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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr.

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Das Denken und die Phantasie

im Brennpunkt der kindlichen Interessen bleibt. Dann wird auch das Beispiel
des tüchtigen Lehrers von bleibendem Einfluß für die Schüler sein.

Aus diesen Andeutungen geht schon hervor, eine wie entscheidende Stellung
auch die Pädagogik für die künftigen Kandidaten des höheren Lehramtes ein¬
nehmen muß. Sie werden einerseits auf der Universität die Wissenschaft,
andererseits an der Schule die Kunst eingehend erlernen, damit sie ihren Auf¬
gaben gerecht werden können. Wichtig sind dabei auch die Grenzgebiete gegen
die Medizin hin, die Lehre vom kranken Kinde, vom unnormalen, vom langsam
entwickelten; wichtig ist hier vor' allem auch ein gründliches Studium der
Psychologie, auf der sich diese Kenntnisse aufbauen.

Man sieht aus diesem kurzen Überblick, daß die Aufgaben der künftigen
Philologen nicht leicht sind. Daß sie aber auf die Höhe der Zeit gebracht
sind, dafür können sie selber und kann das Volk, das seine Söhne ihnen an¬
vertrauen soll, dafür kann endlich die künftige Generation, die von ihnen er¬
zogen werden soll, nicht dankbar genug sein.




9as Denken und die Phantasie
Professor A, Angersbach von

bwohl schon Aristoteles wußte, daß sich in der Erinnerung mit Vor-
liebe solche Vorstellungen verknüpfen, denen ähnliche oder gegen¬
sätzliche oder räumlich und zeitlich verbundene Wahrnehmungen zu¬
grunde liegen, so waren es doch erst Hume und Hartley, die auf diese
Tatsache eine Seelenlehre aufbauten. Jener sah in der Vorstellungs¬
verknüpfung nach Ähnlichkeit, räumlich-zeitlichem und ursächlichen Zusammenhang
nicht nur das Prinzip des erleichterten Überganges einer Idee zur anderen, sondern
auch ein Prinzip, das die allgemeinen Beziehungen, Daseinsformen und "Träger"
der Eigenschaften abzuleiten gestatte; dieser wußte der Assoziationslehre eine an¬
nehmbare physiologische Unterlage zu geben. Gerade der Umstand, daß sich den
Formen der Vergesellschaftung und Aneinanderreihung der Vorstellungen unschwer
ein nervöser Assoziationsmechanismus zuordnen läßt und daß dieser Mechanismus
auch in weitem Maße mit den Ergebnissen der neueren Hirnforschung in Einklang
zu bringen ist, hat der Assoziationspsychologie bis auf den heutigen Tag eifrige
und hervorragende Anhänger gesichert; freilich hat sie, um das gesamte Seelenleben
zu umspannen, mancherlei Hilsslehren heranziehen müssen- -- Sowohl die Scheu


Das Denken und die Phantasie

im Brennpunkt der kindlichen Interessen bleibt. Dann wird auch das Beispiel
des tüchtigen Lehrers von bleibendem Einfluß für die Schüler sein.

Aus diesen Andeutungen geht schon hervor, eine wie entscheidende Stellung
auch die Pädagogik für die künftigen Kandidaten des höheren Lehramtes ein¬
nehmen muß. Sie werden einerseits auf der Universität die Wissenschaft,
andererseits an der Schule die Kunst eingehend erlernen, damit sie ihren Auf¬
gaben gerecht werden können. Wichtig sind dabei auch die Grenzgebiete gegen
die Medizin hin, die Lehre vom kranken Kinde, vom unnormalen, vom langsam
entwickelten; wichtig ist hier vor' allem auch ein gründliches Studium der
Psychologie, auf der sich diese Kenntnisse aufbauen.

Man sieht aus diesem kurzen Überblick, daß die Aufgaben der künftigen
Philologen nicht leicht sind. Daß sie aber auf die Höhe der Zeit gebracht
sind, dafür können sie selber und kann das Volk, das seine Söhne ihnen an¬
vertrauen soll, dafür kann endlich die künftige Generation, die von ihnen er¬
zogen werden soll, nicht dankbar genug sein.




