Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.Freimaurer-Jubiläum und die englische Freimaurerei ist dei-n auch nur Sache für Gentlemen. Aber Die Idee eines Bundes, dessen Aufgabe die Bildung und Erziehung des Mit dem dem Engländer angeborenen praktischen Geschick hatten die Freimaurer-Jubiläum und die englische Freimaurerei ist dei-n auch nur Sache für Gentlemen. Aber Die Idee eines Bundes, dessen Aufgabe die Bildung und Erziehung des Mit dem dem Engländer angeborenen praktischen Geschick hatten die <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0086" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/332365"/> <fw type="header" place="top"> Freimaurer-Jubiläum</fw><lb/> <p xml:id="ID_287" prev="#ID_286"> und die englische Freimaurerei ist dei-n auch nur Sache für Gentlemen. Aber<lb/> das Weltbürgertum aller Menschen wurde dem damals seine Weltherrschaft be¬<lb/> gründenden Engländer die bequeme Stütze für seine Herrschaftsgelüste, und noch<lb/> heute pflegt sie seine Freimaurerei tugendstolz als sittliche Berechtigung für die<lb/> Unterdrückung aller Menschenrassen. So haben die Elemente der stoisch-deistischen<lb/> Ethik auf die Gestaltung der englischen Freimaurerei, die Hettner als die innere<lb/> Mission des Deismus bezeichnet, den größten Einfluß gehabt.</p><lb/> <p xml:id="ID_288"> Die Idee eines Bundes, dessen Aufgabe die Bildung und Erziehung des<lb/> Menschen im Menschlichen ist, und der die Duldung als natürliche Pflicht<lb/> predigt, ist ursprünglich eine deutsche. Nach England übertragen wurde sie<lb/> unter dem Einflüsse des englischen Geistes von Grund auf verwandelt. Sie<lb/> wurde englisch, und die englische Freimaurerei ist das echte Kind der englischen<lb/> Geistesart. Sie ist es geblieben bis auf unsere Tage. Es heißt die Geschichte<lb/> fälschen, wenn man eine „Freimaurerei" schlechthin konstruiert, um dadurch die<lb/> Freimaurerei des einen Volkes für wirkliche oder vermeintliche Sünden der<lb/> Freimaurer eines anderen Landes verantwortlich machen zu können. Wer ein<lb/> sachliches Urteil gewinnen will, muß sich schon zum Studium der Freimaurereien<lb/> bei den verschiedenen Völkern bequemen. Dann wird er sich davon überzeugen,<lb/> daß sich die Unterschiede nicht bloß beschränken auf oberflächliche Verschieden¬<lb/> heiten, welche durch den nationalen Charakter, die Entwicklungsstufe der ein¬<lb/> zelnen Völker, die besonderen Interessen der betreffenden Gesellschaftsgruppen,<lb/> aus denen sich die Freimaurerei rekrutiert, oder durch den Stand der Kon¬<lb/> sequenz, mit welcher die von nicht genügend orientierten Beurteilern subjektiv<lb/> kommentierten Fundamentalgrundsätze gedeutet werden, wie man wohl in<lb/> tendenziöser Absicht glauben machen möchte. Erst allmählich hat man durch<lb/> die Wirkung gewisser Symbols erkannt, daß in der Freimaurerei der Menschheit<lb/> ein kulturförderndes Gut von hohem Werte gegeben ist. Aber die verschiedenen<lb/> Völkergruppen haben dieses Gut je nach der Höhe ihrer Kultur und je nach<lb/> ihrem Volkscharakter sehr verschieden aufgefaßt. Und dadurch haben gerade die<lb/> Fundamentalgrundsätze, auf welche diese Völkergruppen ihre freimaurerischen<lb/> Systeme und Arbeiten aufbauten, eine wesentlich verschiedene Deutung erfahren.<lb/> Nicht einmal die Symbole sind in den Freimaurereien der verschiedenen Völker<lb/> genau dieselben, und die gemeinsam sind, bedeuten nicht immer genau dasselbe.<lb/> Obschon also alle Völker ihre Freimaurereien auf die englische Gründung von<lb/> 1717 zurückführen, so haben diese doch außer dem gemeinsamen Namen und<lb/> der symbolischen Kunstsprache nichts miteinander gemein. Sie sind grund¬<lb/> wesentlich voneinander verschieden, und eine Weltfreimaurerei gibt es ebenso¬<lb/> wenig, wie es ein einheitliches Weltchristentum gibt.</p><lb/> <p xml:id="ID_289" next="#ID_290"> Mit dem dem Engländer angeborenen praktischen Geschick hatten die<lb/> Gründer der Londoner Großloge die alten Rechte ihrer Bauhütten ausgenutzt<lb/> und es verstanden, die Beziehungen des neuen Bundes zum Staate rasch in<lb/> das richtige Verhältnis zu bringen. Mau begnügte sich auch nicht damit, nur</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0086]
Freimaurer-Jubiläum
und die englische Freimaurerei ist dei-n auch nur Sache für Gentlemen. Aber
das Weltbürgertum aller Menschen wurde dem damals seine Weltherrschaft be¬
gründenden Engländer die bequeme Stütze für seine Herrschaftsgelüste, und noch
heute pflegt sie seine Freimaurerei tugendstolz als sittliche Berechtigung für die
Unterdrückung aller Menschenrassen. So haben die Elemente der stoisch-deistischen
Ethik auf die Gestaltung der englischen Freimaurerei, die Hettner als die innere
Mission des Deismus bezeichnet, den größten Einfluß gehabt.
