Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.Nutionale Znkunftsaufgabcn der deutschen Arbeiterschaft gegenüber manchen Erscheinungen des gegenwärtigen Wirtschaftssystems und seinen Dieser Krieg ist in seinen Antrieben wie in seinen Auswirkungsrichtungen Nutionale Znkunftsaufgabcn der deutschen Arbeiterschaft gegenüber manchen Erscheinungen des gegenwärtigen Wirtschaftssystems und seinen Dieser Krieg ist in seinen Antrieben wie in seinen Auswirkungsrichtungen <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0302" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/333017"/> <fw type="header" place="top"> Nutionale Znkunftsaufgabcn der deutschen Arbeiterschaft</fw><lb/> <p xml:id="ID_972" prev="#ID_971"> gegenüber manchen Erscheinungen des gegenwärtigen Wirtschaftssystems und seinen<lb/> Ausartungen im Kriege geltend gemacht hat, ist kein Gegenbeweis. Sie zeigt<lb/> freilich, daß die ernste Gefahr besteht, daß die unfruchtbaren, im Grunde rück¬<lb/> schrittlichen Anbeter der überlieferten Parteidogmen, die mit der Zeit nicht mit¬<lb/> gegangen sind, gewisse Stimmungen des Widerspruches geschickt auf ihre aus¬<lb/> geleierten Mühlen leiten und dadurch den wahren Interessen der Arbeiterschaft<lb/> unermeßlichen Schaden antun könnten. Einstweilen bleibt das eine sicher, daß<lb/> allen jetzt herrschenden Stimmungen zum Trotz wenigstens zu Beginn dieses Krieges<lb/> die Sachlage für unser ganzes arbeitendes Volk blitzartig erhellt war. Damals<lb/> jedenfalls erkannte man in allen Schichten des deutschen Volkes, daß zugleich mit<lb/> dem Bestand und der Macht des deutschen Staates das Gedeihen unserer natio¬<lb/> nalen Wirtschaft und damit schlechthin die Existenz der deutschen Arbeiterschaft auf<lb/> den: Spiel stand. Und die Tatkraft und Umsicht, mit der die Regierung sofort —<lb/> in echt sozialistischen, durchaus modernem Geist — die Unterstützung der ver¬<lb/> lassenen Kriegerfamilien in die Hand nahm, zeigte wiederum, daß die Bewilligung<lb/> der Kriegskredite durch die offizielle sozialdemokratische Parteivertretung Alast nur<lb/> den militärischen Erfolg der feldgrauen Arbeiterschaft gewährleisten, sondern auch<lb/> der Wohlfahrt und dein Schutz der Kriegerfrauen und Soldatenkinder die nötigen<lb/> finanziellen Unterlagen sichern sollte. Der deutsche Staat — im Kriege vor un¬<lb/> erhörte Aufgaben auf allen Gebieten gestellt — bewährte durch diesen neuen Für¬<lb/> sorgezweig sofort aufs entschiedenste den sozialistischen Tropfen, der ihm durch<lb/> Bismarck und seine Sozialreformen eingeimpft worden war. Daß Fehler und<lb/> Unvollkommenheiten auch in diesem großen Fürsorgewerk unvermeidbar blieben,<lb/> versteht sich angesichts der ungemeinen Neuartigkeit der Aufgabe von selbst, betrifft<lb/> aber natürlich nicht den Kern der Sache, sondern nur ihren tatsächlichen Vollzug.</p><lb/> <p xml:id="ID_973" next="#ID_974"> Dieser Krieg ist in seinen Antrieben wie in seinen Auswirkungsrichtungen<lb/> eine so unendlich vielfältige Erscheinung, daß es natürlich unmöglich ist, seinen<lb/> Sinn schon jetzt endgültig zu deuten, erst recht unmöglich aber, diesen Sinn auf<lb/> eine kurze allgemein befriedigende Formel zu bringen. Einesteils hat er Gegen¬<lb/> sätze zwischen den Völkern aufgegraben, von deren Tiefe wir vorher keine Ahnung<lb/> hatten, andererseits bewirkt er einen Austausch von Machtmitteln, Einwirkungen<lb/> und Ideen, der eher auf einen allgemeinen Ausgleich hinzuführen scheint, auf<lb/> einen Ausgleich zwischen den feindlichen Staaten, wie auch zwischen inneren<lb/> Gegnern. In letzterer Richtung z. B. ist es gar nicht zu verkennen, daß er in<lb/> Deutschland gerade bei den bisher undemokratischen Parteien zu einer Stärkung<lb/> parlamentaristischer Wünsche geführt hat, die man vorher kaum für glaublich ge¬<lb/> halten hätte. Für die Linksparteien aber wiederum bedeutete er einen wesent¬<lb/> lichen Ruck nach rechts, der sich z. B. in einer entschiedeneren Anerkennung un¬<lb/> bedingter Regierungsautorität und in einer willigeren Beugung unter den<lb/> Militarismus äußerte. Ebenso militarisiert sich notgedrungen das liberale Eng¬<lb/> land und wir lernen die Methoden des Wirtschaftskrieges von unseren Gegnern.<lb/> Trotzdem also hier noch alles in Fluß ist, soviel wird man schon jetzt sagen<lb/> können, daß die Entente für die Aufrechterhaltung der alten liberal-demokratischen<lb/> Lebensform in Europa kämpft. Die Ideen von 1789, die Ideen der großen<lb/> französischen Revolution sind es, wie man richtig gesehen hat, die gegen den<lb/> neuen Geist von 1914, der aus dem Schoß der deutschen Vergangenheit in eine</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0302]
