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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Seite erstrebte Ziel zu erreichen. Grade das Beispiel Rumäniens sollte doch zeigen,
wie wenig damit getan ist. wenn ein Staat wider seinen Willen die Anerkennung
der jüdischen Gleichberechtigung auf einem internationalen Kongresse versprechen
muß. Er mag sie ruhig versprechen; wer gibt die Sicherheit dafür, das; er das
Versprechen auch hält? ^. ^. . ^

Aber für manche jüdischen Rationalisten ist die Geschichte nur dazu da, um
nichts daraus zu lernen. Ein völlig weltfremdes Jdeologentum erhebt hier allen
Ernstes Anspruch darauf, auf die Geschicke des Deutschen Reiches Einfluß zu ge¬
winnen. Nun besteht ja glücklicherweise nicht die Gefahr, daß die sehr achtbaren
Literaten um Büder gerade ins deutsche Auswärtige Amt berufen werden; aber
wir Juden haben alles Interesse, daran zu denken, daß nicht unsere Gemeinschaft
durch solche Amateurpolitiker geschädigt werde. Zurückzuweisen sind daher tue
Angriffe, die von nationaljüdischer Seite immer wieder gegen die deutsche Ver-
waltung in Polen und insbesondere auch gegen den jüdischen Reichstagsabgeord-
neten Ludwig Haas erhoben werden, der dort in verantwortlicher Stellung tätig
ist. Es ist gänzlich abwegig, wenn Behr es als ein Kapitalverbrechen der deutschen
Judenpolitik bezeichnet, daß man sich in Litauen dem indischen Nationalgedanken
sympathischer gegenüberstellt als in Polen. . > .

,.Es braucht nicht mehr in eine Untersuchung darüber eingetreten zu werden,
ob die polnischen Juden eine Nation darstellen oder nicht. Diese Frage ist er¬
ledigt, und wenn die deutsche Verwaltung in Ober-Ost mit euiem gewissen Nach¬
druck veröffentlichen läßt, daß sie an dem Begriff der Mischen Nationalität in
Litauen nicht zweifle und ihre Gleichstellung mit den anderen Nationen durch,
geführt habe, so beweist das am besten, daß diese Frage von der deutschen Ver¬
waltung nicht als eine prinzipielle, sondern als eine der politischen TakM^wird. In Ober-Ost paßt es in das politische System, die indische Nation an¬
zuerkennen, in Polen nicht und daher die sich entgegenstehende Auffassung der
beiden Verwaltungen. Man begreift, daß es den. jüdischen Volke wie eure Schmach
erscheinen muß, seine Existenzrechte lediglich unter dem Gesichtspunkte des politischen
Spiels gewertet zU sehen." (S. 584.) " ^ >-

Demgegenüber sind wir allerdings der Auffassung, daß man auswärtige
Politik nicht nach prinzipiellen, will sagen: doktrinären, sondern nach politischen
Rücksichten betreiben nutz. Ich halte - um es noch einmal zu wiederholen -
die ..nationale Heimstätte in Palästina" für ein Ziel, des Schweißes der Edeln
wert. Ich habe auch, so entschieden ich das Bestehen einer Mischen Nation in
Deutschland bestreite, stets den nationalen Charakter des Ostiudentums aner-
konnt, und ich meine, daß alle Bestrebungen der Oshuden. diese ihre nationale
Sonderexistenz zu schützen, unsere größte Sympathie verdienen. Nur in dem
kaun ich mich mit Herrn Behr nicht einverstanden erklaren, daß es die Aufgabe
des deutscheu Volkes wäre, für die jüdische Autonomie in Polen seine Haut zu
Markte zu tragen. Eine deutsche Regierung, die um der nationalen Rechte der
Juden willen sich die Polen unnötig verfeinden wollte, wurde keine acht Tage
im Amte bleiben. Und was wäre denn damit erreicht, wenn die deutsche Ver¬
waltung, gestillt auf ihre militärische Macht, von den Polen die nationale An¬
erkennung der Juden erzwingen sollte. Die nationale Empfindlichkeit der Polen
würde aufs äußerste gereizt' werden, und es würde sich diese Erbitterung nach
Friedensschluß in furchtbarer Weise gegen die kleine jüdische Minderheit Luft machen.

..Angesichts dieser Situation konnte die deutsche Regierung, wenn sie sich
nicht dem Vorwurf der Perfidio aussetzen wollte, unmöglich Maßnahmen im
jüdisch-nationalistischen oder zionistischen Sinne treffen. Sie mußte vielmehr sich
darauf beschränken, für die Juden diejenige Behandlung zu erreichen, welche in
Westeuropa üblich ist und müßte es einer späteren, okkupationsfreien Zeit über-
lassen, ob sich Juden und Polen im national-gelinden Sinn auseinandersetzen.
Die deutsche Verwaltung hielt es außerdem für unverantwortlich, diese wirtschaftlich
deklassierte, moralisch noch nicht ertüchtigte jüdische Masse dem Haß der wirt¬
schaftlichen Vertilgung durch ihre Schuld auszusetzen."