Die Idee eines Bundes, dessen Aufgabe die Bildung und Erziehung des
Menschen im Menschlichen ist, und der die Duldung als natürliche Pflicht
predigt, ist ursprünglich eine deutsche. Nach England übertragen wurde sie
unter dem Einflüsse des englischen Geistes von Grund auf verwandelt. Sie
wurde englisch, und die englische Freimaurerei ist das echte Kind der englischen
Geistesart. Sie ist es geblieben bis auf unsere Tage. Es heißt die Geschichte
fälschen, wenn man eine „Freimaurerei" schlechthin konstruiert, um dadurch die
Freimaurerei des einen Volkes für wirkliche oder vermeintliche Sünden der
Freimaurer eines anderen Landes verantwortlich machen zu können. Wer ein
sachliches Urteil gewinnen will, muß sich schon zum Studium der Freimaurereien
bei den verschiedenen Völkern bequemen. Dann wird er sich davon überzeugen,
daß sich die Unterschiede nicht bloß beschränken auf oberflächliche Verschieden¬
heiten, welche durch den nationalen Charakter, die Entwicklungsstufe der ein¬
zelnen Völker, die besonderen Interessen der betreffenden Gesellschaftsgruppen,
aus denen sich die Freimaurerei rekrutiert, oder durch den Stand der Kon¬
sequenz, mit welcher die von nicht genügend orientierten Beurteilern subjektiv
kommentierten Fundamentalgrundsätze gedeutet werden, wie man wohl in
tendenziöser Absicht glauben machen möchte. Erst allmählich hat man durch
die Wirkung gewisser Symbols erkannt, daß in der Freimaurerei der Menschheit
ein kulturförderndes Gut von hohem Werte gegeben ist. Aber die verschiedenen
Völkergruppen haben dieses Gut je nach der Höhe ihrer Kultur und je nach
ihrem Volkscharakter sehr verschieden aufgefaßt. Und dadurch haben gerade die
Fundamentalgrundsätze, auf welche diese Völkergruppen ihre freimaurerischen
Systeme und Arbeiten aufbauten, eine wesentlich verschiedene Deutung erfahren.
Nicht einmal die Symbole sind in den Freimaurereien der verschiedenen Völker
genau dieselben, und die gemeinsam sind, bedeuten nicht immer genau dasselbe.
Obschon also alle Völker ihre Freimaurereien auf die englische Gründung von
1717 zurückführen, so haben diese doch außer dem gemeinsamen Namen und
der symbolischen Kunstsprache nichts miteinander gemein. Sie sind grund¬
wesentlich voneinander verschieden, und eine Weltfreimaurerei gibt es ebenso¬
wenig, wie es ein einheitliches Weltchristentum gibt.
Mit dem dem Engländer angeborenen praktischen Geschick hatten die
Gründer der Londoner Großloge die alten Rechte ihrer Bauhütten ausgenutzt
und es verstanden, die Beziehungen des neuen Bundes zum Staate rasch in
das richtige Verhältnis zu bringen. Mau begnügte sich auch nicht damit, nur
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |