Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.Ver neue Burgfriede Ein meisterhafter Schachzug war es insbesondere, der nationalliberalen Partei die Unter den Parteien aber hat sich keine durch ihr Verhalten während der Ver neue Burgfriede Ein meisterhafter Schachzug war es insbesondere, der nationalliberalen Partei die Unter den Parteien aber hat sich keine durch ihr Verhalten während der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0241" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/332956"/> <fw type="header" place="top"> Ver neue Burgfriede</fw><lb/> <p xml:id="ID_787" prev="#ID_786"> Ein meisterhafter Schachzug war es insbesondere, der nationalliberalen Partei die<lb/> Besetzung der Vizepräsidentschaft im preußischen Staatsministerium anzubieten;<lb/> gerade so konnte den Befürchtungen am ersten und wirksamsten begegnet werden,<lb/> die die Berufung eines ehemaligen Zentrumsführers auf den Kanzlerposten in<lb/> Protestantischen Kreisen auszulösen geeignet war.</p><lb/> <p xml:id="ID_788" next="#ID_789"> Unter den Parteien aber hat sich keine durch ihr Verhalten während der<lb/> Krise so sehr den Dank aller einsichtigen vaterländischen Kreise verdient wie die<lb/> nationalliberale. Indem sich die nationalliberale Partei, ohne Rücksicht auf ihr<lb/> eigenes Interesse und auf die Stimmung eines nicht unerheblichen Teiles der<lb/> hinter ihr stehenden Wählermassen entschloß, an der Bildung der Regierung teil-<lb/> Zunehmen und die Mitverantwortung für sie zu tragen, hat sie erst der Regierung<lb/> die volle Tragfähigkeit und Stabilität gegeben, deren sie unbedingt im nationalen<lb/> Interesse bedürfte. Sie hat damit ein weit größeres Verantwortungsgefühl an<lb/> den Tag gelegt als die sozialdemokratische Partei, von der man nach den großen<lb/> Worten des Würzburger Parteitages hätte erwarten sollen, daß sie sich nicht aus<lb/> der Befürchtung heraus, nur die Gastrolle von Sommervögeln in der Regierung<lb/> spielen zu können, mittels des Versuchs, ihren moralischen Anspruch auf einen Regie¬<lb/> rungssitz auf ein zweites Mitglied der freisinnigen Volkspartei abzuleiten, von der<lb/> Übernahme der Mitverantwortung drücken würde. Es mag erwähnt sein, daß<lb/> diese Haltung der Sozialdemokratie auch in den eigenen Reihen herbe Kritik<lb/> findet; so schrieb das ..Korrespondenzblatt der Generalkommission der Gewerk¬<lb/> schaften Deutschlands" am 10. November: „Die bescheidene Zurückhaltung der<lb/> Sozialdemokratie, ihr Zurücktreten hinter die Fortschrittler hat das Ansehen der<lb/> letzteren nicht gehoben, wohl aber das der Reichstagsmehrheit beeinträchtigt und<lb/> die Hoffnung genährt, daß es gelingen könnte, diesen demokratischen Block zu<lb/> sprengen. Zu keiner Zeit war die Selbstisolierung der Sozialdemokratie übler<lb/> angebracht wie im gegenwärtigen Kampf zwischen Parlamentsmehrheit und Paria-<lb/> mentsfeinden. Wenn jede Partei sich den Luxus des Außenseüertums und das<lb/> Recht der freien Kritik gestatten wollte, dann wäre überhaupt keine Losung der<lb/> Krisis im Sinne der Reichstagsmehrheit denkbar." Wie gesagt, daß eme gedeihliche<lb/> Lösung der Krise in der Richtung einer geschlossenen, doch auch tue Sozialdemo-<lb/> kratie einbegreifenden Front ermöglicht worden ist. das hat zum guten Teile erst<lb/> die nationalliberale Partei zuwege gebracht. Die Nationalliberalen sind es ge¬<lb/> wesen, die von Anbeginn der interfraktionellen Besprechungen an das Haupt¬<lb/> gewicht auf die. möglichst breite Basis der inneren Front und auf die Herstellung<lb/> des neuen Burgfriedens legten, und die es auch erreichten, daß das zwischen Gra<lb/> Hertling und den Mehrheitsparteien vereinbarte Aktionsprogramm klar und fest<lb/> abgegrenzt wurde Es ist reizvoll, die heutige weitausschauende, auch tue Ab¬<lb/> splitterung kleiner Teile der Fraktion nicht scheuerte Haltung der nationalliberalen<lb/> Partei mit der Stellungnahme der nationalliberalen Führer in der innerpoktlschen<lb/> Wendung von 1877/78 zu vergleiche». Damals weigerte sich em Benmgsen.<lb/> dem Rufe Bismarcks. zu ihm in das Staatsschiff zu steigen, zu folgen, es sei denn,<lb/> daß noch weitere mehr links gerichtete Mitglieder der Fraktion an dem Eintritt mW<lb/> Regierung teilnahmen nndso einlibemlesParteiregiinent gebildet wurde. E-'wlrdhente<lb/> kaum noch bestritten werde», daß die »ationalliberalen Führer, von denen Laster und<lb/> Forckeubeck geradezu auf ein Scheitern der Berufung Bmnmgsens spekulierten, mit</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0241]
Ver neue Burgfriede
Ein meisterhafter Schachzug war es insbesondere, der nationalliberalen Partei die
Besetzung der Vizepräsidentschaft im preußischen Staatsministerium anzubieten;
gerade so konnte den Befürchtungen am ersten und wirksamsten begegnet werden,
die die Berufung eines ehemaligen Zentrumsführers auf den Kanzlerposten in
Protestantischen Kreisen auszulösen geeignet war.
