Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.Lriedcnsznrüstungon Würde, sich in die innereuropäischen Angelegenheiten nach Belieben zu mischen, Ob wir uns als Deutsche und Preußen mit der angestrebten Lösung der Welche Lösung auch schließlich zur Annahme gelangen sollte, jede wird Sind wir aber einmal bereit, Opfer zu bringen, so soll damit nicht gesagt Lriedcnsznrüstungon Würde, sich in die innereuropäischen Angelegenheiten nach Belieben zu mischen, Ob wir uns als Deutsche und Preußen mit der angestrebten Lösung der Welche Lösung auch schließlich zur Annahme gelangen sollte, jede wird Sind wir aber einmal bereit, Opfer zu bringen, so soll damit nicht gesagt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0272" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/332987"/> <fw type="header" place="top"> Lriedcnsznrüstungon</fw><lb/> <p xml:id="ID_887" prev="#ID_886"> Würde, sich in die innereuropäischen Angelegenheiten nach Belieben zu mischen,<lb/> wäre bei Annahme der vorgeschlagenen Lösung für die Zeit der Friedensverhand¬<lb/> lungen so gut wie ausgeschlossen. Damit wäre aber zugleich auch der Möglich¬<lb/> keit einer Verständigung aller europäischen Staaten über Fragen, wo sie wünschens¬<lb/> wert erscheinen könnte, z. B. in Abwehr amerikanischer Anmaßungen auf wirt¬<lb/> schaftlichem Gebiet, der Weg offen gehalten. Mit einem Wort: vom weltpolitischen<lb/> Schachbrett wäre der gefährliche polnische Springer verschwunden. Was die Polen<lb/> in der Welt alsdann gegen uns unternehmen sollten, würde den Stempel der<lb/> Konspiration einzelner Privatpersonen an der Stirn tragen und alle Staaten mit<lb/> Einschluß des polnischen gleichmäßig treffen, solange sich die Habsburgische Ge¬<lb/> samtmacht nicht hinter sie stellt.</p><lb/> <p xml:id="ID_888"> Ob wir uns als Deutsche und Preußen mit der angestrebten Lösung der<lb/> Polenfrage aus dem angeführten Gesichtspunkt heraus abfinden müssen, ohne<lb/> uns nach gewissen Sicherungen umzusehen, ist freilich eine andere Frage. Mit<lb/> Genugtuung kann sie uns in keinem Belang erfüllen. Sie bedeutet vom natio¬<lb/> nalen Standpunkt aus ein — Olmütz, einen Rückzug vor übermächtigen Ver¬<lb/> hältnissen. Welche größere Gesichtspunkte auch die Lösung rechtfertigen mögen,<lb/> für unsere Ostmark werden Verhältnisse geschaffen, ernster wie jene, die 1908 zur<lb/> Einbringung des Enteignungsgesetzes geführt haben. Unsere Lage den preußischen<lb/> Polen gegenüber ist ungleich ungünstiger geworden, als sie vor Ausbruch des<lb/> Krieges war. Der Nationalitätenkamps, der wieder aufleben muß, wenn wir<lb/> nicht ohne weiteres verzichten, wird rücksichtsloser mit staatlichen Mitteln geführt<lb/> werden müssen wie bisher', denn unser Bevölkerungsüberschuß hat sich durch den<lb/> Krieg erheblich vermindert. Die völkischen Kräfte auf unserer Seite sind durch<lb/> die ungeheuren Verluste des Krieges zurückgegangen. Daneben wird die Ge¬<lb/> winnung des Siedlungslandes in Litauen und Kurland den Ansiedlerstrom, der<lb/> bisher in die alte Ostmark geflossen ist, auf sich ziehen: dort werden sicher politisch<lb/> bequemere Verhältnisse für die Ansiedler anzutreffen sein, wie auf dem heiß um¬<lb/> strittenen Boden Posens und Westpreußens. Groß ist die Gefahr der Poloni-<lb/> sierung Oberschlesiens. Das dortige Industriegebiet ist einer der wichtigsten Böden<lb/> der polnischen Mittelstandsbildung, — außerdem ist es die Brücke vom Königreich<lb/> nach Österreichisch-Schlesien mit seiner polnischen Enklave Teschen.</p><lb/> <p xml:id="ID_889"> Welche Lösung auch schließlich zur Annahme gelangen sollte, jede wird<lb/> diesen Lebensinteressen Preußen-Deutschlands Rechnung tragen müssen, ohne daß<lb/> deshalb das große Ziel aus dem Auge verloren zu werden braucht. Opfer<lb/> müssen wir bringen, aber diese Opfer müssen dem erhofften Gewinn entsprechen.</p><lb/> <p xml:id="ID_890"> Sind wir aber einmal bereit, Opfer zu bringen, so soll damit nicht gesagt<lb/> sein, daß nun auch alle Opfer von uns allein getragen werden sollen. Die Opfer<lb/> dürfen nicht derart sein, daß Löcher in das Fundament des Staates gerissen<lb/> werden, um die Giebelwand auszubessern. Der preußische Staat aber ist Grund¬<lb/> mauer und Eckstein des Deutschen Reiches, darüber sollte kein Zweifel aufkommen.<lb/> Die Sicherheit des Reiches darf auch auf Kosten der Behaglichkeit nicht angetastet<lb/> werden. An den Opfern, die gebracht werden müssen, sollten alle drei Beteiligten<lb/> gleichmäßig tragen und wenn wir auch den Nationalitätenhader tief verabscheuen,<lb/> dürfen wir den Kampf um unsere Nationalität ebensowenig aufgeben, wie wir<lb/> den Krieg einstellen dürften, lediglich, weil er uns in tiefster Seele verhaßt ist.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0272]
