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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.

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Martin Tuthcr, der deutsche Reformator

Zeugnis abgelegt. Luthers Glaubenspredigt verhält sich zu der des Paulus
wie Orgelmusil zu Trompetenklang, wie Bachs Matthäuspassion zu der Melodie
"O Haupt voll Blut und Wunden". Wer sich ein wenig in Luthers Schriften
hineingelesen hat. weiß, was ihm der Glaube bedeutet. Er ist das Fundament
seines unvergleichlichen Heldentums. Mag beim Beginn einer seiner Fehden,
die er um Gottes und der Wahrheit willen ausficht, neben dem Glauben die
angeborene Kampfeslust ihn vorwärts treiben. In dem wechselvollen Verlauf
seines großen Lebenskampfes und je länger und mühseliger der Streit sich hin¬
schleppt, je zahlreicher die Enttäuschungen sich einstellen, um so mehr ist es der
Glaube und schließlich Glaube allein, der den Siegeswillen aufrecht erhält.
"Wo Zuversicht und Glauben, da ist ein mutiges, trotziges und unerschrocken
Herz, das hintansetzt und der Wahrheit beisteht, es gelte Hals oder Mantel,
es sei wider Papst oder Könige." "Bleibt mir Gottes Huld, so wird sich
Menschenhuld wohl finden; findet sie sich nicht, so fahre sie zum Teufel. Gottes
Huld ist mir genug." "Nur immer Trotz gefaßt und gedacht: Ich habe einen
Gott, wenn auch gleich alles schief geht." "Ich bin von Gottes Gnaden noch
so mutig und fo trotzig als ich je gewesen bin." Das ist Glaubensheldentum.
Das hält durch. "Denn der Herr ist mein Trotz." das ist ein wundervolles
Motto für eine Sammlung von Aussprüchen des Reformators (F. Bredow in
Langewiesches Verlag). Luther in Augsburg, der auf die Frage des Kämmerers
Cajetans. wo er zu bleiben gedenke, gelassen antwortet: "Unter dem Himmel."
Luther vor dem Elstertor zu Wittenberg von den Flammen des Scheiterhaufens,
der die Bannbulle verzehrt, umtobt. und ?o weiter bis zu feinem letzten Strauß
und Tod und Teufel auf dem Sterbelager zu Eisleben, er ist überall der
Mann eichenfesten Vertrauens. ^ ^. .

Mit Recht sagt der alte Ernst Moritz Arndt von Luther: "In diesem einen
Mann ist die Allgewalt des Wortes erschienen, und wie es mächtiger ist als
Schwerter und Spieße und Ketten und Bannstrahlen." Trotzdem gelt auch
von ihm. was man von fast allen Großen der Weltgeschichte sagen kann: Er
selbst war mehr als sein Wort und Werk. Sich sein erzgegossenes Mcmnes-
bUd mit den derben, markigen Zügen, wie es vorhin mit absichtlich wenigen
Stichen skizziert worden ist. lebhaft vergegenwärtigen, ist die beste Reformatwns-
Wer. Daneben werden wir Protestanten ihm natürlich nicht vergessen, mag im
gegenwärtigen Kriegssturm diese Betrachtung auch an die zweite Stelle rucken,
^ß er der Vater unseres evangelischen Christentums ist. Wir wissen, mit
welchen Seilen der Pietät er an seine katholische Mutterkirche gebunden war.
Niemals hätte bloße Kritik sie zerreißen können. Er war keine Renaissance,
grüße. Aber auf dem jungfräulichen Boden seiner ursprünglichen Natur wuchs
d-r Keim eines neuen religiösen Lebens empor, der brach und sprengte sich
Bahn. Luthers Trennung von der mittelalterlichen Kirche war ein elementarer
Vorgang. Er selbst hat nichts dazu getan. Gott führte ihn; er wollte nicht
°b-r er mußte. So hat er es selbst oft geschildert. Weil eS die Eigenart


