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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.

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Der Siegespreis

bestimmt geblieben, während zu gleicher Zeit die Vaterlandspartei durch ihre Agi¬
tation bei der Mehrheit des Reichstags Beunruhigung erzeugte. Dieser Dua¬
lismus Michaelis-Kühlmann hat es ermöglicht, daß die Friedensformel der Reichs¬
tagsmehrheit vom 19. Juli d. I. noch eine Bedeutung als politischer Glaubenssatz
haben konnte, als alle Grundlagen für sie durch die Haltung unserer Feinde längst
zerstört waren.

Nun scheint man zu glauben, durch Beseitigung des Herrn Michaelis eine
Lösung zu finden auf der Basis der Anerkennung jener FriedensresolutionI Und
das ist der grundsätzliche Fehler, von dem die Spannungen, gleichgültig wer
Reichskanzler ist, ausgehen. Findet sich kein Nachfolger, der den Mut hat, die
klare Weltlage auch klar vor aller Öffentlichkeit zu erkennen, so wird der zer¬
setzende Kampf im Innern weitergehen und das, was wir durch die Armee draußen
erreichen, wird für die Feinde wettgemacht durch den inneren Zwist. -- Bekenne sich
der neue Kanzler nicht zu der tatsächlichen Weltlage, so hätte er auch keinen aus¬
reichenden Grund, die preußischen Verfassungsfragen wie bisher zurückzustellen. Und
die müssen zurückgestellt werden, unbeschadet der grundsätzlichen Forderung einer
durchgreifenden Wahlreform I Wir bedürfen aller unsrer Kräfte zur Niederwerfung
Englands, zur Sicherung unserer Zukunft. Der innere Streit diskreditiert unsre
Regierung im Auslande -- er muß schweigen. Es ist auch im Augenblick un¬
wesentlich, nach welchem Wahlrecht die preußische Kammer zusammengesetzt wird,
-- unwesentlich gegenüber den Anforderungen der Kriegslage. Die Erörterung
der Wahlrechtsfrage lenkt ab, beeinträchtigt die Konzentration des Willens. Und
wir bedürfen noch eines starken Willens, um die Pläne unseres Hauptfeindes zu
nichte zu machen. Der Krieg ist noch nicht zu Ende.

Das sind die Eindrücke, die wir vom Auslande her als dem Kampf entrückte
Beobachter gewonnen haben. In Konsequenz der Weltlage gilt es, alle liberalen
Träume vorläufig zurückzustellen, alle! Es geht um das primitivste, das wir be¬
sitzen: die Daseinsberechtigung. Sie ist noch nicht erkämpft und wenn sie erkämpft
sein sollte auf dem Schlachtfelde, dann wird sie gefährdet sein durch die Friedens¬
konferenz, auf der wir kaum eine günstigere Konstellation der Mächte zu erwarten
haben werden, wenn die auswärtige Politik die gegenwärtig eingeschlagenen Wege
geht. So viel ich sehe, hat diese Lage Deutschlands nur eine Stelle erkannt: die
deutsche Vaterlandspartei. Sie mag manchen unsympathischen Zug haben. Aber
sie ist ein Sammelbecken alles dessen, was stark in unserem Volke ist. Sie spiegelt
den Geist der Männer wieder, die Deutschland vor dem Einfall von Millionen
Fremden bewahrt haben. Sie, haben unser Kriegsziel, das uns aufgedrängte
Kriegsziel klar erkannt: England niederzuringen. Liegt England am Boden --
wir sind befähigt, die innere Sammlung vorausgesetzt, das Ziel zu erreichen -
so wird alles andere sich finden, auch die Stellungnahme zu Erwerbungen im Osten.




Der Siegespreis

bestimmt geblieben, während zu gleicher Zeit die Vaterlandspartei durch ihre Agi¬
tation bei der Mehrheit des Reichstags Beunruhigung erzeugte. Dieser Dua¬
lismus Michaelis-Kühlmann hat es ermöglicht, daß die Friedensformel der Reichs¬
tagsmehrheit vom 19. Juli d. I. noch eine Bedeutung als politischer Glaubenssatz
haben konnte, als alle Grundlagen für sie durch die Haltung unserer Feinde längst
zerstört waren.

Nun scheint man zu glauben, durch Beseitigung des Herrn Michaelis eine
Lösung zu finden auf der Basis der Anerkennung jener FriedensresolutionI Und
das ist der grundsätzliche Fehler, von dem die Spannungen, gleichgültig wer
Reichskanzler ist, ausgehen. Findet sich kein Nachfolger, der den Mut hat, die
klare Weltlage auch klar vor aller Öffentlichkeit zu erkennen, so wird der zer¬
setzende Kampf im Innern weitergehen und das, was wir durch die Armee draußen
erreichen, wird für die Feinde wettgemacht durch den inneren Zwist. — Bekenne sich
der neue Kanzler nicht zu der tatsächlichen Weltlage, so hätte er auch keinen aus¬
reichenden Grund, die preußischen Verfassungsfragen wie bisher zurückzustellen. Und
die müssen zurückgestellt werden, unbeschadet der grundsätzlichen Forderung einer
durchgreifenden Wahlreform I Wir bedürfen aller unsrer Kräfte zur Niederwerfung
Englands, zur Sicherung unserer Zukunft. Der innere Streit diskreditiert unsre
Regierung im Auslande — er muß schweigen. Es ist auch im Augenblick un¬
wesentlich, nach welchem Wahlrecht die preußische Kammer zusammengesetzt wird,
— unwesentlich gegenüber den Anforderungen der Kriegslage. Die Erörterung
der Wahlrechtsfrage lenkt ab, beeinträchtigt die Konzentration des Willens. Und
wir bedürfen noch eines starken Willens, um die Pläne unseres Hauptfeindes zu
nichte zu machen. Der Krieg ist noch nicht zu Ende.