Lriedcnsznrüstungon
Würde, sich in die innereuropäischen Angelegenheiten nach Belieben zu mischen,
wäre bei Annahme der vorgeschlagenen Lösung für die Zeit der Friedensverhand¬
lungen so gut wie ausgeschlossen. Damit wäre aber zugleich auch der Möglich¬
keit einer Verständigung aller europäischen Staaten über Fragen, wo sie wünschens¬
wert erscheinen könnte, z. B. in Abwehr amerikanischer Anmaßungen auf wirt¬
schaftlichem Gebiet, der Weg offen gehalten. Mit einem Wort: vom weltpolitischen
Schachbrett wäre der gefährliche polnische Springer verschwunden. Was die Polen
in der Welt alsdann gegen uns unternehmen sollten, würde den Stempel der
Konspiration einzelner Privatpersonen an der Stirn tragen und alle Staaten mit
Einschluß des polnischen gleichmäßig treffen, solange sich die Habsburgische Ge¬
samtmacht nicht hinter sie stellt.
Ob wir uns als Deutsche und Preußen mit der angestrebten Lösung der
Polenfrage aus dem angeführten Gesichtspunkt heraus abfinden müssen, ohne
uns nach gewissen Sicherungen umzusehen, ist freilich eine andere Frage. Mit
Genugtuung kann sie uns in keinem Belang erfüllen. Sie bedeutet vom natio¬
nalen Standpunkt aus ein — Olmütz, einen Rückzug vor übermächtigen Ver¬
hältnissen. Welche größere Gesichtspunkte auch die Lösung rechtfertigen mögen,
für unsere Ostmark werden Verhältnisse geschaffen, ernster wie jene, die 1908 zur
Einbringung des Enteignungsgesetzes geführt haben. Unsere Lage den preußischen
Polen gegenüber ist ungleich ungünstiger geworden, als sie vor Ausbruch des
Krieges war. Der Nationalitätenkamps, der wieder aufleben muß, wenn wir
nicht ohne weiteres verzichten, wird rücksichtsloser mit staatlichen Mitteln geführt
werden müssen wie bisher', denn unser Bevölkerungsüberschuß hat sich durch den
Krieg erheblich vermindert. Die völkischen Kräfte auf unserer Seite sind durch
die ungeheuren Verluste des Krieges zurückgegangen. Daneben wird die Ge¬
winnung des Siedlungslandes in Litauen und Kurland den Ansiedlerstrom, der
bisher in die alte Ostmark geflossen ist, auf sich ziehen: dort werden sicher politisch
bequemere Verhältnisse für die Ansiedler anzutreffen sein, wie auf dem heiß um¬
strittenen Boden Posens und Westpreußens. Groß ist die Gefahr der Poloni-
sierung Oberschlesiens. Das dortige Industriegebiet ist einer der wichtigsten Böden
der polnischen Mittelstandsbildung, — außerdem ist es die Brücke vom Königreich
nach Österreichisch-Schlesien mit seiner polnischen Enklave Teschen.
Welche Lösung auch schließlich zur Annahme gelangen sollte, jede wird
diesen Lebensinteressen Preußen-Deutschlands Rechnung tragen müssen, ohne daß
deshalb das große Ziel aus dem Auge verloren zu werden braucht. Opfer
müssen wir bringen, aber diese Opfer müssen dem erhofften Gewinn entsprechen.
Sind wir aber einmal bereit, Opfer zu bringen, so soll damit nicht gesagt
sein, daß nun auch alle Opfer von uns allein getragen werden sollen. Die Opfer
dürfen nicht derart sein, daß Löcher in das Fundament des Staates gerissen
werden, um die Giebelwand auszubessern. Der preußische Staat aber ist Grund¬
mauer und Eckstein des Deutschen Reiches, darüber sollte kein Zweifel aufkommen.
Die Sicherheit des Reiches darf auch auf Kosten der Behaglichkeit nicht angetastet
werden. An den Opfern, die gebracht werden müssen, sollten alle drei Beteiligten
gleichmäßig tragen und wenn wir auch den Nationalitätenhader tief verabscheuen,
dürfen wir den Kampf um unsere Nationalität ebensowenig aufgeben, wie wir
den Krieg einstellen dürften, lediglich, weil er uns in tiefster Seele verhaßt ist.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |