch!

uns den Ausweg durch die Adria abschnürt. Und wer sollte gar heute noch
unter national fühlenden deutschen Herzen es wagen, irgendeine Politik zu befür¬
worten, in der nicht die Erhaltung des Bundesverhältnisses zu Österreich-Ungarn
der Eckstein wäre! Eine Politik, der es irgendwie denkbar erschiene, den Bund
zwischen uns und der Donaumonarchie zu einer Episode zu machen, die ebenso¬
gut durch irgendwelche andere Kombinationen abgelöst werden könnte, setzt uns
der Gefahr aus, daß zwölf Millionen Volksgenossen für ruiner einem politischen
Sonderbewußtsein verfallen, wie die Schweizer oder die Niederländer. Das wäre
der größte Verlust, den unser Volkstum erleiden könnte. Keine noch so glänzenden
weltwirtschaftlichen Erfolge, keine noch so große Erwerbung in Afrika könnte ihn
ausgleichen. Wir haben schon nicht mehr die Wahl, ob wir uns um die Schaffung
einer mitteleuropäischen Einheit bemühen wollen. Wir müssen es tun, wenn uns
an der Einheit und Gesundheit unseres Volkstums etwas liegt, und wenn wir
die alten Fragen europäischer Politik im bisher russischen Westgebiet, am Balkan
und der Adria einer Lösung entgegenführen wollen, die uns endlich einmal Ruhe
vor ihnen verheißt. Was wir an Kraft übrig behalten, das mögen wir wieder
in Kolonialpolitik stecken, aber unsere Hauptaufgaben liegen in Europa. Ist das
nun der Fall, so ist die Kenntnis einer so alteingewurzelten, so spezifisch gesamt¬
europäischen Macht wie der katholischen Kirche für die deutsche Politik ganz be¬
sonders wichtig.

Es bedürfte eines solchen kleinen grundsätzlichen Ausblicks auf die Aufgaben
unserer Politik, um dem Leser zu zeigen, unter welchem Gesichtswinkel wir die
Angelegenheiten der katholischen Kirche ansehen müssen. Ein Volk, das eben
helfen will, aus eigenen nationalen Notwendigkeiten heraus helfen muß, Mittel¬
europa zu ordnen, ein Volk also, das vor einer Aufgabe europäischer Politik
allergrößten Stiles steht, kann nicht gleichgültig vorübergehen an den Lebens¬
erscheinungen einer so hervorragend in Europa wurzelnden Kulturmacht, wie der
katholischen Kirche. Unser Erfolg bei unseren mitteleuropäischen und europäischen
Aufgaben wird lehr maßgeblich beeinflußt sein von dem Wohl- oder Übelwollen
der katholischen Kirche. Es dürfte keinem Urteilsfähigen schwer fallen, sich klar
zu machen, daß die Feindschaft des internationalen Katholizismus ein böses Spreng¬
pulver für unsere mitteleuropäische Einheit wäre. Schon das Deutsche Reich hat
es im eigenen Innern erfahren, daß es gegen die katholische Kirche nicht regiert
werden kann, und es ist ein Zeichen der Zeit, daß heute ein ausgesprochen katho¬
lischer Politiker das Reich lenkt. Es wäre kein geringer Triumph unserer Staats¬
kunst, wenn es gelänge, den Katholizismus für den mitteleuropäischen Gedanken
zu interessieren. Die Aussicht darauf ist nicht schlecht, doch darf man sie noch
nicht für allzu sicher hallen. Abgesehen davon, daß in Deutschlands nicht-
katholischen Kreisen Stimmungen auftauchen könnten, die nicht scharf genug denken,
um der einfachen politischen Notwendigkeit Rechnung zu tragen, so wäre es ja
auch möglich, daß in der katholischen Kirche ausgesprochen deutschfeindliche Strö¬
mungen zur Macht kämen. Die über alles Maß feindselige Haltung, die ein
großer Teil des romanischen, namentlich der französische Katholizismus im Kriege
gegen Deutschland eingenommen hat, läßt Befürchtungen dieser Art durchaus nicht
als absurd erscheinen Ein doch zweifellos guter Kenner der Verhältnisse, wie
Professor Schrörs in seinem zitierten Buche, macht sich auch nach Friedensschluß
auf eine fortdauernde Vereinzelung der deutschen Katholiken innerhalb der Kirche
infolge der französischen Verleumdungen gefaßt. Wir müssen damit rechnen, daß
ein recht bedeutender Teil des gesamten .Katholizismus gegen uns verhetzt ist,
vielleicht sogar hier und da auf mitteleuropäischen Boden. Der französische
Katholizismus hat es im Kriege geradezu darauf angelegt, die gesamte Kirche in
Gegensatz zu Deutschland zu bringen, dem .Katholizismus ein spezifisch lateinisches,
antideutsches Wesen nachzusagen und unser Vaterland einschließlich unserer eigenen
Katholiken als kirchenfeindlich zu verleumden. Diese feindlichen Versuche und die
Gegenwehr unserer Katholiken sind keine lediglich katholischen Angelegenheiten,
sondern verdienen die Aufmerksamkeit unserer ganzen politischen Öffentlichkeit.


