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Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr.

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Die ruthenische Frage l,',N<> und 1,91,7

und Entspannungen, diplomatischen Streitigkeiten, drohenden Kriegserklärungen und
blutigen Kämpfen zwischen den beiden Regierungen die Rede ist. Es geht so weit,
daß zu gleicher Zeit, da die Vertreter Rußlands und der Ukraina in Brest-Litowsk
sich zu Friedensverhandlungen zusammenfinden, Kämpfe zwischen beiderseitigen
Truppen an der Tagesordnung sind (Anfangs Januar 191,8)1 Halten wir dazu
noch die Nachricht, daß aus Kijew auch Gegenverschwörungen zur Wiederherstellung
des Zarentums berichtet wurden und daß die weitgehenden sozialen, die Masse
der Bauern mitreißenden Reformen auf große Schwierigkeiten stoßen werden,*)
so ersieht man daraus, daß die gegenwärtigen Zustände in Rußland noch sehr
wandelbarer Natur sind. Im einzelnen sind diese wirren Vorgänge für uns
ziemlich belanglos und es wäre überflüssige Mühe, aus den widersprechenden
Zeitungsnachrichten den Kern herauszuschälen.




Bemerkenswert sind aber gewisse Begleiterscheinungen, die die Haltung der
Ukraina zu den politischen Mächtegruppen kennzeichnen.

In ihren Kämpfen mit der Petersburger Regierung drohten die Ukrainer,
wenn es ihnen nützlich erschien, mit ihren Beziehungen zu den Zentralmächteu.
Deshalb verwiesen im Juli 1917 die russischen Blätter auf die in Kijew im Dienste
Österreichs stehenden Spione und Agenten. ..Russkoje Slowo" erzählt Mitte Juli
von Verbrüderungsfesten in Kijew zwischen Ukrainern, deutschen und österreichischen
Soldaten. Dann hören wir gelegentlich des vorübergehenden Rücktritts Wynne-
tschenkos, daß einige Mitglieder der russischen Negierung ihm Deutschfreundlichkeit
vorwarfen. Die Ukrainer verwiesen Ende August auf die Möglichkeit, sich auf
Österreich-Ungarn und Deutschland, "die viele Freunde im Rate der Ukraina
haben", zu stützen, wenn die russische Regierung sich ihren Forderungen widersetze.
Ein anderes Mittel, die russische Regierung gefügig zu machen, bestand darin,
daß auf die Möglichkeit der vollständigen Lostrennung der Ukraina von Nußland
(also auf ihren engeren Anschluß an die Mittemächte), hingewiesen wurde. Auf
dem Kongreß im April war dafür -- wie eine ruthenische politische Schrift aus¬
führt -- nur eine Minderheit vorhanden. Aber für ihre Bedeutung sprechen
unzweideutig (?) folgende Worte des Professors Michael HruschewskyjS, welcher
in einem Leitartikel des Kijewer ukrainischen Hauptorgans "Nowa Rada", nachdem
er die Forderung der Autonomie der Ukraina in einer föderativem Republik auf¬
gestellt hat, erklärt: "Aber das Banner der selbständigen Ukraina bleibt weiter
bestehen und es wird in dem Momente gehißt werden, wenn die altrussischen
Zentralisten uns das Banner einer weiten Autonomie der Ukraina in der russi¬
schen söderativeu und demokratischen Republik aus den Händen reißen wollten.
Das ist klar und sollte auch den Lenkern des russischen Reiches klar sein." Man
hielt also immer das zweite Eisen im Feuer und das half, da auch das Waffen¬
glück der Mittemächte den Ukrainern zugute kam. Unter Hinweis auf diese Lage
trat Kerenski im Juli für die sofortige Verständigung mit der Ukraina ein; der
Widerstand der Kadettenpartei wurde gebrochen und die Kadettenminister demissio¬
nierten, worauf die grundlegenden Zugeständnisse an die Ukraina gewährt wurden.
Mit der Freundschaft der Zentralmächte rechneten auch die Ukrainer, wenn sie
im August an die Bevölkerung Wolhyniens und Podoliens einen Aufruf richtete,
das Land im Falle einer Okkupation nicht zu verlasse". Anderseits aber hat der
ukrainische Kriegsminister Petljura gleichzeitig an die ukrainischen Soldaten den
Befehl gerichtet, daß der deutsch-österreichische und ungarische Vormarsch die
Ukrainer ihrer Freiheit beraube und die Revolution mit Vernichtung bedrohe. Er
rief sie daher auf, an der russischen Front für die Freiheit der Ukrainer zu