Das sind die Eindrücke, die wir vom Auslande her als dem Kampf entrückte
Beobachter gewonnen haben. In Konsequenz der Weltlage gilt es, alle liberalen
Träume vorläufig zurückzustellen, alle! Es geht um das primitivste, das wir be¬
sitzen: die Daseinsberechtigung. Sie ist noch nicht erkämpft und wenn sie erkämpft
sein sollte auf dem Schlachtfelde, dann wird sie gefährdet sein durch die Friedens¬
konferenz, auf der wir kaum eine günstigere Konstellation der Mächte zu erwarten
haben werden, wenn die auswärtige Politik die gegenwärtig eingeschlagenen Wege
geht. So viel ich sehe, hat diese Lage Deutschlands nur eine Stelle erkannt: die
deutsche Vaterlandspartei. Sie mag manchen unsympathischen Zug haben. Aber
sie ist ein Sammelbecken alles dessen, was stark in unserem Volke ist. Sie spiegelt
den Geist der Männer wieder, die Deutschland vor dem Einfall von Millionen
Fremden bewahrt haben. Sie, haben unser Kriegsziel, das uns aufgedrängte
Kriegsziel klar erkannt: England niederzuringen. Liegt England am Boden —
wir sind befähigt, die innere Sammlung vorausgesetzt, das Ziel zu erreichen -
so wird alles andere sich finden, auch die Stellungnahme zu Erwerbungen im Osten.




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[0176] Der Siegespreis bestimmt geblieben, während zu gleicher Zeit die Vaterlandspartei durch ihre Agi¬ tation bei der Mehrheit des Reichstags Beunruhigung erzeugte. Dieser Dua¬ lismus Michaelis-Kühlmann hat es ermöglicht, daß die Friedensformel der Reichs¬ tagsmehrheit vom 19. Juli d. I. noch eine Bedeutung als politischer Glaubenssatz haben konnte, als alle Grundlagen für sie durch die Haltung unserer Feinde längst zerstört waren. Nun scheint man zu glauben, durch Beseitigung des Herrn Michaelis eine Lösung zu finden auf der Basis der Anerkennung jener FriedensresolutionI Und das ist der grundsätzliche Fehler, von dem die Spannungen, gleichgültig wer Reichskanzler ist, ausgehen. Findet sich kein Nachfolger, der den Mut hat, die klare Weltlage auch klar vor aller Öffentlichkeit zu erkennen, so wird der zer¬ setzende Kampf im Innern weitergehen und das, was wir durch die Armee draußen erreichen, wird für die Feinde wettgemacht durch den inneren Zwist. — Bekenne sich der neue Kanzler nicht zu der tatsächlichen Weltlage, so hätte er auch keinen aus¬ reichenden Grund, die preußischen Verfassungsfragen wie bisher zurückzustellen. Und die müssen zurückgestellt werden, unbeschadet der grundsätzlichen Forderung einer durchgreifenden Wahlreform I Wir bedürfen aller unsrer Kräfte zur Niederwerfung Englands, zur Sicherung unserer Zukunft. Der innere Streit diskreditiert unsre Regierung im Auslande — er muß schweigen. Es ist auch im Augenblick un¬ wesentlich, nach welchem Wahlrecht die preußische Kammer zusammengesetzt wird, — unwesentlich gegenüber den Anforderungen der Kriegslage. Die Erörterung der Wahlrechtsfrage lenkt ab, beeinträchtigt die Konzentration des Willens. Und wir bedürfen noch eines starken Willens, um die Pläne unseres Hauptfeindes zu nichte zu machen. Der Krieg ist noch nicht zu Ende. Das sind die Eindrücke, die wir vom Auslande her als dem Kampf entrückte Beobachter gewonnen haben. In Konsequenz der Weltlage gilt es, alle liberalen Träume vorläufig zurückzustellen, alle! Es geht um das primitivste, das wir be¬ sitzen: die Daseinsberechtigung. Sie ist noch nicht erkämpft und wenn sie erkämpft sein sollte auf dem Schlachtfelde, dann wird sie gefährdet sein durch die Friedens¬ konferenz, auf der wir kaum eine günstigere Konstellation der Mächte zu erwarten haben werden, wenn die auswärtige Politik die gegenwärtig eingeschlagenen Wege geht. So viel ich sehe, hat diese Lage Deutschlands nur eine Stelle erkannt: die deutsche Vaterlandspartei. Sie mag manchen unsympathischen Zug haben. Aber sie ist ein Sammelbecken alles dessen, was stark in unserem Volke ist. Sie spiegelt den Geist der Männer wieder, die Deutschland vor dem Einfall von Millionen Fremden bewahrt haben. Sie, haben unser Kriegsziel, das uns aufgedrängte Kriegsziel klar erkannt: England niederzuringen. Liegt England am Boden — wir sind befähigt, die innere Sammlung vorausgesetzt, das Ziel zu erreichen - so wird alles andere sich finden, auch die Stellungnahme zu Erwerbungen im Osten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712/176>, abgerufen am 01.09.2024.