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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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König Konstantins Sturz

in seiner Person vereinigte, um erst nach einem Vierteljahr (5. Oktober) das
Kriegsministerium an einen seiner Getreuen, den General Danglis,
wieder abzugeben. Eine seiner ersten Regierungsmatznahmen war ein
radikaler Bruch der Verfassung, die er selbst als Ministerpräsident im Jahre 1911
durchgesetzt hatte, indem er die Unabsetzbarkeit der Beamten und Richter aufhob
und danach ohne weiteres einen großen Teil der Beamtenschaft, insgesamt mehrere
Tausend, entließ: das von 1895 an glücklich überwundene Rotationssystem, das
ehedem die Beamtenschaft zum Spielball der Parteiwillkür gemacht hatte, ist
damit als Mittel des politischen Kampfes wiederaufgelebt. Auch der Rektor und
mehrere Würdenträger und Professoren der Universität wurden abgesetzt, ferner
fast alle Generale und Admiräle und 127 höhere Offiziere zur Disposition gestellt,
andere 150 Offiziere verhaftet. Die heilige Synode mußte ihre Arbeiten ein¬
stellen; alle Bischöfe des Landes mit Ausnahme von fünf wurden unter Anklage
gestellt, der Metropolit von Athen aber wurde durch einen gefügigen geistlichen
Gerichtshof seines Amtes entsetzt und zu zwei Jahren Einschließung in ein Kloster
verurteilt, weil er sich in die Politik eingemischt und an der öffentlichen Verfluchung
von Veniselos (kurz vor Weihnachten 1916) teilgenommen habe. Die Freiheit der
Presse wurde unterdrückt, jüngst auch die Präoentwzensur eingeführt. Die versprochene
"allgemeine" Amnestie wurde freilich erlassen, aber für die Veniselisten allein.

So sehr fühlte sich Venizelos als unumschränkter Diktator des Landes, daß
er über den Kopf des jungen Königs hinweg selbst in der Siellenbesetzung des
königlichen Hofstaates eingriff. König Alexander ist zum willenlosen Werkzeug
jenes Werkzeugs der Entente geworden, dein Jonnart schon in einer Note vom
24. Juni 1917 den Weg gebahnt hatte: darin war unter Hinweis auf die
..Verfassungswidrigkeit" der derzeitigen Kammer das .Kabinett Zcümis zur Ein¬
berufung der aufgelösten veniselistischen Kammer aufgefordert worden, obwohl
die Mächte seinerzeit die Auflösung dieser Kammer ohne Widerspruch hingenommen
hatten, ja durch ihre amtlichen Sprachrohre hatten erklären lassen, daß die Auf¬
lösung für sie keinen Grund zum Einschreiten biete. Demgemäß wurde Mitte
Juli das königstreue Parlament heimgeschickt und am 25. Juli ohne die verfassungs-
mätzigen Neuwahlen die alte, am 18. Juni 1915 gewühlte Veniselistenkammer
wieder einberufen, mit deren Hilfe der Diktator seine neutralitätsfeindlichen Pläne
leicht weiterverfolgen konnte.

Schon am 29. Juni waren nach Erklärung des Kriegszustandes im ganzen
Lande die diplomatischen Beziehungen zu den Zentralmächten abgebrochen worden,
obwohl die Schutzmächte dem Lande die Wetterführung der Neutralität garantiert
hatten. Die am 80. Juni der deutschen Regierung übermittelte Erklärung lautete:
"Infolge der soeben glücklich zustande gekommenen Vereinigung (!) der beiden
bisher getrennten Parteien Griechenlands und angesichts der Tatsache, daß mehrere
griechische Regimenter an der Balkcmsront an den Feindseligkeiten teilnahmen, ist
es der griechischen Regierung nicht mehr möglich, weitere amtliche Beziehungen
zur deutschen Regierung zu unterhalten." (Der griechische Gesandte in Berlin
hatte, um nicht diese Note überreichen zu müssen, vorher telegraphisch seine Ent¬
lassung genommen.) Das war an sich noch keine Kriegserklärung des offiziellen
Griechenlands: da aber eine Kriegserklärung der provisorischen Regierung in
Saloniki an Bulgarien und Deutschland im Namen Griechenlands am 26. No¬
vember 1916 erfolgt war, so kann auch das offizielle, nun von Veniselos geführte
Griechenland als im Kriege mit den Mittemächten befindlich betrachtet werden.