Martin Tuthcr, der deutsche Reformator

Zeugnis abgelegt. Luthers Glaubenspredigt verhält sich zu der des Paulus
wie Orgelmusil zu Trompetenklang, wie Bachs Matthäuspassion zu der Melodie
»O Haupt voll Blut und Wunden". Wer sich ein wenig in Luthers Schriften
hineingelesen hat. weiß, was ihm der Glaube bedeutet. Er ist das Fundament
seines unvergleichlichen Heldentums. Mag beim Beginn einer seiner Fehden,
die er um Gottes und der Wahrheit willen ausficht, neben dem Glauben die
angeborene Kampfeslust ihn vorwärts treiben. In dem wechselvollen Verlauf
seines großen Lebenskampfes und je länger und mühseliger der Streit sich hin¬
schleppt, je zahlreicher die Enttäuschungen sich einstellen, um so mehr ist es der
Glaube und schließlich Glaube allein, der den Siegeswillen aufrecht erhält.
"Wo Zuversicht und Glauben, da ist ein mutiges, trotziges und unerschrocken
Herz, das hintansetzt und der Wahrheit beisteht, es gelte Hals oder Mantel,
es sei wider Papst oder Könige." „Bleibt mir Gottes Huld, so wird sich
Menschenhuld wohl finden; findet sie sich nicht, so fahre sie zum Teufel. Gottes
Huld ist mir genug." „Nur immer Trotz gefaßt und gedacht: Ich habe einen
Gott, wenn auch gleich alles schief geht." „Ich bin von Gottes Gnaden noch
so mutig und fo trotzig als ich je gewesen bin." Das ist Glaubensheldentum.
Das hält durch. „Denn der Herr ist mein Trotz." das ist ein wundervolles
Motto für eine Sammlung von Aussprüchen des Reformators (F. Bredow in
Langewiesches Verlag). Luther in Augsburg, der auf die Frage des Kämmerers
Cajetans. wo er zu bleiben gedenke, gelassen antwortet: „Unter dem Himmel."
Luther vor dem Elstertor zu Wittenberg von den Flammen des Scheiterhaufens,
der die Bannbulle verzehrt, umtobt. und ?o weiter bis zu feinem letzten Strauß
und Tod und Teufel auf dem Sterbelager zu Eisleben, er ist überall der
Mann eichenfesten Vertrauens. ^ ^. .

Mit Recht sagt der alte Ernst Moritz Arndt von Luther: „In diesem einen
Mann ist die Allgewalt des Wortes erschienen, und wie es mächtiger ist als
Schwerter und Spieße und Ketten und Bannstrahlen." Trotzdem gelt auch
von ihm. was man von fast allen Großen der Weltgeschichte sagen kann: Er
selbst war mehr als sein Wort und Werk. Sich sein erzgegossenes Mcmnes-
bUd mit den derben, markigen Zügen, wie es vorhin mit absichtlich wenigen
Stichen skizziert worden ist. lebhaft vergegenwärtigen, ist die beste Reformatwns-
Wer. Daneben werden wir Protestanten ihm natürlich nicht vergessen, mag im
gegenwärtigen Kriegssturm diese Betrachtung auch an die zweite Stelle rucken,
^ß er der Vater unseres evangelischen Christentums ist. Wir wissen, mit
welchen Seilen der Pietät er an seine katholische Mutterkirche gebunden war.
Niemals hätte bloße Kritik sie zerreißen können. Er war keine Renaissance,
grüße. Aber auf dem jungfräulichen Boden seiner ursprünglichen Natur wuchs
d-r Keim eines neuen religiösen Lebens empor, der brach und sprengte sich
Bahn. Luthers Trennung von der mittelalterlichen Kirche war ein elementarer
Vorgang. Er selbst hat nichts dazu getan. Gott führte ihn; er wollte nicht
°b-r er mußte. So hat er es selbst oft geschildert. Weil eS die Eigenart


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712/153>, abgerufen am 01.09.2024.