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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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kämpfen. Ein Artikel der "Ukrainischen Korrespondenz" bemüht sich, diesem Befehl
jede Spitze gegen die Zentralmächte zu nehmen. Das sei eine Verbeugung vor der
russischen provisorischen Negierung, die soeben die ukrainischen Forderungen an¬
erkannt hatte: "Jeder Feind der russischen Regierung ist der Ukraina als Bundes¬
genosse willkommen. Nur müsse sich die russische Ükraina, angesichts ihrer bis¬
herigen Errungenschaften, der (russischen) Regierung gegenüber vorderhand (!) wohl¬
wollend neutral Verhalten." Der Artikel sagte dann weiter, daß es im Interesse der
Mittemächte liege, die Selbständigkeitsbewegung in Rußland womöglich zu fördern,
nicht aber zu behindern: "Allerdings würde sich für die Mittemächte, in dem
Falle, wenn Rußland an eine gewaltsame Unterdrückung der ukrainischen Selb¬
ständigkeitsbewegung schreiten sollte, Gelegenheit bieten, zugunsten der Ukrainer
einzugreifen. Dann würde auch ein Öffnen der Front, womit die russischen
Ukrainer gedroht haben sollen, wohl zur Tat werden." Nach dem bisher Gesagten
kann es uns gar nicht überraschen, daß schon am W. August 1917 das Regierungs¬
blatt des Ukrainischen Zentralrates jede Beziehung zum "Bund zur Befreiung der
Ukraina" ableugnete. Das hat auch etwas später Professor Michael Hruschewskh.
der Vorsitzende des Zentralrates, bestätigt: "Der Ukrainische Zentralrat hat mit
dein "Bunde zur Befreiung der Ukraina" (Berlin-Wien) keine Beziehungen unter¬
halten. Die genannte Organisation hat sich zwar an den Zentralrat in verschie¬
denen Angelegenheiten gewendet, der Zentralrat hat aber noch im Mai l. Is.
beschlossen, mit dem Bunde bis zum Kriegsende keine wie immer gearteten Be¬
ziehungen zu unterhalten, welcher Beschluß auch strenge eingehalten wird. Offenbar
auf Veranlassung der ukrainischen Regierung hatte hierauf im November auch
das Präsidium des Ruthenenklubs im österreichischen Reichsrate an die Presse
eine Erklärung versendet, in der sich der Klub dagegen verwahrt, irgendetwas
mit Machenschaften zu tun zu haben, die angeblich von Schweden aus betrieben
werden und auf die volle Selbständigkeit der Ukraina im Gegensatz zum Pro¬
gramm einer autonomen Ukraina im Rahmen der russischen föderativem Republik
gerichtet sind. Sehr bezeichnend urteilt unter Berufung auf eine Unterredung
init dem ukrainischen Regierungschef Wynnytschenko ein Berichterstatter der
"Nowoje Wremja": "Wie aus den Äußerungen Wynnytschenkos erhellt, bestehen
unter den Ukrainern zwei Strömungen: die eine Gruppe von Parteien, allerdings
die maßgebende in der Ukraina, strebt mit Rußland Beziehungen auf Grund
der Gleichheit an, was offenbar darauf hinausläuft, daß die Ükraina, mit der
künftigen russischen Bundesrepublik somit auf föderativer Grundlage vereinigt, bis
zum Eintritt der erwünschten staatsrechtlichen Beziehungen mit der vorläufigen
Negierung in Eintracht leben wolle. Die Unabhängigkeitspartei ist die schwächere
Strömung in der Ukraina, verfügt aber trotzdem über einen ansehnlichen Anhang.
Diese Partei wünscht eine selbständige ukrainische Politik und strebt offenkundig
nach einer Loslösung der Ukraina, nach Verkündung eines selbständigen ukraini¬
schen Staates .... Die Anhänger der ersten Strömung betrachten die Einigung
mit Rußland als ein Mittel zur Stärkung der neuen politischen Organisation in
der Ukraina. Jetzt sei nach ihrer Ansicht der Bund mit Nußland, das das Selbst-
bc stimmungsrecht der Nationen verkündet hat, bequemer, als ein Bund mit
Österreich und Deutschland. Sollten aber jenseits der Reichsgrenze Ereignisse
eintreten, die den Ukrainern mehr Rechte und Zugeständnisse verheißen, dann
würden sie kein Bedenken tragen, einen Bund mit den Zentralmächten zu schließen."

Inzwischen haben bekanntlich die Ukrainer auch den Anschluß an Frankreich
und England gesucht. Nach einer Meldung von Ende August wirft Wynnytschenko
den Alliierten vollständige Gleichgültigkeit gegenüber den Ukrainern vor und fordert,
daß Frankreich und England den Ukrainern die politische Autonomie garantieren
sollen. Er weist weiter den Vorwurf zurück, daß die ukrainische Bewegung mit
deutschem Geld aufrechterhalten werde. Die Ukrainer benötigen nicht deutsches
Geld: sie haben selbst eine Million Rubel für diese Bewegung geopfert. Je mehr
die russische Regierung sich der Forderung der Ukrainer widersetze, desto mehr
wenden sich ihre Blicke nach Österreich-Ungarn und nach Deutschland, die viele