9as Denken und die Phantasie
Professor A, Angersbach von

bwohl schon Aristoteles wußte, daß sich in der Erinnerung mit Vor-
liebe solche Vorstellungen verknüpfen, denen ähnliche oder gegen¬
sätzliche oder räumlich und zeitlich verbundene Wahrnehmungen zu¬
grunde liegen, so waren es doch erst Hume und Hartley, die auf diese
Tatsache eine Seelenlehre aufbauten. Jener sah in der Vorstellungs¬
verknüpfung nach Ähnlichkeit, räumlich-zeitlichem und ursächlichen Zusammenhang
nicht nur das Prinzip des erleichterten Überganges einer Idee zur anderen, sondern
auch ein Prinzip, das die allgemeinen Beziehungen, Daseinsformen und „Träger"
der Eigenschaften abzuleiten gestatte; dieser wußte der Assoziationslehre eine an¬
nehmbare physiologische Unterlage zu geben. Gerade der Umstand, daß sich den
Formen der Vergesellschaftung und Aneinanderreihung der Vorstellungen unschwer
ein nervöser Assoziationsmechanismus zuordnen läßt und daß dieser Mechanismus
auch in weitem Maße mit den Ergebnissen der neueren Hirnforschung in Einklang
zu bringen ist, hat der Assoziationspsychologie bis auf den heutigen Tag eifrige
und hervorragende Anhänger gesichert; freilich hat sie, um das gesamte Seelenleben
zu umspannen, mancherlei Hilsslehren heranziehen müssen- — Sowohl die Scheu


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[0129] Das Denken und die Phantasie im Brennpunkt der kindlichen Interessen bleibt. Dann wird auch das Beispiel des tüchtigen Lehrers von bleibendem Einfluß für die Schüler sein. Aus diesen Andeutungen geht schon hervor, eine wie entscheidende Stellung auch die Pädagogik für die künftigen Kandidaten des höheren Lehramtes ein¬ nehmen muß. Sie werden einerseits auf der Universität die Wissenschaft, andererseits an der Schule die Kunst eingehend erlernen, damit sie ihren Auf¬ gaben gerecht werden können. Wichtig sind dabei auch die Grenzgebiete gegen die Medizin hin, die Lehre vom kranken Kinde, vom unnormalen, vom langsam entwickelten; wichtig ist hier vor' allem auch ein gründliches Studium der Psychologie, auf der sich diese Kenntnisse aufbauen. Man sieht aus diesem kurzen Überblick, daß die Aufgaben der künftigen Philologen nicht leicht sind. Daß sie aber auf die Höhe der Zeit gebracht sind, dafür können sie selber und kann das Volk, das seine Söhne ihnen an¬ vertrauen soll, dafür kann endlich die künftige Generation, die von ihnen er¬ zogen werden soll, nicht dankbar genug sein. 9as Denken und die Phantasie Professor A, Angersbach von bwohl schon Aristoteles wußte, daß sich in der Erinnerung mit Vor- liebe solche Vorstellungen verknüpfen, denen ähnliche oder gegen¬ sätzliche oder räumlich und zeitlich verbundene Wahrnehmungen zu¬ grunde liegen, so waren es doch erst Hume und Hartley, die auf diese Tatsache eine Seelenlehre aufbauten. Jener sah in der Vorstellungs¬ verknüpfung nach Ähnlichkeit, räumlich-zeitlichem und ursächlichen Zusammenhang nicht nur das Prinzip des erleichterten Überganges einer Idee zur anderen, sondern auch ein Prinzip, das die allgemeinen Beziehungen, Daseinsformen und „Träger" der Eigenschaften abzuleiten gestatte; dieser wußte der Assoziationslehre eine an¬ nehmbare physiologische Unterlage zu geben. Gerade der Umstand, daß sich den Formen der Vergesellschaftung und Aneinanderreihung der Vorstellungen unschwer ein nervöser Assoziationsmechanismus zuordnen läßt und daß dieser Mechanismus auch in weitem Maße mit den Ergebnissen der neueren Hirnforschung in Einklang zu bringen ist, hat der Assoziationspsychologie bis auf den heutigen Tag eifrige und hervorragende Anhänger gesichert; freilich hat sie, um das gesamte Seelenleben zu umspannen, mancherlei Hilsslehren heranziehen müssen- — Sowohl die Scheu

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332712/129>, abgerufen am 09.11.2024.