Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Würzburger Parteitag

unvereinbar ist? Das ist doch gerade die eigentliche Bedeutung des Partei¬
tages, daß er den Gesichtspunkt des Praktischen, Positiven und Erreichbaren, der
die Sozialdemokratie auf die Gemeinschaftsarbeit mit anderen Parteien hinweist,
in den Vordergrund gestellt hat. Und diesen Gesichtspunkt sollte die Sozial¬
demokratie schon jetzt aus dem Auge lassen?

Unserer Auffassung nach ist es für die siegreiche Durchführung des Krieges
von ausschlaggebender Bedeutung, daß die Sozialdemokratie bis zum Schlüsse
bei der Mehrheit bleibe, die die Kriegskredite bewilligt, und daß so die nationale
Einheitsfront nach Möglichkeit gewahrt werde. Von diesem Standpunkt aus
muß die dringende Mahnung an beide Teile, Regierung wie Sozialdemokratie,
ergehen, an diese, daß sie den Bogen nicht überspanne, an jene, daß sie nicht
in einer Politik fortfahre, die den Erfolg haben muß. der Sozialdemokratie
eine sachliche Politik unmöglich zu machen. In weiten Kreisen ist das Gerücht
verbreitet, als sei dies eben die geheime Absicht bei dem Vorstoß gegen die
Unabhängige Sozialdemokratie gewesen. Möge die künftige Haltung der Reichs¬
leitung aufs klarste beweisen, daß ihr eine solche Tendenz, wie wir glauben,
völlig fern gelegen hat. Möge Herr Dr. Michaelis, falls er die jetzige
Regierungskrise überstehen sollte, feurige Kohlen auf dem Haupte der Sozial¬
demokratie sammeln, nicht weniger muß von ihm verlangt werden. Tut er das
mit einer weitsichtigen und großzügigen Sozialpolitik und einem klaren Be¬
kenntnis zu freiheitlichen Reformen, so könnte die Krise auch innerlich am ehesten
noch verwunden werden.




Der Würzburger Parteitag

unvereinbar ist? Das ist doch gerade die eigentliche Bedeutung des Partei¬
tages, daß er den Gesichtspunkt des Praktischen, Positiven und Erreichbaren, der
die Sozialdemokratie auf die Gemeinschaftsarbeit mit anderen Parteien hinweist,
in den Vordergrund gestellt hat. Und diesen Gesichtspunkt sollte die Sozial¬
demokratie schon jetzt aus dem Auge lassen?

Unserer Auffassung nach ist es für die siegreiche Durchführung des Krieges
von ausschlaggebender Bedeutung, daß die Sozialdemokratie bis zum Schlüsse
bei der Mehrheit bleibe, die die Kriegskredite bewilligt, und daß so die nationale
Einheitsfront nach Möglichkeit gewahrt werde. Von diesem Standpunkt aus
muß die dringende Mahnung an beide Teile, Regierung wie Sozialdemokratie,
ergehen, an diese, daß sie den Bogen nicht überspanne, an jene, daß sie nicht
in einer Politik fortfahre, die den Erfolg haben muß. der Sozialdemokratie
eine sachliche Politik unmöglich zu machen. In weiten Kreisen ist das Gerücht
verbreitet, als sei dies eben die geheime Absicht bei dem Vorstoß gegen die
Unabhängige Sozialdemokratie gewesen. Möge die künftige Haltung der Reichs¬
leitung aufs klarste beweisen, daß ihr eine solche Tendenz, wie wir glauben,
völlig fern gelegen hat. Möge Herr Dr. Michaelis, falls er die jetzige
Regierungskrise überstehen sollte, feurige Kohlen auf dem Haupte der Sozial¬
demokratie sammeln, nicht weniger muß von ihm verlangt werden. Tut er das
mit einer weitsichtigen und großzügigen Sozialpolitik und einem klaren Be¬
kenntnis zu freiheitlichen Reformen, so könnte die Krise auch innerlich am ehesten
noch verwunden werden.