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kämpfen. Ein Artikel der „Ukrainischen Korrespondenz" bemüht sich, diesem Befehl
jede Spitze gegen die Zentralmächte zu nehmen. Das sei eine Verbeugung vor der
russischen provisorischen Negierung, die soeben die ukrainischen Forderungen an¬
erkannt hatte: „Jeder Feind der russischen Regierung ist der Ukraina als Bundes¬
genosse willkommen. Nur müsse sich die russische Ükraina, angesichts ihrer bis¬
herigen Errungenschaften, der (russischen) Regierung gegenüber vorderhand (!) wohl¬
wollend neutral Verhalten." Der Artikel sagte dann weiter, daß es im Interesse der
Mittemächte liege, die Selbständigkeitsbewegung in Rußland womöglich zu fördern,
nicht aber zu behindern: „Allerdings würde sich für die Mittemächte, in dem
Falle, wenn Rußland an eine gewaltsame Unterdrückung der ukrainischen Selb¬
ständigkeitsbewegung schreiten sollte, Gelegenheit bieten, zugunsten der Ukrainer
einzugreifen. Dann würde auch ein Öffnen der Front, womit die russischen
Ukrainer gedroht haben sollen, wohl zur Tat werden." Nach dem bisher Gesagten
kann es uns gar nicht überraschen, daß schon am W. August 1917 das Regierungs¬
blatt des Ukrainischen Zentralrates jede Beziehung zum „Bund zur Befreiung der
Ukraina" ableugnete. Das hat auch etwas später Professor Michael Hruschewskh.
der Vorsitzende des Zentralrates, bestätigt: „Der Ukrainische Zentralrat hat mit
dein „Bunde zur Befreiung der Ukraina" (Berlin-Wien) keine Beziehungen unter¬
halten. Die genannte Organisation hat sich zwar an den Zentralrat in verschie¬
denen Angelegenheiten gewendet, der Zentralrat hat aber noch im Mai l. Is.
beschlossen, mit dem Bunde bis zum Kriegsende keine wie immer gearteten Be¬
ziehungen zu unterhalten, welcher Beschluß auch strenge eingehalten wird. Offenbar
auf Veranlassung der ukrainischen Regierung hatte hierauf im November auch
das Präsidium des Ruthenenklubs im österreichischen Reichsrate an die Presse
eine Erklärung versendet, in der sich der Klub dagegen verwahrt, irgendetwas
mit Machenschaften zu tun zu haben, die angeblich von Schweden aus betrieben
werden und auf die volle Selbständigkeit der Ukraina im Gegensatz zum Pro¬
gramm einer autonomen Ukraina im Rahmen der russischen föderativem Republik
gerichtet sind. Sehr bezeichnend urteilt unter Berufung auf eine Unterredung
init dem ukrainischen Regierungschef Wynnytschenko ein Berichterstatter der
„Nowoje Wremja": „Wie aus den Äußerungen Wynnytschenkos erhellt, bestehen
unter den Ukrainern zwei Strömungen: die eine Gruppe von Parteien, allerdings
die maßgebende in der Ukraina, strebt mit Rußland Beziehungen auf Grund
der Gleichheit an, was offenbar darauf hinausläuft, daß die Ükraina, mit der
künftigen russischen Bundesrepublik somit auf föderativer Grundlage vereinigt, bis
zum Eintritt der erwünschten staatsrechtlichen Beziehungen mit der vorläufigen
Negierung in Eintracht leben wolle. Die Unabhängigkeitspartei ist die schwächere
Strömung in der Ukraina, verfügt aber trotzdem über einen ansehnlichen Anhang.
Diese Partei wünscht eine selbständige ukrainische Politik und strebt offenkundig
nach einer Loslösung der Ukraina, nach Verkündung eines selbständigen ukraini¬
schen Staates .... Die Anhänger der ersten Strömung betrachten die Einigung
mit Rußland als ein Mittel zur Stärkung der neuen politischen Organisation in
der Ukraina. Jetzt sei nach ihrer Ansicht der Bund mit Nußland, das das Selbst-
bc stimmungsrecht der Nationen verkündet hat, bequemer, als ein Bund mit
Österreich und Deutschland. Sollten aber jenseits der Reichsgrenze Ereignisse
eintreten, die den Ukrainern mehr Rechte und Zugeständnisse verheißen, dann
würden sie kein Bedenken tragen, einen Bund mit den Zentralmächten zu schließen."

Inzwischen haben bekanntlich die Ukrainer auch den Anschluß an Frankreich
und England gesucht. Nach einer Meldung von Ende August wirft Wynnytschenko
den Alliierten vollständige Gleichgültigkeit gegenüber den Ukrainern vor und fordert,
daß Frankreich und England den Ukrainern die politische Autonomie garantieren
sollen. Er weist weiter den Vorwurf zurück, daß die ukrainische Bewegung mit
deutschem Geld aufrechterhalten werde. Die Ukrainer benötigen nicht deutsches
Geld: sie haben selbst eine Million Rubel für diese Bewegung geopfert. Je mehr
die russische Regierung sich der Forderung der Ukrainer widersetze, desto mehr
wenden sich ihre Blicke nach Österreich-Ungarn und nach Deutschland, die viele


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/138>, abgerufen am 22.07.2024.