Die Grenzboten. Jg. 76, 1917, Drittes Vierteljahr.Altes und mundartliches Sgrachgut der vogtländischen Heimat Auch der Baldrian steht dem Herzen der Vogtländerin besonders nahe; Kommt das Johannisfest, so sieht man auf den Waldwiesen die Johannis- Am Haus steht der Holunderstrauch, die Hollerstauden, der die geschätzten Besuchen wir unseren lieben deutschen Wald mit seinen Lärchenbäumen, heimzuziehen. Oder wir gingen mit dem "Reißer in den Wald, um das dürre Altes und mundartliches Sgrachgut der vogtländischen Heimat Auch der Baldrian steht dem Herzen der Vogtländerin besonders nahe; Kommt das Johannisfest, so sieht man auf den Waldwiesen die Johannis- Am Haus steht der Holunderstrauch, die Hollerstauden, der die geschätzten Besuchen wir unseren lieben deutschen Wald mit seinen Lärchenbäumen, heimzuziehen. Oder wir gingen mit dem „Reißer in den Wald, um das dürre <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0170" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/332449"/> <fw type="header" place="top"> Altes und mundartliches Sgrachgut der vogtländischen Heimat</fw><lb/> <p xml:id="ID_526"> Auch der Baldrian steht dem Herzen der Vogtländerin besonders nahe;<lb/> nimmt doch die fromme Kirchgänger« gern ein Sträußchen dieser stark riechenden<lb/> Pflanze, die der Volksmund „Marmferm" nennt, um während der etwas<lb/> „länglich" geratenen Predigt die Lebensgeister wach zu erhalten; das auch die<lb/> ganze Bankreihe munter erhaltende Sträußchen wird so leicht nicht vergessen.</p><lb/> <p xml:id="ID_527"> Kommt das Johannisfest, so sieht man auf den Waldwiesen die Johannis-<lb/> blumen mit ihren weithin leuchtenden Blütensternen leuchten, die Kannesblumen;<lb/> ihre Blüten, in Spiritus aufgesetzt, geben die Arnika. Auch der Feldkümmel.<lb/> Kunele genannt, ist heilkräftig. — Am Gründonnerstag fehlten auf dem Tisch<lb/> die Rapinzchen nicht, von denen wir das Verschen kannten, das freilich wenig<lb/> tiefgründige Weisheit offenbarte: Rewiuzele, Rewinzele, die wachsen in dem<lb/> Schnee.</p><lb/> <p xml:id="ID_528"> Am Haus steht der Holunderstrauch, die Hollerstauden, der die geschätzten<lb/> Hollerbeeren liefert. Es fehlt auch nicht der Kriechelebaum, dessen blaue, runde<lb/> Früchte wir Kinder so gern „pflockten". Das Wort Kriechele ist sehr alt; im<lb/> Simplizisfimus lesen wir: maka, KnecKen, Zelt es sema so Kleine pMumIein?</p><lb/> <p xml:id="ID_529"> Besuchen wir unseren lieben deutschen Wald mit seinen Lärchenbäumen,<lb/> mit seinen Fichten und Kiefern (Föhren), mit seinen Wacholderbüschen (Wachholler--<lb/> büschen), an denen die blauen Wachollerbeeren wachsen. Wie oft sind wir<lb/> Pilze suchen — in die Schwämme — gegangen. Oder wir haben Heidel- oder<lb/> Schwarzbeeren, Brom°(Braine-)beeren oder Himbeeren gesucht, um dann mit<lb/> gefüllten Krügen und dem Gesang des Versehens</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_7" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <p xml:id="ID_530"> heimzuziehen. Oder wir gingen mit dem „Reißer in den Wald, um das dürre<lb/> Geäst für die Feuerung hereinzuholen. Der Waldboden aber lag über und<lb/> über voll von Nadeln, den Tangeln; hin und wieder lasen wir auch die<lb/> Zapfen der Nadelbäume, die Kufen oder Zehnden, auf. Oder wir lagerten uns<lb/> in der „Reue" zwischen den hohen Gräsern, den Schmalln, die uns fast ver¬<lb/> deckten, unserem „Goller", der gewirkten Strickjacke, tat das keinen Schaden;<lb/> oder wir setzten uns auf einen „Stöckhaufen" und hatten unsere Freude an<lb/> Bärlapp und Katzenpfötchen, dem Edelweiß der Heide.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0170]
Altes und mundartliches Sgrachgut der vogtländischen Heimat
Auch der Baldrian steht dem Herzen der Vogtländerin besonders nahe;
nimmt doch die fromme Kirchgänger« gern ein Sträußchen dieser stark riechenden
Pflanze, die der Volksmund „Marmferm" nennt, um während der etwas
„länglich" geratenen Predigt die Lebensgeister wach zu erhalten; das auch die
ganze Bankreihe munter erhaltende Sträußchen wird so leicht nicht vergessen.
Kommt das Johannisfest, so sieht man auf den Waldwiesen die Johannis-
blumen mit ihren weithin leuchtenden Blütensternen leuchten, die Kannesblumen;
ihre Blüten, in Spiritus aufgesetzt, geben die Arnika. Auch der Feldkümmel.
Kunele genannt, ist heilkräftig. — Am Gründonnerstag fehlten auf dem Tisch
die Rapinzchen nicht, von denen wir das Verschen kannten, das freilich wenig
tiefgründige Weisheit offenbarte: Rewiuzele, Rewinzele, die wachsen in dem
Schnee.
Am Haus steht der Holunderstrauch, die Hollerstauden, der die geschätzten
Hollerbeeren liefert. Es fehlt auch nicht der Kriechelebaum, dessen blaue, runde
Früchte wir Kinder so gern „pflockten". Das Wort Kriechele ist sehr alt; im
Simplizisfimus lesen wir: maka, KnecKen, Zelt es sema so Kleine pMumIein?
Besuchen wir unseren lieben deutschen Wald mit seinen Lärchenbäumen,
mit seinen Fichten und Kiefern (Föhren), mit seinen Wacholderbüschen (Wachholler--
büschen), an denen die blauen Wachollerbeeren wachsen. Wie oft sind wir
Pilze suchen — in die Schwämme — gegangen. Oder wir haben Heidel- oder
Schwarzbeeren, Brom°(Braine-)beeren oder Himbeeren gesucht, um dann mit
gefüllten Krügen und dem Gesang des Versehens
heimzuziehen. Oder wir gingen mit dem „Reißer in den Wald, um das dürre
Geäst für die Feuerung hereinzuholen. Der Waldboden aber lag über und
über voll von Nadeln, den Tangeln; hin und wieder lasen wir auch die
Zapfen der Nadelbäume, die Kufen oder Zehnden, auf. Oder wir lagerten uns
in der „Reue" zwischen den hohen Gräsern, den Schmalln, die uns fast ver¬
deckten, unserem „Goller", der gewirkten Strickjacke, tat das keinen Schaden;
oder wir setzten uns auf einen „Stöckhaufen" und hatten unsere Freude an
Bärlapp und Katzenpfötchen, dem Edelweiß der Heide.
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