*) Immer wieder muß betont werden, das; die fast durchaus aus Analphabeten be¬
stehenden Bauern nicht von ideal nationalen, sondern von wirtschaftlichen Interessen geleitet
werden. Werden ihre Hoffnungen durch die jetzigen Führer nicht erfüllt, so werden sie leicht
von anderen gewonnen werden. Das gilt selbstverständlich auch für die Ruthenen-Ukrainer.
Die ruthenische Frage l,',N<> und 1,91,7

und Entspannungen, diplomatischen Streitigkeiten, drohenden Kriegserklärungen und
blutigen Kämpfen zwischen den beiden Regierungen die Rede ist. Es geht so weit,
daß zu gleicher Zeit, da die Vertreter Rußlands und der Ukraina in Brest-Litowsk
sich zu Friedensverhandlungen zusammenfinden, Kämpfe zwischen beiderseitigen
Truppen an der Tagesordnung sind (Anfangs Januar 191,8)1 Halten wir dazu
noch die Nachricht, daß aus Kijew auch Gegenverschwörungen zur Wiederherstellung
des Zarentums berichtet wurden und daß die weitgehenden sozialen, die Masse
der Bauern mitreißenden Reformen auf große Schwierigkeiten stoßen werden,*)
so ersieht man daraus, daß die gegenwärtigen Zustände in Rußland noch sehr
wandelbarer Natur sind. Im einzelnen sind diese wirren Vorgänge für uns
ziemlich belanglos und es wäre überflüssige Mühe, aus den widersprechenden
Zeitungsnachrichten den Kern herauszuschälen.




Bemerkenswert sind aber gewisse Begleiterscheinungen, die die Haltung der
Ukraina zu den politischen Mächtegruppen kennzeichnen.

In ihren Kämpfen mit der Petersburger Regierung drohten die Ukrainer,
wenn es ihnen nützlich erschien, mit ihren Beziehungen zu den Zentralmächteu.
Deshalb verwiesen im Juli 1917 die russischen Blätter auf die in Kijew im Dienste
Österreichs stehenden Spione und Agenten. ..Russkoje Slowo" erzählt Mitte Juli
von Verbrüderungsfesten in Kijew zwischen Ukrainern, deutschen und österreichischen
Soldaten. Dann hören wir gelegentlich des vorübergehenden Rücktritts Wynne-
tschenkos, daß einige Mitglieder der russischen Negierung ihm Deutschfreundlichkeit
vorwarfen. Die Ukrainer verwiesen Ende August auf die Möglichkeit, sich auf
Österreich-Ungarn und Deutschland, „die viele Freunde im Rate der Ukraina
haben", zu stützen, wenn die russische Regierung sich ihren Forderungen widersetze.
Ein anderes Mittel, die russische Regierung gefügig zu machen, bestand darin,
daß auf die Möglichkeit der vollständigen Lostrennung der Ukraina von Nußland
(also auf ihren engeren Anschluß an die Mittemächte), hingewiesen wurde. Auf
dem Kongreß im April war dafür — wie eine ruthenische politische Schrift aus¬
führt — nur eine Minderheit vorhanden. Aber für ihre Bedeutung sprechen
unzweideutig (?) folgende Worte des Professors Michael HruschewskyjS, welcher
in einem Leitartikel des Kijewer ukrainischen Hauptorgans „Nowa Rada", nachdem
er die Forderung der Autonomie der Ukraina in einer föderativem Republik auf¬
gestellt hat, erklärt: „Aber das Banner der selbständigen Ukraina bleibt weiter
bestehen und es wird in dem Momente gehißt werden, wenn die altrussischen
Zentralisten uns das Banner einer weiten Autonomie der Ukraina in der russi¬
schen söderativeu und demokratischen Republik aus den Händen reißen wollten.
Das ist klar und sollte auch den Lenkern des russischen Reiches klar sein." Man
hielt also immer das zweite Eisen im Feuer und das half, da auch das Waffen¬
glück der Mittemächte den Ukrainern zugute kam. Unter Hinweis auf diese Lage
trat Kerenski im Juli für die sofortige Verständigung mit der Ukraina ein; der
Widerstand der Kadettenpartei wurde gebrochen und die Kadettenminister demissio¬
nierten, worauf die grundlegenden Zugeständnisse an die Ukraina gewährt wurden.
Mit der Freundschaft der Zentralmächte rechneten auch die Ukrainer, wenn sie
im August an die Bevölkerung Wolhyniens und Podoliens einen Aufruf richtete,
das Land im Falle einer Okkupation nicht zu verlasse«. Anderseits aber hat der
ukrainische Kriegsminister Petljura gleichzeitig an die ukrainischen Soldaten den
Befehl gerichtet, daß der deutsch-österreichische und ungarische Vormarsch die
Ukrainer ihrer Freiheit beraube und die Revolution mit Vernichtung bedrohe. Er
rief sie daher auf, an der russischen Front für die Freiheit der Ukrainer zu