Unter den Parteien aber hat sich keine durch ihr Verhalten während der
Krise so sehr den Dank aller einsichtigen vaterländischen Kreise verdient wie die
nationalliberale. Indem sich die nationalliberale Partei, ohne Rücksicht auf ihr
eigenes Interesse und auf die Stimmung eines nicht unerheblichen Teiles der
hinter ihr stehenden Wählermassen entschloß, an der Bildung der Regierung teil-
Zunehmen und die Mitverantwortung für sie zu tragen, hat sie erst der Regierung
die volle Tragfähigkeit und Stabilität gegeben, deren sie unbedingt im nationalen
Interesse bedürfte. Sie hat damit ein weit größeres Verantwortungsgefühl an
den Tag gelegt als die sozialdemokratische Partei, von der man nach den großen
Worten des Würzburger Parteitages hätte erwarten sollen, daß sie sich nicht aus
der Befürchtung heraus, nur die Gastrolle von Sommervögeln in der Regierung
spielen zu können, mittels des Versuchs, ihren moralischen Anspruch auf einen Regie¬
rungssitz auf ein zweites Mitglied der freisinnigen Volkspartei abzuleiten, von der
Übernahme der Mitverantwortung drücken würde. Es mag erwähnt sein, daß
diese Haltung der Sozialdemokratie auch in den eigenen Reihen herbe Kritik
findet; so schrieb das ..Korrespondenzblatt der Generalkommission der Gewerk¬
schaften Deutschlands" am 10. November: „Die bescheidene Zurückhaltung der
Sozialdemokratie, ihr Zurücktreten hinter die Fortschrittler hat das Ansehen der
letzteren nicht gehoben, wohl aber das der Reichstagsmehrheit beeinträchtigt und
die Hoffnung genährt, daß es gelingen könnte, diesen demokratischen Block zu
sprengen. Zu keiner Zeit war die Selbstisolierung der Sozialdemokratie übler
angebracht wie im gegenwärtigen Kampf zwischen Parlamentsmehrheit und Paria-
mentsfeinden. Wenn jede Partei sich den Luxus des Außenseüertums und das
Recht der freien Kritik gestatten wollte, dann wäre überhaupt keine Losung der
Krisis im Sinne der Reichstagsmehrheit denkbar." Wie gesagt, daß eme gedeihliche
Lösung der Krise in der Richtung einer geschlossenen, doch auch tue Sozialdemo-
kratie einbegreifenden Front ermöglicht worden ist. das hat zum guten Teile erst
die nationalliberale Partei zuwege gebracht. Die Nationalliberalen sind es ge¬
wesen, die von Anbeginn der interfraktionellen Besprechungen an das Haupt¬
gewicht auf die. möglichst breite Basis der inneren Front und auf die Herstellung
des neuen Burgfriedens legten, und die es auch erreichten, daß das zwischen Gra
Hertling und den Mehrheitsparteien vereinbarte Aktionsprogramm klar und fest
abgegrenzt wurde Es ist reizvoll, die heutige weitausschauende, auch tue Ab¬
splitterung kleiner Teile der Fraktion nicht scheuerte Haltung der nationalliberalen
Partei mit der Stellungnahme der nationalliberalen Führer in der innerpoktlschen
Wendung von 1877/78 zu vergleiche». Damals weigerte sich em Benmgsen.
dem Rufe Bismarcks. zu ihm in das Staatsschiff zu steigen, zu folgen, es sei denn,
daß noch weitere mehr links gerichtete Mitglieder der Fraktion an dem Eintritt mW
Regierung teilnahmen nndso einlibemlesParteiregiinent gebildet wurde. E-'wlrdhente
kaum noch bestritten werde», daß die »ationalliberalen Führer, von denen Laster und
Forckeubeck geradezu auf ein Scheitern der Berufung Bmnmgsens spekulierten, mit
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