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Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.

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Johann Friedrich August Tischbein und August Wilhelm Schlegel

Lobrede halten können. Diesen Wunsch überreiche ich zugleich, nebst meinem
ergebensten Händekuß, der Frau Räthin. Viel herzliches von allen den Meinigen.
Die Wöchnerin nebst dem Kind befindet sich über alle Erwartung wohl. --
Uhr alle Erwartung -- sage ich; denn der ungeduldige Knabe überraschte sie
um einige Wochen früher, gerade da sie an einem heftigen Brust-Fieber krank
lag. Theilen Sie doch gefällig diese Nachricht Uerrn^ ufnd) FrsauZ Rjat^
HuWland ") mit.


Zugleich unsere ehrerbietigen Grüße. FPedriU Tischbein.

- In diesem Frühjahr lernten Tischbeins endlich auch Caroline persönlich
kennen. Schlegels waren im April mit der kleinen, damals zwölfjährigen^)
Auguste, Carolinens Tochter aus erster Ehe, in Dresden gewesen^) und statteten
vor der Heimkehr nach Jena den Dessauer Freunden einen längeren Besuch
ab. Tischbeins Tochter berichtet darüber in ihren Aufzeichnungen^): "Im
Zweiten Jahre unseres Aufenthaltes in Dessau^) brachte er die junge Frau
Mit einer allerliebsten Stieftochter nach Dessau, wo sie etwa vierzehn Tage bei
uns wohnten." Der Eindruck, den Carolinens Erscheinung hervorrief, wird
in den genannten Aufzeichnungen mit den Worten geschildert^): "Sie war
gar nicht schön, kaum hübsch, aber ihre nette, gewandte, kleine Gestalt war
graziös, wie ihr ganzes Wesen, und- in dem von Pockennarben etwas beschädigten
Antlitz lag so viel Einnehmendes, in ihren Augen leuchtete so viel Geist, und
ihre Lippen zeigten, wenn sie sich öffneten, so schöne. Zähne, daß man allen¬
falls die Neigung begreifen kann, welche nicht bloß Schlegel, sondern auch viele
andere Männer ihr maßlos widmeten." Jedenfalls bezeigte man ihr viel
Freundlichkeit, obwohl Tischbein, "ungewonnen durch ihre anmutige Genialität,
Hr oft tüchtig was abgab, was sie ganz allerliebst aufnahm und wieder vom
Ärmel schüttelte^)." So machte er sie unter anderem für die sarkastischen
Bemerkungen und scharfen Urteile verantwortlich^), die ihm neuerdings an
Schlegel auffielen. Über diesen Punkt kam es übrigens auch zwischen den
Männern zu ernsthaften Auseinandersetzungen^). Denn begreiflicherweise wollte











Justizrat Gottlieb Hufeland und Frau in Jena, mit denen Schlegels sehr befreundet
Karen, vgl. Stoll a. a. O. 303.
^) Geboren am 28. April 1786, vgl. Caroline I 671. Die Angabe bei Stoll a. a. O.
801, Auguste sei damals etwa 14 Jahre alt gewesen, trifft nicht zu,
°") Vgl. Schillers Briefwechsel mit Körner, herausgegeben von Goedeke II 264f,
Charlotte von Schiller und ihre Freunde III 22, Caroline I 414, 418, 436.
^) Stoll a. a. O. 301.
^) Die damit im Widerspruch stehende Angabe bei Stoll a. a. O. 802, Schlegel habe
damals eine Professur in Jena angenommen, beruht auf einem Irrtum, da Schlegels
Ernennung zum außerordentlichen Professor erst 1793 erfolgte, vgl. Haym a. a. O. 426.
Stoll a. a. O. 301 f.
^) Stoll a. a. O. 301.
Stoll a. a. O. 302.
Stoll a. a. O. 302.
Johann Friedrich August Tischbein und August Wilhelm Schlegel

Lobrede halten können. Diesen Wunsch überreiche ich zugleich, nebst meinem
ergebensten Händekuß, der Frau Räthin. Viel herzliches von allen den Meinigen.
Die Wöchnerin nebst dem Kind befindet sich über alle Erwartung wohl. —
Uhr alle Erwartung — sage ich; denn der ungeduldige Knabe überraschte sie
um einige Wochen früher, gerade da sie an einem heftigen Brust-Fieber krank
lag. Theilen Sie doch gefällig diese Nachricht Uerrn^ ufnd) FrsauZ Rjat^
HuWland ") mit.


Zugleich unsere ehrerbietigen Grüße. FPedriU Tischbein.

- In diesem Frühjahr lernten Tischbeins endlich auch Caroline persönlich
kennen. Schlegels waren im April mit der kleinen, damals zwölfjährigen^)
Auguste, Carolinens Tochter aus erster Ehe, in Dresden gewesen^) und statteten
vor der Heimkehr nach Jena den Dessauer Freunden einen längeren Besuch
ab. Tischbeins Tochter berichtet darüber in ihren Aufzeichnungen^): „Im
Zweiten Jahre unseres Aufenthaltes in Dessau^) brachte er die junge Frau
Mit einer allerliebsten Stieftochter nach Dessau, wo sie etwa vierzehn Tage bei
uns wohnten." Der Eindruck, den Carolinens Erscheinung hervorrief, wird
in den genannten Aufzeichnungen mit den Worten geschildert^): „Sie war
gar nicht schön, kaum hübsch, aber ihre nette, gewandte, kleine Gestalt war
graziös, wie ihr ganzes Wesen, und- in dem von Pockennarben etwas beschädigten
Antlitz lag so viel Einnehmendes, in ihren Augen leuchtete so viel Geist, und
ihre Lippen zeigten, wenn sie sich öffneten, so schöne. Zähne, daß man allen¬
falls die Neigung begreifen kann, welche nicht bloß Schlegel, sondern auch viele
andere Männer ihr maßlos widmeten." Jedenfalls bezeigte man ihr viel
Freundlichkeit, obwohl Tischbein, „ungewonnen durch ihre anmutige Genialität,
Hr oft tüchtig was abgab, was sie ganz allerliebst aufnahm und wieder vom
Ärmel schüttelte^)." So machte er sie unter anderem für die sarkastischen
Bemerkungen und scharfen Urteile verantwortlich^), die ihm neuerdings an
Schlegel auffielen. Über diesen Punkt kam es übrigens auch zwischen den
Männern zu ernsthaften Auseinandersetzungen^). Denn begreiflicherweise wollte