Lateinisch oder Katholisch!

uns den Ausweg durch die Adria abschnürt. Und wer sollte gar heute noch
unter national fühlenden deutschen Herzen es wagen, irgendeine Politik zu befür¬
worten, in der nicht die Erhaltung des Bundesverhältnisses zu Österreich-Ungarn
der Eckstein wäre! Eine Politik, der es irgendwie denkbar erschiene, den Bund
zwischen uns und der Donaumonarchie zu einer Episode zu machen, die ebenso¬
gut durch irgendwelche andere Kombinationen abgelöst werden könnte, setzt uns
der Gefahr aus, daß zwölf Millionen Volksgenossen für ruiner einem politischen
Sonderbewußtsein verfallen, wie die Schweizer oder die Niederländer. Das wäre
der größte Verlust, den unser Volkstum erleiden könnte. Keine noch so glänzenden
weltwirtschaftlichen Erfolge, keine noch so große Erwerbung in Afrika könnte ihn
ausgleichen. Wir haben schon nicht mehr die Wahl, ob wir uns um die Schaffung
einer mitteleuropäischen Einheit bemühen wollen. Wir müssen es tun, wenn uns
an der Einheit und Gesundheit unseres Volkstums etwas liegt, und wenn wir
die alten Fragen europäischer Politik im bisher russischen Westgebiet, am Balkan
und der Adria einer Lösung entgegenführen wollen, die uns endlich einmal Ruhe
vor ihnen verheißt. Was wir an Kraft übrig behalten, das mögen wir wieder
in Kolonialpolitik stecken, aber unsere Hauptaufgaben liegen in Europa. Ist das
nun der Fall, so ist die Kenntnis einer so alteingewurzelten, so spezifisch gesamt¬
europäischen Macht wie der katholischen Kirche für die deutsche Politik ganz be¬
sonders wichtig.

Es bedürfte eines solchen kleinen grundsätzlichen Ausblicks auf die Aufgaben
unserer Politik, um dem Leser zu zeigen, unter welchem Gesichtswinkel wir die
Angelegenheiten der katholischen Kirche ansehen müssen. Ein Volk, das eben
helfen will, aus eigenen nationalen Notwendigkeiten heraus helfen muß, Mittel¬
europa zu ordnen, ein Volk also, das vor einer Aufgabe europäischer Politik
allergrößten Stiles steht, kann nicht gleichgültig vorübergehen an den Lebens¬
erscheinungen einer so hervorragend in Europa wurzelnden Kulturmacht, wie der
katholischen Kirche. Unser Erfolg bei unseren mitteleuropäischen und europäischen
Aufgaben wird lehr maßgeblich beeinflußt sein von dem Wohl- oder Übelwollen
der katholischen Kirche. Es dürfte keinem Urteilsfähigen schwer fallen, sich klar
zu machen, daß die Feindschaft des internationalen Katholizismus ein böses Spreng¬
pulver für unsere mitteleuropäische Einheit wäre. Schon das Deutsche Reich hat
es im eigenen Innern erfahren, daß es gegen die katholische Kirche nicht regiert
werden kann, und es ist ein Zeichen der Zeit, daß heute ein ausgesprochen katho¬
lischer Politiker das Reich lenkt. Es wäre kein geringer Triumph unserer Staats¬
kunst, wenn es gelänge, den Katholizismus für den mitteleuropäischen Gedanken
zu interessieren. Die Aussicht darauf ist nicht schlecht, doch darf man sie noch
nicht für allzu sicher hallen. Abgesehen davon, daß in Deutschlands nicht-
katholischen Kreisen Stimmungen auftauchen könnten, die nicht scharf genug denken,
um der einfachen politischen Notwendigkeit Rechnung zu tragen, so wäre es ja
auch möglich, daß in der katholischen Kirche ausgesprochen deutschfeindliche Strö¬
mungen zur Macht kämen. Die über alles Maß feindselige Haltung, die ein
großer Teil des romanischen, namentlich der französische Katholizismus im Kriege
gegen Deutschland eingenommen hat, läßt Befürchtungen dieser Art durchaus nicht
als absurd erscheinen Ein doch zweifellos guter Kenner der Verhältnisse, wie
Professor Schrörs in seinem zitierten Buche, macht sich auch nach Friedensschluß
auf eine fortdauernde Vereinzelung der deutschen Katholiken innerhalb der Kirche
infolge der französischen Verleumdungen gefaßt. Wir müssen damit rechnen, daß
ein recht bedeutender Teil des gesamten .Katholizismus gegen uns verhetzt ist,
vielleicht sogar hier und da auf mitteleuropäischen Boden. Der französische
Katholizismus hat es im Kriege geradezu darauf angelegt, die gesamte Kirche in
Gegensatz zu Deutschland zu bringen, dem .Katholizismus ein spezifisch lateinisches,
antideutsches Wesen nachzusagen und unser Vaterland einschließlich unserer eigenen
Katholiken als kirchenfeindlich zu verleumden. Diese feindlichen Versuche und die
Gegenwehr unserer Katholiken sind keine lediglich katholischen Angelegenheiten,
sondern verdienen die Aufmerksamkeit unserer ganzen politischen Öffentlichkeit.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/254>, abgerufen am 22.07.2024.