Nutionale Znkunftsaufgabcn der deutschen Arbeiterschaft
gegenüber manchen Erscheinungen des gegenwärtigen Wirtschaftssystems und seinen
Ausartungen im Kriege geltend gemacht hat, ist kein Gegenbeweis. Sie zeigt
freilich, daß die ernste Gefahr besteht, daß die unfruchtbaren, im Grunde rück¬
schrittlichen Anbeter der überlieferten Parteidogmen, die mit der Zeit nicht mit¬
gegangen sind, gewisse Stimmungen des Widerspruches geschickt auf ihre aus¬
geleierten Mühlen leiten und dadurch den wahren Interessen der Arbeiterschaft
unermeßlichen Schaden antun könnten. Einstweilen bleibt das eine sicher, daß
allen jetzt herrschenden Stimmungen zum Trotz wenigstens zu Beginn dieses Krieges
die Sachlage für unser ganzes arbeitendes Volk blitzartig erhellt war. Damals
jedenfalls erkannte man in allen Schichten des deutschen Volkes, daß zugleich mit
dem Bestand und der Macht des deutschen Staates das Gedeihen unserer natio¬
nalen Wirtschaft und damit schlechthin die Existenz der deutschen Arbeiterschaft auf
den: Spiel stand. Und die Tatkraft und Umsicht, mit der die Regierung sofort —
in echt sozialistischen, durchaus modernem Geist — die Unterstützung der ver¬
lassenen Kriegerfamilien in die Hand nahm, zeigte wiederum, daß die Bewilligung
der Kriegskredite durch die offizielle sozialdemokratische Parteivertretung Alast nur
den militärischen Erfolg der feldgrauen Arbeiterschaft gewährleisten, sondern auch
der Wohlfahrt und dein Schutz der Kriegerfrauen und Soldatenkinder die nötigen
finanziellen Unterlagen sichern sollte. Der deutsche Staat — im Kriege vor un¬
erhörte Aufgaben auf allen Gebieten gestellt — bewährte durch diesen neuen Für¬
sorgezweig sofort aufs entschiedenste den sozialistischen Tropfen, der ihm durch
Bismarck und seine Sozialreformen eingeimpft worden war. Daß Fehler und
Unvollkommenheiten auch in diesem großen Fürsorgewerk unvermeidbar blieben,
versteht sich angesichts der ungemeinen Neuartigkeit der Aufgabe von selbst, betrifft
aber natürlich nicht den Kern der Sache, sondern nur ihren tatsächlichen Vollzug.
Dieser Krieg ist in seinen Antrieben wie in seinen Auswirkungsrichtungen
eine so unendlich vielfältige Erscheinung, daß es natürlich unmöglich ist, seinen
Sinn schon jetzt endgültig zu deuten, erst recht unmöglich aber, diesen Sinn auf
eine kurze allgemein befriedigende Formel zu bringen. Einesteils hat er Gegen¬
sätze zwischen den Völkern aufgegraben, von deren Tiefe wir vorher keine Ahnung
hatten, andererseits bewirkt er einen Austausch von Machtmitteln, Einwirkungen
und Ideen, der eher auf einen allgemeinen Ausgleich hinzuführen scheint, auf
einen Ausgleich zwischen den feindlichen Staaten, wie auch zwischen inneren
Gegnern. In letzterer Richtung z. B. ist es gar nicht zu verkennen, daß er in
Deutschland gerade bei den bisher undemokratischen Parteien zu einer Stärkung
parlamentaristischer Wünsche geführt hat, die man vorher kaum für glaublich ge¬
halten hätte. Für die Linksparteien aber wiederum bedeutete er einen wesent¬
lichen Ruck nach rechts, der sich z. B. in einer entschiedeneren Anerkennung un¬
bedingter Regierungsautorität und in einer willigeren Beugung unter den
Militarismus äußerte. Ebenso militarisiert sich notgedrungen das liberale Eng¬
land und wir lernen die Methoden des Wirtschaftskrieges von unseren Gegnern.
Trotzdem also hier noch alles in Fluß ist, soviel wird man schon jetzt sagen
können, daß die Entente für die Aufrechterhaltung der alten liberal-demokratischen
Lebensform in Europa kämpft. Die Ideen von 1789, die Ideen der großen
französischen Revolution sind es, wie man richtig gesehen hat, die gegen den
neuen Geist von 1914, der aus dem Schoß der deutschen Vergangenheit in eine
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