Justizrat Gottlieb Hufeland und Frau in Jena, mit denen Schlegels sehr befreundet
Karen, vgl. Stoll a. a. O. 303.
^) Geboren am 28. April 1786, vgl. Caroline I 671. Die Angabe bei Stoll a. a. O.
801, Auguste sei damals etwa 14 Jahre alt gewesen, trifft nicht zu,
°") Vgl. Schillers Briefwechsel mit Körner, herausgegeben von Goedeke II 264f,
Charlotte von Schiller und ihre Freunde III 22, Caroline I 414, 418, 436.
^) Stoll a. a. O. 301.
^) Die damit im Widerspruch stehende Angabe bei Stoll a. a. O. 802, Schlegel habe
damals eine Professur in Jena angenommen, beruht auf einem Irrtum, da Schlegels
Ernennung zum außerordentlichen Professor erst 1793 erfolgte, vgl. Haym a. a. O. 426.
Stoll a. a. O. 301 f.
^) Stoll a. a. O. 301.
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Stoll a. a. O. 302.
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[0351] Johann Friedrich August Tischbein und August Wilhelm Schlegel Lobrede halten können. Diesen Wunsch überreiche ich zugleich, nebst meinem ergebensten Händekuß, der Frau Räthin. Viel herzliches von allen den Meinigen. Die Wöchnerin nebst dem Kind befindet sich über alle Erwartung wohl. — Uhr alle Erwartung — sage ich; denn der ungeduldige Knabe überraschte sie um einige Wochen früher, gerade da sie an einem heftigen Brust-Fieber krank lag. Theilen Sie doch gefällig diese Nachricht Uerrn^ ufnd) FrsauZ Rjat^ HuWland ") mit. Zugleich unsere ehrerbietigen Grüße. FPedriU Tischbein. - In diesem Frühjahr lernten Tischbeins endlich auch Caroline persönlich kennen. Schlegels waren im April mit der kleinen, damals zwölfjährigen^) Auguste, Carolinens Tochter aus erster Ehe, in Dresden gewesen^) und statteten vor der Heimkehr nach Jena den Dessauer Freunden einen längeren Besuch ab. Tischbeins Tochter berichtet darüber in ihren Aufzeichnungen^): „Im Zweiten Jahre unseres Aufenthaltes in Dessau^) brachte er die junge Frau Mit einer allerliebsten Stieftochter nach Dessau, wo sie etwa vierzehn Tage bei uns wohnten." Der Eindruck, den Carolinens Erscheinung hervorrief, wird in den genannten Aufzeichnungen mit den Worten geschildert^): „Sie war gar nicht schön, kaum hübsch, aber ihre nette, gewandte, kleine Gestalt war graziös, wie ihr ganzes Wesen, und- in dem von Pockennarben etwas beschädigten Antlitz lag so viel Einnehmendes, in ihren Augen leuchtete so viel Geist, und ihre Lippen zeigten, wenn sie sich öffneten, so schöne. Zähne, daß man allen¬ falls die Neigung begreifen kann, welche nicht bloß Schlegel, sondern auch viele andere Männer ihr maßlos widmeten." Jedenfalls bezeigte man ihr viel Freundlichkeit, obwohl Tischbein, „ungewonnen durch ihre anmutige Genialität, Hr oft tüchtig was abgab, was sie ganz allerliebst aufnahm und wieder vom Ärmel schüttelte^)." So machte er sie unter anderem für die sarkastischen Bemerkungen und scharfen Urteile verantwortlich^), die ihm neuerdings an Schlegel auffielen. Über diesen Punkt kam es übrigens auch zwischen den Männern zu ernsthaften Auseinandersetzungen^). Denn begreiflicherweise wollte Justizrat Gottlieb Hufeland und Frau in Jena, mit denen Schlegels sehr befreundet Karen, vgl. Stoll a. a. O. 303. ^) Geboren am 28. April 1786, vgl. Caroline I 671. Die Angabe bei Stoll a. a. O. 801, Auguste sei damals etwa 14 Jahre alt gewesen, trifft nicht zu, °") Vgl. Schillers Briefwechsel mit Körner, herausgegeben von Goedeke II 264f, Charlotte von Schiller und ihre Freunde III 22, Caroline I 414, 418, 436. ^) Stoll a. a. O. 301. ^) Die damit im Widerspruch stehende Angabe bei Stoll a. a. O. 802, Schlegel habe damals eine Professur in Jena angenommen, beruht auf einem Irrtum, da Schlegels Ernennung zum außerordentlichen Professor erst 1793 erfolgte, vgl. Haym a. a. O. 426. Stoll a. a. O. 301 f. ^) Stoll a. a. O. 301. Stoll a. a. O. 302. Stoll a. a. O. 302.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341905_332278/351>, abgerufen am 04.07.2024.