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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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die Zufälligkeiten der Wahlen eine Ergänzung bietet", zumal, wenn sie nicht viel
kostet, sind aber der Ansicht, daß sie "einen ausschlaggebenden Einfluß auf die
Geschicke des Staates niemals haben könne" und verweisen sie auf den ehren¬
reichen, aber machtarmen Platz einer "Gerusia", eines "Alte-Herren-Hauses". Eine
dritte Auffassung endlich geht dahin, diese Institution so auszubauen, daß sie nicht
bloß ein prächtiges, aber im täglichen Leben bedeutungsloses Dekorationsstück,
sondern ein wesentliches Glied im konstitutionellen Organismus darstellt.

Diese Wandlung erscheint angesichts der zu erwartenden Umbildung des
Abgeordnetenhauses als eine Notwendigkeit, der ja auch von feiten der Regierung
Rechnung getragen wird -- ob genügend, werden wir noch sehen.

Gedeihliche Entwicklung beruht nun einmal auf der Zusammenfassung von
Thesis und Antithesis. Neben die gezählten Stimmen müssen die gewogenen
"reden und, wenn beide nicht in einer Versammlung vereinigt werden können, gilt
es das zweite Element an einer besonderen Stelle heimisch zu machen, von wo
es wirken kann, als wäre es mit dem ersten amalgamiert. Wie bitter not einer
"demokratischen" Kammer ihr "aristokratisches" (das Wort natürlich im Ursprungs¬
sinne genommen) Widerspiel tut, dafür kann uns eine Stimme aus dem Lande
der "äelnoLratie pure" Zeugnis ablegen.

Das Mitglied der Pariser Akademie Emile Faguet -- nicht einer jener
Renegaten, die man im Auslande zu zitieren pflegt, weil sie ihre heimischen Zu¬
stände durch die Hechel ziehen, sondern ein Patriot, dem es um wirkliche Abstellung
der libet zu tun ist --. schrieb drei Jahre vor dem Kriege im Hinblick auf die
französischen Verhältnisse: "Es handelt sich darum, eine lebensfähige Republik zu
schaffen, d. h. eine Republik, die wie alle Republiken der Vergangenheit eine demo¬
kratische Grundlage hat und ein aristokratisches Element enthält".*) In diesem
Sinne verlangt er gegenüber der "konfusen Masse", die einzig und allein Frank¬
reich regiere, die Stärkung alles dessen, was nicht "rein individuell", d. nackte
Zahl ist, also vor allem der verschiedenen Berufsverbände, der Advokaten, Richter,
Arzte, Handelskammern und Arbeitersyndikate, daneben namentlich der von der
französischen Verfassung von 1875 so stiefmütterlich behandelten Städte. Also
ganz ähnliche Gedanken wie sie bei uns zurzeit nach Ausdruck ringen. Auf
diese Weise hofft Faguet insbesondere dem vor seinen eigenen konstitutionellen
Kompetenzen hangenden Senat den "Horror vor der Verantwortlichkeit" auszu¬
treiben.

Wir sehen also, daß im Widerspruch zu dem von der Staatsrechtslehre ge-
Prägten Satz: es sei das unentrinnbare Schicksal aller Oberhäuser, sich mit einem
suspensiven Veto begnügen zu müssen, gerade da, wo die demokratisierende Ent¬
wicklung sich Bahn gebrochen hat, der Ruf nach Gegenkräften ertönt.

Um sie zu entbinden, dafür ist allerdings eine bestimmte Form der ersten
Kammern, gewissermaßen eine innere Empfänglichkeit, erforderlich. Für Pairs-,
Lords- oder "Herren"sanscr, die Requisiten vergangener Verfassungsperioden, ist
heutzutage kein Platz mehr, wenigstens nicht in den Brennpunkten des konstitu¬
tionellen Lebens -- insofern ist die obige Prophezeiung, wenn man den Ton auf
das Wort "Oberhaus" legt, richtig. Zeitgemäß umgewandelt jedoch, werden sie
immer noch ihren Mann stehen. Wenn wir in der Praxis noch keine Beispiele
hatten, müßte angesichts der Neuerungen bei der zweiten Kammer mit der ersten
etwas Neues erfunden werden. Aber so liegen die Dinge ja gar nicht. Das nach
unserer Ansicht zu erstrebende Gleichgewicht der beiden Parlamente ist bereits in
einer Verfassung lox lata, wie der Jurist sagt, nämlich in der schwedischen. Die
dortige "Reichstagsordnung" vom Jahre 1866 verkündet gleich in ihrem ersten
Paragraphen für beide Kammern "dieselbe Zuständigkeit und Macht", und dieses
statische Verhältnis, das man ja für gewöhnlich auch in der politischen Dynamik
nur als einen Spezialfall ansieht, hat sich doch nach neuestem einheimischen Urteil
in natürlichen Schwankungen bis zur Gegenwart gehalten.**)




*) . . . Le I'liorreur clss Kesponssbilitös. Paris (1911), p. 181.
**"
) Kjellön, "Schweden (1917), S. 150. 139.
Zur Reform des Herrenhauses

die Zufälligkeiten der Wahlen eine Ergänzung bietet", zumal, wenn sie nicht viel
kostet, sind aber der Ansicht, daß sie „einen ausschlaggebenden Einfluß auf die
Geschicke des Staates niemals haben könne" und verweisen sie auf den ehren¬
reichen, aber machtarmen Platz einer „Gerusia", eines „Alte-Herren-Hauses". Eine
dritte Auffassung endlich geht dahin, diese Institution so auszubauen, daß sie nicht
bloß ein prächtiges, aber im täglichen Leben bedeutungsloses Dekorationsstück,
sondern ein wesentliches Glied im konstitutionellen Organismus darstellt.