Die nächste Sorge von Veniselos war darum, die desorganisierte und kriegs-
uulustige griechische Armee zu einem schlagkräftigen Kriegsinstrumente gegen die
Mittemächte zu machen. Hatte er doch den Alliierten das Versprechen gegeben,
daß die griechische Armee in drei Monaten bereit sein werde, an die mazedonische
Front abzugehen: hatte er doch schon, um seinen guten Willen zu zeigen, der
Armee sogleich an Stelle der von König Konstantin eingeführten "deutschen Kopf¬
bedeckung" das französische Käppi verliehen. Zu jenem Zwecke wurde darum jetzt
in deu militärischen Kreisen mit Hochdruck eine Kriegspropaganda betrieben, wurde


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König Konstantins Sturz

in seiner Person vereinigte, um erst nach einem Vierteljahr (5. Oktober) das
Kriegsministerium an einen seiner Getreuen, den General Danglis,
wieder abzugeben. Eine seiner ersten Regierungsmatznahmen war ein
radikaler Bruch der Verfassung, die er selbst als Ministerpräsident im Jahre 1911
durchgesetzt hatte, indem er die Unabsetzbarkeit der Beamten und Richter aufhob
und danach ohne weiteres einen großen Teil der Beamtenschaft, insgesamt mehrere
Tausend, entließ: das von 1895 an glücklich überwundene Rotationssystem, das
ehedem die Beamtenschaft zum Spielball der Parteiwillkür gemacht hatte, ist
damit als Mittel des politischen Kampfes wiederaufgelebt. Auch der Rektor und
mehrere Würdenträger und Professoren der Universität wurden abgesetzt, ferner
fast alle Generale und Admiräle und 127 höhere Offiziere zur Disposition gestellt,
andere 150 Offiziere verhaftet. Die heilige Synode mußte ihre Arbeiten ein¬
stellen; alle Bischöfe des Landes mit Ausnahme von fünf wurden unter Anklage
gestellt, der Metropolit von Athen aber wurde durch einen gefügigen geistlichen
Gerichtshof seines Amtes entsetzt und zu zwei Jahren Einschließung in ein Kloster
verurteilt, weil er sich in die Politik eingemischt und an der öffentlichen Verfluchung
von Veniselos (kurz vor Weihnachten 1916) teilgenommen habe. Die Freiheit der
Presse wurde unterdrückt, jüngst auch die Präoentwzensur eingeführt. Die versprochene
„allgemeine" Amnestie wurde freilich erlassen, aber für die Veniselisten allein.

So sehr fühlte sich Venizelos als unumschränkter Diktator des Landes, daß
er über den Kopf des jungen Königs hinweg selbst in der Siellenbesetzung des
königlichen Hofstaates eingriff. König Alexander ist zum willenlosen Werkzeug
jenes Werkzeugs der Entente geworden, dein Jonnart schon in einer Note vom
24. Juni 1917 den Weg gebahnt hatte: darin war unter Hinweis auf die
..Verfassungswidrigkeit" der derzeitigen Kammer das .Kabinett Zcümis zur Ein¬
berufung der aufgelösten veniselistischen Kammer aufgefordert worden, obwohl
die Mächte seinerzeit die Auflösung dieser Kammer ohne Widerspruch hingenommen
hatten, ja durch ihre amtlichen Sprachrohre hatten erklären lassen, daß die Auf¬
lösung für sie keinen Grund zum Einschreiten biete. Demgemäß wurde Mitte
Juli das königstreue Parlament heimgeschickt und am 25. Juli ohne die verfassungs-
mätzigen Neuwahlen die alte, am 18. Juni 1915 gewühlte Veniselistenkammer
wieder einberufen, mit deren Hilfe der Diktator seine neutralitätsfeindlichen Pläne
leicht weiterverfolgen konnte.

Schon am 29. Juni waren nach Erklärung des Kriegszustandes im ganzen
Lande die diplomatischen Beziehungen zu den Zentralmächten abgebrochen worden,
obwohl die Schutzmächte dem Lande die Wetterführung der Neutralität garantiert
hatten. Die am 80. Juni der deutschen Regierung übermittelte Erklärung lautete:
„Infolge der soeben glücklich zustande gekommenen Vereinigung (!) der beiden
bisher getrennten Parteien Griechenlands und angesichts der Tatsache, daß mehrere
griechische Regimenter an der Balkcmsront an den Feindseligkeiten teilnahmen, ist
es der griechischen Regierung nicht mehr möglich, weitere amtliche Beziehungen
zur deutschen Regierung zu unterhalten." (Der griechische Gesandte in Berlin
hatte, um nicht diese Note überreichen zu müssen, vorher telegraphisch seine Ent¬
lassung genommen.) Das war an sich noch keine Kriegserklärung des offiziellen
Griechenlands: da aber eine Kriegserklärung der provisorischen Regierung in
Saloniki an Bulgarien und Deutschland im Namen Griechenlands am 26. No¬
vember 1916 erfolgt war, so kann auch das offizielle, nun von Veniselos geführte
Griechenland als im Kriege mit den Mittemächten befindlich betrachtet werden.

