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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Nationale Besinnungen

um seiner "größeren" Objektivität willen -- mehr ist es nicht -- die wütendsten
Anwürfe der Pariser Hetzpresse über sich ergehen lassen mutzte, schreibt Ende 1914
zunächst ganz im Geiste der hier vertretenen nationalen Besinnung: "Wer wird
die Idole zerbrechen? Wer ihren fanatischen Anhängern die Augen öffnen? Wer
wird sie verstehen heißen, daß keine Gottheit ihres Geistes das Recht hat, sich
anderen Menschen mit Gewalt aufzudrängen, selbst wenn sie die beste scheint, noch
sie zu verachten." "Zugegeben, so wendet er sich an die Deutschen, daß Eure
.Kultur' unter Eurem deutschen Dünger die Menschenpflanze fetter und
üppiger treiben läßt, wer gibt Euch das Recht, ihr Gärtner zu sein? Kultiviert
Ihr Euren Garten, wir kultivieren den unsrigen." Dann aber heißt es weiter:
"Es gibt eine heilige Blume, für die ich alle Erzeugnisse Eurer Hausflora
hingeben würde. Das wilde Veilchen der Freiheit. Ihr kümmert Euch nicht
darum, Ihr tretet es unter die Füße. Aber es wird nicht sterben, es wird länger
dauern als Eure großartigen Kasernen und Treibhäuser____" Wie sehr straft
dieser Prediger seine eigenen Worte Lügen, wie bringt er sich und den Leser um
den reinen Genuß seines gleich darauf folgenden Ausrufs an die "Intellektuellen
Deutschlands und Frankreichs", die Acker ihres Geistes zu bestellen, aber die der
anderen zu achten, einander ins Auge zu blicken und das Bruderherz im gleichen
Leiden und Hoffen, im gleichen "Egoismus" und "Heroismus" schlagen zu hören!?
War es dem, der solche Worte fand, nicht möglich, den germanischen "Streitern
der Kultur" das gleiche ideale Streben zuzubilligen, wie den romanischen der
Zivilisation und nur die Formen in beiden Fällen zu unterscheiden? Nun wohl,
ergreifen wir das Banner, das seine Hand nicht bis zum Ende hochgehalten hat.
Es ist ein schweres Beginnen, in diejem Kampfe um Tod und Leben an etwas
Höheres zu denken, als die eigenen Interessen, aber wenn unser Anpassungs¬
vermögen an fremde Völker zu einem Nationalfehler geworden ist, so haben wir
auch von jeher die Tugend jenes Fehlers besessen, nämlich das "Verständnis für
die Mentalität anderer Völker", daS nach ausländischem Urteil in der Vergangenheit
ein Vorrecht des deutschen Geistes und einer seiner Ansprüche auf Anerkennung
der Welt gewesen ist.

Man darf nicht verkennen, daß auch wir uns im Eifer des Gefechts Blößen
gegeben haben. Die Literatur des gutgemeinten "patriotischen" Schwarzwei߬
malens scheidet hierbei natürlich von vornherein aus, aber auch bei anspruchs-
volleren Schriftstellern, ja bis in die Kreise unserer geistigen Elite hinein, be¬
gegnen Entgleisungen und Einseitigkeiten, die wegen des Ansehens ihrer Urheber
nicht nur dem Gegner braueme Handhaben bieten, sondern das eigene Volk
nur verwirren können. Ein paar Beispiele: Kurz vor der oben zitierten Stelle
erwähnt Rolland Äußerungen Wilhelm Ostwalds, die dieser gegenüber einem
Redakteur der schwedischen Zeitung "Dagen" getan haben soll. Danach sagte
der berühmte deutsche Gelehrte u. a.: "Ich will Ihnen jetzt das große Geheimnis
Deutschlands erklären. Wir, oder vielmehr die deutsche Rasse haben den Faktor
der Organisation entdeckt. Die anderen Völker leben unter der Herrschaft des
Individualismus, wir unter derjenigen der Organisation. Die Stufe der Organi¬
sation ist eine höhere Stufe der Zivilisation. Deutschland will Europa organisieren,
denn bis jetzt ist Europa noch nicht organisiert. Bei uns strebt alles danach, aus
jedem Individuum ein Maximum von Hingebung in dem für die Gesellschaft
günstigsten Sinne zu erzielen. Darin be.steht für uns ihre höhere Form. Der
Krieg wird sie (die anderen Völker) in der Form dieser Organisation unserer
höheren Zivilisation teilhaftig machen." Kann man es einem Ausländer verargen,
wenn er aus solchen Reden die schiefsten Schlüsse zieht? Was nützt es, daß sie
sicherlich nicht so gemeint sind, daß ihnen eine wahre Erkenntnis zugrunde liegt*)
-- Rolland bemerkt von ihnen und ähnlichen: "l'^IIemaZne ne pouvait oikrir
et'frac plus torrible contre eile", und er hat leider Recht.