Diese Wandlung erscheint angesichts der zu erwartenden Umbildung des
Abgeordnetenhauses als eine Notwendigkeit, der ja auch von feiten der Regierung
Rechnung getragen wird — ob genügend, werden wir noch sehen.

Gedeihliche Entwicklung beruht nun einmal auf der Zusammenfassung von
Thesis und Antithesis. Neben die gezählten Stimmen müssen die gewogenen
»reden und, wenn beide nicht in einer Versammlung vereinigt werden können, gilt
es das zweite Element an einer besonderen Stelle heimisch zu machen, von wo
es wirken kann, als wäre es mit dem ersten amalgamiert. Wie bitter not einer
„demokratischen" Kammer ihr „aristokratisches" (das Wort natürlich im Ursprungs¬
sinne genommen) Widerspiel tut, dafür kann uns eine Stimme aus dem Lande
der „äelnoLratie pure" Zeugnis ablegen.

Das Mitglied der Pariser Akademie Emile Faguet — nicht einer jener
Renegaten, die man im Auslande zu zitieren pflegt, weil sie ihre heimischen Zu¬
stände durch die Hechel ziehen, sondern ein Patriot, dem es um wirkliche Abstellung
der libet zu tun ist —. schrieb drei Jahre vor dem Kriege im Hinblick auf die
französischen Verhältnisse: „Es handelt sich darum, eine lebensfähige Republik zu
schaffen, d. h. eine Republik, die wie alle Republiken der Vergangenheit eine demo¬
kratische Grundlage hat und ein aristokratisches Element enthält".*) In diesem
Sinne verlangt er gegenüber der „konfusen Masse", die einzig und allein Frank¬
reich regiere, die Stärkung alles dessen, was nicht „rein individuell", d. nackte
Zahl ist, also vor allem der verschiedenen Berufsverbände, der Advokaten, Richter,
Arzte, Handelskammern und Arbeitersyndikate, daneben namentlich der von der
französischen Verfassung von 1875 so stiefmütterlich behandelten Städte. Also
ganz ähnliche Gedanken wie sie bei uns zurzeit nach Ausdruck ringen. Auf
diese Weise hofft Faguet insbesondere dem vor seinen eigenen konstitutionellen
Kompetenzen hangenden Senat den „Horror vor der Verantwortlichkeit" auszu¬
treiben.

Wir sehen also, daß im Widerspruch zu dem von der Staatsrechtslehre ge-
Prägten Satz: es sei das unentrinnbare Schicksal aller Oberhäuser, sich mit einem
suspensiven Veto begnügen zu müssen, gerade da, wo die demokratisierende Ent¬
wicklung sich Bahn gebrochen hat, der Ruf nach Gegenkräften ertönt.

Um sie zu entbinden, dafür ist allerdings eine bestimmte Form der ersten
Kammern, gewissermaßen eine innere Empfänglichkeit, erforderlich. Für Pairs-,
Lords- oder „Herren"sanscr, die Requisiten vergangener Verfassungsperioden, ist
heutzutage kein Platz mehr, wenigstens nicht in den Brennpunkten des konstitu¬
tionellen Lebens — insofern ist die obige Prophezeiung, wenn man den Ton auf
das Wort „Oberhaus" legt, richtig. Zeitgemäß umgewandelt jedoch, werden sie
immer noch ihren Mann stehen. Wenn wir in der Praxis noch keine Beispiele
hatten, müßte angesichts der Neuerungen bei der zweiten Kammer mit der ersten
etwas Neues erfunden werden. Aber so liegen die Dinge ja gar nicht. Das nach
unserer Ansicht zu erstrebende Gleichgewicht der beiden Parlamente ist bereits in
einer Verfassung lox lata, wie der Jurist sagt, nämlich in der schwedischen. Die
dortige „Reichstagsordnung" vom Jahre 1866 verkündet gleich in ihrem ersten
Paragraphen für beide Kammern „dieselbe Zuständigkeit und Macht", und dieses
statische Verhältnis, das man ja für gewöhnlich auch in der politischen Dynamik
nur als einen Spezialfall ansieht, hat sich doch nach neuestem einheimischen Urteil
in natürlichen Schwankungen bis zur Gegenwart gehalten.**)