*) Immer wieder muß betont werden, das; die fast durchaus aus Analphabeten be¬
stehenden Bauern nicht von ideal nationalen, sondern von wirtschaftlichen Interessen geleitet
werden. Werden ihre Hoffnungen durch die jetzigen Führer nicht erfüllt, so werden sie leicht
von anderen gewonnen werden. Das gilt selbstverständlich auch für die Ruthenen-Ukrainer.
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[0137] Die ruthenische Frage l,',N<> und 1,91,7 und Entspannungen, diplomatischen Streitigkeiten, drohenden Kriegserklärungen und blutigen Kämpfen zwischen den beiden Regierungen die Rede ist. Es geht so weit, daß zu gleicher Zeit, da die Vertreter Rußlands und der Ukraina in Brest-Litowsk sich zu Friedensverhandlungen zusammenfinden, Kämpfe zwischen beiderseitigen Truppen an der Tagesordnung sind (Anfangs Januar 191,8)1 Halten wir dazu noch die Nachricht, daß aus Kijew auch Gegenverschwörungen zur Wiederherstellung des Zarentums berichtet wurden und daß die weitgehenden sozialen, die Masse der Bauern mitreißenden Reformen auf große Schwierigkeiten stoßen werden,*) so ersieht man daraus, daß die gegenwärtigen Zustände in Rußland noch sehr wandelbarer Natur sind. Im einzelnen sind diese wirren Vorgänge für uns ziemlich belanglos und es wäre überflüssige Mühe, aus den widersprechenden Zeitungsnachrichten den Kern herauszuschälen. Bemerkenswert sind aber gewisse Begleiterscheinungen, die die Haltung der Ukraina zu den politischen Mächtegruppen kennzeichnen. In ihren Kämpfen mit der Petersburger Regierung drohten die Ukrainer, wenn es ihnen nützlich erschien, mit ihren Beziehungen zu den Zentralmächteu. Deshalb verwiesen im Juli 1917 die russischen Blätter auf die in Kijew im Dienste Österreichs stehenden Spione und Agenten. ..Russkoje Slowo" erzählt Mitte Juli von Verbrüderungsfesten in Kijew zwischen Ukrainern, deutschen und österreichischen Soldaten. Dann hören wir gelegentlich des vorübergehenden Rücktritts Wynne- tschenkos, daß einige Mitglieder der russischen Negierung ihm Deutschfreundlichkeit vorwarfen. Die Ukrainer verwiesen Ende August auf die Möglichkeit, sich auf Österreich-Ungarn und Deutschland, „die viele Freunde im Rate der Ukraina haben", zu stützen, wenn die russische Regierung sich ihren Forderungen widersetze. Ein anderes Mittel, die russische Regierung gefügig zu machen, bestand darin, daß auf die Möglichkeit der vollständigen Lostrennung der Ukraina von Nußland (also auf ihren engeren Anschluß an die Mittemächte), hingewiesen wurde. Auf dem Kongreß im April war dafür — wie eine ruthenische politische Schrift aus¬ führt — nur eine Minderheit vorhanden. Aber für ihre Bedeutung sprechen unzweideutig (?) folgende Worte des Professors Michael HruschewskyjS, welcher in einem Leitartikel des Kijewer ukrainischen Hauptorgans „Nowa Rada", nachdem er die Forderung der Autonomie der Ukraina in einer föderativem Republik auf¬ gestellt hat, erklärt: „Aber das Banner der selbständigen Ukraina bleibt weiter bestehen und es wird in dem Momente gehißt werden, wenn die altrussischen Zentralisten uns das Banner einer weiten Autonomie der Ukraina in der russi¬ schen söderativeu und demokratischen Republik aus den Händen reißen wollten. Das ist klar und sollte auch den Lenkern des russischen Reiches klar sein." Man hielt also immer das zweite Eisen im Feuer und das half, da auch das Waffen¬ glück der Mittemächte den Ukrainern zugute kam. Unter Hinweis auf diese Lage trat Kerenski im Juli für die sofortige Verständigung mit der Ukraina ein; der Widerstand der Kadettenpartei wurde gebrochen und die Kadettenminister demissio¬ nierten, worauf die grundlegenden Zugeständnisse an die Ukraina gewährt wurden. Mit der Freundschaft der Zentralmächte rechneten auch die Ukrainer, wenn sie im August an die Bevölkerung Wolhyniens und Podoliens einen Aufruf richtete, das Land im Falle einer Okkupation nicht zu verlasse«. Anderseits aber hat der ukrainische Kriegsminister Petljura gleichzeitig an die ukrainischen Soldaten den Befehl gerichtet, daß der deutsch-österreichische und ungarische Vormarsch die Ukrainer ihrer Freiheit beraube und die Revolution mit Vernichtung bedrohe. Er rief sie daher auf, an der russischen Front für die Freiheit der Ukrainer zu *) Immer wieder muß betont werden, das; die fast durchaus aus Analphabeten be¬ stehenden Bauern nicht von ideal nationalen, sondern von wirtschaftlichen Interessen geleitet werden. Werden ihre Hoffnungen durch die jetzigen Führer nicht erfüllt, so werden sie leicht von anderen gewonnen werden. Das gilt selbstverständlich auch für die Ruthenen-Ukrainer.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 77, 1918, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341907_333095/137>, abgerufen am 22.07.2024.