Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.Die Stellung des höheren Lehrerstandes im geistigen Leben der Gegenwart und der Zurunft von Paul sinket er von der hohen menschlichen Bedeutung des Erzieherberufes Die Stellung des höheren Lehrerstandes im geistigen Leben der Gegenwart und der Zurunft von Paul sinket er von der hohen menschlichen Bedeutung des Erzieherberufes <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0281" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/332560"/> <figure facs="http://media.dwds.de/dta/images/grenzboten_341905_332278/figures/grenzboten_341905_332278_332560_000.jpg"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Stellung des höheren Lehrerstandes<lb/> im geistigen Leben der Gegenwart und der Zurunft<lb/><note type="byline"> von Paul sinket</note></head><lb/> <p xml:id="ID_888" next="#ID_889"> er von der hohen menschlichen Bedeutung des Erzieherberufes<lb/> durchdrungen ist, wird, wenn er die Geschichte des Lehrerstandes<lb/> durchblättert, mit Erstaunen, ja mit einer gewissen Beschämung<lb/> den schreienden Widerspruch bemerken, der bis in die jüngste<lb/> Vergangenheit zwischen der idealen Aufgabe und den tatsächlichen<lb/> äußeren Lebensverhältnissen der Lehrenden bestanden hat. Während der Geist¬<lb/> liche, der Richter, der Arzt trotz der für unsere Begriffe oft bescheidenen Leistungen<lb/> Ach schon früh einer hohen sozialen Achtung erfreute, haftete der Tätigkeit des<lb/> berufsmäßigen Jugendbildners noch etwas von der untergeordneten Stellung<lb/> des griechischen „Pädagogen" an. Drückende wirtschaftliche Verhältnisse, Mangel<lb/> an Anerkennung für eine meist aufreibende Arbeit, dazu geringes gesellschaft¬<lb/> liches Ansehen haben den Lehrberuf jahrhundertelang zu einem wenig beneidens¬<lb/> werten gemacht. Nicht nur die Volksschullehrer seufzen unter der Last eines<lb/> kümmerlichen Daseins. Auch der höhere Lehrerstand litt unter solchen Mi߬<lb/> ständen, ja hat es bis in die Gegenwart nicht vermocht, den Druck einer<lb/> schweren Vergangenheit ganz zu überwinden. Und als sich schließlich die<lb/> äußeren Verhältnisse des Standes nach langen Kämpfen einigermaßen gebessert<lb/> hatten, konnte man des errungenen Erfolges doch nicht so recht froh werden.<lb/> Denn die allgemeine Unzufriedenheit mit dem modernen Unterrichts- und Er-<lb/> Ziehungswesen der höheren Schule hatte mittlerweile in der Öffentlichkeit eine<lb/> gereizte Stimmung gegen deren Vertreter erzeugt, die von Haß oft nicht allzu<lb/> weit entfernt war. In der Romanliteratur läßt sich der Wandel der An¬<lb/> schauung über den Gymnasiallehrer leicht verfolgen. Spielte er früher meist<lb/> die Rolle des gelehrten, vielleicht weltfremden, aber durchweg wohlwollenden<lb/> >mgendbildners, so wurde er neuerdings gern als der einseitige, ja geradezu<lb/> beschränkte und mit allen möglichen Untugenden behaftete Schulmeister und<lb/> ^ugendtyrann dargestellt. Man erinnere sich nur, was für ein abschreckendes<lb/> Bild des Schulbetriebes und der Lehrerpersönlichkeiten in einem literarisch so<lb/> bedeutsamen Werke wie Thomas Manns „Buddenbroocks" entworfen wird.<lb/> Mögen derartige Schilderungen auch auf vereinzelten persönlichen Erfahrungen<lb/> beruhen, die mit künstlerischer Freiheit verallgemeinert und übertrieben wurden.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0281]
[Abbildung]
Die Stellung des höheren Lehrerstandes
im geistigen Leben der Gegenwart und der Zurunft
von Paul sinket
er von der hohen menschlichen Bedeutung des Erzieherberufes
durchdrungen ist, wird, wenn er die Geschichte des Lehrerstandes
durchblättert, mit Erstaunen, ja mit einer gewissen Beschämung
den schreienden Widerspruch bemerken, der bis in die jüngste
Vergangenheit zwischen der idealen Aufgabe und den tatsächlichen
äußeren Lebensverhältnissen der Lehrenden bestanden hat. Während der Geist¬
liche, der Richter, der Arzt trotz der für unsere Begriffe oft bescheidenen Leistungen
Ach schon früh einer hohen sozialen Achtung erfreute, haftete der Tätigkeit des
berufsmäßigen Jugendbildners noch etwas von der untergeordneten Stellung
des griechischen „Pädagogen" an. Drückende wirtschaftliche Verhältnisse, Mangel
an Anerkennung für eine meist aufreibende Arbeit, dazu geringes gesellschaft¬
liches Ansehen haben den Lehrberuf jahrhundertelang zu einem wenig beneidens¬
werten gemacht. Nicht nur die Volksschullehrer seufzen unter der Last eines
kümmerlichen Daseins. Auch der höhere Lehrerstand litt unter solchen Mi߬
ständen, ja hat es bis in die Gegenwart nicht vermocht, den Druck einer
schweren Vergangenheit ganz zu überwinden. Und als sich schließlich die
äußeren Verhältnisse des Standes nach langen Kämpfen einigermaßen gebessert
hatten, konnte man des errungenen Erfolges doch nicht so recht froh werden.
Denn die allgemeine Unzufriedenheit mit dem modernen Unterrichts- und Er-
Ziehungswesen der höheren Schule hatte mittlerweile in der Öffentlichkeit eine
gereizte Stimmung gegen deren Vertreter erzeugt, die von Haß oft nicht allzu
weit entfernt war. In der Romanliteratur läßt sich der Wandel der An¬
schauung über den Gymnasiallehrer leicht verfolgen. Spielte er früher meist
die Rolle des gelehrten, vielleicht weltfremden, aber durchweg wohlwollenden
>mgendbildners, so wurde er neuerdings gern als der einseitige, ja geradezu
beschränkte und mit allen möglichen Untugenden behaftete Schulmeister und
^ugendtyrann dargestellt. Man erinnere sich nur, was für ein abschreckendes
Bild des Schulbetriebes und der Lehrerpersönlichkeiten in einem literarisch so
bedeutsamen Werke wie Thomas Manns „Buddenbroocks" entworfen wird.
Mögen derartige Schilderungen auch auf vereinzelten persönlichen Erfahrungen
beruhen, die mit künstlerischer Freiheit verallgemeinert und übertrieben wurden.
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