Englands Stellungnahme zum Zionismus

Seite erstrebte Ziel zu erreichen. Grade das Beispiel Rumäniens sollte doch zeigen,
wie wenig damit getan ist. wenn ein Staat wider seinen Willen die Anerkennung
der jüdischen Gleichberechtigung auf einem internationalen Kongresse versprechen
muß. Er mag sie ruhig versprechen; wer gibt die Sicherheit dafür, das; er das
Versprechen auch hält? ^. ^. . ^

Aber für manche jüdischen Rationalisten ist die Geschichte nur dazu da, um
nichts daraus zu lernen. Ein völlig weltfremdes Jdeologentum erhebt hier allen
Ernstes Anspruch darauf, auf die Geschicke des Deutschen Reiches Einfluß zu ge¬
winnen. Nun besteht ja glücklicherweise nicht die Gefahr, daß die sehr achtbaren
Literaten um Büder gerade ins deutsche Auswärtige Amt berufen werden; aber
wir Juden haben alles Interesse, daran zu denken, daß nicht unsere Gemeinschaft
durch solche Amateurpolitiker geschädigt werde. Zurückzuweisen sind daher tue
Angriffe, die von nationaljüdischer Seite immer wieder gegen die deutsche Ver-
waltung in Polen und insbesondere auch gegen den jüdischen Reichstagsabgeord-
neten Ludwig Haas erhoben werden, der dort in verantwortlicher Stellung tätig
ist. Es ist gänzlich abwegig, wenn Behr es als ein Kapitalverbrechen der deutschen
Judenpolitik bezeichnet, daß man sich in Litauen dem indischen Nationalgedanken
sympathischer gegenüberstellt als in Polen. . > .

,.Es braucht nicht mehr in eine Untersuchung darüber eingetreten zu werden,
ob die polnischen Juden eine Nation darstellen oder nicht. Diese Frage ist er¬
ledigt, und wenn die deutsche Verwaltung in Ober-Ost mit euiem gewissen Nach¬
druck veröffentlichen läßt, daß sie an dem Begriff der Mischen Nationalität in
Litauen nicht zweifle und ihre Gleichstellung mit den anderen Nationen durch,
geführt habe, so beweist das am besten, daß diese Frage von der deutschen Ver¬
waltung nicht als eine prinzipielle, sondern als eine der politischen TakM^wird. In Ober-Ost paßt es in das politische System, die indische Nation an¬
zuerkennen, in Polen nicht und daher die sich entgegenstehende Auffassung der
beiden Verwaltungen. Man begreift, daß es den. jüdischen Volke wie eure Schmach
erscheinen muß, seine Existenzrechte lediglich unter dem Gesichtspunkte des politischen
Spiels gewertet zU sehen." (S. 584.) „ ^ >-

Demgegenüber sind wir allerdings der Auffassung, daß man auswärtige
Politik nicht nach prinzipiellen, will sagen: doktrinären, sondern nach politischen
Rücksichten betreiben nutz. Ich halte - um es noch einmal zu wiederholen -
die ..nationale Heimstätte in Palästina" für ein Ziel, des Schweißes der Edeln
wert. Ich habe auch, so entschieden ich das Bestehen einer Mischen Nation in
Deutschland bestreite, stets den nationalen Charakter des Ostiudentums aner-
konnt, und ich meine, daß alle Bestrebungen der Oshuden. diese ihre nationale
Sonderexistenz zu schützen, unsere größte Sympathie verdienen. Nur in dem
kaun ich mich mit Herrn Behr nicht einverstanden erklaren, daß es die Aufgabe
des deutscheu Volkes wäre, für die jüdische Autonomie in Polen seine Haut zu
Markte zu tragen. Eine deutsche Regierung, die um der nationalen Rechte der
Juden willen sich die Polen unnötig verfeinden wollte, wurde keine acht Tage
im Amte bleiben. Und was wäre denn damit erreicht, wenn die deutsche Ver¬
waltung, gestillt auf ihre militärische Macht, von den Polen die nationale An¬
erkennung der Juden erzwingen sollte. Die nationale Empfindlichkeit der Polen
würde aufs äußerste gereizt' werden, und es würde sich diese Erbitterung nach
Friedensschluß in furchtbarer Weise gegen die kleine jüdische Minderheit Luft machen.

..Angesichts dieser Situation konnte die deutsche Regierung, wenn sie sich
nicht dem Vorwurf der Perfidio aussetzen wollte, unmöglich Maßnahmen im
jüdisch-nationalistischen oder zionistischen Sinne treffen. Sie mußte vielmehr sich
darauf beschränken, für die Juden diejenige Behandlung zu erreichen, welche in
Westeuropa üblich ist und müßte es einer späteren, okkupationsfreien Zeit über-
lassen, ob sich Juden und Polen im national-gelinden Sinn auseinandersetzen.
Die deutsche Verwaltung hielt es außerdem für unverantwortlich, diese wirtschaftlich
deklassierte, moralisch noch nicht ertüchtigte jüdische Masse dem Haß der wirt¬
schaftlichen Vertilgung durch ihre Schuld auszusetzen."