Die nächste Sorge von Veniselos war darum, die desorganisierte und kriegs-
uulustige griechische Armee zu einem schlagkräftigen Kriegsinstrumente gegen die
Mittemächte zu machen. Hatte er doch den Alliierten das Versprechen gegeben,
daß die griechische Armee in drei Monaten bereit sein werde, an die mazedonische
Front abzugehen: hatte er doch schon, um seinen guten Willen zu zeigen, der
Armee sogleich an Stelle der von König Konstantin eingeführten „deutschen Kopf¬
bedeckung" das französische Käppi verliehen. Zu jenem Zwecke wurde darum jetzt
in deu militärischen Kreisen mit Hochdruck eine Kriegspropaganda betrieben, wurde


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[0175] König Konstantins Sturz in seiner Person vereinigte, um erst nach einem Vierteljahr (5. Oktober) das Kriegsministerium an einen seiner Getreuen, den General Danglis, wieder abzugeben. Eine seiner ersten Regierungsmatznahmen war ein radikaler Bruch der Verfassung, die er selbst als Ministerpräsident im Jahre 1911 durchgesetzt hatte, indem er die Unabsetzbarkeit der Beamten und Richter aufhob und danach ohne weiteres einen großen Teil der Beamtenschaft, insgesamt mehrere Tausend, entließ: das von 1895 an glücklich überwundene Rotationssystem, das ehedem die Beamtenschaft zum Spielball der Parteiwillkür gemacht hatte, ist damit als Mittel des politischen Kampfes wiederaufgelebt. Auch der Rektor und mehrere Würdenträger und Professoren der Universität wurden abgesetzt, ferner fast alle Generale und Admiräle und 127 höhere Offiziere zur Disposition gestellt, andere 150 Offiziere verhaftet. Die heilige Synode mußte ihre Arbeiten ein¬ stellen; alle Bischöfe des Landes mit Ausnahme von fünf wurden unter Anklage gestellt, der Metropolit von Athen aber wurde durch einen gefügigen geistlichen Gerichtshof seines Amtes entsetzt und zu zwei Jahren Einschließung in ein Kloster verurteilt, weil er sich in die Politik eingemischt und an der öffentlichen Verfluchung von Veniselos (kurz vor Weihnachten 1916) teilgenommen habe. Die Freiheit der Presse wurde unterdrückt, jüngst auch die Präoentwzensur eingeführt. Die versprochene „allgemeine" Amnestie wurde freilich erlassen, aber für die Veniselisten allein. So sehr fühlte sich Venizelos als unumschränkter Diktator des Landes, daß er über den Kopf des jungen Königs hinweg selbst in der Siellenbesetzung des königlichen Hofstaates eingriff. König Alexander ist zum willenlosen Werkzeug jenes Werkzeugs der Entente geworden, dein Jonnart schon in einer Note vom 24. Juni 1917 den Weg gebahnt hatte: darin war unter Hinweis auf die ..Verfassungswidrigkeit" der derzeitigen Kammer das .Kabinett Zcümis zur Ein¬ berufung der aufgelösten veniselistischen Kammer aufgefordert worden, obwohl die Mächte seinerzeit die Auflösung dieser Kammer ohne Widerspruch hingenommen hatten, ja durch ihre amtlichen Sprachrohre hatten erklären lassen, daß die Auf¬ lösung für sie keinen Grund zum Einschreiten biete. Demgemäß wurde Mitte Juli das königstreue Parlament heimgeschickt und am 25. Juli ohne die verfassungs- mätzigen Neuwahlen die alte, am 18. Juni 1915 gewühlte Veniselistenkammer wieder einberufen, mit deren Hilfe der Diktator seine neutralitätsfeindlichen Pläne leicht weiterverfolgen konnte. Schon am 29. Juni waren nach Erklärung des Kriegszustandes im ganzen Lande die diplomatischen Beziehungen zu den Zentralmächten abgebrochen worden, obwohl die Schutzmächte dem Lande die Wetterführung der Neutralität garantiert hatten. Die am 80. Juni der deutschen Regierung übermittelte Erklärung lautete: „Infolge der soeben glücklich zustande gekommenen Vereinigung (!) der beiden bisher getrennten Parteien Griechenlands und angesichts der Tatsache, daß mehrere griechische Regimenter an der Balkcmsront an den Feindseligkeiten teilnahmen, ist es der griechischen Regierung nicht mehr möglich, weitere amtliche Beziehungen zur deutschen Regierung zu unterhalten." (Der griechische Gesandte in Berlin hatte, um nicht diese Note überreichen zu müssen, vorher telegraphisch seine Ent¬ lassung genommen.) Das war an sich noch keine Kriegserklärung des offiziellen Griechenlands: da aber eine Kriegserklärung der provisorischen Regierung in Saloniki an Bulgarien und Deutschland im Namen Griechenlands am 26. No¬ vember 1916 erfolgt war, so kann auch das offizielle, nun von Veniselos geführte Griechenland als im Kriege mit den Mittemächten befindlich betrachtet werden. Die nächste Sorge von Veniselos war darum, die desorganisierte und kriegs- uulustige griechische Armee zu einem schlagkräftigen Kriegsinstrumente gegen die Mittemächte zu machen. Hatte er doch den Alliierten das Versprechen gegeben, daß die griechische Armee in drei Monaten bereit sein werde, an die mazedonische Front abzugehen: hatte er doch schon, um seinen guten Willen zu zeigen, der Armee sogleich an Stelle der von König Konstantin eingeführten „deutschen Kopf¬ bedeckung" das französische Käppi verliehen. Zu jenem Zwecke wurde darum jetzt in deu militärischen Kreisen mit Hochdruck eine Kriegspropaganda betrieben, wurde 12»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/175>, abgerufen am 02.10.2024.