*) . . . Le I'liorreur clss Kesponssbilitös. Paris (1911), p. 181.
**"
) Kjellön, „Schweden (1917), S. 150. 139.
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[0185] Zur Reform des Herrenhauses die Zufälligkeiten der Wahlen eine Ergänzung bietet", zumal, wenn sie nicht viel kostet, sind aber der Ansicht, daß sie „einen ausschlaggebenden Einfluß auf die Geschicke des Staates niemals haben könne" und verweisen sie auf den ehren¬ reichen, aber machtarmen Platz einer „Gerusia", eines „Alte-Herren-Hauses". Eine dritte Auffassung endlich geht dahin, diese Institution so auszubauen, daß sie nicht bloß ein prächtiges, aber im täglichen Leben bedeutungsloses Dekorationsstück, sondern ein wesentliches Glied im konstitutionellen Organismus darstellt. Diese Wandlung erscheint angesichts der zu erwartenden Umbildung des Abgeordnetenhauses als eine Notwendigkeit, der ja auch von feiten der Regierung Rechnung getragen wird — ob genügend, werden wir noch sehen. Gedeihliche Entwicklung beruht nun einmal auf der Zusammenfassung von Thesis und Antithesis. Neben die gezählten Stimmen müssen die gewogenen »reden und, wenn beide nicht in einer Versammlung vereinigt werden können, gilt es das zweite Element an einer besonderen Stelle heimisch zu machen, von wo es wirken kann, als wäre es mit dem ersten amalgamiert. Wie bitter not einer „demokratischen" Kammer ihr „aristokratisches" (das Wort natürlich im Ursprungs¬ sinne genommen) Widerspiel tut, dafür kann uns eine Stimme aus dem Lande der „äelnoLratie pure" Zeugnis ablegen. Das Mitglied der Pariser Akademie Emile Faguet — nicht einer jener Renegaten, die man im Auslande zu zitieren pflegt, weil sie ihre heimischen Zu¬ stände durch die Hechel ziehen, sondern ein Patriot, dem es um wirkliche Abstellung der libet zu tun ist —. schrieb drei Jahre vor dem Kriege im Hinblick auf die französischen Verhältnisse: „Es handelt sich darum, eine lebensfähige Republik zu schaffen, d. h. eine Republik, die wie alle Republiken der Vergangenheit eine demo¬ kratische Grundlage hat und ein aristokratisches Element enthält".*) In diesem Sinne verlangt er gegenüber der „konfusen Masse", die einzig und allein Frank¬ reich regiere, die Stärkung alles dessen, was nicht „rein individuell", d. nackte Zahl ist, also vor allem der verschiedenen Berufsverbände, der Advokaten, Richter, Arzte, Handelskammern und Arbeitersyndikate, daneben namentlich der von der französischen Verfassung von 1875 so stiefmütterlich behandelten Städte. Also ganz ähnliche Gedanken wie sie bei uns zurzeit nach Ausdruck ringen. Auf diese Weise hofft Faguet insbesondere dem vor seinen eigenen konstitutionellen Kompetenzen hangenden Senat den „Horror vor der Verantwortlichkeit" auszu¬ treiben. Wir sehen also, daß im Widerspruch zu dem von der Staatsrechtslehre ge- Prägten Satz: es sei das unentrinnbare Schicksal aller Oberhäuser, sich mit einem suspensiven Veto begnügen zu müssen, gerade da, wo die demokratisierende Ent¬ wicklung sich Bahn gebrochen hat, der Ruf nach Gegenkräften ertönt. Um sie zu entbinden, dafür ist allerdings eine bestimmte Form der ersten Kammern, gewissermaßen eine innere Empfänglichkeit, erforderlich. Für Pairs-, Lords- oder „Herren"sanscr, die Requisiten vergangener Verfassungsperioden, ist heutzutage kein Platz mehr, wenigstens nicht in den Brennpunkten des konstitu¬ tionellen Lebens — insofern ist die obige Prophezeiung, wenn man den Ton auf das Wort „Oberhaus" legt, richtig. Zeitgemäß umgewandelt jedoch, werden sie immer noch ihren Mann stehen. Wenn wir in der Praxis noch keine Beispiele hatten, müßte angesichts der Neuerungen bei der zweiten Kammer mit der ersten etwas Neues erfunden werden. Aber so liegen die Dinge ja gar nicht. Das nach unserer Ansicht zu erstrebende Gleichgewicht der beiden Parlamente ist bereits in einer Verfassung lox lata, wie der Jurist sagt, nämlich in der schwedischen. Die dortige „Reichstagsordnung" vom Jahre 1866 verkündet gleich in ihrem ersten Paragraphen für beide Kammern „dieselbe Zuständigkeit und Macht", und dieses statische Verhältnis, das man ja für gewöhnlich auch in der politischen Dynamik nur als einen Spezialfall ansieht, hat sich doch nach neuestem einheimischen Urteil in natürlichen Schwankungen bis zur Gegenwart gehalten.**) *) . . . Le I'liorreur clss Kesponssbilitös. Paris (1911), p. 181. **" ) Kjellön, „Schweden (1917), S. 150. 139.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/185>, abgerufen am 22.07.2024.