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[0225] Englands Stellungnahme zum Zionismus Seite erstrebte Ziel zu erreichen. Grade das Beispiel Rumäniens sollte doch zeigen, wie wenig damit getan ist. wenn ein Staat wider seinen Willen die Anerkennung der jüdischen Gleichberechtigung auf einem internationalen Kongresse versprechen muß. Er mag sie ruhig versprechen; wer gibt die Sicherheit dafür, das; er das Versprechen auch hält? ^. ^. . ^ Aber für manche jüdischen Rationalisten ist die Geschichte nur dazu da, um nichts daraus zu lernen. Ein völlig weltfremdes Jdeologentum erhebt hier allen Ernstes Anspruch darauf, auf die Geschicke des Deutschen Reiches Einfluß zu ge¬ winnen. Nun besteht ja glücklicherweise nicht die Gefahr, daß die sehr achtbaren Literaten um Büder gerade ins deutsche Auswärtige Amt berufen werden; aber wir Juden haben alles Interesse, daran zu denken, daß nicht unsere Gemeinschaft durch solche Amateurpolitiker geschädigt werde. Zurückzuweisen sind daher tue Angriffe, die von nationaljüdischer Seite immer wieder gegen die deutsche Ver- waltung in Polen und insbesondere auch gegen den jüdischen Reichstagsabgeord- neten Ludwig Haas erhoben werden, der dort in verantwortlicher Stellung tätig ist. Es ist gänzlich abwegig, wenn Behr es als ein Kapitalverbrechen der deutschen Judenpolitik bezeichnet, daß man sich in Litauen dem indischen Nationalgedanken sympathischer gegenüberstellt als in Polen. . > . ,.Es braucht nicht mehr in eine Untersuchung darüber eingetreten zu werden, ob die polnischen Juden eine Nation darstellen oder nicht. Diese Frage ist er¬ ledigt, und wenn die deutsche Verwaltung in Ober-Ost mit euiem gewissen Nach¬ druck veröffentlichen läßt, daß sie an dem Begriff der Mischen Nationalität in Litauen nicht zweifle und ihre Gleichstellung mit den anderen Nationen durch, geführt habe, so beweist das am besten, daß diese Frage von der deutschen Ver¬ waltung nicht als eine prinzipielle, sondern als eine der politischen TakM^wird. In Ober-Ost paßt es in das politische System, die indische Nation an¬ zuerkennen, in Polen nicht und daher die sich entgegenstehende Auffassung der beiden Verwaltungen. Man begreift, daß es den. jüdischen Volke wie eure Schmach erscheinen muß, seine Existenzrechte lediglich unter dem Gesichtspunkte des politischen Spiels gewertet zU sehen." (S. 584.) „ ^ >- Demgegenüber sind wir allerdings der Auffassung, daß man auswärtige Politik nicht nach prinzipiellen, will sagen: doktrinären, sondern nach politischen Rücksichten betreiben nutz. Ich halte - um es noch einmal zu wiederholen - die ..nationale Heimstätte in Palästina" für ein Ziel, des Schweißes der Edeln wert. Ich habe auch, so entschieden ich das Bestehen einer Mischen Nation in Deutschland bestreite, stets den nationalen Charakter des Ostiudentums aner- konnt, und ich meine, daß alle Bestrebungen der Oshuden. diese ihre nationale Sonderexistenz zu schützen, unsere größte Sympathie verdienen. Nur in dem kaun ich mich mit Herrn Behr nicht einverstanden erklaren, daß es die Aufgabe des deutscheu Volkes wäre, für die jüdische Autonomie in Polen seine Haut zu Markte zu tragen. Eine deutsche Regierung, die um der nationalen Rechte der Juden willen sich die Polen unnötig verfeinden wollte, wurde keine acht Tage im Amte bleiben. Und was wäre denn damit erreicht, wenn die deutsche Ver¬ waltung, gestillt auf ihre militärische Macht, von den Polen die nationale An¬ erkennung der Juden erzwingen sollte. Die nationale Empfindlichkeit der Polen würde aufs äußerste gereizt' werden, und es würde sich diese Erbitterung nach Friedensschluß in furchtbarer Weise gegen die kleine jüdische Minderheit Luft machen. ..Angesichts dieser Situation konnte die deutsche Regierung, wenn sie sich nicht dem Vorwurf der Perfidio aussetzen wollte, unmöglich Maßnahmen im jüdisch-nationalistischen oder zionistischen Sinne treffen. Sie mußte vielmehr sich darauf beschränken, für die Juden diejenige Behandlung zu erreichen, welche in Westeuropa üblich ist und müßte es einer späteren, okkupationsfreien Zeit über- lassen, ob sich Juden und Polen im national-gelinden Sinn auseinandersetzen. Die deutsche Verwaltung hielt es außerdem für unverantwortlich, diese wirtschaftlich deklassierte, moralisch noch nicht ertüchtigte jüdische Masse dem Haß der wirt¬ schaftlichen Vertilgung durch ihre Schuld auszusetzen."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/225>, abgerufen am 22.07.2024.