") Siehe weiter unten.
Nationale Besinnungen

um seiner „größeren" Objektivität willen — mehr ist es nicht — die wütendsten
Anwürfe der Pariser Hetzpresse über sich ergehen lassen mutzte, schreibt Ende 1914
zunächst ganz im Geiste der hier vertretenen nationalen Besinnung: „Wer wird
die Idole zerbrechen? Wer ihren fanatischen Anhängern die Augen öffnen? Wer
wird sie verstehen heißen, daß keine Gottheit ihres Geistes das Recht hat, sich
anderen Menschen mit Gewalt aufzudrängen, selbst wenn sie die beste scheint, noch
sie zu verachten." „Zugegeben, so wendet er sich an die Deutschen, daß Eure
.Kultur' unter Eurem deutschen Dünger die Menschenpflanze fetter und
üppiger treiben läßt, wer gibt Euch das Recht, ihr Gärtner zu sein? Kultiviert
Ihr Euren Garten, wir kultivieren den unsrigen." Dann aber heißt es weiter:
„Es gibt eine heilige Blume, für die ich alle Erzeugnisse Eurer Hausflora
hingeben würde. Das wilde Veilchen der Freiheit. Ihr kümmert Euch nicht
darum, Ihr tretet es unter die Füße. Aber es wird nicht sterben, es wird länger
dauern als Eure großartigen Kasernen und Treibhäuser____" Wie sehr straft
dieser Prediger seine eigenen Worte Lügen, wie bringt er sich und den Leser um
den reinen Genuß seines gleich darauf folgenden Ausrufs an die „Intellektuellen
Deutschlands und Frankreichs", die Acker ihres Geistes zu bestellen, aber die der
anderen zu achten, einander ins Auge zu blicken und das Bruderherz im gleichen
Leiden und Hoffen, im gleichen „Egoismus" und „Heroismus" schlagen zu hören!?
War es dem, der solche Worte fand, nicht möglich, den germanischen „Streitern
der Kultur" das gleiche ideale Streben zuzubilligen, wie den romanischen der
Zivilisation und nur die Formen in beiden Fällen zu unterscheiden? Nun wohl,
ergreifen wir das Banner, das seine Hand nicht bis zum Ende hochgehalten hat.
Es ist ein schweres Beginnen, in diejem Kampfe um Tod und Leben an etwas
Höheres zu denken, als die eigenen Interessen, aber wenn unser Anpassungs¬
vermögen an fremde Völker zu einem Nationalfehler geworden ist, so haben wir
auch von jeher die Tugend jenes Fehlers besessen, nämlich das „Verständnis für
die Mentalität anderer Völker", daS nach ausländischem Urteil in der Vergangenheit
ein Vorrecht des deutschen Geistes und einer seiner Ansprüche auf Anerkennung
der Welt gewesen ist.

Man darf nicht verkennen, daß auch wir uns im Eifer des Gefechts Blößen
gegeben haben. Die Literatur des gutgemeinten „patriotischen" Schwarzwei߬
malens scheidet hierbei natürlich von vornherein aus, aber auch bei anspruchs-
volleren Schriftstellern, ja bis in die Kreise unserer geistigen Elite hinein, be¬
gegnen Entgleisungen und Einseitigkeiten, die wegen des Ansehens ihrer Urheber
nicht nur dem Gegner braueme Handhaben bieten, sondern das eigene Volk
nur verwirren können. Ein paar Beispiele: Kurz vor der oben zitierten Stelle
erwähnt Rolland Äußerungen Wilhelm Ostwalds, die dieser gegenüber einem
Redakteur der schwedischen Zeitung „Dagen" getan haben soll. Danach sagte
der berühmte deutsche Gelehrte u. a.: „Ich will Ihnen jetzt das große Geheimnis
Deutschlands erklären. Wir, oder vielmehr die deutsche Rasse haben den Faktor
der Organisation entdeckt. Die anderen Völker leben unter der Herrschaft des
Individualismus, wir unter derjenigen der Organisation. Die Stufe der Organi¬
sation ist eine höhere Stufe der Zivilisation. Deutschland will Europa organisieren,
denn bis jetzt ist Europa noch nicht organisiert. Bei uns strebt alles danach, aus
jedem Individuum ein Maximum von Hingebung in dem für die Gesellschaft
günstigsten Sinne zu erzielen. Darin be.steht für uns ihre höhere Form. Der
Krieg wird sie (die anderen Völker) in der Form dieser Organisation unserer
höheren Zivilisation teilhaftig machen." Kann man es einem Ausländer verargen,
wenn er aus solchen Reden die schiefsten Schlüsse zieht? Was nützt es, daß sie
sicherlich nicht so gemeint sind, daß ihnen eine wahre Erkenntnis zugrunde liegt*)
— Rolland bemerkt von ihnen und ähnlichen: „l'^IIemaZne ne pouvait oikrir
et'frac plus torrible contre eile", und er hat leider Recht.



") Siehe weiter unten.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/230>, abgerufen am 22.07.2024.