<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0146" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/332861"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Würzburger Parteitag</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_488" prev="#ID_487"> unvereinbar ist? Das ist doch gerade die eigentliche Bedeutung des Partei¬<lb/>
tages, daß er den Gesichtspunkt des Praktischen, Positiven und Erreichbaren, der<lb/>
die Sozialdemokratie auf die Gemeinschaftsarbeit mit anderen Parteien hinweist,<lb/>
in den Vordergrund gestellt hat. Und diesen Gesichtspunkt sollte die Sozial¬<lb/>
demokratie schon jetzt aus dem Auge lassen?</p><lb/>
          <p xml:id="ID_489"> Unserer Auffassung nach ist es für die siegreiche Durchführung des Krieges<lb/>
von ausschlaggebender Bedeutung, daß die Sozialdemokratie bis zum Schlüsse<lb/>
bei der Mehrheit bleibe, die die Kriegskredite bewilligt, und daß so die nationale<lb/>
Einheitsfront nach Möglichkeit gewahrt werde. Von diesem Standpunkt aus<lb/>
muß die dringende Mahnung an beide Teile, Regierung wie Sozialdemokratie,<lb/>
ergehen, an diese, daß sie den Bogen nicht überspanne, an jene, daß sie nicht<lb/>
in einer Politik fortfahre, die den Erfolg haben muß. der Sozialdemokratie<lb/>
eine sachliche Politik unmöglich zu machen. In weiten Kreisen ist das Gerücht<lb/>
verbreitet, als sei dies eben die geheime Absicht bei dem Vorstoß gegen die<lb/>
Unabhängige Sozialdemokratie gewesen. Möge die künftige Haltung der Reichs¬<lb/>
leitung aufs klarste beweisen, daß ihr eine solche Tendenz, wie wir glauben,<lb/>
völlig fern gelegen hat. Möge Herr Dr. Michaelis, falls er die jetzige<lb/>
Regierungskrise überstehen sollte, feurige Kohlen auf dem Haupte der Sozial¬<lb/>
demokratie sammeln, nicht weniger muß von ihm verlangt werden. Tut er das<lb/>
mit einer weitsichtigen und großzügigen Sozialpolitik und einem klaren Be¬<lb/>
kenntnis zu freiheitlichen Reformen, so könnte die Krise auch innerlich am ehesten<lb/>
noch verwunden werden.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0146] Der Würzburger Parteitag unvereinbar ist? Das ist doch gerade die eigentliche Bedeutung des Partei¬ tages, daß er den Gesichtspunkt des Praktischen, Positiven und Erreichbaren, der die Sozialdemokratie auf die Gemeinschaftsarbeit mit anderen Parteien hinweist, in den Vordergrund gestellt hat. Und diesen Gesichtspunkt sollte die Sozial¬ demokratie schon jetzt aus dem Auge lassen? Unserer Auffassung nach ist es für die siegreiche Durchführung des Krieges von ausschlaggebender Bedeutung, daß die Sozialdemokratie bis zum Schlüsse bei der Mehrheit bleibe, die die Kriegskredite bewilligt, und daß so die nationale Einheitsfront nach Möglichkeit gewahrt werde. Von diesem Standpunkt aus muß die dringende Mahnung an beide Teile, Regierung wie Sozialdemokratie, ergehen, an diese, daß sie den Bogen nicht überspanne, an jene, daß sie nicht in einer Politik fortfahre, die den Erfolg haben muß. der Sozialdemokratie eine sachliche Politik unmöglich zu machen. In weiten Kreisen ist das Gerücht verbreitet, als sei dies eben die geheime Absicht bei dem Vorstoß gegen die Unabhängige Sozialdemokratie gewesen. Möge die künftige Haltung der Reichs¬ leitung aufs klarste beweisen, daß ihr eine solche Tendenz, wie wir glauben, völlig fern gelegen hat. Möge Herr Dr. Michaelis, falls er die jetzige Regierungskrise überstehen sollte, feurige Kohlen auf dem Haupte der Sozial¬ demokratie sammeln, nicht weniger muß von ihm verlangt werden. Tut er das mit einer weitsichtigen und großzügigen Sozialpolitik und einem klaren Be¬ kenntnis zu freiheitlichen Reformen, so könnte die Krise auch innerlich am ehesten noch verwunden werden.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712/146
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712/146>, abgerufen am 05.02.2025.